Begriff und rechtliche Einordnung der Teilkündigung
Die Teilkündigung bezeichnet im deutschen Recht die einseitige Erklärung des Kündigenden, einen bestehenden Vertrag nicht vollständig, sondern nur hinsichtlich eines abgegrenzten, von dem Gesamtvertrag abtrennbaren Teils zu beenden. Im Gegensatz zur vollständigen Kündigung, die das gesamte Vertragsverhältnis beendet, bleibt bei der Teilkündigung das übrige Vertragsverhältnis bestehen. Die Teilkündigung ist nur in engen rechtlichen Grenzen zulässig und erfordert stets eine ausdrückliche gesetzliche Regelung oder eine entsprechende Vereinbarung zwischen den Vertragsparteien.
Zulässigkeit und rechtliche Voraussetzungen
Grundsatz: Unzulässigkeit ohne Grundlage
Im Vertragsrecht gilt der Grundsatz, dass eine Teilkündigung ohne vertragliche oder gesetzliche Grundlage grundsätzlich ausgeschlossen ist. Verträge sind im Sinne des Grundsatzes der Vertragstreue bindend und können inhaltlich grundsätzlich nur vollständig gekündigt werden (Grundsatz der Einheitlichkeit des Schuldverhältnisses). Eine Ausnahme hiervon besteht nur, wenn:
der Vertrag eine Teilkündigung ausdrücklich vorsieht,
eine Teilkündigung durch Gesetz erlaubt ist,
der Vertrag tatsächlich teilbar ist und durch die Teilkündigung die Interessen des anderen Vertragsteils nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden.
Gesetzliche Erlaubnisse zur Teilkündigung
Bestimmte Vertragsverhältnisse kennen ausnahmsweise die Möglichkeit der Teilkündigung:
Mietrecht
Im deutschen Mietrecht (§ 573b BGB – Teilkündigung des Vermieters) kann der Vermieter von Wohnraum das Mietverhältnis hinsichtlich einzelner, abgrenzbarer Teile der Mietsache (z. B. von Nebenräumen) kündigen, wenn hierfür ein berechtigtes Interesse besteht und die verbleibende Mietsache dem Mieter weiterhin zumutbar ist.
Dienstleistungs- und Werkvertragsrecht
Eine Teilkündigung einzelner Werkleistungen oder Dienste kommt nur in Betracht, wenn der Vertrag eine solche Handlung ausdrücklich zulässt, etwa durch entsprechende Absprachen oder Vorliegen von Teilverträgen.
Bauvertragsrecht
Im Bauvertragsrecht wird die Teilkündigung aufgrund der vielfachen Komplexität von Bauvorhaben häufig vertraglich vereinbart. Nach § 8 Abs. 1 VOB/B (Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen) besteht das Recht zur Teilkündigung, sofern dies im Vertrag vorgesehen und der betroffene Teil des Werks abgrenzbar ist.
Arbeitsrecht
Im Arbeitsrecht ist die Teilkündigung grundsätzlich unzulässig, da sie eine einseitige Änderung des Arbeitsvertrags darstellen würde. Abänderungen individualvertraglicher Pflichten erfolgen durch sogenannte Änderungskündigungen, die strengeren Voraussetzungen unterliegen.
Abgrenzung zur Änderungskündigung
Bei der Änderungskündigung handelt es sich um die Kündigung des bestehenden Vertrags verbunden mit dem Angebot, das Vertragsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen. Im Unterschied hierzu beendet die Teilkündigung einen abgrenzbaren Teil des Vertrags ohne gleichzeitiges Angebot zur Fortführung unter veränderten Bedingungen.
Voraussetzungen einer wirksamen Teilkündigung
Teilbarkeit des Vertrages
Eine Teilkündigung setzt zwingend die Teilbarkeit des Vertragsgegenstandes voraus. Ein Vertrag ist teilbar, wenn einzelne Leistungsbereiche sachlich und rechtlich voneinander getrennt werden können, ohne dass die Restleistung für den Vertragspartner unzumutbar wird oder sich der Vertragszweck grundlegend verändert.
Abgrenzbarkeit des zu kündigenden Teils
Der zu kündigende Teil muss klar und eindeutig vom übrigen Vertragsinhalt abgrenzbar sein. Die Teilkündigung darf keine unbestimmten oder nicht abtrennbaren Leistungen betreffen.
Wahrung der gesetzlichen beziehungsweise vertraglichen Formerfordernisse
Wie bei der vollständigen Kündigung müssen bei der Teilkündigung die gesetzlichen und vertraglich vorgeschriebenen Formvorgaben (z. B. Schriftform, Fristen) eingehalten werden.
Rechtsfolgen einer Teilkündigung
Die Teilkündigung hat die Beendigung des gekündigten Vertragsteils zum vorgesehenen Zeitpunkt zur Folge. Ansprüche aus dem gekündigten Teilabschnitt erlöschen mit Ablauf der Kündigungsfrist. Für den verbleibenden Vertragsteil bleiben die Pflichten und Rechte der Parteien unverändert bestehen. Gegebenenfalls können sich infolge der Teilkündigung Anpassungsansprüche oder Ausgleichsforderungen ergeben, insbesondere dann, wenn dem anderen Teil durch die Teilkündigung wirtschaftliche Nachteile entstehen.
Teilkündigung im öffentlichen Recht und besonderen Vertragsrechten
Öffentliche Aufträge
Im Vergaberecht und bei der Ausführung öffentlicher Aufträge kann die Teilkündigung beispielsweise gemäß § 8 VOB/B durch die öffentliche Hand erfolgen, um Leistungsanpassungen während eines laufenden Bau-, Dienst- oder Liefervertrags vorzunehmen.
Versicherungsvertragsrecht
In der privaten Unfallversicherung kann der Versicherungsnehmer gemäß § 33 VVG das Versicherungsverhältnis in Bezug auf einzelne versicherte Leistungen ohne Beendigung des gesamten Vertrags kündigen.
Rechtsprechung zur Teilkündigung
Die Rechtsprechung betont, dass Verträge im Zweifel nicht teilbar sind. Eine Teilkündigung wird von Gerichten nur in Ausnahmefällen für wirksam erachtet, sofern die gesetzlichen oder ausdrücklich vereinbarten Voraussetzungen eingehalten wurden und dem anderen Vertragsteil dadurch kein unzumutbarer Nachteil entsteht. Insbesondere im Arbeitsrecht werden Teilkündigungen als unzulässig angesehen.
Fazit
Die Teilkündigung ist ein komplexes Mittel der Vertragsbeendigung, das nur unter strengen Voraussetzungen zulässig ist. Sie setzt stets eine eindeutige gesetzliche Ermächtigung oder eine klare vertragliche Vereinbarung, die Teilbarkeit des Vertragsgegenstands sowie die Einhaltung aller erforderlichen Formen und Fristen voraus. Die Anwendung der Teilkündigung ist im deutschen Zivil- und Öffentlichen Recht nur begrenzt möglich und birgt für beide Vertragsparteien bedeutende rechtliche Folgen.
Siehe auch:
Kündigung (Vertrag)
Änderungskündigung
Rücktritt
Vertragsrecht
Rechtliche Grundlagen (Auswahl):
§§ 573b, 620 BGB
§ 8 VOB/B
§ 33 VVG
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für eine Teilkündigung erfüllt sein?
Eine Teilkündigung ist grundsätzlich nur zulässig, wenn sie entweder vertraglich ausdrücklich vereinbart wurde oder wenn das Gesetz besondere Regelungen hierfür vorsieht. Im deutschen Zivilrecht gilt der Grundsatz der Vertragseinheit, sodass Verträge grundsätzlich nur im Ganzen gekündigt werden können und eine teilweise Beendigung des Vertragsverhältnisses – also eine Teilkündigung – ohne entsprechende vertragliche oder gesetzliche Grundlage rechtlich unwirksam ist. Wichtig ist insbesondere, dass durch die Teilkündigung der Vertrag nicht so verändert wird, dass sein Wesen wesentlich beeinträchtigt wird. Bei Dauerschuldverhältnissen, wie etwa Miet-, Pacht- oder Dienstverträgen, kann eine Teilkündigung in Ausnahmefällen in Betracht kommen, etwa wenn eine entsprechende Klausel im Vertrag enthalten ist oder die Parteien einvernehmlich eine Teilkündigung vereinbaren. Auch im Mietrecht (§ 573b BGB, Teilkündigung von Nebenräumen) und im Arbeitsrecht (betriebsbedingte Änderungskündigung) existieren gesetzliche Sonderregelungen, die in einzelnen Fällen eine Teilkündigung ermöglichen.
Welche Verträge erlauben grundsätzlich eine Teilkündigung?
Teilkündigungen sind insbesondere bei Dauerschuldverhältnissen relevant, dazu zählen beispielsweise Mietverträge, Pachtverträge und bestimmte Werk- und Dienstverträge. Ihre Zulässigkeit ist jedoch strikt begrenzt und muss explizit im Vertrag geregelt sein oder sich aus spezialgesetzlichen Vorschriften ergeben. Bei sehr komplexen Vertragswerken – etwa Betreiberverträgen, Rahmenverträgen oder Generalunternehmerverträgen – kann durch ausdrückliche vertragliche Regelungen festgelegt werden, welche Vertragsteile individuell kündbar sind. In anderen Rechtsbereichen, zum Beispiel bei Versicherungsverträgen, sind Teilkündigungen in Form der Kündigung einzelner versicherter Risiken oder Bausteine möglich, wenn dies in den Versicherungsbedingungen vorgesehen ist. Hingegen sind bei einmaligen Austauschverträgen (z.B. Kaufvertrag über eine Sache) Teilkündigungen generell ausgeschlossen, da deren Inhalt bereits vollständig erfüllt ist oder zu einem einmaligen Leistungsaustausch verpflichtet.
Welche Unterschiede bestehen zwischen Teilkündigung und Änderungskündigung?
Die Teilkündigung und die Änderungskündigung unterscheiden sich grundlegend in ihrer Zielrichtung und Rechtswirkung. Eine Teilkündigung beendet lediglich einen bestimmten abgrenzbaren Teil des Vertrags, während der übrige Vertrag bestehen bleibt. Beispielsweise kann bei einem Mietvertrag über Wohnräume die Vermietung eines Stellplatzes separat gekündigt werden, sofern dies vereinbart ist. Die Änderungskündigung hingegen ist insbesondere im Arbeitsrecht relevant und bedeutet, dass das gesamte bestehende Arbeitsverhältnis gekündigt und gleichzeitig ein neues, geändertes Vertragsangebot unterbreitet wird. Die Änderung der Vertragsbedingungen erfolgt hier also im Rahmen eines neuen Vertragsverhältnisses nach Ablauf der Kündigungsfrist, sofern der Arbeitnehmer das Angebot annimmt. Die Änderungskündigung zielt somit auf eine umfassende Anpassung vertraglicher Pflichten, während die Teilkündigung selektiv nur einzelne Vertragsteile betrifft.
Wie wirkt sich eine Teilkündigung auf die übrigen Vertragsbestandteile aus?
Wird eine Teilkündigung wirksam ausgesprochen, bleibt der übrige Vertrag grundsätzlich unverändert bestehen, als hätte der gekündigte Teil von Anfang an nicht zum Vertrag gehört. Die Rechte und Pflichten der Parteien hinsichtlich der nicht gekündigten Vertragsteile bestehen unverändert fort. Es ist jedoch zwingend erforderlich, dass die abgetrennten Vertragsteile rechtlich und tatsächlich selbstständig sind, sodass die verbleibenden Vertragskomponenten weiterhin sinnvoll erfüllt werden können. Ist dies nicht gewährleistet, besteht das Risiko, dass eine unzulässige Teilkündigung als vollständige Kündigung ausgelegt wird oder unwirksam ist. Bei Mietverträgen kann dies bedeuten, dass zum Beispiel die Kündigung eines Nebenraums oder einer Garage das Mietverhältnis über die Hauptwohnung nicht berührt, sofern die Nutzungen voneinander abtrennbar sind.
Können auch Verbraucher einer Teilkündigung widersprechen?
Grundsätzlich steht es dem Vertragspartner, also auch Verbrauchern, frei, einer unrechtmäßigen Teilkündigung zu widersprechen oder dieser zu widersprechen, wenn die formellen und materiellen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Verbraucher profitieren darüber hinaus oft vom besonderen Schutz durch das Verbraucherschutzrecht, wonach etwa überraschende oder benachteiligende Teilkündigungsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) regelmäßig gemäß § 307 BGB unwirksam sein können. Im Streitfall kann zum Beispiel eine gerichtliche Klärung herbeigeführt werden, wobei häufig bereits die Unwirksamkeit der Teilkündigung festgestellt wird, sofern die zugrunde liegenden Voraussetzungen fehlen oder Formmängel bestehen.
Welche Fristen gelten bei einer Teilkündigung?
Die bei einer Teilkündigung einzuhaltenden Fristen richten sich grundsätzlich nach den gesetzlichen oder vertraglichen Kündigungsfristen des zugrundeliegenden Vertragsverhältnisses. Ist im Vertrag geregelt, dass einzelne Leistungen oder Vertragsteile teilkündbar sind, so gelten hierfür in der Regel die gleichen Fristen wie bei einer Gesamtkündigung. Fehlen spezielle Regelungen, können weder kürzere noch längere Fristen einseitig durch den kündigenden Teil festgelegt werden. Von besonderer Bedeutung sind dabei gesetzliche Mindestkündigungsfristen – etwa nach § 573c BGB im Mietrecht – sowie eventuelle, individuell im Vertrag vereinbarte Fristen. Bei Fristversäumnis ist die Teilkündigung unwirksam.
Muss eine Teilkündigung schriftlich erfolgen?
Ob eine Teilkündigung der Schriftform bedarf, richtet sich nach der Formvorschrift des Hauptvertrags sowie etwaigen gesetzlichen Anforderungen. Ist für die Gesamtkündigung die Schriftform gesetzlich vorgesehen oder vertraglich vereinbart – wie etwa bei Mietverträgen gemäß § 568 BGB oder im Arbeitsrecht gemäß § 623 BGB -, so gilt dies grundsätzlich auch für Teilkündigungen. Aus Beweisgründen ist zudem zu empfehlen, eine Teilkündigung stets schriftlich und nachweisbar auszusprechen, selbst wenn keine explizite Form vorgeschrieben ist, um Rechtssicherheit für beide Vertragsparteien zu gewährleisten. Bei gewerblichen Verträgen können gegebenenfalls abweichende Regelungen vereinbart werden, dies sollte jedoch klar und eindeutig im Vertrag dokumentiert sein.