Definition und Bedeutung des Teileinkünfteverfahrens
Das Teileinkünfteverfahren ist ein steuerliches Veranlagungssystem des deutschen Einkommensteuerrechts. Es regelt die Besteuerung von Einkünften aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften bei natürlichen Personen. Das Verfahren dient der Vermeidung einer doppelten wirtschaftlichen Belastung von Dividendeneinkünften und ist in § 3 Nr. 40 Einkommensteuergesetz (EStG) sowie in den entsprechenden Folgevorschriften verankert.
Historische Entwicklung des Teileinkünfteverfahrens
Das Teileinkünfteverfahren trat im Rahmen der Unternehmenssteuerreform 2008 in Deutschland an die Stelle des früheren Halbeinkünfteverfahrens. Die Umstellung erfolgte, um die steuerliche Situation für Ausschüttungen und Gewinne aus Kapitalgesellschaften an Personen im Betriebsvermögen zu modernisieren und Steuerstörungen zu vermeiden. Während das Halbeinkünfteverfahren eine pauschale Halbierung vorsah, wird beim Teileinkünfteverfahren nur noch ein festgelegter Anteil der Einkünfte steuerlich berücksichtigt.
Gesetzliche Grundlagen
Regelungen im Einkommensteuergesetz
Das Teileinkünfteverfahren ist insbesondere in folgenden Vorschriften des Einkommensteuergesetzes geregelt:
- § 3 Nr. 40 EStG: Steuerfreiheit bestimmter Einnahmen aus Kapitalgesellschaftsanteilen
- § 3c Abs. 2 EStG: Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs
- § 32d EStG: Abgeltungsteuer und Ausnahme für Qualifikationsbeteiligungen
Systematik und Zielsetzung
Das Verfahren stellt sicher, dass bei natürlichen Personen, die an inländischen Kapitalgesellschaften beteiligt sind, 60 % der aus der Beteiligung erzielten Dividenden und Veräußerungsgewinne der Einkommensteuer unterliegen. Im Gegenzug sind auch nur 60 % der damit zusammenhängenden Werbungskosten oder Betriebsausgaben abzugsfähig (§ 3c Abs. 2 EStG).
Anwendungsbereich des Teileinkünfteverfahrens
Personen und Unternehmensformen
Das Teileinkünfteverfahren betrifft ausschließlich natürliche Personen, die an Kapitalgesellschaften beteiligt sind, wenn die Anteile im Betriebsvermögen gehalten werden. Klassischer Anwendungsfall sind Einzelunternehmer oder Mitunternehmer einer Personengesellschaft, mit einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft, insbesondere GmbH oder AG.
Beteiligungshöhe
Eine Anwendung des Verfahrens kommt bei Beteiligungen ab 25 % oder bei einer mindestens 1 %igen Beteiligung mit beruflicher Tätigkeit für die Gesellschaft in Betracht (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG).
Abgrenzung zur Abgeltungsteuer
Das Teileinkünfteverfahren stellt eine Ausnahme zur pauschalen Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge dar. Letztere kommt insbesondere bei Kapitalgesellschaftsanteilen im Privatvermögen, also nicht in einem Betriebsvermögen, zur Anwendung. Im Betriebsvermögen besteht Wahlrecht, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden.
Steuerliche Behandlung nach dem Teileinkünfteverfahren
Besteuerung der Einnahmen
- Dividenden: Von natürlichen Personen aus dem Betriebsvermögen erhaltene Gewinnausschüttungen unterliegen nur zu 60 % der Einkommensteuer.
- Veräußerungsgewinne: Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften werden ebenfalls nur mit 60 % angesetzt.
Betriebsausgaben und Werbungskosten
Im Rahmen des Betriebsvermögens sind auch korrespondierend nur 60 % der im Zusammenhang mit diesen Einnahmen stehenden Betriebsausgaben / Werbungskosten abzugsfähig (§ 3c Abs. 2 EStG).
Beispielrechnung
Erzielt eine natürliche Person aus einer Beteiligung (im Betriebsvermögen gehalten) eine Dividende von 10.000 €, sind hiervon 6.000 € (60 %) steuerpflichtig. Aufwendungen, etwa für Zinsen auf Kredite zur Beteiligungsfinanzierung, können ebenfalls nur zu 60 % steuermindernd geltend gemacht werden.
Zweck und Ziel des Teileinkünfteverfahrens
Vermeidung der Doppelbesteuerung
Hintergrund des Teileinkünfteverfahrens ist die Reduzierung der wirtschaftlichen Doppelbelastung von Dividenden. Zunächst unterliegt der Gewinn der Kapitalgesellschaft der Körperschaftsteuer, im Anschluss fällt bei Ausschüttung eine weitere Belastung auf Ebene des Anteilseigners an.
Förderung der Beteiligungsfinanzierung
Das Verfahren fördert durch gezielte steuerliche Begünstigung die Beteiligungsfinanzierung und unternehmerische Beteiligung von natürlichen Personen an Kapitalgesellschaften.
Abgrenzung zum Teileinkünfteverfahren nach § 8b KStG
Bei Körperschaften (Kapitalgesellschaften) erfolgt eine vollständige Steuerfreistellung von Dividenden und Veräußerungsgewinnen nach § 8b KStG (sog. Schachtelprivileg). Für natürliche Personen bleibt es beim Teileinkünfteverfahren mit 60 % steuerpflichtigem Anteil.
Sonderregelungen und Besonderheiten
Antrag auf Anwendung (§ 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG)
Unter bestimmten Voraussetzungen, insbesondere bei Mindesteinlagen und aktiver Tätigkeit des Anteilseigners in der Gesellschaft, kann beim zuständigen Finanzamt ein Antrag auf Anwendung des Teileinkünfteverfahrens gestellt werden.
Rückausnahmen
In speziellen Fällen (z.B. Kapitalgesellschaftsanteile im Privatvermögen ohne Mitwirkung bzw. ohne ausreichende Beteiligungshöhe) verbleibt es bei der Anwendung der pauschalen Abgeltungsteuer.
Internationaler Vergleich
Anders als in Deutschland ist in anderen Staaten die wirtschaftliche Doppelbelastung teilweise durch andere Systeme, etwa durch ein vollständiges Anrechnungsverfahren, integriert. Das deutsche Teileinkünfteverfahren stellt eine Mischform zwischen Anrechnung und Freistellung dar.
Literatur und weiterführende Verweise
- Einkommensteuergesetz (EStG), insbesondere § 3 Nr. 40, § 3c Abs. 2, § 32d
- Körperschaftsteuergesetz (KStG), insbesondere § 8b
- A. Schallmoser, Unternehmenssteuerrecht, 2021
- Bundesministerium der Finanzen: Anwendungserlasse zum EStG
Dieser Lexikonartikel gibt einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Rahmenbedingungen, Anwendungsfälle und die steuerliche Systematik des Teileinkünfteverfahrens in Deutschland.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens erfüllt sein?
Das Teileinkünfteverfahren findet auf Einnahmen aus einer Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft Anwendung, sofern es sich um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Gewerbebetrieb oder Einkünfte aus selbständiger Arbeit handelt. Wesentliche rechtliche Voraussetzung ist zunächst, dass der Steuerpflichtige zu mindestens 25 Prozent an der jeweiligen Kapitalgesellschaft beteiligt ist oder zu mindestens 1 Prozent beteiligt und beruflich für diese Gesellschaft tätig ist (§ 3 Nr. 40 EStG). Das Verfahren findet zudem nur bei natürlichen Personen Anwendung, da für Körperschaften das Körperschaftsteuergesetz einschlägig ist. Des Weiteren dürfen die Beteiligungen nicht im Betriebsvermögen eines Kredit- oder Finanzdienstleistungsinstituts gehalten werden. Die Anwendung ist demnach an Beteiligungsquote, Art der Tätigkeit und die Person des Anteilseigners gebunden und setzt voraus, dass keine vorrangigen Spezialvorschriften (z.B. Abgeltungsteuer für Streubesitzbeteiligungen) greifen.
Wie erfolgt die steuerliche Behandlung von Gewinnausschüttungen unter dem Teileinkünfteverfahren?
Bei Anwendung des Teileinkünfteverfahrens werden nach § 3 Nr. 40 EStG 60 Prozent der Dividenden oder sonstigen Ausschüttungen, die der Anteilseigner erhält, der Einkommensteuer unterworfen. Die verbleibenden 40 Prozent bleiben steuerfrei. Korrespondierend dazu sind auch mit den Einnahmen zusammenhängende Werbungskosten oder Betriebsausgaben nur zu 60 Prozent abziehbar (§ 3c Abs. 2 EStG). Dies bedeutet, dass die steuerliche Belastung auf Ebene des Anteilseigners auf 60 Prozent der Erträge nebst proportional berücksichtigten Aufwendungen beschränkt ist. Bei einer Weiterveräußerung der Anteile gilt dies auch für Kapitalgewinne und abzugsfähige Veräußerungskosten.
In welchen Fällen kann zwischen Abgeltungsteuer und Teileinkünfteverfahren gewählt werden?
Grundsätzlich unterliegen Kapitalerträge der Abgeltungsteuer (§ 32d EStG), sofern es sich um natürliche Personen und Privatvermögen handelt. Besteht jedoch eine Beteiligung im Sinne des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 EStG (z.B. mindestens 25 Prozent, beziehungsweise mindestens 1 Prozent und berufliche Tätigkeit), kann der Steuerpflichtige auf Antrag zur Anwendung des Teileinkünfteverfahrens optieren. Die Entscheidung muss im Rahmen der Einkommensteuererklärung getroffen werden und ist dann für diese Einkünfte verbindlich. Die Option kann insbesondere steuerlich vorteilhaft sein, wenn der persönliche Steuersatz unter dem pauschalen Satz der Abgeltungsteuer von 25 Prozent liegt oder hohe abziehbare Werbungskosten entstehen.
Sind Verluste aus der Beteiligung nach dem Teileinkünfteverfahren voll abziehbar?
Nein, Verluste aus der Beteiligung, einschließlich negativer Einkünfte, Werbungskosten und Veräußerungsverluste, sind im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens nach § 3c Abs. 2 EStG ebenfalls nur zu 60 Prozent steuerlich abziehbar. Das heißt, auch hier findet eine korrespondierende Teilfreistellung und Teilsperre beim Verlustabzug statt, um die Besteuerung systematisch konsistent zu gestalten. Diese Einschränkung betrifft auch etwaige Finanzierungsaufwendungen, die mit der Beteiligung zusammenhängen.
Welche gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsformen sind vom Teileinkünfteverfahren umfasst?
Das Verfahren betrifft unmittelbar Beteiligungen an Kapitalgesellschaften im Sinne des § 8 Abs. 1 KStG, das heißt vor allem GmbHs und Aktiengesellschaften. Auch Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften können unter das Verfahren fallen, wenn sie in ihrer Rechtsform und Struktur vergleichbar sind und den Voraussetzungen einer Kapitalgesellschaft nach deutschem Steuerrecht entsprechen. Nicht erfasst sind hingegen Beteiligungen an Personengesellschaften oder Genossenschaften. Auch stille Beteiligungen werden nur dann erfasst, wenn sie zivilrechtlich als Eigenkapital gelten.
Wie wirkt sich das Teileinkünfteverfahren auf die Steuerfestsetzung im Falle einer Doppelbesteuerung aus?
Kommt es zur Doppelbesteuerung, beispielsweise weil im Ausland Quellensteuer auf Dividendenausschüttungen erhoben wurde, ist die im Ausland erhobene Steuer auf die steuerpflichtigen Beträge im Rahmen des Teileinkünfteverfahrens anzurechnen, jedoch wiederum nur im Umfang des steuerpflichtigen Anteils (also 60 Prozent). Die angerechnete Steuer ist dabei auf die in Deutschland auf die Einkünfte entfallende Steuer begrenzt. Die Regelungen zur Anrechnung und der Methodenwechsel wurden durch die einschlägigen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung (DBA) konkretisiert und finden auf die im Teileinkünfteverfahren zu versteuernden Anteile Anwendung.
Welche Besonderheiten bestehen hinsichtlich der Anwendung auf Managementbeteiligungen?
Gerade bei Managementbeteiligungen, bei denen leitende Angestellte oder Geschäftsführer Anteile an der Gesellschaft halten und zugleich dort beschäftigt sind, gelten die besonderen Voraussetzungen nach § 3 Nr. 40 EStG. Es ist regelmäßig genau zu prüfen, ob die erforderliche Mindestbeteiligung und der erforderliche Tätigkeitsumfang erfüllt sind. Oftmals steht hierbei das Verhältnis von Fixgehältern, erfolgsabhängigen Vergütungen und der tatsächlichen Einflussnahme des Managers auf die Gesellschaft im Mittelpunkt der steuerrechtlichen Beurteilung. Im Einzelfall kann auch eine verdeckte Gewinnausschüttung oder eine Umqualifizierung in Lohneinkünfte eine Rolle spielen. Steuerrechtlich ist auf eine sorgfältige Vertragsgestaltung und Dokumentation zu achten, um die Voraussetzungen und die beabsichtigte steuerliche Behandlung abzusichern.