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Tarifbelastung


Begriff und Bedeutung der Tarifbelastung

Die Tarifbelastung beschreibt im Steuerrecht die Höhe der steuerlichen Belastung, die sich aus der Anwendung eines bestimmten Steuertarifs auf das zu versteuernde Einkommen oder ein anderes steuerliches Bemessungsobjekt ergibt. Der Begriff bezeichnet mithin die steuerliche Abgabenlast, die sich rechnerisch auf Grundlage der Gesetzgebung aus dem jeweiligen Einkommensteuertarif oder einem anderen progressiven Tarifsystem ergibt.

Tarifbelastung ist ein zentrales Merkmal in der steuerlichen Beurteilung von Steuerpflichtigen, Unternehmen und Einkunftsarten. Sie beeinflusst sowohl die effektive Steuerzahlung als auch ökonomische und investive Entscheidungen.


Rechtliche Grundlagen der Tarifbelastung

Einkommensteuergesetz (EStG)

Im deutschen Recht ist die Tarifbelastung insbesondere im Einkommensteuergesetz (EStG) geregelt. Die grundlegende Norm bildet § 32a EStG, der die Tarifvorschriften für die Einkommensteuer enthält. Dort ist die progressive Belastung durch die Einkommensteuertarifkurve niedergelegt. Auch Sondertarifvorschriften, beispielsweise der besondere Steuertarif für Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 32d EStG), beeinflussen die konkrete Tarifbelastung.

Progressionsmechanismus

Die Tarifbelastung ergibt sich aus dem progressiven Tarifsystem. Mit steigendem zu versteuernden Einkommen nimmt der Steuersatz degressiv oder progressiv zu. Dies führt zur Unterscheidung zwischen Eingangssteuersatz, Grundfreibetrag, Progressionszone und Spitzensteuersatz.

Sondertarife

Darüber hinaus bestehen abweichende Tarifreglungen, unter anderem für:

  • Kapitaleinkünfte (Abgeltungsteuer nach § 32d EStG)
  • Gewinne aus bestimmten Veräußerungen (§ 34 EStG Ermäßigungstarif)
  • Sonstige Einkünfte, z.B. nach § 34b EStG (Tarifermäßigung für außerordentliche Einkünfte)

Weitere steuerliche Tarifsysteme

Die Tarifbelastung spielt neben der Einkommensteuer auch in anderen Steuerarten eine Rolle:

  • Körperschaftsteuer: Fester proportionaler Tarif nach § 23 I KStG, keine Progression
  • Gewerbesteuer: Hebesatz und Steuermesszahl führen zur Ermittlung der Tarifbelastung
  • Erbschaft- und Schenkungsteuer: Progressiver Steuertarif nach Steuerklasse und Wert des Erwerbs

Berechnung und Darstellung der Tarifbelastung

Nominale Tarifbelastung

Die nominale Tarifbelastung bezeichnet die unmittelbare Höhe der Steuer, die ohne Berücksichtigung zusätzlicher steuerlicher Entlastungen (zum Beispiel Freibeträge, Pauschalen oder Abzugsmöglichkeiten) nach den Steuertarifen auf das relevante Bemessungsobjekt entfällt.

Formel der Tarifbelastung

Bei der Einkommensteuer ergibt sich die Tarifbelastung rechnerisch gemäß:

Tarifbelastung = Einkommensteuer gemäß § 32a EStG / zu versteuerndes Einkommen

Die Berechnung erfolgt unter Anwendung der im Gesetz definierten Tarifformel auf das zu versteuernde Einkommen.

Effektive Tarifbelastung

Die effektive Tarifbelastung berücksichtigt neben dem Steuertarif auch steuerliche Ermäßigungen, Freibeträge und etwaige Abzugsmöglichkeiten. Sie gibt das tatsächliche, im Ergebnis gezahlte Steueraufkommen im Verhältnis zur Bemessungsgrundlage wieder.

Durchschnittssteuersatz und Grenzsteuersatz

Einzubeziehen sind der Durchschnittssteuersatz (quotient aus tatsächlicher Steuer und Bemessungsgrundlage) und der Grenzsteuersatz (Steuerbelastung auf den jeweils nächsten zu versteuernden Euro).


Tarifbelastung aus verfassungsrechtlicher Sicht

Gleichheitssatz und Progression

Die Festlegung der steuerlichen Tarifbelastung unterliegt verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 GG. Die Progression dient dem Grundsatz der Leistungsfähigkeit, wonach stärkere Schultern höher belastet werden dürfen.

Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts

Das Bundesverfassungsgericht prüft Tarifbelastungen regelmäßig unter Aspekten wie Willkürverbot und Belastungsgrenzen. Ein zu hoher Spitzensteuersatz oder eine zu steile Progression kann zum Verstoß gegen die grundgesetzlichen Maßgaben führen.

Vertrauensschutz und Rückwirkung

Tarifänderungen werden auf ihre Rechtmäßigkeit nach den Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Rückwirkungsverbote überprüft. Steuerpflichtige müssen grundsätzlich von einer verlässlichen Rechtslage zur Festlegung ihrer wirtschaftlichen Entscheidungen ausgehen können.


Tarifbelastung in der internationalen Besteuerung

Doppelbesteuerungsabkommen (DBA)

Bei grenzüberschreitenden Lebenssachverhalten beeinflussen Doppelbesteuerungsabkommen die effektive Tarifbelastung. Besteuert ein Staat bestimmte Einkünfte progressiv und der andere Staat wendet ein abweichendes Tarifsystem an, ist die tatsächliche Steuerlast anzupassen.

Anrechnung und Freistellungsmethoden

Zur Vermeidung einer zu hohen Tarifbelastung wird häufig die Anrechnungsmethode oder Freistellungsmethode eingesetzt. Diese Methoden streben eine gerechte Belastung unter Berücksichtigung bereits gezahlter Steuern im Ausland an.


Tarifbelastung und steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten

Steuerliche Progression und Planung

Durch geschickte Wahl von Rechtsformen, Einkünften und Investitionstatbeständen können Steuerpflichtige ihre Tarifbelastung beeinflussen. So ermöglicht die Nutzung von Tarifermäßigungen beispielsweise nach § 34 EStG die temporäre Reduzierung der Steuerlast.

Steuerneutralität und Tarifglättung

Bestimmte Rechtsinstitute, wie das sogenannte Tarifglättungsverfahren bei land- und forstwirtschaftlichen Einkünften (§ 32c EStG), schützen Steuerpflichtige vor unverhältnismäßigen Belastungsspitzen infolge progressiver Tarife.


Dokumentation und Offenlegung der Tarifbelastung

Transparenzpflichten

Steuerpflichtige sind verpflichtet, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse zur Ermittlung der Tarifbelastung vollständig und wahrheitsgemäß gegenüber dem Finanzamt anzugeben. Die konkrete Tarifbelastung ergibt sich aus dem Einkommensteuerbescheid, der verbindlich festlegt, wie hoch die Steuerbelastung nach Anwendung der maßgebenden Tarifvorschriften ist.


Bedeutung der Tarifbelastung im Steuerrecht

Die Tarifbelastung ist ein maßgeblicher Faktor im Steuerrecht, der sowohl die Gerechtigkeit und Transparenz der steuerlichen Lastenverteilung als auch die volkswirtschaftliche und unternehmerische Planung beeinflusst. Ihre gesetzliche Ausgestaltung steht in unmittelbarem Zusammenhang mit Fragen der Gleichbehandlung, Leistungsfähigkeit und Rechtssicherheit und ist regelmäßig Gegenstand finanzpolitischer Diskussionen und gesetzgeberischer Reformen.


Literaturhinweis:

  • Tipke/Lang, Steuerrecht
  • Blümich, Einkommensteuergesetz
  • Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG-Kommentar
  • Bundesministerium der Finanzen (BMF): Informationen zum Einkommensteuertarif

Siehe auch:

  • Einkommensteuertarif
  • Progression
  • Grenzsteuersatz
  • Doppelbesteuerung
  • Steuerlast

Dieser Artikel erläutert umfassend die rechtlichen Aspekte der Tarifbelastung im deutschen Steuerrecht und stellt einen konzentrierten Nachschlagebeitrag für weitergehende steuerliche Fragestellungen dar.

Häufig gestellte Fragen

Müssen Tarifbelastungen immer individualrechtlich vereinbart werden oder können sie auch durch Betriebsvereinbarungen geregelt werden?

Tarifbelastungen, die sich auf die Arbeitsbedingungen, insbesondere auf Lohn und Arbeitszeit beziehen, sind im Regelfall im Flächentarifvertrag oder im Haustarifvertrag festgelegt. Diese Tarifverträge werden nach deutschem Recht zwischen den Tarifvertragsparteien – in der Regel Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden oder einzelnen Arbeitgebern – abgeschlossen und gelten gemäß dem Tarifvertragsgesetz (TVG) für die tarifgebundenen Parteien, also für Mitglieder der jeweiligen Gewerkschaft sowie für Arbeitgeber, die Mitglied im Arbeitgeberverband sind oder selbst einen Tarifvertrag abgeschlossen haben. Eine individualrechtliche Vereinbarung ist daher grundsätzlich nicht notwendig, sofern die Tarifbindung beider Parteien besteht. Allerdings gilt das Günstigkeitsprinzip (§ 4 Abs. 3 TVG), wonach individualrechtliche Abreden, die für den Arbeitnehmer günstiger sind als die tarifliche Regelung, vorrangig zu beachten sind. Betriebsvereinbarungen können tarifliche Regelungen nur insoweit modifizieren, als der Tarifvertrag dies ausdrücklich zulässt (Öffnungsklauseln) oder der Regelungsgegenstand nicht zwingend tariflich vorbehalten ist. Ohne solche Öffnungsklauseln unterliegen betriebliche Vereinbarungen dem tariflichen Vorrangprinzip gemäß § 77 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) und dürfen tarifliche Regelungen weder unterschreiten noch erweitern.

Welche rechtlichen Folgen hat eine unzulässige Abweichung von tariflichen Vorgaben im Arbeitsvertrag?

Eine unzulässige Abweichung von tariflichen Vorgaben in einem Arbeitsvertrag, etwa wenn vertragliche Regelungen dem Arbeitnehmer schlechtere Bedingungen einräumen als der Tarifvertrag vorsieht, ist nach deutschem Arbeitsrecht gemäß § 4 Abs. 3 TVG unwirksam. In einem solchen Fall tritt automatisch die entsprechende tarifliche Regelung an die Stelle der unwirksamen Vertragsklausel (sog. Tarifautomatik). Für den Arbeitgeber besteht dann die Verpflichtung, dem Arbeitnehmer die Rechte und Ansprüche zu gewähren, die sich aus dem Tarifvertrag ergeben. Der Arbeitnehmer kann die dadurch entstehenden Differenzbeträge (z.B. Lohnnachzahlung) rückwirkend verlangen, sofern die tarifliche Ausschlussfrist eingehalten wird. Nicht beachtet der Arbeitgeber die tarifliche Regelung vorsätzlich, kann dies zudem zu Schadensersatzansprüchen führen.

Unterliegen Tarifbelastungen auch der Kontrolle durch Arbeitsgerichte?

Tarifbelastungen unterliegen der Kontrolle durch die Arbeitsgerichte, allerdings ist deren Prüfungsmaßstab eingeschränkt. Die Gerichte sind in ihrer Entscheidung daran gebunden, den Tarifvertrag normativ anzuwenden (§ 1 TVG), soweit die Tarifbindung beider Parteien besteht. Eine inhaltliche Überprüfung von Tarifverträgen auf Angemessenheit oder Ausgewogenheit erfolgt nicht, weil solche Vereinbarungen als Ergebnis autonomer Regelungen der Tarifparteien grundrechtlich geschützt sind (Art. 9 Abs. 3 GG). Arbeitsgerichte prüfen lediglich die formelle Wirksamkeit, etwa ob die Tarifvertragsparteien tarifzuständig und tariffähig sind sowie ob der Tarifvertrag wirksam zustande gekommen ist. Liegt allerdings ein Verstoß gegen höherrangiges Recht, z.B. das Grundgesetz oder zwingende Vorschriften des Arbeitnehmerschutzes (z.B. Arbeitsschutzgesetze, MiLoG), können Tarifregelungen für unwirksam erklärt werden.

Können Arbeitnehmer auf tarifvertraglich geregelte Belastungen verzichten?

Arbeitnehmer können auf tarifvertraglich geregelte Belastungen bzw. Einschränkungen ihrer Rechte grundsätzlich nicht wirksam verzichten, solange sie unter den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallen. Tarifverträge entfalten unmittelbare und zwingende Wirkung zwischen den tarifgebundenen Parteien (§ 4 Abs. 1 TVG). Ein Verzicht, der zu einer Unterschreitung des tariflichen Mindeststandards führt, wäre gemäß § 4 Abs. 3 TVG unwirksam. Ausnahmefälle bestehen nur, wenn der Tarifvertrag dies ausdrücklich zulässt (sog. dispositive Vorschriften) oder wenn außerhalb der Tarifbindung einvernehmliche Regelungen getroffen werden können (etwa nach Ablauf des Tarifvertrags oder wenn keine Tarifbindung besteht).

Welche Rolle spielen Ausschlussfristen bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus tariflicher Belastung?

Ausschlussfristen, auch Verfallfristen genannt, sind im Arbeitsrecht häufig Bestandteil von Tarifverträgen und regeln, innerhalb welchen Zeitraums Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis, insbesondere jene aus tariflicher Belastung wie Lohnzahlung, Urlaub oder Zuschläge, schriftlich geltend gemacht werden müssen. Wird die Frist, die je nach Tarifvertrag unterschiedlich sein kann (meist drei bis sechs Monate), versäumt, verfällt der entsprechende Anspruch unwiderruflich (§ 70 BAT als ehem. Beispiel). Die Rechtmäßigkeit solcher Fristen wurde durch die Rechtsprechung des BAG bestätigt, sofern sie den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Zu beachten ist ferner die Unterscheidung zwischen einstufigen und zweistufigen Ausschlussfristen: Bei letzteren muss der Anspruch nach schriftlicher Geltendmachung ggf. innerhalb einer zweiten, kurzen Frist gerichtlich eingeklagt werden.

Wie verhält sich die Tarifbelastung im Falle eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB?

Im Fall eines Betriebsübergangs gemäß § 613a BGB gehen die Rechte und Pflichten aus dem bestehenden Arbeitsverhältnis auf den Erwerber über, hierzu gehören auch die tarifvertraglich geregelten Belastungen. Besteht beim Erwerber keine Mitgliedschaft im tarifschließenden Arbeitgeberverband, gelten die tariflichen Bestimmungen nach § 613a Abs. 1 Satz 2 BGB für ein Jahr als Vertragsinhalt fort, können aber nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgeändert werden. Besteht beim Erwerber eine andere Tarifbindung, kann der neue Tarifvertrag zur Anwendung kommen, wobei bestehende Schutzbestimmungen hinsichtlich der Tarifbelastung grundsätzlich für ein Jahr gelten. Ausnahmen bestehen bei allgemeiner Geltungserklärung eines Tarifvertrags, dann hat dieser Vorrang. Auch kann durch Individualvereinbarungen nach Ablauf der Frist eine Neuregelung geschaffen werden.

Welche Wirkung hat eine Allgemeinverbindlicherklärung auf die tarifliche Belastung nicht tarifgebundener Arbeitnehmer?

Durch eine Allgemeinverbindlicherklärung (§ 5 TVG) erstreckt sich ein Tarifvertrag auf alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber in einem bestimmten Geltungsbereich, unabhängig von ihrer Tarifbindung. Die tariflichen Belastungen wirken damit auch für nicht tarifgebundene Arbeitsverhältnisse zwingend, soweit der persönliche und sachliche Geltungsbereich des Tarifvertrags eröffnet ist. Eine Abweichung durch individualrechtliche Vereinbarung ist – gleichfalls wie bei tarifgebundenen Parteien – nur zugunsten des Arbeitnehmers zulässig, im Übrigen aber unzulässig und unwirksam. Ziel der Allgemeinverbindlicherklärung ist die Sicherung gleicher Mindestarbeitsbedingungen und der Schutz vor Lohn- und Sozialdumping.