Begriff und Bedeutung von Sustainability
Der Begriff „Sustainability“ (deutsch: Nachhaltigkeit) ist ein zentrales Konzept im Umweltrecht, im Wirtschaftsrecht sowie in der internationalen Rechtsprechung und beschreibt die Eigenschaft eines Handelns, das auf Dauer zukunftsfähig ist und ökologische, soziale sowie ökonomische Belange gleichermaßen berücksichtigt. Rechtlich betrachtet erhält die Sustainability eine stetig wachsende Bedeutung, da zahlreiche Normen auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene explizit nachhaltiges Handeln einfordern.
Entwicklung und Geschichte des Nachhaltigkeitsbegriffs
Der Ursprung des Nachhaltigkeitsbegriffs liegt im forstwirtschaftlichen Prinzip des 18. Jahrhunderts, wonach nicht mehr Holz eingeschlagen werden sollte, als nachwachsen kann. Durch internationale Diskussionen, insbesondere seit dem Brundtland-Bericht 1987 („Unsere gemeinsame Zukunft“) und der Agenda 21 der Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro, wurde Sustainability zu einem globalen Leitprinzip.
Im rechtlichen Kontext umfasst Sustainability heute weit mehr als Umweltaspekte: Neben dem Schutz natürlicher Lebensgrundlagen betrifft der Begriff auch soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Entwicklung.
Nachhaltigkeit im deutschen Recht
Grundgesetzliche Verankerung
Die deutsche Verfassung enthält keine ausdrückliche Nennung des Begriffs Nachhaltigkeit, jedoch ergeben sich Verpflichtungen aus der Staatszielbestimmung des Artikels 20a Grundgesetz (GG):
„Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere […]“
Sustainability ist somit mittelbar als verfassungsrechtliches Leitbild anerkannt.
Einfachgesetzliche Ausgestaltung
Umweltrecht
Eine Vielzahl von Gesetzen enthält Regelungen zur Sustainability, darunter:
- Bundesnaturschutzgesetz
- Kreislaufwirtschaftsgesetz
- Energie- und Klimaschutzrecht (z. B. Erneuerbare-Energien-Gesetz)
Diese Regelwerke verpflichten zur Ressourcenschonung, zu umweltgerechter Produktion und zu Maßnahmen zum Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen.
Wirtschaftsrecht und Nachhaltigkeitsberichterstattung
Das CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz verpflichtet große Unternehmen (§§ 289b-289e HGB) zur nichtfinanziellen Berichterstattung, etwa über Umweltbelange, Arbeitnehmerbelange, Sozialbelange und zur Bekämpfung von Korruption.
Diese Berichtspflichten heben Sustainability als Richtschnur unternehmerischen Handelns hervor und zwingen Unternehmen zur strukturierten Offenlegung von Maßnahmen und Zielen in Bezug auf Nachhaltigkeit.
Vergaberecht
Das öffentliche Auftragswesen integriert Sustainability durch § 97 Abs. 3 GWB sowie §§ 2, 34 VgV. Auftraggeber können und müssen soziale, umweltbezogene und innovative Kriterien bei der Beschaffung berücksichtigen.
Nachhaltigkeit im europäischen Recht
Vertragliche Grundlagen
Die Europäische Union hat Nachhaltigkeit als Grundprinzip in Art. 3 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) und Art. 191 AEUV verankert:
- Förderung einer nachhaltigen Entwicklung Europas auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums
- Umweltschutz und nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen
Rechtsetzung und Richtlinien
Wichtige europäische Gesetze für Sustainability sind unter anderem:
- Europäisches Klimaschutzgesetz (Verordnung (EU) 2021/1119)
- Richtlinie über Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive, CSRD)
- Taxonomie-Verordnung (EU) 2020/852, die die Nachhaltigkeit ökonomischer Aktivitäten klassifiziert
Diese Regelungen erschweren die Missachtung nachhaltigkeitsbezogener Anforderungen und entfalten erhebliche Wirkung im deutschen Recht.
Nachhaltigkeit im internationalen Recht
Völkerrechtliche Prinzipien
Global verpflichtet insbesondere die Agenda 2030 mit ihren 17 Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals, SDGs) die Vertragsstaaten zu nachhaltigem Handeln. Weitere völkerrechtliche Verträge sind etwa:
- Pariser Klimaabkommen
- Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD)
Diese Abkommen setzen Standards und Zielvorgaben, die in nationales und supranationales Recht umgesetzt werden.
Soft-Law-Instrumente und freiwillige Leitlinien
Neben verbindlichen Verträgen existieren zahlreiche weiche Steuerungsmechanismen („Soft Law“), wie etwa die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen, die Prinzipien des UN Global Compact oder die ISO-26000-Norm zur gesellschaftlichen Verantwortung.
Wesentliche Rechtsbereiche im Anwendungsfeld der Nachhaltigkeit
Unternehmensrecht und Corporate Governance
Unternehmen werden zunehmend durch gesetzliche Vorgaben und Compliance-Anforderungen zur Sustainable Corporate Governance verpflichtet. Relevant sind Konzepte wie Sorgfaltspflichten in Lieferketten (z. B. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz), Anti-Greenwashing-Regelungen und die zunehmende Bedeutung nachhaltiger Investments (Sustainable Finance).
Umweltrecht
Das Umweltrecht fordert Sustainability bei der Nutzung von natürlichen Ressourcen, dem Schutz von Biodiversität, im Emissionsschutz sowie bei der Ausweisung von Schutzgebieten und der Durchführung von Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP).
Arbeitsrecht und Menschenrechte
Nachhaltigkeit schließt die Wahrung sozialer Standards, faire Arbeitsbedingungen und die Einhaltung international anerkannter Menschenrechte ein. Hierzu zählen beispielsweise Vorschriften über Mindestlöhne, Arbeitszeitschutz, Verbot von Kinderarbeit sowie Diskriminierungsverbote.
Verbraucherrecht
Verbraucherschutzvorschriften fördern Sustainability durch Kennzeichnungspflichten, Rücknahmepflichten für Abfälle und verbindliche Anforderungen an Produkte (Ökodesign-Richtlinie, WEEE-Richtlinie).
Haftung und Kontrolle nachhaltigen Handelns
Behördliche Überwachung, Meldepflichten und Sanktionen sichern die Durchsetzung von Nachhaltigkeitsanforderungen im Unternehmen und in der öffentlichen Verwaltung. Bei Verstößen drohen Bußgelder und Schadensersatzzahlungen. Auch zivilrechtliche Haftung kann aufgrund mangelnder Nachhaltigkeit, etwa bei Umweltverschmutzung, entstehen.
Ausblick: Entwicklung der Nachhaltigkeit im Recht
Sustainability bleibt ein dynamischer Rechtsbegriff, dessen Bedeutung stetig zunimmt. Nationale, europäische und internationale Regelungen führen zunehmend verbindliche Nachhaltigkeitsstandards ein. Wichtige Zukunftsentwicklungen liegen in der stärkeren institutionellen Verankerung, in erweiterten Sorgfaltspflichten für Unternehmen sowie in der Durchsetzung verbindlicher sozialer und umweltbezogener Standards entlang globaler Lieferketten.
Literatur
- Bunzel, Sustainable Development and the Law, 2021
- Birnstiel, Umweltrecht und Nachhaltigkeit, 2022
- Grohm, Nachhaltigkeitsrecht in Deutschland und Europa, 2020
Siehe auch
- Umweltrecht
- Nachhaltigkeitsbericht
- Corporate Social Responsibility
- Sustainable Development Goals
- Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Pflichten bestehen für Unternehmen im Bereich Sustainability?
Unternehmen sind zunehmend mit nationalen und europäischen Rechtsvorschriften zur Nachhaltigkeit (Sustainability) konfrontiert. Zu den wichtigsten Regelungen zählen das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG), die EU-Taxonomie-Verordnung und die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Nach diesen Vorschriften sind Unternehmen verpflichtet, menschenrechtliche und umweltbezogene Sorgfaltspflichten in ihren Lieferketten zu beachten, regelmäßig Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen und ihre wirtschaftlichen Aktivitäten hinsichtlich ökologischer Kriterien zu klassifizieren. Verstöße können mit Bußgeldern und Imageschäden einhergehen. Die Umsetzung dieser Pflichten erfordert die Einrichtung von Risikomanagementsystemen, die Dokumentation der entsprechenden Maßnahmen sowie ggf. die Zusammenarbeit mit Lieferanten und Dritten.
Inwieweit haftet die Geschäftsleitung für Nachhaltigkeitsverstöße?
Die Geschäftsleitung haftet unter bestimmten Umständen persönlich für Nachhaltigkeitsverstöße des Unternehmens. Gemäß dem LkSG muss die Geschäftsleitung sicherstellen, dass angemessene Prozesse zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten existieren. Unterlassungen können zu zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen, Bußgeldern oder sogar strafrechtlicher Verantwortlichkeit führen. Die Haftung kann sich insbesondere aus Verstößen gegen Organisations-, Aufsichts- und Berichtspflichten ergeben. Im Falle von kapitalmarktorientierten Unternehmen erweitert das Aktiengesetz die Verantwortlichkeiten dahingehend, dass Nachhaltigkeitsaspekte in die Unternehmensführung einbezogen werden müssen.
Welche rechtlichen Vorgaben gelten für die Offenlegung von Nachhaltigkeitsdaten?
Unternehmen in der Europäischen Union unterliegen wachsenden Pflichten zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsdaten („Non-Financial Reporting“). Die CSRD verpflichtet viele große und börsennotierte Unternehmen dazu, detailliert über Umwelt-, Sozial- und Governance-Aspekte (ESG) in ihren Geschäftsberichten zu informieren. Die Berichte müssen extern geprüft und in maschinenlesbarer Form veröffentlicht werden. Zusätzlich sieht die EU-Taxonomie vor, dass Unternehmen offenlegen, in welchem Umfang ihre Aktivitäten ökologisch nachhaltig sind. Damit soll die Vergleichbarkeit und Transparenz der Nachhaltigkeitsbemühungen erhöht werden.
Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen Nachhaltigkeitsvorgaben?
Bei Nichteinhaltung gesetzlicher Nachhaltigkeitspflichten drohen Unternehmen verschiedene Sanktionen. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) kann nach dem LkSG Bußgelder verhängen, öffentliche Sanktionen aussprechen oder Unternehmen sogar von öffentlichen Ausschreibungen ausschließen. Zusätzlich können Betroffene unter bestimmten Voraussetzungen zivilrechtliche Ansprüche gegen Unternehmen geltend machen. Verstöße gegen Berichtspflichten (z.B. unvollständige oder falsche Berichte nach CSRD) können ebenfalls mit empfindlichen Strafen verbunden sein.
Welche Anforderungen werden an die Vertragspartnerschaft mit Zulieferern gestellt?
Das LkSG und vergleichbare europäische Regelungen verlangen von Unternehmen, bei der Auswahl und Überwachung ihrer Zulieferer Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen. Es müssen Vertragsklauseln eingefügt werden, die Zulieferer zur Einhaltung von menschenrechtlichen und umweltbezogenen Standards verpflichten. Unternehmen müssen zudem regelmäßig Audits, Risikoanalysen und Schulungen durchführen sowie Beschwerdeverfahren einrichten. Werden Verstöße festgestellt, sind Abhilfemaßnahmen oder in letzter Konsequenz die Beendigung der Geschäftsbeziehung vorgesehen.
Welche Rolle spielen internationale Abkommen und Standards im nationalen Recht?
Internationale Abkommen wie die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte, die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen oder das Pariser Klimaabkommen beeinflussen maßgeblich die nationale Gesetzgebung zur Nachhaltigkeit. Nationale Gesetze, wie das LkSG oder die CSRD, setzen diese Standards häufig in verbindliches Recht um und bauen darauf auf. Unternehmen müssen daher internationale Standards kennen und berücksichtigen, da sich daraus mittelbar oder unmittelbar nationale Rechtspflichten ergeben können.
Gibt es branchenspezifische Unterschiede bei rechtlichen Nachhaltigkeitspflichten?
Ja, bestimmte Branchen wie Chemie, Textil oder Automobil unterliegen wegen ihrer spezifischen Risikoprofile häufig zusätzlichen gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen. Beispielsweise gelten in der Chemieindustrie strenge Vorgaben nach REACH und CLP-Verordnung hinsichtlich des Umgangs mit gefährlichen Stoffen. Die sog. Conflict Minerals Regulation betrifft insbesondere Elektronik- und Fahrzeughersteller. Darüber hinaus bestehen Sektorstandards und branchenspezifische Berichtspflichten, die neben allgemeinen Normen zusätzliche Anforderungen an die Nachhaltigkeit stellen.