Tabularersitzung: Bedeutung und Einordnung
Die Tabularersitzung ist ein besonderer Erwerbstatbestand im Sachenrecht für Rechte an Grundstücken und anderen eintragungsfähigen Rechten. Sie führt dazu, dass eine Person, die im Grundbuch als Berechtigte eingetragen ist, nach Ablauf einer gesetzlich bestimmten Frist und bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen das eingetragene Recht endgültig erwirbt, selbst wenn der ursprüngliche Erwerbsgrund mangelhaft oder unwirksam war. Ziel ist die Stabilisierung des Grundbuchverkehrs: Eintragungen sollen verlässlich sein und Rechtsfrieden schaffen.
Abgrenzung zur Ersitzung im Allgemeinen
Ordentliche Ersitzung
Bei der ordentlichen Ersitzung wird ein Recht durch Zeitablauf erworben, wenn ein tauglicher Erwerbsgrund vorliegt, der Besitz redlich ist und die gesetzliche Frist ununterbrochen verstreicht. Für unbewegliche Sachen ist die Frist länger als für bewegliche Sachen.
Außerordentliche Ersitzung
Die außerordentliche Ersitzung setzt keinen tauglichen Erwerbsgrund voraus, verlangt aber besonders langen, ununterbrochenen und redlichen Besitz. Sie dient als Korrektiv, wenn Rechtsverhältnisse über lange Zeit tatsächlich gelebt wurden.
Tabularersitzung im Vergleich
Die Tabularersitzung knüpft – anders als die beiden vorgenannten Formen – zwingend an eine Grundbucheintragung an. Sie schließt Lücken, wenn zwar eine Eintragung besteht, der zugrunde liegende Rechtsgrund jedoch fehlt oder fehlerhaft ist. Die Frist ist kürzer, weil der öffentliche Glaube des Grundbuchs den Vertrauensschutz stärkt.
Voraussetzungen der Tabularersitzung
Eintragung im Grundbuch
Erforderlich ist die wirksame Eintragung des Rechts (etwa des Eigentums) im Grundbuch. Die bloße Antragstellung reicht nicht aus; maßgeblich ist die vollzogene Eintragung.
Besitzqualität
Neben der Eintragung muss der Eingetragene den ersitzungstauglichen Besitz ausüben. Dieser Besitz muss echt (nicht heimlich oder gewaltsam erlangt), redlich (gutgläubig) und ununterbrochen sein. Er muss innerhalb der Frist ungestört fortbestehen.
Gutgläubigkeit
Gutgläubigkeit bedeutet, dass der Eingetragene bei Eintragung und Besitzbegründung davon ausgehen durfte, berechtigt zu sein. Positive Kenntnis von der Unwirksamkeit des Erwerbs oder grob fahrlässige Unkenntnis steht dem entgegen. Erlangt der Eingetragene innerhalb der Frist sichere Kenntnis vom Mangel, scheidet die Tabularersitzung aus.
Zeitablauf
Die Frist beträgt drei Jahre. Sie beginnt mit der Eintragung und der tatsächlichen Ausübung des Besitzes. Der Lauf der Frist setzt ungestörten Besitz und Bestand der Eintragung voraus.
Gegenstände der Tabularersitzung
Liegenschaften und grundbücherliche Rechte
Die Tabularersitzung betrifft Rechte, die dem Grundbuch unterliegen und eingetragen sind. Dazu zählen insbesondere das Eigentum an Grundstücken, Wohnungseigentum, Baurechte sowie bestimmte beschränkt dingliche Rechte (zum Beispiel Dienstbarkeiten), sofern sie eintragungsfähig und eingetragen sind.
Rechtsfolgen
Erwerbsart und Zeitpunkt
Mit Fristablauf erwirbt der Eingetragene das Recht endgültig. Der Erwerb wirkt ab diesem Zeitpunkt. Der Mangel des ursprünglichen Erwerbsgrundes wird durch die Tabularersitzung rechtlich überwunden, der Erwerb ist in diesem Sinne unabhängig von der Berechtigung des Vormannes.
Verhältnis zu Lasten und Eintragungen
Bestehende, ordnungsgemäß im Grundbuch eingetragene Belastungen bleiben unberührt. Die Tabularersitzung heilt nicht anderweitige, gesondert eingetragene Rechte Dritter und beseitigt auch keine zwischenzeitlich eingetragenen Pfandrechte oder Dienstbarkeiten.
Unterbrechung und Hemmung
Der Lauf der Frist kann unterbrochen werden, wenn der behauptete wahre Berechtigte rechtzeitig gegen die Eintragung oder den Besitz vorgeht und dies im Grundbuch entsprechend vermerkt wird. Auch tatsächliche Besitzstörungen oder eine Rückübertragung der Eintragung beenden den Fristenlauf. Zeiten, in denen der Besitz nicht ausgeübt werden kann, zählen grundsätzlich nicht zur Frist.
Beweislast und Nachweisfragen
Wer sich auf Tabularersitzung beruft, muss die Voraussetzungen darlegen und beweisen: Eintragung, Besitzqualität, Gutgläubigkeit und ununterbrochener Fristablauf. Das Grundbuch dient als maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die Eintragungslage; Besitz und Redlichkeit werden durch äußere Umstände und Indizien nachgewiesen.
Typische Anwendungsfälle
Typisch sind Konstellationen, in denen ein Erwerb wegen Formmangels, mangelnder Vertretungsmacht, Geschäftsunfähigkeit oder anderer Wirksamkeitsmängel des Rechtsgeschäfts anfänglich fehlerhaft war, der Erwerber jedoch eingetragen wurde, den Besitz tatsächlich ausübte und in gutem Glauben war. Die Tabularersitzung stabilisiert solche Situationen nach Ablauf der Frist.
Abgrenzung zum gutgläubigen Erwerb aus dem Grundbuch
Der gutgläubige Erwerb aus dem Grundbuch knüpft unmittelbar an den öffentlichen Glauben der Eintragung und eine rechtsgeschäftliche Übertragung an. Die Tabularersitzung setzt demgegenüber zusätzlich eine Besitzdauer von drei Jahren voraus und wirkt als zeitabhängiger Heilungstatbestand für fehlerhafte Erwerbsvorgänge trotz Eintragung.
Häufig gestellte Fragen
Was bedeutet Tabularersitzung in einfachen Worten?
Tabularersitzung heißt, dass eine im Grundbuch eingetragene Person nach drei Jahren ungestörten, gutgläubigen Besitzes das eingetragene Recht endgültig erwirbt, selbst wenn der ursprüngliche Erwerb rechtlich mangelhaft war.
Wie lange dauert die Tabularersitzung?
Die Frist beträgt drei Jahre. Sie beginnt mit der Eintragung im Grundbuch und setzt tatsächliche Besitzausübung während der gesamten Dauer voraus.
Welche Rolle spielt das Grundbuch?
Das Grundbuch ist Ausgangspunkt der Tabularersitzung. Ohne wirksame Eintragung kommt sie nicht in Betracht. Der öffentliche Glaube des Grundbuchs begründet den besonderen Vertrauensschutz, der die kurze Frist rechtfertigt.
Welche Besitzqualität ist erforderlich?
Erforderlich ist echter, redlicher und ununterbrochener Besitz. Er darf nicht heimlich oder gewaltsam erlangt sein und nicht in Kenntnis der eigenen Nichtberechtigung ausgeübt werden.
Kann die Frist unterbrochen werden?
Ja. Wird der Anspruch des wahren Berechtigten rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht und entsprechend im Grundbuch vermerkt oder wird der Besitz gestört, wird der Fristenlauf unterbrochen oder endet.
Gilt die Tabularersitzung auch für Dienstbarkeiten?
Sie kann auch für eintragungsfähige und eingetragene beschränkt dingliche Rechte wie Dienstbarkeiten in Betracht kommen, sofern die weiteren Voraussetzungen erfüllt sind.
Ab wann wirkt der Erwerb?
Der endgültige Erwerb tritt mit Ablauf der dreijährigen Frist ein. Ab diesem Zeitpunkt ist das eingetragene Recht gegen den Einwand eines anfänglichen Erwerbsmangels abgesichert.
Was passiert mit bestehenden Belastungen?
Ordnungsgemäß eingetragene Belastungen wie Pfandrechte oder Dienstbarkeiten bleiben auch nach der Tabularersitzung bestehen. Die Tabularersitzung beseitigt solche Eintragungen nicht.