Begriff und Definition des Tariflohns
Der Begriff Tariflohn bezeichnet das im Rahmen eines Tarifvertrags zwischen Arbeitgeberverbänden oder einzelnen Arbeitgebern einerseits und Gewerkschaften andererseits ausgehandelte und festgelegte Arbeitsentgelt. Der Tariflohn bildet somit den rechtlich verbindlichen Mindestlohn für die von einem Tarifvertrag erfassten Arbeitnehmer einer bestimmten Branche oder eines bestimmten Betriebes.
Tariflöhne sind das Ergebnis kollektiver Lohnverhandlungen im Rahmen des Tarifvertragsrechts und regeln, welcher Lohn oder welches Gehalt einem Beschäftigten mindestens zusteht. Ziel ist es, durch kollektiv ausgehandelte Regelungen die Position von Arbeitnehmern gegenüber Arbeitgebern zu stärken und Lohndumping sowie unfaire Arbeitsbedingungen zu verhindern.
Rechtsgrundlagen zum Tariflohn
Tarifvertragsgesetz (TVG)
Die rechtlichen Rahmenbedingungen für Tariflöhne ergeben sich maßgeblich aus dem Tarifvertragsgesetz (TVG). Nach § 1 TVG sind Tarifverträge Regelungsabreden, die Mindestarbeitsbedingungen, insbesondere hinsichtlich Lohn und Arbeitszeit, verbindlich festlegen. Der Tariflohn ist somit ein zentraler Gegenstand jedes Tarifvertrags und entfaltet seine Wirkung sowohl einzel- als auch kollektivrechtlich.
Allgemeinverbindlicherklärung
Tarifverträge können nach §§ 5 ff. TVG allgemeinverbindlich erklärt werden. In diesem Fall gelten die tariflich vereinbarten Löhne nicht nur für Mitglieder der vertragschließenden Parteien, sondern für alle Arbeitgeber und Arbeitnehmer der betreffenden Branche oder Region, unabhängig von deren Organisationszugehörigkeit.
Geltungsbereich
Die Bindungswirkung des Tariflohns erstreckt sich grundsätzlich auf Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die Mitglieder der jeweiligen tarifschließenden Partei sind. Einzelarbeitsverträge, die einen niedrigeren Lohn als den tariflich festgelegten vorsehen, sind insoweit unwirksam; zugunsten des Arbeitnehmers gilt stets der höhere Tariflohn (§ 4 Abs. 3 TVG).
Ausnahmen können bestehen, wenn sogenannte Öffnungsklauseln im Tarifvertrag individuelle Abweichungen zulassen oder wenn gesetzliche Mindestlohnbestimmungen über den Tariflohn hinausgehen.
Zusammensetzung und Arten des Tariflohns
Grundlohn und Zuschlagslohn
Tariflöhne können sich aus einem Grundlohn (Basislohn für eine bestimmte Tätigkeit oder Qualifikation) und verschiedenen Zuschlägen (z. B. für Schichtarbeit, Überstunden, Nachtarbeit) zusammensetzen. Die genaue Zusammensetzung wird im jeweiligen Tarifvertrag detailliert geregelt.
Lohnformen
Rechtlich relevant ist die Unterscheidung zwischen Zeitlohn (Bezahlung nach gearbeiteten Stunden oder Tagen) und Akkordlohn (nach Leistung, Stückzahl, Mengeneinheiten). Die tarifvertraglichen Regelungen bestimmen, welche Lohnform für die jeweilige Tätigkeit Anwendung findet.
Tarifliche Vergütungsgruppen
Ein weiteres zentrales Element ist die Einteilung der tariflichen Beschäftigten in Vergütungsgruppen oder Lohn- bzw. Gehaltsgruppen. Diese Zuordnung erfolgt nach Tätigkeitsmerkmalen, Qualifikation und Berufserfahrung und ist Grundlage der tarifvertraglichen Lohnfindung.
Abgrenzung zu anderen Lohnformen
Unterschied zum gesetzlichen Mindestlohn
Während der gesetzliche Mindestlohn eine absolute Lohnuntergrenze darstellt, legen Tariflöhne in der Regel höhere Entlohnungsstandards fest. Liegt der Tariflohn unter dem gesetzlichen Mindestlohn, ist mindestens der gesetzliche Mindestlohn zu zahlen. Häufig liegt der Tariflohn jedoch erheblich höher als der Mindestlohn.
Unterschied zu individuellen Arbeitslohnvereinbarungen
Im Unterschied zu individuell ausgehandelten Arbeitsentgelten ist der Tariflohn für die Parteien des Tarifvertrags zwingend und kann einseitig nicht unterschritten werden. Abweichungen zugunsten des Arbeitnehmers (bspw. durch übertarifliche Bezahlung) bleiben hingegen zulässig.
Wirkung des Tariflohns auf das Arbeitsverhältnis
Unabdingbarkeit und Abweichungsverbot
Nach § 4 Abs. 3 TVG entfalten tarifliche Lohnbedingungen unmittelbare und zwingende Wirkung auf das Arbeitsverhältnis, sofern beide Parteien tarifgebunden sind. Eine Unterschreitung des Tariflohns ist rechtlich ausgeschlossen, es sei denn, der Tarifvertrag enthält ausdrückliche Öffnungsklauseln oder es gilt ein Sanierungstarifvertrag.
Bezugnahmeklauseln im Arbeitsvertrag
Unabhängig von einer Tarifbindung der Parteien kann ein Arbeitsvertrag mittels Bezugnahmeklausel auf einen bestimmten Tarifvertrag und dessen Lohnregelungen verweisen. In diesem Fall ist der Tariflohn auch dann zu zahlen, wenn eine unmittelbare Tarifbindung nicht besteht.
Nachwirkung nach Tarifvertragsende
Laut § 4 Abs. 5 TVG wirken tarifvertragliche Regelungen, und damit auch der Tariflohn, nach Auslaufen des Tarifvertrags weiter, bis neue Vereinbarungen getroffen wurden (sogenannte Nachwirkung). Während dieser Zeit gilt weiterhin der zuletzt festgelegte Tariflohn.
Tariflohn und Gleichbehandlungsgrundsatz
Nach dem allgemeinen arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz darf ein Arbeitgeber tarifgebundene und nicht tarifgebundene Beschäftigte hinsichtlich des Arbeitsentgelts nicht willkürlich unterschiedlich behandeln. In der Praxis kommt es daher häufig zu sogenannten Tariforientierten Entgeltzahlungen, um Benachteiligungen nicht tarifgebundener Arbeitnehmer zu verhindern.
Tariflohn und Arbeitsgerichtsbarkeit
Streitigkeiten über die richtige Anwendung des Tariflohns werden von den Arbeitsgerichten entschieden. Zentrale Fragen sind dabei oftmals die tarifliche Eingruppierung, die Anwendbarkeit eines bestimmten Tarifvertrags und die Wirksamkeit von Lohnabreden unterhalb des Tariflohns.
Tariflohn im internationalen Kontext
Der Tariflohn als rechtlich verbindliche Lohnuntergrenze ist in vielen europäischen Staaten etabliert, jedoch unterscheiden sich die Systeme teils erheblich. In Deutschland nimmt der Tariflohn eine zentrale Stellung im arbeitsrechtlichen System ein, während in anderen Ländern (z. B. Großbritannien) andere Modelle der Lohnfindung vorherrschen.
Fazit
Der Tariflohn ist ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Arbeitsrechts und dient dem Schutz von Arbeitnehmerinteressen durch kollektivvertraglich festgelegte Mindestentgelte. Er unterliegt strengen gesetzlichen Regelungen, die seine Bindungswirkung, Unterschreitungsverbot und Nachwirkung betreffen. Die tarifliche Lohnfindung trägt maßgeblich zur sozialen Absicherung und Fairness auf dem Arbeitsmarkt bei.
Siehe auch:
- Tarifvertrag
- Mindestlohn
- Arbeitsrecht
- Kollektives Arbeitsrecht
- Tarifbindung
- Arbeitsvergütung
Häufig gestellte Fragen
Wann gilt ein Tariflohn verbindlich für ein Arbeitsverhältnis?
Der Tariflohn gilt verbindlich für ein Arbeitsverhältnis, wenn sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer tarifgebunden sind, also jeweils Mitglied der tarifvertragsschließenden Parteien (Gewerkschaft bzw. Arbeitgeberverband) oder der Arbeitgeber direkt Partei im Tarifvertrag ist. Die Tarifbindung ist gesetzlich im Tarifvertragsgesetz (TVG) geregelt. Sie greift unmittelbar und zwingend, das heißt, die Rechte und Pflichten aus dem Tarifvertrag gelten für die Vertragspartner ohne weitere Zustimmung. Liegt keine Tarifbindung vor, können die Regelungen eines Tarifvertrags auch durch eine sogenannte Bezugnahmeklausel im Arbeitsvertrag Anwendung finden – dann jedoch nicht zwingend, sondern aufgrund privatautonomer Vereinbarung. Eine weitere Ausnahme besteht bei der Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags nach § 5 TVG: Wird ein Tarifvertrag durch das zuständige Bundesministerium für Arbeit und Soziales für allgemeinverbindlich erklärt, gilt er für alle entsprechenden Arbeitsverhältnisse einer Branche, auch wenn keine Tarifbindung im oben genannten Sinne besteht.
Kann vom Tariflohn im Arbeitsvertrag abgewichen werden?
Grundsätzlich kann vom Tariflohn nur abgewichen werden, soweit der Tarifvertrag entsprechende Öffnungsklauseln vorsieht. Nach § 4 Abs. 3 TVG dürfen individualvertragliche Abweichungen zum Nachteil des Arbeitnehmers – insbesondere eine Unterschreitung des Tariflohns – nicht vereinbart werden, sie wären unwirksam. Tarifverträge enthalten oft eine sogenannte Günstigkeitsregel: Abweichungen sind nur dann zulässig, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger sind als die im Tarifvertrag festgelegten Bedingungen. Damit wird sichergestellt, dass der Tariflohn als Mindestarbeitsentgelt fungiert, das nur zugunsten, nicht jedoch zulasten des Arbeitnehmers unterschritten werden darf. Anders kann es aussehen, wenn gar keine Tarifbindung besteht oder nur eine arbeitsvertragliche Bezugnahme erfolgt: Dann ist die Unterschreitung des „Tariflohns“ möglich, sofern der gesetzliche Mindestlohn und weitere gesetzliche Regelungen beachtet werden.
Welche rechtlichen Ansprüche kann ein Arbeitnehmer bei Unterschreitung des Tariflohns geltend machen?
Erhält ein tarifgebundener Arbeitnehmer weniger Lohn als im Tarifvertrag vorgesehen, kann er die Differenz als tariflichen Erfüllungsanspruch vor Gericht geltend machen. Die Verwirkung und Verjährung solcher Ansprüche richten sich nach den einschlägigen tariflichen Ausschlussfristen, die meist sehr kurz (zwischen drei und sechs Monaten) bemessen sein können. Versäumt der Arbeitnehmer die Geltendmachung innerhalb dieser Frist, erlöschen seine Ansprüche. Sofern ein Arbeitsgericht angerufen wird, prüft es die Tarifbindung und die tarifkonforme Entlohnung. Im Falle einer Allgemeinverbindlicherklärung können auch nicht tarifgebundene Arbeitnehmer auf Basis des Tarifvertrags Ansprüche erheben. Zu beachten ist, dass der Arbeitgeber auch haftet, wenn er irrtümlich von einer fehlenden Tarifbindung ausgeht, diese aber tatsächlich vorliegt.
Wie ist das Verhältnis zwischen Tariflohn und dem gesetzlichen Mindestlohn?
Der gesetzliche Mindestlohn (§ 1 MiLoG) bildet eine absolute Lohnuntergrenze, die durch niemanden unterschritten werden darf – weder durch Arbeitsvertrag noch durch Tarifvertrag. Der Tariflohn kann, soweit er den gesetzlichen Mindestlohn unterschreitet, keine Anwendung finden und ist insoweit unwirksam. Tarifverträge mit Unterschreitungen des Mindestlohns sind nichtig, wobei im Sinne des § 3 Satz 1 MiLoG stattdessen automatisch der gesetzliche Mindestlohn gilt. Tarifverträge können über den Mindestlohn hinausgehende Regelungen treffen und liegen in Deutschland üblicherweise über dem gesetzlichen Mindestlohn; sie dürfen ihn jedoch nicht unterschreiten.
Gilt der Tariflohn weiter, wenn das Arbeitsverhältnis in ein anderes Unternehmen übergeht?
Beim Übergang eines Arbeitsverhältnisses auf einen neuen Arbeitgeber nach § 613a BGB gehen bestehende Rechte und Pflichten – einschließlich der Anwendung des Tariflohns – grundsätzlich auf den Erwerber über. Dies gilt jedoch nur insoweit, wie beim bisherigen Arbeitgeber eine Tarifbindung oder eine arbeitsvertragliche Tarifverweisung bestand. Allerdings entfaltet der Tarifvertrag beim neuen Arbeitgeber im Regelfall nur noch eine Nachwirkung (§ 4 Abs. 5 TVG), wenn dieser selbst nicht tarifgebunden ist. Das bedeutet, die bisherigen Tariflohnbestimmungen gelten weiter, aber nur solange, bis der neue Arbeitgeber und der Arbeitnehmer eine neue arbeitsvertragliche Regelung treffen. Ist auch der Erwerber dem gleichen Tarifvertrag unterworfen, bleibt die Anwendung ununterbrochen bestehen.
Welche Bedeutung hat die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags für das Thema Tariflohn?
Durch die Allgemeinverbindlicherklärung eines Tarifvertrags nach § 5 TVG wird dessen Geltung auf sämtliche Arbeitsverhältnisse in dem betreffenden Geltungsbereich ausgeweitet, unabhängig von der Gewerkschaftsmitgliedschaft der Arbeitnehmer oder der Verbandsmitgliedschaft der Arbeitgeber. Das bedeutet: Auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind verpflichtet, mindestens den im Tarifvertrag geregelten Tariflohn zu zahlen beziehungsweise zu erhalten. Die Einhaltung wird in vielen Branchen von Kontrollinstanzen wie dem Zoll (Finanzkontrolle Schwarzarbeit) überwacht. Voraussetzung zur Allgemeinverbindlicherklärung ist u.a., dass der Tarifvertrag für eine große Mehrheit der Beschäftigten der Branche gilt und ein öffentliches Interesse vorliegt.
Ist ein Tariflohn auch für Aushilfen, Praktikanten und Auszubildende anwendbar?
Ob Aushilfen, Praktikanten oder Auszubildende unter den Anwendungsbereich eines Tariflohns fallen, richtet sich nach dem persönlichen Geltungsbereich des jeweiligen Tarifvertrags. Viele Tarifverträge enthalten besondere Bestimmungen für diese Personengruppen oder schließen sie explizit vom Geltungsbereich aus. Für Auszubildende regeln oftmals eigenständige Tarifverträge die Ausbildungsvergütungen. Praktikanten können, sofern sie unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen (zum Beispiel bei einem verpflichtenden Praktikum als Bestandteil einer Ausbildung), tarifliche Vergütung beanspruchen. Bei Minijobbern und Aushilfen ist es entscheidend, ob der Tarifvertrag eine entsprechende Regelung trifft und ob eine Tarifbindung besteht oder eine Allgemeinverbindlichkeit vorliegt. Für alle gilt mindestens der gesetzliche Mindestlohn, soweit keine Ausnahmen bestehen.