Definition und rechtliche Grundlagen des Teilstreiks
Ein Teilstreik ist eine spezielle Form des Arbeitskampfes, bei dem eine oder mehrere abgegrenzte Gruppen von Beschäftigten eines Unternehmens zielgerichtet die Arbeit niederlegen. Im Unterschied zum Vollstreik, bei dem sämtliche Beschäftigten zur Arbeitsniederlegung aufgerufen werden, beschränkt sich der Teilstreik auf bestimmte Abteilungen, Tätigkeitsbereiche, Arbeitsplätze oder Gruppen innerhalb eines Betriebes. Teilstreiks stellen im deutschen Arbeitskampf- und Tarifrecht eine bedeutende und häufig eingesetzte Arbeitskampfmaßnahme dar, deren rechtliche Einordnung komplex ist und zentralen gesetzlichen sowie tarifvertraglichen Regelungen unterliegt.
Abgrenzung zu anderen Arbeitskampfmaßnahmen
Die Abgrenzung des Teilstreiks gegenüber anderen Arbeitskampfmitteln wie dem Warnstreik oder dem Vollstreik ist maßgeblich im Hinblick auf dessen rechtliche Folgen. Beim Teilstreik wird die Streikmaßnahme bewusst auf einen Teilbereich beschränkt, während der übrige Betrieb regulär weiterarbeitet. Im Gegensatz dazu ist der gesamte Betriebsablauf beim Vollstreik betroffen. Teilstreiks werden häufig taktisch eingesetzt, um wirtschaftlichen Druck aufzubauen, ohne den gesamten Betrieb lahmzulegen.
Zulässigkeit des Teilstreiks nach deutschem Arbeitsrecht
Die Zulässigkeit und rechtliche Bewertung von Teilstreiks ist im deutschen Arbeitsrecht nicht explizit gesetzlich geregelt, sondern ergibt sich überwiegend aus der Rechtsprechung und der Rechtsdogmatik zum generellen Arbeitskampfrecht.
Arbeitskampfrechtliche Voraussetzungen
Tariflich regelbare Ziele
Ein Teilstreik ist grundsätzlich nur zulässig, wenn er sich auf tariflich regelbare Ziele bezieht. Die Arbeitsniederlegung muss auf ein Ziel gerichtet sein, das durch Tarifvertrag regelbar ist (§ 74 Abs. 2 BetrVG in Verbindung mit § 1 TVG).
Friedenspflicht
Ein Teilstreik ist während der so genannten Friedenspflicht, also während der Laufzeit eines Tarifvertrages bezüglich der umkämpften Angelegenheit, unzulässig. Sobald die Friedenspflicht abgelaufen ist, kann ein Teilstreik zulässig sein.
Verhältnismäßigkeit
Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit spielt eine zentrale Rolle. Der Teilstreik muss das „letzte Mittel“ (ultima ratio) im Arbeitskampf darstellen. Es muss zuvor versucht worden sein, das Konfliktthema durch Verhandlungen zu lösen. Teilstreiks dürfen nicht willkürlich oder unverhältnismäßig eingesetzt werden.
Streikbeschluss und Streikaufruf
Für die Rechtmäßigkeit eines Teilstreiks ist ein Beschluss der Gewerkschaft sowie ein formeller Streikaufruf erforderlich. Die Gewerkschaft entscheidet auch über die Auswahl der betroffenen Beschäftigtengruppen.
Beteiligte und Auswirkungen
Ein Teilstreik unterscheidet sich vom wilden Streik darin, dass er durch eine tariffähige Arbeitnehmervereinigung (Gewerkschaft) getragen werden muss und nicht eigenmächtig von Arbeitnehmergruppen begonnen werden darf.
Rechtsfolgen eines Teilstreiks
Arbeitsverhältnis während des Teilstreiks
Für die von der Arbeitsniederlegung betroffenen Beschäftigten ruht die beiderseitige Hauptpflicht des Arbeitsverhältnisses: sowohl die Arbeitspflicht des Arbeitnehmers als auch die Vergütungspflicht des Arbeitgebers entfallen während der Dauer des Teilstreiks. Allerdings ist der Arbeitgeber nicht berechtigt, betroffene Beschäftigte zu kündigen, sofern der Teilstreik rechtmäßig durchgeführt wird.
Streikgeld
Beschäftigte, die sich an einem rechtmäßigen Teilstreik beteiligen, haben grundsätzlich keinen Anspruch auf Vergütung durch den Arbeitgeber. Stattdessen können sie vom Arbeitskampf führenden Verband (Gewerkschaft) ein sogenanntes Streikgeld erhalten.
Nichtstreikende Beschäftigte und „Annäherungsverbot“
Beschäftigte, die nicht am Teilstreik teilnehmen, behalten ihren Anspruch auf Arbeitsvergütung, sofern sie zur Arbeit bereit und in der Lage sind. Der Arbeitgeber darf die verbleibenden Arbeitnehmer nicht mit Aufgaben der streikenden Gruppe betrauen, um den Streikerfolg zu neutralisieren (Grundsatz des Annäherungsverbots).
Aussperrung als Reaktion auf Teilstreik
Als Reaktion auf einen Teilstreik kann der Arbeitgeber eine Aussperrung verhängen. Diese muss jedoch verhältnismäßig sein und verhältnismäßig auf den Streik beschränkt werden. Die wechselseitige Reaktionsmöglichkeit ist Gegenstand arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung.
Rechtsprechung und praxisrelevante Fälle
BAG-Rechtsprechung
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Zulässigkeit von Teilstreiks in verschiedenen Urteilen bekräftigt. Demnach sind Teilstreiks grundsätzlich erlaubt, sofern sie tariflich regelbare Ziele verfolgen, gewerkschaftlich getragen werden und keine Friedenspflicht verletzt wird. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit findet in der Rechtsprechung Berücksichtigung.
Arbeitsgerichtliche Verfahren
In der arbeitsgerichtlichen Praxis spielen Teilstreiks vor allem in großbetrieblichen Auseinandersetzungen sowie bei punktuellen Arbeitskämpfen eine Rolle. Besonders umstritten sind Fälle, in denen durch die Auswahl bestimmter Schlüsselbereiche ein erheblicher wirtschaftlicher Druck erzeugt wird, obwohl nur ein kleiner Teil der Belegschaft streikt.
Zusammenfassung und Bedeutung in der Arbeitskampfpraxis
Der Teilstreik ist ein zentrales Instrument im deutschen Arbeitskampfrecht, das dazu geeignet ist, gezielt wirtschaftlichen Druck auszuüben, ohne den gesamten Betrieb lahmzulegen. Trotz seiner rechtlichen Zulässigkeit unterliegt er strengen Voraussetzungen, die sowohl in der arbeitsrechtlichen Lehre als auch in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelt wurden. Die genaue Beachtung von Friedenspflicht, Tarifbindung, Verhältnismäßigkeit und gewerkschaftlicher Organisation ist dabei unerlässlich. Aufgrund seiner taktischen Flexibilität und rechtlichen Komplexität bleibt der Teilstreik ein elementarer, aber regelmäßig rechtlich umstrittener Baustein im kollektiven Arbeitskampfrecht.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Folgen hat ein Teilstreik für das Arbeitsverhältnis?
Ein Teilstreik – also ein Streik, bei dem nicht sämtliche, sondern nur ausgewählte Arbeitsaufgaben oder Personengruppen die Arbeit niederlegen – hat weitreichende arbeitsrechtliche Konsequenzen. Grundsätzlich gilt: Nimmt ein Arbeitnehmer an einem rechtmäßigen Teilstreik teil, ist er während dessen von seiner Arbeitspflicht befreit. Gleichzeitig entfällt der Anspruch auf Lohnzahlung gemäß § 275 Abs. 1 BGB i.V.m. § 615 Satz 1 BGB (Streikrisiko bei Arbeitnehmer). Der Arbeitsvertrag bleibt jedoch im Übrigen bestehen und schützt den Arbeitnehmer vor einer ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung, solange die Teilnahme am Streik rechtmäßig ist. Arbeitgeber dürfen als Reaktion auf einen zulässigen Teilstreik keine individualrechtlichen Sanktionen verhängen, wie etwa Abmahnungen oder Kündigungen wegen der Streikbeteiligung, da die Ausübung des Streikrechts grundgesetzlich in Art. 9 Abs. 3 GG geschützt ist. Bei rechtswidrigen Teilstreiks hingegen kann der Arbeitgeber arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen, da die Arbeitsniederlegung dann als Vertragsverletzung gewertet wird.
In welchen Fällen ist ein Teilstreik rechtlich zulässig?
Ein Teilstreik ist – wie jeder Streik – rechtlich nur zulässig, wenn er sich auf tariflich regelbare Ziele bezieht und von einer tariffähigen Gewerkschaft organisiert wird. Weiterhin muss der Streik das Prinzip der Verhältnismäßigkeit wahren; das heißt, er muss das geeignete und erforderliche Mittel in der Tarifauseinandersetzung sein und darf keine unverhältnismäßigen Schäden verursachen. Ein Teilstreik ist insbesondere dann zulässig, wenn er nicht bloß eine symbolische Wirkung entfaltet, sondern realen Arbeitsdruck erzeugt und das Streikziel fördern kann. Auf betrieblicher Ebene müssen zudem sogenannte „Friedenspflichten“ beachtet werden, sofern ein einschlägiger Tarifvertrag noch nicht abgelaufen ist. Ein rechtswidriger Teilstreik liegt etwa dann vor, wenn während der Friedenspflicht oder ohne vorherige Verhandlungen (ohne „Aussperrung“ der Verhandlungsbereitschaft) gestreikt wird.
Wie verhält es sich mit der Lohnfortzahlung während eines Teilstreiks?
Während eines rechtmäßigen Teilstreiks besteht kein Anspruch auf Lohnfortzahlung für die Dauer der aufgehobenen Arbeitspflicht. Dies gilt auch für Teilstreiks: Entweder ruht das gesamte Arbeitsverhältnis (bei vollständigem Arbeitsausfall) oder im Falle von „funktionalen Teilstreiks“ (bestimmte Aufgaben werden weiter erfüllt) entfällt zumindest für die bestreikten Tätigkeiten der Lohnanspruch. Eine anteilige Lohnkürzung ist zulässig, wenn der Arbeitnehmer beispielsweise einen Teil der Arbeitszeit im Streik verbringt und den Rest arbeitet. Für den Arbeitgeber bedeutet dies, dass nur der tatsächlich geleistete – also nicht bestreikte – Arbeitsteil zu vergüten ist. Es besteht im deutschen Recht keine gesetzliche Verpflichtung zur Lohnfortzahlung bei rechtmäßigen Streikmaßnahmen.
Ist eine Aussperrung als Reaktion auf einen Teilstreik rechtlich erlaubt?
Der Arbeitgeber kann auf einen Teilstreik grundsätzlich mit einer Aussperrung reagieren, um Druck auf die Gewerkschaft auszuüben. Jedoch ist auch die Aussperrung rechtlich nur unter strengen Voraussetzungen erlaubt. Sie muss „verhältnismäßig“ sein, das heißt, sie darf nicht über das Maß der erforderlichen Gegenwehr hinausgehen („Sympathieaussperrung“ ist grundsätzlich unzulässig). Die Aussperrung darf zudem ausschließlich gegen Streikende und deren Unterstützer eingesetzt werden. Die Rechtmäßigkeit der Aussperrung ergibt sich aus dem Zusammenhang von Art. 9 Abs. 3 GG mit den Grundsätzen der Arbeitskampfrechtssprechung. Missbräuchliche oder unverhältnismäßige Aussperrungen, insbesondere bei geringfügigen Teilstreiks, sind rechtlich angreifbar.
Wie wirkt sich ein Teilstreik auf den Urlaubsanspruch aus?
Die Teilnahme an einem Teilstreik hat keinen direkten Einfluss auf den bereits bestehenden Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers. Urlaubstage, die während eines Teilstreiks genommen werden, gelten als ordnungsgemäß genommen und werden nicht durch die Teilnahme am Arbeitskampf entwertet. Streikzeiten führen grundsätzlich nicht zur Kürzung des Urlaubsanspruchs, da während eines rechtmäßigen Streiks das Arbeitsverhältnis ruht, eine einvernehmliche Unterbrechung wie bei unbezahltem Sonderurlaub jedoch nicht vorliegt. Nimmt ein Arbeitnehmer während eines Streiks Urlaub, erhält er weiterhin Urlaubsentgelt (§ 11 BUrlG); beschließt ein Arbeitnehmer, den Streik zu nutzen, um Urlaub zu nehmen, liegt darin rechtlich kein Verstoß.
Welche Pflichten hat der Arbeitgeber bei einem Teilstreik hinsichtlich der Arbeitsorganisation?
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den Teilstreik organisatorisch und rechtlich korrekt zu handhaben. Er muss zunächst feststellen, welche Arbeitnehmer sich am Teilstreik beteiligen und welche weiter arbeitsbereit sind, um eine fehlerhafte Lohnabrechnung zu vermeiden. Es besteht keine Verpflichtung zur Annahme der nicht gestreikten Teilarbeit, sofern deren Annahme dem Arbeitgeber wirtschaftlich unmöglich oder unzumutbar wäre (bspw. wenn der verbleibende Arbeitsteil sinnentleert ist). Die Pflicht zur Zeiterfassung und Dokumentation bleibt bestehen; der Arbeitgeber muss eine genaue Aufteilung der Arbeitszeiten und -umfänge gewährleisten. Gleichzeitig ist er – wie auch außerhalb des Streiks – zum Schutz der nicht am Streik Beteiligten verpflichtet, etwa hinsichtlich des Arbeits- und Gesundheitsschutzes sowie der Einhaltung des Betriebsfriedens.
Können einzelne Arbeitnehmer bei Beteiligung am Teilstreik individuell haftbar gemacht werden?
Arbeitnehmer, die sich an einem rechtmäßigen Teilstreik beteiligen, sind individuell nicht schadensersatzpflichtig für Schäden, die dem Arbeitgeber durch die Arbeitsniederlegung entstehen. Das Bundesarbeitsgericht sieht in der Teilnahme am rechtmäßigen Streik die Ausübung eines Grundrechts und verneint explizit eine individuelle Haftung (§ 823 BGB greift daher nicht). Anders verhält es sich bei rechtswidrigen Teilstreiks oder wenn Arbeitnehmer ihre Streikteilnahme mit strafbaren Handlungen verbinden (z.B. Sabotage, Nötigung), hier kann eine persönliche Haftung, einschließlich arbeitsrechtlicher Konsequenzen bis zur Kündigung, sowie strafrechtliche Verfolgung in Betracht kommen. Auch Übergriffe auf Nicht-Streikende („Streikbrecher“) können zu rechtlichen Konsequenzen führen.