Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Bank- und Kapitalmarktrecht»Systematischer Internalisierer

Systematischer Internalisierer


Rechtslexikon: Systematischer Internalisierer

Begriff und Definition

Ein Systematischer Internalisierer (englisch: Systematic Internaliser, SI) ist ein Begriff des europäischen Wertpapierhandelsrechts. Er bezeichnet ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder ein Kreditinstitut, das auf organisierte, häufige und systematische Weise für eigene Rechnung mit Kunden außerbörslich (OTC) Handel in Finanzinstrumenten betreibt, indem es Kundenaufträge gegen eigene Bestände oder gegen andere Kundenaufträge außerhalb eines geregelten Marktes oder multilateralen Handelssystems (MTF) ausführt. Die gesetzliche Grundlage bildet insbesondere die Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II) sowie die Verordnung (EU) Nr. 600/2014 (MiFIR).

Rechtlicher Rahmen

Europäische Vorgaben (MiFID II und MiFIR)

Die Begriffsbestimmung und Regulierung von Systematischen Internalisierern ist zentraler Bestandteil des europäischen Kapitalmarktrechts. Nach Artikel 4 Abs. 1 Nr. 20 der Richtlinie 2014/65/EU (MiFID II) gilt als Systematischer Internalisierer ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder ein Kreditinstitut, das „auf organisierte, häufige und systematische Weise für eigene Rechnung mit Kunden außerhalb eines geregelten Marktes oder multilateralen Handelssystems Handel treibt.“

MiFID II und MiFIR geben den rechtlichen Rahmen für die Anerkennung, Registrierung, Pflichten, Transparenzanforderungen und das Berichtswesen von Systematischen Internalisierern vor. Ziel dieser Vorschriften ist die Erhöhung der Transparenz, der Anlegerschutz und die Verhinderung von Marktmissbrauch.

Nationale Umsetzung und Zuständigkeit

In Deutschland erfolgt die Umsetzung der europäischen Vorgaben vor allem durch das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), insbesondere in den §§ 2 Absatz 11 Nr. 5, 74a ff. WpHG. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) ist für die Aufsicht und Überwachung zuständig.

Merkmale eines Systematischen Internalisierers

Organisierter, häufiger und systematischer Handel

Als Systematischer Internalisierer gilt ein Unternehmen, das Kundenaufträge in Finanzinstrumenten so ausführt, dass regelmäßig und systematisch Eigenhandel betrieben wird und damit eine bankeigene Handelsplattform zur Verfügung gestellt wird. Die Schwellenwerte für die Beurteilung der Häufigkeit, Systematik und des Ausmaßes des Eigenhandels sind in der delegierten Verordnung (EU) 2017/565 geregelt.

Eigenhandel und Ausnahme vom Handelsplatz

Im Unterschied zu geregelten Märkten, multilateralen oder organisierten Handelssystemen (MTF, OTF) erfolgt die Ausführung durch den Systematischen Internalisierer nicht an einem öffentlichen Handelsplatz, sondern „over-the-counter“ (OTC), also außerbörslich. Dadurch stellt der Systematische Internalisierer aus rechtlicher Sicht keinen Handelsplatz nach MiFID II dar.

Pflichten und Transparenzanforderungen

Vorhandelstransparenz

Systematische Internalisierer sind verpflichtet, ihren Kunden vor Ausführung eines Handels bestimmte Informationen über Preise und Handelsvolumina offenzulegen. Die Einzelheiten regelt insbesondere Artikel 14 MiFIR in Verbindung mit technischen Regulierungsstandards. Je nach Marktsegment (Aktien, Anleihen, Derivate) und Größenordnung der Transaktion gelten besondere Regelungen und Schwellenwerte für die Veröffentlichungspflichten.

Nachhandelstransparenz

Auch für die Veröffentlichung nach Abschluss von Geschäften bestehen strikte Vorgaben. Systematische Internalisierer müssen unverzüglich nach Ausführung eines Handels öffentlich Angaben zu Kurs, Volumen, Zeitpunkt und weiteren relevanten Details machen. Ziel ist die Gewährleistung von Transparenz und Nachvollziehbarkeit am Kapitalmarkt.

Kundenbehandlung und Preisfindung

Systematische Internalisierer müssen Kunden zu angemessenen Bedingungen handeln und ihren Kunden Preise zu wettbewerbsfähigen Bedingungen anbieten. Bei Anfragen von Privatkunden besteht eine Pflicht, für einen bestimmten Zeitraum zu den veröffentlichten Preisen zu handeln. Gemäß den Regelungen der MiFID II ist der Systematische Internalisierer an die Prinzipien der „Best Execution“ gebunden.

Abgrenzung zu anderen Handelsplätzen

Systematische Internalisierer stellen keinen organisierten Markt, multilateralen Handelssystem oder organisiertes Handelssystem (OTF) dar, da sie nicht mehrere Käufer und Verkäufer zusammenführen, sondern ausschließlich im Rahmen der Eigenhandelsfunktion gegenüber ihren Kunden agieren. Dies unterscheidet sie wesentlich von Börsen und multilateralen Plattformen.

Schwellenwerte und Registrierungspflicht

Die Bestimmung, ob ein Unternehmen als Systematischer Internalisierer einzustufen ist, erfolgt anhand klar definierter Schwellenwerte zu Umsatz- und Handelsvolumina in bestimmten Finanzinstrumenten. Die Datenbasis zur Berechnung wird von der zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde (in Deutschland der BaFin) und der europäischen Wertpapieraufsicht (ESMA) veröffentlicht. Unternehmen, die die jeweiligen Schwellenwerte überschreiten, unterliegen der Registrierungspflicht als Systematischer Internalisierer und den damit verbundenen Pflichten.

Sanktionen und Folgen der Nichtbeachtung

Die Nichterfüllung der Pflichten und Transparenzanforderungen durch Systematische Internalisierer kann zu empfindlichen aufsichtsrechtlichen Maßnahmen und Sanktionen führen, etwa Bußgeldern oder Einschränkungen im Geschäftsbetrieb. Verstöße werden aufsichtsrechtlich verfolgt, um Integrität, Stabilität und Transparenz der Finanzmärkte zu sichern.

Bedeutung für den Kapitalmarkt

Systematische Internalisierer nehmen eine bedeutende Rolle bei der außerbörslichen Ausführung von Kundenaufträgen ein und tragen durch die bereitgestellten Transparenzinformationen zur Funktionsfähigkeit und Effizienz der Finanzmärkte bei. Sie erweitern für Marktteilnehmer die Wahlmöglichkeiten der Handelsabwicklung und ermöglichen institutionellen wie privaten Anlegern den Zugang zu alternativen Ausführungsmöglichkeiten außerhalb regulierter Märkte.


Zusammenfassung:
Der Systematische Internalisierer ist ein zentral reguliertes Wertpapierdienstleistungsunternehmen mit klar umrissenen Pflichten hinsichtlich Transparenz, Kundenbehandlung und Preisfindung. Durch die Umsetzung europarechtlicher Vorgaben im deutschen Rechtssystem wird ein hoher Anlegerschutz gewährleistet und ein Beitrag zur Markttransparenz sowie zur Stabilität des europäischen Finanzsystems geleistet.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Anforderungen gelten für die Identifizierung eines Unternehmens als systematischer Internalisierer?

Ein Unternehmen wird gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 20 der MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive) als systematischer Internalisierer (SI) eingestuft, wenn es regelmäßig, organisiert und systematisch für eigene Rechnung in erheblichem Umfang Handelsgeschäfte außerhalb eines geregelten Marktes oder multilateraler Handelssysteme (MTF) abschließt, indem es Kundenaufträge ausführt. Die Feststellung, ob ein Unternehmen als SI gilt, basiert auf quantitativen Schwellenwerten, die auf europäischer Ebene durch technische Regulierungsstandards (RTS 1 und RTS 2) konkretisiert werden. Unternehmen müssen sowohl das Handelsvolumen einzelner Finanzinstrumente als auch den Anteil dieser Geschäfte am Gesamtmarkt regelmäßig berechnen und überwachen. Überschreitet ein Unternehmen die entsprechenden Schwellenwerte, ist es verpflichtet, die zuständige Aufsichtsbehörde (in Deutschland z.B. die BaFin) davon zu unterrichten und sich als SI zu registrieren. Zudem fallen Unternehmen, die sich freiwillig als SI deklarieren, unabhängig von erreichten Schwellenwerten, ebenfalls unter die entsprechenden gesetzlichen Anforderungen.

Welche Transparenzpflichten und Veröffentlichungsanforderungen hat ein systematischer Internalisierer?

Systematische Internalisierer unterliegen sowohl vor- als auch nachbörslichen Transparenzpflichten, die im europäischen Finanzmarktrecht geregelt sind, insbesondere in MiFIR (Markets in Financial Instruments Regulation) und den delegierten EU-Verordnungen. Sie sind verpflichtet, regelmäßig und zeitnah, spätestens jedoch vor der Ausführung einer Kundenorder, verbindliche Quotes mit bestimmten Mindestvolumina für liquide Aktien und bestimmte andere Finanzinstrumente zu veröffentlichen. Nach der Ausführung müssen sie Details zu Preis, Volumen und Ausführungszeitpunkt der Geschäfte öffentlich machen. Die Veröffentlichung erfolgt über geeignete Informationsdienste (APAs, Approved Publication Arrangements) und muss in einem leicht zugänglichen, nichtdiskriminierenden Format erfolgen. Darüber hinaus sind systematische Internalisierer verpflichtet, auf Verlangen gegenüber der Aufsichtsbehörde nachzuweisen, dass die veröffentlichten Daten korrekt, vollständig und unverzüglich gewesen sind. Verletzungen dieser Transparenzpflichten können zu aufsichtsrechtlichen Maßnahmen bis hin zu Bußgeldern führen.

Welche aufsichtsrechtlichen Meldepflichten bestehen für systematische Internalisierer?

Systematische Internalisierer unterliegen umfangreichen Melde- und Anzeigepflichten gegenüber der zuständigen nationalen Aufsichtsbehörde. Zunächst müssen sie ihre SI-Eigenschaft anzeigen und entsprechende Stammdaten hinterlegen. Darüber hinaus besteht die Verpflichtung, regelmäßig bestimmte Transaktionsdaten, Geschäftsabschlüsse sowie Änderungen relevanter Umstände im Zusammenhang mit ihrer SI-Tätigkeit zu melden. Im Rahmen der Meldung ist insbesondere die Einhaltung der Schwellenwerte zu dokumentieren und eine kontinuierliche Überwachung sicherzustellen. Die technischen Regelwerke (wie RTS 22 zu Transaktionsmeldungen) regeln, in welchem Format und mit welchen Inhalten die Daten an die Behörde zu übermitteln sind. Zudem besteht im Rahmen der laufenden Aufsicht die Pflicht, auf Anfrage oder in turnusmäßigen Abständen weiterführende Informationen, wie Systemdokumentationen oder interne Kontrollberichte, einzureichen.

Wie werden Kundenrechte und der Anlegerschutz bei Geschäften mit systematischen Internalisierern rechtlich gewährleistet?

Die rechtlichen Rahmenbedingungen verpflichten systematische Internalisierer, bei der Geschäftsabwicklung das Prinzip des „Best Execution“ (bestmögliche Ausführung) zu beachten. Sie müssen transparente und objektive Kriterien festlegen, nach denen Kundenaufträge so ausgeführt werden, dass der bestmögliche Ausführungspreis erzielt wird. Kunden müssen im Vorfeld über die Ausführungsgrundsätze, die Quote-Politik sowie über etwaige Interessenkonflikte informiert werden. Darüber hinaus greifen weitergehende Vorgaben zur Interessenkonfliktregelung, zum Beschwerdemanagement und zur Behandlung vertraulicher Daten. Bei Verstößen können Kunden Beschwerde bei der Aufsicht einlegen oder Schadensersatzansprüche zivilrechtlich geltend machen. Die Regelwerke verpflichten SI nicht nur zu umfassender Dokumentation der Kundenbeziehung und -kommunikation, sondern auch zur fortlaufenden Überprüfung und Anpassung ihrer Ausführungsgrundsätze.

Welche Sanktionen können bei Verstößen gegen die rechtlichen Vorgaben für systematische Internalisierer verhängt werden?

Verstöße gegen die rechtlichen Vorgaben im Zusammenhang mit systematischen Internalisierern können mit einer Vielzahl an aufsichtsrechtlichen Maßnahmen geahndet werden. Die Sanktionen reichen von formellen Aufsichtsmaßnahmen wie Verwarnungen, Anordnungen und Auflagen bis hin zu Bußgeldern, deren Höhe im europäischen Recht (MiFID II/MiFIR) teilweise mit festen Obergrenzen geregelt ist, die sich nach Schwere des Verstoßes und dem Unternehmensumsatz richten. Bei schwerwiegenden und fortgesetzten Pflichtverletzungen kann die zuständige Aufsichtsbehörde darüber hinaus auch Betriebserlaubnisse entziehen oder einzelne Geschäftsbereiche untersagen. Zu den möglichen Sanktionen gehören zudem die Veröffentlichung („Naming and Shaming“) von Verstößen sowie die Verpflichtung zur Wiedergutmachung erlangter Vorteile beziehungsweise Wiedergutmachung von verursachten Schäden.

Welche Besonderheiten gelten für systematische Internalisierer beim algorithmischen Handel und der Marktüberwachung?

Systematische Internalisierer, die algorithmischen Handel betreiben, unterliegen neben den allgemeinen Anforderungen auch erhöhten regulatorischen Kontroll- und Dokumentationspflichten. Sie müssen nachweisen, dass ihre IT-Systeme und Algo-Handelsstrategien robust, ausfallsicher und gegen Marktmissbrauch geschützt sind (vgl. RTS 6). Hierzu zählen Risiko- und Stressprüfungen, Aufzeichnungspflichten der Datenströme, Notfallpläne sowie die Einrichtung von internen Marktüberwachungssystemen zur Identifikation und Verhinderung manipulativer Muster. Die Einhaltung dieser besonderen Anforderungen ist regelmäßig von der Compliance-Abteilung intern zu prüfen; Behörden haben das Recht, umfassende technische Unterlagen, Protokolle und Prüfberichte einzusehen sowie Sonderuntersuchungen durchzuführen. Bei Aufdeckung von Regelverstößen drohen verschärfte aufsichtsrechtliche Maßnahmen bis hin zu Sonderprüfungen und operativen Eingriffen in den Betrieb.