Begriff und rechtliche Einordnung der Tarifvertragspartei
Die Tarifvertragspartei ist ein zentraler Begriff des deutschen Arbeitsrechts und bezeichnet die Parteien, die berechtigt und befugt sind, Tarifverträge im Sinne des Tarifvertragsgesetzes (TVG) abzuschließen. Die Tarifvertragspartei ist damit wesentliche Akteurin des Tarifvertragssystems, das auf dem Prinzip der Tarifautonomie beruht und maßgeblich zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen beiträgt.
Definition und Grundlagen
Begriffliche Abgrenzung
Unter einer Tarifvertragspartei versteht man die Person oder Vereinigung, die aufseiten der Arbeitgeber oder Arbeitnehmer Tarifverträge abschließen kann und berechtigt ist, Rechte und Pflichten aus einem Tarifvertrag geltend zu machen. Durch den Abschluss eines Tarifvertrages werden nicht nur die Arbeitsbedingungen, sondern auch das kollektivrechtliche Beziehungsgeflecht zwischen den Parteien geregelt.
Gesetzliche Grundlagen
Die rechtlichen Grundlagen für die Tarifvertragspartei finden sich vor allem im Tarifvertragsgesetz (TVG). § 2 TVG legt fest, wer als Tarifvertragspartei auftreten kann und wie sich deren Rechtsfähigkeit und Handlungsbefugnis bestimmen.
Arten von Tarifvertragsparteien
Arbeitnehmerseite
Einzelgewerkschaften
Die häufigsten Tarifvertragsparteien auf der Arbeitnehmerseite sind Gewerkschaften. Diese sind Mitgliederzusammenschlüsse, die auf überbetrieblicher Ebene organisiert sind und die Interessen der Arbeitnehmer kollektiv wahrnehmen. Rechtliche Voraussetzung für deren Tariffähigkeit ist die Wahrnehmung von Interessen, die Mitgliedschaft von Arbeitnehmern sowie Leistungsfähigkeit und Durchsetzungsvermögen.
Arbeitnehmerkoalitionen
Auch sonstige im Arbeitskampf handlungsfähige Arbeitnehmervereinigungen kommen als Tarifvertragspartei in Betracht, sofern sie hinreichend organisiert und unabhängig bestehen.
Europäische und internationale Gewerkschaften
Auch supranationale Vereinigungen können in Ausnahmefällen Tarifverträge abschließen, sofern dies in Rechtsvorschriften vorgesehen oder anerkannt ist.
Arbeitgeberseite
Arbeitgeberverbände
Das Pendant zu den Gewerkschaften sind Arbeitgeberverbände. Diese Zusammenschlüsse von Arbeitgebern vertreten die Interessen ihrer Mitglieder bei Tarifverhandlungen. Die Tariffähigkeit setzt eine freiwillige Interessenvertretung, Schlagkraft sowie das Verfolgen von Zielen im Sinne des Tarifvertragswesens voraus.
Einzelne Arbeitgeber
Neben den Verbänden sind auch einzelne Arbeitgeber kraft Gesetz Tariffähig, sofern sie Arbeitgeber im Sinne des TVG sind. Dies kann bei großen Unternehmen mit betriebsübergreifender Struktur relevant werden.
Rechte und Pflichten der Tarifvertragsparteien
Abschluss- und Kündigungsrecht
Die Tarifvertragsparteien sind ausschließlich berechtigt, Tarifverträge abzuschließen, zu verändern und zu kündigen. Das Abschlussrecht ist Ausfluss der Tarifautonomie und umfasst auch das Recht, Tarifverhandlungen zu führen sowie Arbeitskampfmaßnahmen zu ergreifen.
Tarifbindung
Mit Abschluss eines Tarifvertrags entsteht die Tarifbindung gemäß § 3 TVG. Diese verpflichtet die Tarifvertragsparteien sowie die beigetretenen Mitglieder zur Einhaltung und Umsetzung der tariflichen Abmachungen.
Vertretungsmacht und Durchsetzung
Tarifvertragsparteien handeln im eigenen Namen, aber für ihre Mitglieder. Die Rechtsprechung fordert für die Tariffähigkeit ein Mindestmaß an Organisation und die Fähigkeit, den Abschluss sowie die Einhaltung von Tarifverträgen durchzusetzen.
Voraussetzungen der Tariffähigkeit
Organisationsgrad und Durchsetzbarkeit
Für die Tariffähigkeit der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände ist ein ausreichender Organisationsgrad und eine dauerhafte, auf Arbeitsbedingungen ausgerichtete Tätigkeit erforderlich. Die Partei muss objektiv in der Lage sein, die Interessen ihrer Mitglieder wirksam zu vertreten.
Unabhängigkeit und Rechtsmäßigkeit
Tarifvertragsparteien müssen in ihrer Willensbildung autonom sein und dürfen nicht durch Dritte, insbesondere den Staat oder Arbeitgeber, gelenkt werden. Interne demokratische Strukturen werden von der Rechtsprechung gefordert.
Gerichtliche Überprüfung
Die Tariffähigkeit einer Organisation kann von den Arbeitsgerichten überprüft werden. Verfahren hierzu richten sich nach § 97 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG). Die Überprüfung erfolgt oft auf Antrag einer anderen Tarifpartei.
Wirkung und Bedeutung von Tarifverträgen der Tarifvertragsparteien
Kollektivrechtliche Wirkung
Von Tarifvertragsparteien abgeschlossene Tarifverträge entfalten gemäß §§ 3, 4 TVG unmittelbare und zwingende Wirkung für die tarifgebundenen Parteien und deren Mitglieder. Sie wirken auf die Arbeitsverhältnisse und regeln Mindestrechte oder Rahmenbedingungen.
Einwirkung auf die Arbeitsbeziehungen
Tarifverträge strukturieren durch die Tarifvertragsparteien das kollektive Arbeitsverhältnis und flankieren den individuellen Arbeitsvertrag. Sie sorgen für Rechtsklarheit, Kalkulierbarkeit und soziale Gerechtigkeit am Arbeitsmarkt.
Beendigung der Tarifvertragsfähigkeit
Die Tariffähigkeit endet mit Auflösung der Organisation oder dem Wegfall der Voraussetzungen, etwa bei Unterschreitung des erforderlichen Organisationsgrads, der Aufgabe der Zielsetzung oder bei fehlender innerverbandlicher Demokratie.
Abgrenzung zu anderen Akteuren
Tarifvertragsparteien sind strikt von Arbeitnehmervertretungen wie Betriebsräten oder Personalräten zu unterscheiden. Nur Tarifvertragsparteien sind zum Abschluss von Tarifverträgen berechtigt; betriebliche Arbeitnehmervertretungen handeln dagegen auf Betriebsebene innerhalb der Vorgaben des jeweiligen Tarifvertrags und des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG).
Rechtsprechung und aktuelle Entwicklungen
Die Entwicklung der Tariffähigkeit und der Rechte der Tarifvertragsparteien ist geprägt von bedeutenden Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts und des Bundesverfassungsgerichts, etwa zur Tarifeinheit, zur Durchsetzungskraft von Kleingewerkschaften oder zur Gleichbehandlung im Tarifrecht.
Insbesondere Entscheidungen zur Tariffähigkeit von Berufsgewerkschaften und zur Tarifeinheit (§ 4a TVG) beeinflussen fortlaufend die Rahmenbedingungen, Zahl und Charakter der Tarifvertragsparteien.
Zusammenfassung
Die Tarifvertragspartei ist im deutschen Arbeitsrecht die zentrale Akteurin zur Regelung kollektiver Arbeitsbedingungen durch Tarifverträge. Ihr Status wird durch organisatorische, strukturelle und rechtliche Voraussetzungen bestimmt, ihre Handlungsfähigkeit und Bindungskraft durch das Tarifvertragsgesetz gesichert. Die Entwicklung der Tarifvertragsparteien ist eng verknüpft mit den Prinzipien der Tarifautonomie, der Kollektivverhandlungen und der gerichtlichen Kontrolle. Sie maßgeblich zur Ausgestaltung der Arbeitsverhältnisse und zur Sicherung sozialer Mindeststandards in der Arbeitswelt bei.
Häufig gestellte Fragen
Wer kann Tarifvertragspartei sein?
Im rechtlichen Kontext können grundsätzlich auf Arbeitgeberseite einzelne Arbeitgeber oder Arbeitgeberverbände und auf Arbeitnehmerseite einzelne Arbeitnehmer oder Gewerkschaften Tarifvertragspartei sein. Nach § 2 Tarifvertragsgesetz (TVG) sind die Tarifvertragsparteien sogenannte Sozialpartner, die aufgrund ihrer Tarifautonomie berechtigt sind, verbindliche Kollektivvereinbarungen über Arbeitsbedingungen abzuschließen. Einzelne Arbeitnehmer können keine Tarifvertragspartei werden; sie können Tarifverträge lediglich empfangen, nicht aber abschließen. Für Arbeitgeber gilt Entsprechendes: Ist der Arbeitgeber Mitglied eines Verbandes, schließt in der Regel der Verband für ihn Tarifverträge ab. Juristische Personen und Personengesellschaften können ebenso Tarifvertragspartei sein, sofern sie Arbeitgeberfunktionen innehaben oder gewerkschaftliche Aufgaben wahrnehmen. Maßgeblich ist, dass die jeweilige Partei die Fähigkeit besitzt, selbstständig tarifpolitisch zu handeln, was insbesondere eine gewisse organisatorische und personelle Ausstattung voraussetzt.
Welche Voraussetzungen müssen für die Beteiligung als Tarifvertragspartei erfüllt sein?
Aus rechtlicher Sicht ist die sogenannte Tariffähigkeit zwingende Voraussetzung für die Beteiligung als Tarifvertragspartei. Tariffähigkeit bedeutet, dass eine Organisation in der Lage ist, eigenständig Tarifverträge zu schließen. Auf Gewerkschaftsseite ist erforderlich, dass es sich um eine auf Dauer angelegte Vereinigung von Arbeitnehmern handelt, die unabhängig und gegnerfrei von Dritten agiert sowie organisatorisch, finanziell und personell ausreichend ausgestattet ist, um die Interessen ihrer Mitglieder wirksam vertreten zu können. Arbeitgeberverbände und einzelne Arbeitgeber müssen entsprechend ihre Fähigkeit unter Beweis stellen, verbindliche Regelungen über Arbeitsbedingungen für ihre Mitglieder oder das eigene Unternehmen zu treffen und auch durchzusetzen. Die Feststellung oder Aberkennung der Tariffähigkeit erfolgt in sogenannten Statusverfahren vor dem Arbeitsgericht.
Welche Rechte und Pflichten ergeben sich für Tarifvertragsparteien?
Tarifvertragsparteien haben nach Abschluss eines Tarifvertrags zahlreiche Rechte und Pflichten. Zu den Hauptpflichten gehört die Friedenspflicht, wonach während der Laufzeit des Tarifvertrags keine Arbeitskampfmaßnahmen bezüglich der geregelten Inhalte geführt werden dürfen. Sie müssen ferner dafür sorgen, dass die Mitglieder die tariflichen Bestimmungen einhalten (Durchsetzungspflicht). Zu den Rechten zählt das Recht der Tarifverhandlung und des Abschlusses von Tarifverträgen für die jeweilige Mitgliedergruppe. Beide Seiten sind außerdem verpflichtet, über Arbeitsbedingungen zu verhandeln und eine ernsthafte Verhandlungsbereitschaft zu zeigen. Verletzungen dieser Pflichten können zu Schadensersatzansprüchen oder zu arbeitsgerichtlichen Verfahren führen.
Wie erfolgt die Vertretung der Tarifvertragsparteien bei Tarifverhandlungen?
Die Vertretung der Tarifvertragsparteien erfolgt in der Praxis durch bevollmächtigte Organe oder Delegierte. Gewerkschaften entsenden in der Regel tarifpolitisch geschulte Vertreter, häufig aus dem Kreis des Vorstands oder der eigens gebildeten Tarifkommissionen. Arbeitgeber werden durch Geschäftsführungen, Personalverantwortliche oder spezielle Verhandlungsführer ihrer Verbände repräsentiert. Diese Vertreter müssen mit einer entsprechenden Vertretungsvollmacht ausgestattet sein, um den Tarifvertrag rechtswirksam schließen zu können. Die genaue Regelung zur Vertretungsbefugnis ist oftmals in den Satzungen der jeweiligen Organisationen festgeschrieben.
Können Tarifvertragsparteien auch nachträglich ausgetauscht werden?
Im rechtlichen Sinne ist der nachträgliche Austausch einer Tarifvertragspartei grundsätzlich nicht möglich, da der Tarifvertrag an den Willen und die Identität der abschließenden Parteien gebunden ist. Schließt beispielsweise ein Arbeitgeberverband einen Tarifvertrag ab und fusioniert später mit einem anderen Verband, so bleibt zunächst der ursprüngliche Verband Tarifvertragspartei, es sei denn, eine ausdrückliche Rechtsnachfolge ist vorgesehen oder wird arbeitsgerichtlich anerkannt. Tritt eine Gewerkschaft aus dem Tarifgeschehen aus oder verliert ihre Tariffähigkeit, tritt keine automatische Nachfolgeregelung ein. Eine Übertragung der Rechte und Pflichten ist nur durch rechtlich geregelte Nachfolgeverfahren, Fusionen oder Analogerklärungen möglich, wobei dies regelmäßig arbeitsgerichtlicher Klärung bedarf.
Welche rechtlichen Konsequenzen hat die Tariffähigkeit oder deren Aberkennung?
Die rechtliche Anerkennung der Tariffähigkeit ist Voraussetzung dafür, dass eine Organisation Tarifverträge wirksam abschließen kann. Wird einer Partei (z. B. einer Gewerkschaft) die Tariffähigkeit aberkannt, sind von ihr abgeschlossene Tarifverträge ungültig oder können nicht mehr fortgesetzt werden. Das Arbeitsgericht prüft die Tariffähigkeit meist auf Antrag hin in einem gesonderten Statusverfahren. Wird der Antrag auf Tariffähigkeit abgelehnt oder die Tariffähigkeit aberkannt, so entfällt die Möglichkeit, kollektivrechtlich bindende Tarifverträge zu schließen oder zu erneuern, was weitreichende Folgen für die betroffenen Arbeitnehmer oder Arbeitgeber haben kann. Die Aberkennung der Tariffähigkeit kann zudem Auswirkungen auf bereits bestehende Tarifverträge und deren Weitergeltung haben.
Welche Bedeutung hat die Mitgliedschaft in einer Tarifvertragspartei für Arbeitnehmer und Arbeitgeber?
Für Arbeitnehmer bedeutet die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft, die als Tarifvertragspartei fungiert, dass die für sie abgeschlossenen Tarifverträge unmittelbar und zwingend Anwendung finden (§ 4 TVG). Dies sichert ihnen tarifliche Mindeststandards hinsichtlich Arbeitsentgelt, Arbeitszeit und weiterer Bedingungen. Für Arbeitgeber hat die Mitgliedschaft in einem Arbeitgeberverband zur Folge, dass sie an die abgeschlossenen Verbandstarifverträge gebunden sind und diese auf ihre Arbeitsverhältnisse angewendet werden müssen. Auch für nicht tarifgebundene Unternehmen können Tarifverträge durch Allgemeinverbindlicherklärung oder durch vertragliche Bezugnahme Relevanz erlangen. Die Mitgliedschaft in einer Tarifvertragspartei ist somit ein entscheidender Faktor für die Anwendbarkeit und Durchsetzung von tariflichen Regelungen im jeweiligen Betrieb.