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Such- und Rettungsdienst


Begriff und Allgemeine Definition des Such- und Rettungsdienstes

Der Begriff „Such- und Rettungsdienst“ (SAR, engl. Search and Rescue) bezeichnet die Gesamtheit aller Maßnahmen, Einrichtungen, Organisationen und Rechtsnormen, die der Suche und Rettung von Menschen aus Notlagen dienen. Such- und Rettungsdienste kommen insbesondere bei Unglücksfällen in schwer zugänglichen oder nicht allgemein überwachten Gebieten (z.B. See, Gebirge, Luftfahrt, Katastrophenlagen) zum Einsatz. In rechtlicher Hinsicht umfasst der Such- und Rettungsdienst sowohl staatliche als auch private Akteure, ist jedoch in zahlreichen nationalen und internationalen Normen umfassend geregelt.

Rechtsgrundlagen des Such- und Rettungsdienstes

Internationale Rechtsgrundlagen

Internationale Verträge und Organisationen

Die Koordination und Durchführung von Such- und Rettungsdiensten ist weltweit durch verschiedene internationale Abkommen und Organisationen normiert:

  • Internationales Übereinkommen über den Such- und Rettungsdienst auf See (SAR-Konvention) von 1979: Die SAR-Konvention der International Maritime Organization (IMO) ist das grundlegende internationale Regelwerk zur Schaffung und Unterhaltung eines koordinierten SAR-Systems zur See.
  • International Civil Aviation Organization (ICAO): Für den Luftverkehr gilt Annex 12 zum Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt, der Anforderungen für die Organisation und Durchführung von Such- und Rettungsdiensten bei Luftfahrtunfällen enthält.
  • Internationale Menschenrechtskonventionen: Pflichten zur Rettung in Seenot leiten sich auch aus Art. 98 Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) und Art. 10 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR) ab.

Verpflichtungen aus internationalem Recht

Staaten sind nach den genannten völkerrechtlichen Verträgen verpflichtet, eigene SAR-Kapazitäten vorzuhalten, geeignete Koordinierungsstellen zu errichten und in Notfällen auch außerhalb eigener Gewässer bzw. des eigenen Luftraums Hilfe zu leisten. Das Unterlassen von Rettungsmaßnahmen kann völkerrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Nationale Rechtsgrundlagen in Deutschland

Gesetzliche Regelungen

Der Such- und Rettungsdienst ist in Deutschland in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen geregelt, differenziert nach Einsatzgebiet:

  • Luftfahrtrecht: Das Luftverkehrsgesetz (LuftVG), die Luftverkehrs-Ordnung (LuftVO) und die entsprechende Durchführungsverordnung regeln Zuständigkeit und Durchführung des SAR-Dienstes im Luftverkehr (§ 27c LuftVG).
  • See- und Binnenschifffahrtsrecht: Hier gilt neben dem internationalen Seerechtsübereinkommen (SRÜ) insbesondere das Seeaufgabengesetz (SeeAufgG), das Bundespolizeigesetz (BPolG) und einschlägige Landesgesetze.
  • Katastrophenschutzrecht: Such- und Rettungseinsätze im Kontext von Naturkatastrophen oder Unglücksfällen richten sich nach Bundes- und Landeskatastrophenschutzgesetzen.
  • Rettungsdienstgesetze: In den Bundesländern sind grundlegende Regelungen zum Rettungswesen, einschließlich Such- und Rettungsdiensten an Land, in den jeweiligen Rettungsdienstgesetzen (RettG) enthalten.

Öffentlich-rechtliche Organisationsstrukturen

Rechtlich sind für den Such- und Rettungsdienst in Deutschland verschiedene Behörden und Organisationen verantwortlich:

  • Die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) im Seenotbereich
  • Das Joint Rescue Coordination Centre (JRCC) für den SAR im Luftverkehr
  • Die Bundespolizei See, das Havariekommando sowie die Luftrettung (DRF, ADAC usw.) auf nationalstaatlicher Ebene
  • Die Feuerwehren, das Technische Hilfswerk (THW) sowie das Rote Kreuz, die Bergwacht und andere Hilfsorganisationen im Inland

Die Koordination erfolgt durch zentrale oder regionale Leitstellen, welche die Alarmierung, Einsatzführung und Zusammenarbeit steuern.

Rechtliche Anforderungen an Such- und Rettungsdienste

Pflicht zur Hilfeleistung

Das deutsche Strafrecht kennt einen allgemeinen Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung (§ 323c StGB). Demnach besteht für jedermann die Pflicht, in Notfällen Hilfe zu leisten, soweit dies zumutbar und gefahrlos möglich ist. Für Organisationen des SAR-Dienstes besteht zudem eine öffentlich-rechtliche Garantenstellung, d.h. sie sind im Rahmen ihrer Kompetenzen verpflichtet, Hilfe zu leisten.

Haftungsrechtliche Aspekte

Die Haftung im Rahmen von Such- und Rettungsdiensten kann sich aus verschiedenen Anspruchsgrundlagen ergeben:

  • Amtshaftung (§ 839 BGB i. V. m. Art. 34 GG): Staatliche Rettungsstellen und deren Mitarbeiter haften für bei Amtstätigkeit verursachte Schäden nur bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit.
  • Vertragliche Haftung: Bei privat beauftragten Rettungsdiensten, insbesondere auf landesrechtlicher Ebene, kann eine vertragliche Haftung eintreten.
  • Deliktsrechtliche Haftung: Privatpersonen und nichtstaatliche Organisationen unterliegen (bei Fahrlässigkeit oder Vorsatz) §§ 823 ff. BGB.

Es gilt grundsätzlich der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit.

Datenschutz- und Geheimhaltungspflichten

Im Rahmen von Rettungseinsätzen verarbeiten SAR-Dienste personenbezogene Daten. Hier gelten die Vorschriften der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) sowie spezifische Regelungen im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und den jeweiligen Landesdatenschutzgesetzen. Zugriff auf besondere Kategorien personenbezogener Daten (z.B. Gesundheitsdaten) ist nur bei ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage und Erforderlichkeit zulässig. Weiterhin besteht eine Verschwiegenheitspflicht gem. § 203 StGB für Angehörige bestimmter Berufsgruppen.

Ablauf und Organisation des Such- und Rettungsdienstes

Alarmierung und Einsatzleitung

Die Alarmierung erfolgt üblicherweise über Notrufnummern (z. B. 112, 110, 124124 für die deutsche Seenotrettung). Leitstellen bewerten eingehende Notrufe, priorisieren diese und koordinieren die notwendigen Einsatzkräfte und -mittel. Zentral ist die Einrichtung eines Leitenden Einsatzführers.

Zusammenarbeit und Kooperation

Der SAR-Dienst ist typischerweise von interdisziplinärer Zusammenarbeit geprägt. Neben nationalstaatlichen Einsatzkräften gibt es die Möglichkeit grenzübergreifender Kooperationen auf Grundlage internationaler Abkommen. Die Zusammenarbeit ist in Notfallplänen, Katastrophenschutzkonzepten und internationalen Leitlinien geregelt.

Finanzierung

Die Finanzierung von Such- und Rettungsdiensten erfolgt überwiegend durch öffentliche Mittel (Bund, Länder, Kommunen), Zuschüsse nach Förderprogrammen sowie teilweise durch Spenden (z. B. DGzRS). In bestimmten Fällen bestehen Ansprüche auf Erstattung von Kosten im Rahmen der Ersatzvornahme oder nach Verursacherprinzip.

Spezielle Aspekte: Luft- und Seenotrettung

Luftrettung

Die Luftrettung ist durch besondere Vorschriften (LuftVG, LuftVO) gekennzeichnet. In Deutschland werden Luftrettung und SAR im Luftraum unter Kontrolle des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), der Deutschen Flugsicherung (DFS) sowie regionaler Luftrettungszentren durchgeführt.

Seenotrettung

Die Verpflichtungen zur Seenotrettung sind im internationalen und nationalen Seerecht besonders betont. Hier gilt für Schiffe und deren Kapitäne eine sofortige und umfassende Pflicht zur Hilfeleistung, unabhängig von Herkunft oder Status der in Not befindlichen Personen (Artikel 98 SRÜ).

Rechtliche Entwicklungen und Ausblick

Aufgrund aktueller Herausforderungen, wie dem steigenden Migrationsaufkommen über See, zunehmenden Wetterextremen und technischer Innovationen (z. B. Drohneneinsatz im SAR-Dienst), befinden sich nationale und internationale Regelungen stetig in der Weiterentwicklung. Regelmäßig gibt es Anpassungsbedarf bezogen auf Haftung, Datenschutz, Zuständigkeiten und Technologieneutralität.

Literatur und weiterführende Informationen

  • SAR-Konvention (1979), IMO
  • Luftverkehrsgesetz (LuftVG)
  • Seeaufgabengesetz (SeeAufgG)
  • Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
  • Strafgesetzbuch (StGB)
  • Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS/SRÜ)
  • Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK)
  • Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS)

Der Such- und Rettungsdienst ist ein komplexes Gefüge aus rechtlichen Rahmenbedingungen, organisatorischen Strukturen und interdisziplinärer Zusammenarbeit, dessen Anforderungen und Entwicklungen von hohem gesellschaftlichen Stellenwert sind.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist im rechtlichen Sinne zur Durchführung von Such- und Rettungsdiensten verpflichtet?

In Deutschland ergibt sich die Verpflichtung zur Durchführung von Such- und Rettungsdiensten (SAR – Search and Rescue) in erster Linie aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften sowie internationalen Vereinbarungen. Rechtlich verpflichtete Akteure sind die Hoheitsträger, insbesondere die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch spezielle Behörden wie das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMV) sowie die Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) für Seerettung und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) für allgemeine Rettungseinsätze im Katastrophenfall. Im Luftverkehr regelt das Luftverkehrsgesetz (LuftVG) in § 44 die Durchführung der Luftnotfallrettung durch die Flugsicherungsorganisationen, explizit die Deutsche Flugsicherung (DFS). Im Seebereich ist das Internationale Übereinkommen über den Such- und Rettungsdienst auf See (SAR-Übereinkommen) von 1979 maßgeblich, das in deutsches Recht übernommen wurde. Neben den staatlichen Stellen können auch private Organisationen auf Grund öffentlich-rechtlicher Aufgabenübertragung auf Grundlage von Satzungen, Verträgen oder Spezialgesetzen zur Durchführung von Rettungsdiensten verpflichtet werden.

Welche gesetzlichen Rechte haben Such- und Rettungsdienste bei der Durchführung ihrer Aufgaben?

Such- und Rettungsdienste verfügen im Einsatzfall über besondere Eingriffsrechte, die im Wesentlichen im Polizei- und Ordnungsrecht der Länder, dem Luftverkehrsgesetz, dem Seeaufgabengesetz sowie im Katastrophenschutzrecht geregelt sind. Sie sind nach diesen Vorschriften beispielsweise dazu berechtigt, Privatgrundstücke zu betreten, Verkehrswege zu nutzen oder auch fremdes Eigentum vorübergehend in Anspruch zu nehmen, wenn dies zur Rettung von Leben oder Abwehr erheblicher Gefahren nötig ist. In vielen Fällen ist ein zurückhaltender Umgang mit Eingriffsbefugnissen vorgeschrieben, häufig besteht für verursachte Schäden ein gesetzlicher Entschädigungsanspruch für Betroffene. Daneben sind Einsatzkräfte in Ausübung dieser Aufgaben von spezifischen Haftungsprivilegierungen umfasst, insbesondere wenn sie in Erfüllung ihrer Pflichten handeln (§ 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG).

Welche rechtlichen Voraussetzungen sind für die Teilnahme an Such- und Rettungsdiensten erforderlich?

Für die aktive Mitwirkung an Such- und Rettungsdiensten bestehen gesetzlich geregelte Voraussetzungen bezüglich der Qualifikation, Zuverlässigkeit und gesundheitlichen Eignung der beteiligten Personen. Für Luftrettungsdienste schreibt beispielsweise das Luftverkehrsgesetz neben einer gültigen Pilotenlizenz auch zusätzliche medizinische Eignung sowie spezielle Aus- und Weiterbildungsnachweise vor. Im Bereich der Wasserrettung gelten entsprechende Qualifikationsanforderungen etwa bei der DGzRS oder der DLRG nach internen Regularien, die an das allgemeine Rettungswesen angelehnt sind. Eine Zweckbindung personenbezogener Daten erfolgt nach DSGVO und Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und ist bei allen Beteiligten zwingend einzuhalten.

Wie ist das Haftungsregime für Schäden während Such- und Rettungseinsätzen geregelt?

Das Haftungsregime bei Schäden, die im Rahmen von Such- und Rettungseinsätzen entstehen, unterscheidet zwischen Amtshaftung bei hoheitlichen Tätigkeiten (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) und privatrechtlicher Haftung bei Aufgabenübertragung auf private Organisationen. Schäden, die im Rahmen ordnungsgemäßer Aufgabenerfüllung entstehen, müssen grundsätzlich durch den Träger des SAR-Dienstes ersetzt werden. Dies gilt etwa bei Eigentumsbeschädigungen durch Einsatzfahrzeuge oder notwendige Notzugriffe. Ist grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz im Spiel, so sind einzelne Amtsträger oder Hilfspersonen persönlich haftbar. Für freiwillige Hilfspersonen gilt zudem der Schutz des „Schutzgesetzen“ (§ 34 StGB), sofern sie im Notstand handeln.

Was sind die wesentlichen rechtlichen Grundlagen für den Einsatz von technischen Hilfsmitteln wie Drohnen oder Ortungsgeräte im Rettungseinsatz?

Die Anwendung technischer Hilfsmittel, insbesondere Drohnen, steht unter dem Vorbehalt zahlreicher rechtlicher Vorgaben. Übergeordnet gilt das Luftverkehrsgesetz mit entsprechenden Durchführungsverordnungen (z.B. LuftVO und EU-Drohnenverordnung), die Vorschriften zur Zulassung, Registrierung, Lizenzierung sowie zum Datenschutz und zur Luftraumsicherheit enthalten. Speziell für Such- und Rettungseinsätze bestehen in bestimmten Bereichen Ausnahmeregelungen, die es den Behörden ermöglichen, Drohneneinsätze auch in gesperrten oder kontrollierten Lufträumen durchzuführen, soweit dies zur Abwehr von Gefahren notwendig ist. Der Einsatz von Ortungstechnologien (z.B. Handy-Ortung) erfordert in der Regel die Einhaltung telekommunikationsrechtlicher Bestimmungen und bedarf oft richterlicher Anordnung gemäß §§ 100g und 100i StPO, sofern private Rechte tangiert sind.

Welche datenschutzrechtlichen Anforderungen sind bei Such- und Rettungseinsätzen zu berücksichtigen?

Im Zuge von Such- und Rettungseinsätzen werden regelmäßig personenbezogene Daten erhoben und verarbeitet, sei es zur Lokalisierung vermisster Personen, Kommunikation mit Angehörigen oder zur Erfüllung dokumentationspflichtiger Aufgaben. Relevant sind hierbei sowohl die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) als auch das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten ist auf das für die Erfüllung der Such- und Rettungsaufgabe Notwendige zu beschränken und muss auf einer gesetzlichen Grundlage, öffentlichen Interesse (Art. 6 Abs. 1 lit. e DSGVO) oder auf Einwilligung der betroffenen Person beruhen. Unverzüglich nach Beendigung des Auftrags sind nicht mehr benötigte Daten zu löschen; besondere Maßnahmen sind bei der Weitergabe oder Übermittlung sensibler Daten (wie medizinischer Informationen) zu ergreifen. Zudem besteht eine strikte Dokumentations- und Rechenschaftspflicht gegenüber Datenschutzbehörden.

Welche internationalen Abkommen und Organisationen regeln die grenzüberschreitende Durchführung von Such- und Rettungsdiensten?

Für den grenzüberschreitenden Bereich ist das Internationale Übereinkommen über Seenotrettung (SAR-Übereinkommen, Hamburg 1979) das zentrale Regelwerk im maritimen Sektor, das die internationale Zusammenarbeit und Zuständigkeit regelt. Im Luftfahrtbereich wird durch das Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt (ICAO-Abkommen, insbesondere Anhang 12) die gegenseitige Koordination von Such- und Rettungseinsätzen standardisiert. Ferner bestehen bilaterale und multilaterale Abkommen, etwa zwischen Nachbarstaaten oder im Rahmen der Europäischen Union, um die Durchführung und Organisation grenzüberschreitender Einsätze zu gewährleisten. In Deutschland sind Schnittstellenregelungen in den jeweiligen nationalen SAR-Plänen und zwischen den betroffenen Ministerien (Innen, Verkehr, Verteidigung) implementiert, um einen effizienten Austausch und reibungslose Zusammenarbeit sicherzustellen.