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Testament, gemeinschaftliches


Begriff und rechtliche Grundlagen des gemeinschaftlichen Testaments

Das gemeinschaftliche Testament ist eine besondere Form der letztwilligen Verfügung im deutschen Erbrecht, die es Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern ermöglicht, gemeinsam ihren Nachlass rechtlich bindend zu regeln. Diese Form des Testaments ist ausschließlich Ehegatten und Lebenspartnern vorbehalten und unterscheidet sich sowohl in der Form als auch hinsichtlich der inhaltlichen Bindungswirkung maßgeblich vom Einzeltestament.

Die gesetzlichen Regelungen zum gemeinschaftlichen Testament finden sich insbesondere in den §§ 2265 bis 2273 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Das gemeinschaftliche Testament dient neben der Sicherung des überlebenden Ehegatten vielfach auch der Gestaltung einer ausgewogenen und verbindlichen Erbfolge innerhalb der Familie.


Voraussetzungen und Formvorschriften

Ehegattenspezifische Voraussetzungen

Ein gemeinschaftliches Testament kann ausschließlich von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern errichtet werden. Nicht verheiratete oder in einer Lebenspartnerschaft stehende Paare sowie nichteheliche Lebensgemeinschaften sind von dieser Testamentsform explizit ausgeschlossen.

Formale Anforderungen

Das gemeinschaftliche Testament muss wie das Einzeltestament grundsätzlich eigenhändig geschrieben und unterschrieben werden (§ 2267 BGB). Hierbei reicht es aus, wenn ein Ehegatte den gesamten Text eigenhändig niederschreibt und beide Ehegatten eigenhändig unterzeichnen. Die Angabe von Ort und Datum wird empfohlen, ist aus rechtlicher Sicht jedoch nicht zwingend vorgeschrieben, erleichtert jedoch die Nachvollziehbarkeit der Testamentsentstehung. Alternativ kann das gemeinschaftliche Testament auch vor einem Notar beurkundet werden.


Inhaltliche Gestaltung und typische Regelungen

Schlusserbeneinsetzung

Einer der häufigsten Regelungsgehalte im gemeinschaftlichen Testament ist die gegenseitige Einsetzung der Ehegatten als Alleinerben und die anschließende Bestimmung von Dritten (z. B. gemeinsame Kinder) zu Schlusserben nach dem Tod des zuletzt Versterbenden. Diese Regelung ist als Berliner Testament bekannt (§§ 2269, 2270 BGB).

Berliner Testament

Das Berliner Testament sieht typischerweise wie folgt aus:

  1. Einsetzung des überlebenden Ehegatten als alleinigen Erben des erstversterbenden Ehepartners.
  2. Bestimmung von gemeinsamen Kindern oder Dritten als Schlusserben nach dem Tod des länger lebenden Ehegatten.

Wechselbezügliche Verfügungen

Ein zentrales Element im gemeinschaftlichen Testament sind die sogenannten wechselbezüglichen Verfügungen (§ 2270 BGB). Eine Verfügung ist wechselbezüglich, wenn anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die entsprechende Verfügung des anderen getroffen worden wäre. Die Wechselbezüglichkeit führt dazu, dass solche Verfügungen nach dem Tod eines Ehegatten nicht mehr einseitig durch den überlebenden Ehegatten widerrufen oder abgeändert werden können.


Bindungswirkung und Widerrufsmöglichkeiten

Bindungswirkung

Mit dem Tod des erstversterbenden Ehegatten tritt für die wechselbezüglichen Verfügungen Bindungswirkung ein (§ 2271 BGB). Das bedeutet, der überlebende Ehegatte ist an die getroffenen Regelungen gebunden und kann diese nicht mehr abändern oder widerrufen.

Widerruf zu Lebzeiten

Bis zum Tod des erstversterbenden Ehegatten können beide Partner das gemeinsame Testament einvernehmlich aufheben oder einseitig widerrufen (§ 2271 Abs. 1, 2 BGB). Der Widerruf ist nur durch notariell beurkundete Erklärung gegenüber dem anderen Ehegatten möglich.

Anfechtungs- und Ausgleichsmöglichkeiten

Nach dem Erbfall kann der überlebende Ehegatte das Testament unter bestimmten engen Voraussetzungen anfechten, etwa bei Irrtümern oder arglistiger Täuschung (§§ 2078, 2281 BGB). Weiter bestehen gesetzliche Ausgleichsmechanismen zugunsten pflichtteilsberechtigter Personen.


Anfechtungs- und Auslegungsfragen

Da gemeinschaftliche Testamente oftmals im privaten Umfeld und ohne rechtliche Beratung errichtet werden, können Auslegungsfragen auftreten. Hierbei ist der im Testament zum Ausdruck kommende Wille der Ehegatten maßgeblich (§ 133, 2084 BGB). Gerichte können in solchen Auslegungsfällen den objektiven und mutmaßlichen Willen der Verfügenden ermitteln, insbesondere im Hinblick auf die Wechselbezüglichkeit und Reihenfolge der Erbfolge.


Vor- und Nachteile des gemeinschaftlichen Testaments

Vorteile

  • Sicherung des überlebenden Partners: Schutz des Ehegatten/Lebenspartners durch Einsetzung als Erbe oder lebenslanges Nießbrauchsrecht.
  • Verbindliche Nachlassregelung: Erhöht die Planungssicherheit für die Familie.
  • Einheitliche Erbfolge: Präzise Regelung der Schlusserbfolge insbesondere bei gemeinschaftlichen Kindern.

Nachteile

  • Eingeschränkte Änderungsmöglichkeit: Nach dem Tod des erstversterbenden Ehegatten ist der überlebende Ehegatte an die wechselbezüglichen Verfügungen gebunden.
  • Pflichtteilsansprüche: Pflichtteilsberechtigte (z. B. Kinder) können nach dem ersten Erbfall Pflichtteilsansprüche geltend machen, was zu Liquiditätsproblemen führen kann.
  • Fehlende Flexibilität: Spätere Lebensumstände (z. B. Wiederheirat) können nicht mehr ohne Weiteres berücksichtigt werden.

Steuerliche Aspekte und Pflichtteilsproblematik

Erbschaftsteuerliche Relevanz

Beim gemeinschaftlichen Testament können erbschaftsteuerliche Freibeträge und Steuerklassen eine Rolle spielen, insbesondere wenn nach dem ersten Erbfall Übertragungen auf den überlebenden Ehegatten und später auf die Kinder erfolgen. Eine sorgfältige Planung kann helfen, steuerliche Nachteile zu vermeiden.

Pflichtteilsrecht

Kindern steht beim Tod des erstversterbenden Elternteils grundsätzlich ein Pflichtteil zu, auch wenn sie erst Schlusserbe werden sollen. Die Beanspruchung des Pflichtteils kann durch Pflichtteilsstrafklauseln im Testament erschwert werden, diese müssen jedoch rechtssicher formuliert sein.


Widerruf und Anfechtung nach dem Tod eines Ehegatten

Nach dem Tod eines Ehegatten ist der überlebende Ehegatte hinsichtlich wechselbezüglicher Verfügungen grundsätzlich gebunden. Einseitige Änderungen sind ausgeschlossen. Ein Widerruf oder eine Anfechtung kommen nur in gesetzlich klar definierten Ausnahmefällen (z. B. Irrtum, Drohung) in Betracht.


Unterschiede zu anderen letztwilligen Verfügungen

Das gemeinschaftliche Testament unterscheidet sich maßgeblich von anderen letztwilligen Verfügungen:

  • Einzeltestament: Kann jederzeit frei widerrufen werden; keine Wechselbezüglichkeit.
  • Erbvertrag: Im Gegensatz zum gemeinschaftlichen Testament bindet ein Erbvertrag auch Dritte und kann auch mit Nicht-Ehegatten geschlossen werden; höhere Formvoraussetzungen (notariell).
  • Ehegatten mit Lebensgemeinschaftsvertrag: Keine Möglichkeit, gemeinsam als Paar ein Testament zu errichten.

Internationale Aspekte

Im internationalen Kontext ist zu beachten, dass die Bindungs- und Wirkungsweise des gemeinschaftlichen Testaments nach deutschem Recht nur für Nachlassgegenstände in Deutschland oder nach deutschem Erbrecht gilt. Im Ausland können abweichende Regelungen zur Form und Bindungswirkung bestehen.


Aufbewahrung und Registrierung

Das gemeinschaftliche Testament kann privat aufbewahrt oder beim Nachlassgericht amtlich hinterlegt werden. Eine gebührenpflichtige Registrierung im Zentralen Testamentsregister (ZTR) bei der Bundesnotarkammer wird empfohlen, um die Auffindbarkeit im Erbfall zu gewährleisten.


Zusammenfassung

Das gemeinschaftliche Testament ist ein rechtlich hochausdifferenziertes Instrument zur gemeinsamen Regelung der Erbfolge durch Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner. Es bietet Sicherheit und Verbindlichkeit, geht jedoch mit erheblichen Bindungswirkungen einher, die individuelle Gestaltungsfreiheit nach dem Tod des Erstversterbenden stark einschränken können. Die eigenhändige Errichtung ist formstrikt, Auslegungs- und Pflichtteilsprobleme sollten bei der Gestaltung sorgfältig Berücksichtigung finden. Das gemeinschaftliche Testament ist eine tragende Säule der familiengerichtlichen Nachlassplanung im deutschen Recht.

Häufig gestellte Fragen

Wer kann ein gemeinschaftliches Testament errichten?

Ein gemeinschaftliches Testament kann gemäß § 2265 BGB ausschließlich von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern gemeinschaftlich errichtet werden. Nicht verheiratete Paare, Verlobte oder andere gemeinsam lebende Personen sind rechtlich von dieser Möglichkeit ausgeschlossen, auch wenn sie in einem ähnlich engen Verhältnis stehen. Das Testament muss von einem der Ehegatten oder Lebenspartner eigenhändig geschrieben und von beiden unterzeichnet werden. Alternativ kann es auch notariell beurkundet werden. Zu beachten ist, dass das gemeinschaftliche Testament nicht vor Eintritt der Ehe oder der Lebenspartnerschaft errichtet werden kann, sondern nur während einer bestehenden gesetzlich anerkannten Beziehung.

Was ist bei der Errichtung und Unterzeichnung eines gemeinschaftlichen Testaments zu beachten?

Für die Wirksamkeit eines gemeinschaftlichen Testaments ist es erforderlich, dass mindestens einer der Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner das Testament komplett eigenhändig schreibt (§ 2267 BGB). Beide Partner müssen das Dokument eigenhändig unterschreiben. Die Unterschrift muss mit vollständigem Namen erfolgen und am Schluss des Testaments stehen, um die Echtheit und Ernsthaftigkeit der Erklärung zu gewährleisten. Auch das Hinzufügen des Orts und Datums wird empfohlen, ist aber nicht zwingend für die Wirksamkeit. Wird das gemeinschaftliche Testament notariell errichtet, müssen beide Partner gleichzeitig vor dem Notar erscheinen und ihre Willenserklärungen beurkunden lassen.

Kann ein gemeinschaftliches Testament jederzeit widerrufen oder abgeändert werden?

Grundsätzlich können Ehegatten bzw. Lebenspartner ein gemeinschaftliches Testament beliebig oft widerrufen oder ändern, solange beide leben und keine Bindungswirkung gemäß § 2271 BGB eingetreten ist. Ein Widerruf muss jedoch notariell beurkundet werden und dem anderen Partner zugehen, damit er wirksam ist. Nach dem Tod eines Partners sind änderungen oder ein Widerruf grundsätzlich nicht mehr möglich, sofern wechselbezügliche Verfügungen vorliegen. Das bedeutet, dass letztwillige Verfügungen, die voneinander abhängig sind – etwa bei gegenseitigen Erbeinsetzungen oder gemeinschaftlichen Regelungen für Dritte – nach dem Tod eines Partners für den Überlebenden bindend werden.

Was bedeutet die Bindungswirkung bei wechselbezüglichen Verfügungen?

Wechselbezügliche Verfügungen sind solche Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament, die so miteinander verknüpft sind, dass sie nur gelten sollen, wenn beide Partner entsprechende Regelungen treffen (§ 2270 BGB). Typische Beispiel sind der sogenannte „Berliner Testament“, bei dem sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben einsetzen und die Kinder erst nach dem Tod des Letztversterbenden beerben. Die Bindungswirkung tritt mit dem Tod des erstversterbenden Partners ein, sodass der überlebende Partner an die wechselbezüglichen Verfügungen gebunden ist und sie nicht mehr einseitig aufheben oder ändern kann. Lediglich durch Ausschlagung der Erbschaft kann der Überlebende diese Bindung vermeiden.

Wie kann ein gemeinschaftliches Testament wieder aufgehoben werden?

Solange beide Partner leben, kann das gemeinschaftliche Testament jederzeit gemeinschaftlich aufgehoben oder durch ein neues gemeinschaftliches oder Einzeltestament ersetzt werden. Für die Aufhebung ist die gleiche Form erforderlich wie für die Errichtung, das heißt, sie muss schriftlich erfolgen und von beiden unterschrieben werden. Zudem kann ein Partner das Testament auch einseitig widerrufen, solange der andere Partner lebt; dieser Widerruf muss allerdings notariell beurkundet und dem anderen Partner zu Lebzeiten zugehen. Nach dem Tod eines Partners ist eine Aufhebung grundsätzlich nicht mehr möglich, sofern wechselbezügliche Verfügungen im Testament enthalten waren.

Welche Rechtsfolgen hat eine Scheidung für ein gemeinschaftliches Testament?

Mit Rechtskraft der Scheidung verliert das gemeinschaftliche Testament gemäß § 2077 BGB grundsätzlich seine Wirksamkeit, sofern keine ausdrücklichen anderslautenden Regelungen im Testament getroffen wurden. Das bedeutet, dass sämtliche gegenseitigen Verfügungen so behandelt werden, als wären sie nicht getroffen worden. Gleiches gilt für die Auflösung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft. Ausnahmen bestehen, wenn aus dem Testament eindeutig hervorgeht, dass die letztwilligen Verfügungen auch im Falle einer Scheidung Bestand haben sollen. Im Zweifel empfiehlt sich eine ausdrückliche Klarstellung im Testament, um eine spätere Auslegung zu vermeiden.

Müssen gemeinschaftliche Testamente registriert werden?

Ein gemeinschaftliches Testament kann, sofern es eigenhändig errichtet wurde, beim zuständigen Nachlassgericht in amtliche Verwahrung gegeben werden. Bei notariellen gemeinschaftlichen Testamenten erfolgt die Verwahrung automatisch durch den Notar beim Gericht. Nach der Verwahrung wird das Testament im Zentralen Testamentsregister der Bundesnotarkammer registriert. Die Registrierung ist wichtig, um Auffindbarkeit und Wirksamkeit im Erbfall zu garantieren und Manipulationen vorzubeugen. Eine Pflicht zur Registrierung besteht rechtlich nicht bei eigenhändigen Testamenten, empfiehlt sich jedoch dringend, um einen Verlust oder eine Unauffindbarkeit nach dem Todesfall zu vermeiden.