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Terminservicestelle


Begriff und rechtliche Grundlagen der Terminservicestelle

Die Terminservicestelle (TSS) ist eine Einrichtung der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) in Deutschland, welche nach gesetzlichen Vorgaben der Sicherstellung der zeitnahen medizinischen Versorgung der gesetzlich Versicherten dient. Die rechtliche Grundlage für die Einrichtung und den Betrieb der Terminservicestellen bildet insbesondere das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), ergänzt durch Rechtsverordnungen und Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA).

1. Einführung und Aufgabenstellung

Die Terminservicestelle wurde im Rahmen des GKV-Versorgungsstärkungsgesetzes (GKV-VSG) zur Verbesserung der ambulanten Versorgung eingeführt. Ziel ist es, sicherzustellen, dass Versicherte in zumutbarer Zeit einen Termin bei einem niedergelassenen Arzt, Psychotherapeuten oder in spezialisierten Einrichtungen erhalten.

Zu den Hauptaufgaben der Terminservicestellen gehören:

  • Vermittlung von Facharztterminen
  • Vermittlung von Behandlungsterminen zu psychotherapeutischen Sprechstunden
  • Organisation von Akutbehandlungen sowie zeitnahen Terminen für spezielle Leistungen (zum Beispiel Kinder- und Jugendversorgung)

Diese Aufgaben wurden mit Inkrafttreten des Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG, 2019) noch erweitert und konkretisiert.

2. Gesetzliche Grundlagen

2.1. Verankerung im Sozialgesetzbuch V

Die maßgebliche gesetzliche Regelung befindet sich in den §§ 75 und 75a SGB V. Dort wird festgelegt, dass die Kassenärztlichen Vereinigungen Terminservicestellen einrichten und betreiben müssen, um die Vermittlung ärztlicher, psychotherapeutischer sowie zahnärztlicher Termine zu organisieren.

§ 75 SGB V: Stellt die generellen Aufgaben der Kassenärztlichen Vereinigungen dar und verweist auf die Verpflichtung zur Sicherstellung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen medizinischen Versorgung.

§ 75a SGB V: Regelt konkret die Aufgaben, Funktionsweise sowie die Anforderungen an die Erreichbarkeit der Terminservicestellen. Insbesondere wird auch die Möglichkeit der elektronischen Vermittlung und die Einführung der bundesweit bekannten Servicenummer 116117 festgelegt.

2.2. Durchführungsbestimmungen und Richtlinien

Der Gemeinsame Bundesausschuss erlässt ergänzende Richtlinien zur Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben, insbesondere in Bezug auf die Arten von vermittelbaren Terminen, die Dringlichkeitseinstufung und Fristsetzungen. Die Kassenärztlichen Vereinigungen regeln die konkrete Ausgestaltung, beispielsweise die technische Umsetzung und organisatorische Abläufe.

3. Organisation und Arbeitsweise

3.1. Erreichbarkeit und Service

Die Terminservicestellen sind flächendeckend rund um die Uhr telefonisch und elektronisch erreichbar, insbesondere über die bundeseinheitliche Telefonnummer 116117. Zudem bestehen Online-Portale zur Terminvermittlung.

3.2. Ablauf der Terminvermittlung

Nach Kontaktaufnahme prüft die Terminservicestelle zunächst die Anspruchsvoraussetzungen und das vorliegende Anliegen. Bei Facharztterminen ist in der Regel eine ärztliche Überweisung erforderlich, ausgenommen davon sind kinderärztliche Kontrollen, gynäkologische und augenärztliche Leistungen sowie Termine bei Psychotherapeuten für Sprechstunden.

Die Terminservicestelle vermittelt einen zeitnahen Behandlungstermin, der grundsätzlich innerhalb einer maximal vierwöchigen Frist ab Anfrage liegen muss. Wird kein Termin innerhalb dieses Zeitraums angeboten, muss ein Behandlungstermin in einer geeigneten ambulanten Einrichtung, zum Beispiel im Krankenhaus, ermöglicht werden (§ 75a SGB V).

3.3. Datenschutz und Schweigepflicht

Bei der Inanspruchnahme der Terminservicestelle werden personenbezogene und gesundheitsbezogene Daten verarbeitet. Die Datenverarbeitung erfolgt nach den Maßgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und des SGB X. Es gilt eine strenge ärztliche Schweigepflicht.

4. Rechtsfolgen und Kontrollmechanismen

4.1. Pflichten der Leistungserbringer und KVen

Ärztinnen und Ärzte, Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sind verpflichtet, entsprechende Termine für die Vermittlung durch die Terminservicestellen bereitzustellen. Die Nichtbeachtung dieser Verpflichtung kann sanktioniert werden, etwa durch Honorarkürzungen oder andere Maßnahmen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen.

4.2. Rechte der Patientinnen und Patienten

Gesetzlich Versicherte haben einen einklagbaren Anspruch auf eine zeitnahe Versorgung gemäß den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben. Die Terminservicestelle ist hierbei als unterstützende Instanz vorgesehen, ersetzt jedoch nicht den Anspruch auf Auswahl- und Selbstbestimmungsrechte der Patientinnen und Patienten bezüglich des Leistungserbringers. Die Terminangebote erfolgen in zumutbarer Entfernung vom Wohnort.

4.3. Kontrollmechanismen und Aufsicht

Die Aufsicht über die ordnungsgemäße Funktion der Terminservicestellen obliegt den Landesaufsichtsbehörden und dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Überwachungs- und Berichtspflichten sichern die Transparenz und Effizienz der vermittlungsbezogenen Abläufe.

5. Erweiterungen durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG)

Mit dem TSVG wurde das Aufgabenprofil der Terminservicestellen erheblich erweitert. Neben der klassischen Terminvermittlung umfassen die Aufgaben seitdem auch:

  • Vermittlung von Akutbehandlungen (nur mit entsprechender Dringlichkeitscodierung)
  • Vermittlung zur Kinder- und Jugendpsychiatrie sowie Ergotherapie
  • Vermittlung hausärztlicher Versorgung in dringlichen Fällen

Detailliert regelt das TSVG zudem die Fristen, Erreichbarkeiten und Vermittlungsvorgaben in diversen medizinischen Bereichen sowie die Pflichten der an der Versorgung beteiligten Akteure.

6. Praxisrelevanz und Auswirkungen auf die Gesundheitsversorgung

Die Einführung und Weiterentwicklung der Terminservicestellen hat das Versorgungsniveau für gesetzlich Versicherte messbar verbessert. Die Einhaltung der gesetzlichen Fristen sowie die transparenten Vermittlungsmechanismen wirken Wartezeiten entgegen und stärken das Vertrauen in die funktionierende Gesundheitsversorgung.

Gleichzeitig bestehen weiterhin Diskussionen hinsichtlich aufgetretener Kapazitätsengpässe, regionaler Versorgungsunterschiede und der praktischen Umsetzbarkeit insbesondere bei Facharztterminen in besonders nachgefragten Bereichen.


Zusammenfassung:
Die Terminservicestelle ist eine gesetzlich vorgeschriebene, bei den Kassenärztlichen Vereinigungen angesiedelte Institution zur Förderung einer bedarfsgerechten, zeitnahen ambulanten Versorgung der gesetzlich Versicherten. Ihre Rechtsgrundlage findet sich in den §§ 75 und 75a SGB V sowie im Terminservice- und Versorgungsgesetz. Die Terminservicestellen leisten einen wesentlichen Beitrag zur Sicherstellung der Versorgung, unterliegen umfassenden rechtlichen und organisatorischen Anforderungen und werden laufend mit zusätzlichen Aufgaben betraut. Die gesetzlich geregelte Terminvermittlung ist ein zentrales Instrument zur Wahrung des Anspruchs auf medizinische Versorgung für Versicherte in Deutschland.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Ansprüche haben gesetzlich Versicherte gegenüber der Terminservicestelle?

Gesetzlich Versicherte in Deutschland haben nach § 75 SGB V einen Anspruch darauf, von der Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigungen innerhalb bestimmter Fristen einen Termin bei einem Facharzt oder Psychotherapeuten zu erhalten. Der Gesetzgeber hat den Anspruch mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) im Jahr 2019 gestärkt und präzisiert. Die Terminservicestellen sind verpflichtet, spätestens innerhalb von vier Wochen nach Anfrage einen fachärztlichen Behandlungstermin zu vermitteln. Im Fall der Überweisung zu einer hochdringlichen Untersuchung muss innerhalb von 14 Tagen ein Termin ermöglicht werden. Kann kein Termin in der wohnortnahen Region angeboten werden, besteht ein Anspruch auf Vermittlung einer ambulanten Behandlung in einem Krankenhaus. Die Verpflichtungen der Terminservicestelle sind rechtlich einklagbar, sofern ein Verstoß gegen diese Fristen nachweisbar ist.

Unterliegen die Terminservicestellen besonderen Datenschutzbestimmungen?

Ja, bei der Tätigkeit der Terminservicestellen müssen die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) strikt eingehalten werden. Insbesondere dürfen personenbezogene und medizinische Informationen der Versicherten nur im erforderlichen Umfang erhoben und an Leistungserbringer übermittelt werden. Die Verarbeitung erfolgt ausschließlich zweckgebunden zur Terminvermittlung, und die Daten müssen nach Abschluss des Vermittlungsverfahrens gelöscht bzw. gesperrt werden. Verstöße gegen den Datenschutz können zu aufsichtsrechtlichen Sanktionen durch die zuständigen Datenschutzbehörden führen.

Welche Beschwerdemöglichkeiten bestehen bei Nichtvermittlung oder Fristüberschreitungen seitens der Terminservicestelle?

Wird kein Termin innerhalb der gesetzlichen Fristen vermittelt, können Versicherte zunächst eine Beschwerde bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung einreichen. Sollte dies zu keinem Erfolg führen, besteht die Möglichkeit, sich an die zuständige Aufsichtsbehörde (in der Regel die Landesaufsichtsbehörde für Gesundheit) zu wenden oder den Weg einer sozialrechtlichen Klage beim Sozialgericht einzuschlagen, um den vermittelten Anspruch auf eine zeitnahe Terminvergabe durchzusetzen. Unterstützend kann auch die Patientenberatung der Verbraucherzentralen oder der Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) in Anspruch genommen werden.

Welche rechtlichen Besonderheiten gelten bei der Terminvermittlung für Kinder und Jugendliche?

Für Kinder und Jugendliche gelten im Rahmen der Terminservicestellen besondere Schutzbestimmungen. Die rechtlichen Anspruchsgrundlagen sind grundsätzlich dieselben wie für Erwachsene, jedoch müssen die Terminservicestellen gemäß § 4 Absatz 5 KSVPV besondere Rücksicht auf die kindgerechte und zeitnahe Versorgung nehmen. Zudem unterliegen sie bei der Vermittlung psychotherapeutischer Leistungen für Minderjährige zusätzlichen Sorgfalts- und Informationspflichten, unter anderem im Hinblick auf die Einbeziehung der Sorgeberechtigten und auf den Datenschutz.

Können auch Wunschtermine oder Wunschärzte rechtlich eingefordert werden?

Nein, Versicherte haben keinen rechtlichen Anspruch darauf, dass die Terminservicestelle einen Termin bei einem bestimmten Wunsch-Arzt oder zu einem Wunschzeitpunkt vermittelt. Die Terminservicestellen sind lediglich verpflichtet, einen Termin bei einem geeigneten und verfügbaren Leistungserbringer im zumutbaren Umkreis und innerhalb der gesetzlichen Frist zu organisieren. Das subjektive Patientenwahlrecht wird durch die Bestimmungen zur Terminservicestelle eingeschränkt, wobei schwerwiegende persönliche oder medizinische Gründe berücksichtigt werden können, wenn sie entsprechend nachgewiesen werden.

Unterliegen die durch die Terminservicestelle vermittelten Ärzte besonderen rechtlichen Pflichten?

Ärzte, bei denen ein Termin durch die Terminservicestelle vermittelt wurde, unterliegen grundsätzlich denselben berufsrechtlichen und haftungsrechtlichen Pflichten wie bei regulär vereinbarten Terminen. Insbesondere besteht die Pflicht zur ordnungsgemäßen Aufklärung, vollumfänglichen Dokumentation und zur Behandlung nach aktuellem medizinischem Standard. Sie dürfen Versicherten aufgrund der durch die Servicestelle erfolgten Vermittlung keine zusätzlichen Gebühren berechnen oder die Behandlung verweigern, solange eine entsprechende Überweisung oder Indikation besteht.

Gibt es rechtliche Unterschiede zwischen der Vermittlung von fachärztlichen und psychotherapeutischen Terminen?

Ja, die rechtlichen Voraussetzungen und Pflichten können sich unterscheiden. Während bei fachärztlichen Terminen meist eine ärztliche Überweisung erforderlich ist, sind für psychotherapeutische Sprechstunden und Akutbehandlungen laut Psychotherapeutengesetz andere Fristen und Vorgaben maßgeblich. Insbesondere besteht für die Vermittlung zur psychotherapeutischen Sprechstunde kein Überweisungserfordernis. Zudem sind die Terminservicestellen gesetzlich verpflichtet, bestimmte Mindestfristen für die Vermittlung psychotherapeutischer Erstgespräche zu gewährleisten (§ 92 SGB V), um eine zeitnahe Versorgung auch im Bereich der psychischen Gesundheit sicherzustellen.