Begriff und Rechtsgrundlagen der Stundung von Steuern
Die Stundung von Steuern ist ein im Steuerrecht verankerter Vorgang, bei dem eine fällige Steuerzahlung auf einen späteren Zeitpunkt verschoben wird. Sie stellt ein wichtiges Instrument dar, um Steuerpflichtigen in vorübergehenden Liquiditätsengpässen entgegenzukommen, ohne die Steuerforderung selbst zu mindern. Die Rechtsgrundlagen für die Stundung von Steuern sind in Deutschland insbesondere in der Abgabenordnung (AO) geregelt und unterliegen strengen Voraussetzungen und Verfahren.
Gesetzliche Grundlagen
Abgabenordnung (AO)
Die zentrale Bestimmung zur Stundung von Steuern ist § 222 AO. Danach können Steuern ganz oder teilweise gestundet werden, wenn deren sofortige Einziehung mit erheblichen Härten für den Steuerpflichtigen verbunden wäre, ohne dass der Anspruch des Staates gefährdet erscheint. Die Regelungen betreffen sämtliche Steuerarten, soweit keine spezielleren gesetzlichen Vorschriften entgegenstehen.
Weitere relevante Vorschriften
Neben § 222 AO sind auch weitere Vorschriften der AO für das Stundungsverfahren maßgeblich, darunter insbesondere:
- § 233 AO: Verzinsung der gestundeten Steuerschuld
- § 234 AO: Säumniszuschläge
- § 240 AO: Folgen der Nichtzahlung
Voraussetzungen für die Stundung von Steuern
Allgemeine Voraussetzungen
Die Stundung ist ein Ermessensakt der Finanzbehörde und setzt voraus:
- Erhebliche Härte: Die sofortige Zahlung würde für den Steuerpflichtigen zu erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten führen. Die Gründe können in Liquiditätsengpässen, unvorhergesehenen betrieblichen Problemen oder außergewöhnlichen Belastungen liegen.
- Keine Gefährdung des Steueranspruchs: Trotz gewährter Stundung muss sichergestellt sein, dass die Steuerforderung nicht gefährdet wird. Hierzu können Sicherheiten verlangt werden.
Antragserfordernis
Die Stundung einer Steuer ist grundsätzlich schriftlich zu beantragen. Im Antrag sind alle relevanten Umstände, insbesondere zur wirtschaftlichen Situation, offenzulegen und zu belegen.
Einzelfallprüfung und Ermessen
Die Finanzbehörde prüft jeden Antrag auf Stundung individuell. Sie wägt das berechtigte Interesse des Steuerpflichtigen gegen das öffentliche Interesse an einem zügigen Steuerzugriff ab. Entscheidungen werden regelmäßig mit Auflagen, insbesondere bezüglich Sicherheitsleistungen oder Teilzahlungen, verbunden.
Ablauf des Stundungsverfahrens
Antragstellung
Der Antrag auf Stundung muss Angaben zu Art und Höhe der Steuerschuld, zu Zahlungsmodalitäten sowie zur finanziellen Situation enthalten. Häufig sind detaillierte Liquiditätspläne und Nachweise der finanziellen Lage erforderlich.
Entscheidung und Bescheid
Die Finanzbehörde entscheidet durch Verwaltungsakt. Wird dem Antrag ganz oder teilweise entsprochen, ergeht ein Stundungsbescheid. Dieser legt die gestundete Steuer, den Stundungszeitraum, eventuell zu leistende Sicherheitsleistungen und sonstige Auflagen fest.
Stundungszinsen
Für gestundete Steuerschulden fallen gemäß § 234 AO grundsätzlich Stundungszinsen an. Der Zinssatz beträgt derzeit 0,5 Prozent pro Monat (Stand: 2024), kann aber gesetzlichen Änderungen unterliegen.
Rechtsfolgen der Stundung
Aufschiebung der Zahlungspflicht
Durch eine wirksame Stundung wird die Fälligkeit der Steuerforderung bis zum Ende des Stundungszeitraums hinausgeschoben. Während dieser Zeit tritt keine Vollstreckung ein.
Auflagen und Sicherheiten
Die Finanzbehörde kann die Stundung von Sicherheiten (z.B. Bürgschaften, Grundpfandrechten) abhängig machen, um ihren Steueranspruch zu schützen.
Widerruf und Rücknahme
Eine gewährte Stundung kann widerrufen oder aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen nachträglich entfallen, insbesondere wenn falsche Angaben gemacht wurden oder der Steueranspruch gefährdet erscheint.
Besonderheiten und Abgrenzungen
Ratenzahlung
Die Stundung kann auch mit einer Ratenzahlungsvereinbarung verbunden werden. In diesem Fall wird die Steuerforderung in vereinbarten Teilbeträgen innerhalb des Stundungszeitraums beglichen.
Unterschied zur Erlass von Steuern
Im Gegensatz zur Stundung, die lediglich den Zahlungszeitpunkt verlagert, stellt der Steuererlass gemäß § 227 AO eine teilweise oder vollständige Befreiung von der Steuerforderung dar.
Keine Dauerlösung
Die Stundung ist grundsätzlich als kurzfristige Hilfsmaßnahme ausgestaltet, um vorübergehende Engpässe zu überbrücken. Wiederholte oder dauerhafte Stundungen sind nur in Ausnahmefällen möglich.
Rechtsschutz bei abgelehnten Stundungsanträgen
Gegen die Ablehnung eines Stundungsantrags steht dem Steuerpflichtigen der Rechtsweg offen. Innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des ablehnenden Bescheids kann Einspruch gemäß § 347 AO eingelegt werden. Nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens ist der Rechtsweg zu den Finanzgerichten eröffnet.
Zusammenfassung
Die Stundung von Steuern ist ein wesentliches steuerliches Instrument, das Steuerpflichtigen in finanziellen Notlagen eine Belastungserleichterung durch Zahlungsaufschub verschafft, ohne den Steueranspruch selbst zu verringern. Sie unterliegt strengen gesetzlichen Voraussetzungen, einem formellen Antragsverfahren und der Ermessensentscheidung der Finanzbehörden. Die Stundung wird in der Regel mit Zinsen und gegebenenfalls mit Sicherheitsleistungen verbunden. Ein rechtsmissbräuchlicher Antrag kann zur Versagung, Aufhebung oder Rückforderung führen. Das Verfahren bietet jedoch auch Rechtsschutzmechanismen für Steuerpflichtige.
Häufig gestellte Fragen
Welche Voraussetzungen müssen für die Gewährung einer Steuerstundung nach § 222 AO vorliegen?
Für eine Stundung von Steuern nach § 222 der Abgabenordnung (AO) muss zunächst eine erhebliche Härte für den Steuerpflichtigen bestehen, die eine sofortige oder vollständige Zahlung der fälligen Steuern unzumutbar macht. Die finanzielle Situation des Antragstellers wird dabei ebenso geprüft wie die Glaubhaftmachung vorübergehender Zahlungsschwierigkeiten. Zudem muss die Steuerschuld dem Grunde und der Höhe nach feststehen und fällig sein. Eine dauerhafte Leistungsunfähigkeit rechtfertigt in der Regel keine Stundung, weil die rechtliche Grundlage auf eine vorübergehende Zahlungsunfähigkeit abzielt. Weiterhin berücksichtigt die Finanzbehörde die Sicherung des Steueranspruchs, sodass in bestimmten Fällen Sicherheiten verlangt werden können. Die Stundung steht immer im Ermessen der Behörde und ist nach pflichtgemäßem Ermessen unter Abwägung der öffentlichen Kasseninteressen gegen die Belange des Steuerpflichtigen zu entscheiden.
Wie läuft das Antragsverfahren für eine Steuerstundung ab und welche Nachweise sind erforderlich?
Das Verfahren beginnt mit einem schriftlichen Stundungsantrag durch den Steuerpflichtigen oder seinen Vertreter. Der Antrag sollte sämtliche Gründe und Umstände erläutern, die die Notwendigkeit der Stundung belegen. Erforderlich ist eine umfassende Darstellung der wirtschaftlichen Verhältnisse anhand entsprechender Nachweise, meist durch Einkommens- und Vermögensaufstellungen, Kontoauszüge, ggf. betriebswirtschaftliche Auswertungen oder Zahlungspläne. Die Behörde kann zusätzlich Auskünfte oder Dokumente anfordern. Die Entscheidung erfolgt regelmäßig durch einen schriftlichen Bescheid, der den Zeitraum und die Bedingungen der Stundung beinhaltet. Vollständige und wahrheitsgemäße Angaben sowie die rechtzeitige Antragstellung sind zwingend erforderlich, da eine Stundung grundsätzlich vor Vollstreckung der Steuerschuld beantragt werden muss.
Können gestundete Steuern im Rahmen der Stundung gestundet werden und wie lange ist die maximale Stundungsdauer?
Eine aufgeschobene Steuerschuld kann grundsätzlich nur einmal gestundet werden. Verlängerungen sind im Rahmen des Ermessens der Finanzbehörde möglich, erfordern jedoch erneut einen Antrag sowie eine erneute Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse. Gesetzlich ist keine feste Höchstdauer vorgesehen, jedoch gilt die Stundung stets als vorübergehende Zahlungsersatzregelung, weshalb langandauernde Stundungen regelmäßig abgelehnt werden. In der Praxis liegt die Stundungsdauer zumeist im Bereich von einigen Monaten bis zu maximal einem Jahr, bei besonderen Härtefällen oder zur Vermeidung von Insolvenz auch darüber hinaus, sofern die Rückzahlung realistisch erscheint.
Welche Rechtsfolgen ergeben sich aus einer gewährten Steuerstundung für Zinsen und Sicherheiten?
Steuerstundungen sind regelmäßig mit einer Verzinsung der gestundeten Beträge nach § 234 AO verbunden. Es werden monatlich 0,5 Prozent Zinsen auf den ausgesetzten Steuerbetrag festgesetzt, sofern im Stundungsbescheid keine abweichende Regelung getroffen wurde. Außerdem kann die Finanzbehörde zur Sicherung ihres Anspruchs Sicherheiten fordern, etwa in Form von Bürgschaften, Grundpfandrechten oder sonstigen geeigneten Vermögenswerten. Die Art und der Umfang der Sicherheiten ergeben sich aus der individuellen Gefährdungslage der Steuereinbringlichkeit und stehen im Ermessen der Behörde. Werden die Sicherheiten nicht gestellt, kann die Stundung verweigert oder widerrufen werden.
Welche Auswirkungen hat die Steuerstundung auf laufende Vollstreckungsmaßnahmen?
Die Bewilligung einer Stundung hat aufschiebende Wirkung im Sinne des § 257 AO, das bedeutet, laufende Vollstreckungsmaßnahmen werden während des Stundungszeitraums grundsätzlich eingestellt oder gar nicht erst eingeleitet. Bereits gepfändete Beträge verbleiben jedoch in der Regel bei der Vollstreckungsstelle, bis über den Stundungsantrag abschließend entschieden wurde. Bei Ablehnung des Stundungsantrags werden die Maßnahmen fortgesetzt. Zudem ist die Stundung widerruflich, etwa bei Verletzung der vertraglich vereinbarten Auflagen, Zahlungsverzug oder wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse, woraufhin die Vollstreckung fortgesetzt werden kann.
Können Stundungsentscheidungen mit Rechtsbehelfen angefochten werden?
Gegen eine ablehnende oder teilweise ablehnende Stundungsentscheidung kann der Steuerpflichtige binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids Einspruch gemäß § 347 AO einlegen. Führt der Einspruch nicht zum Erfolg, steht der finanzgerichtliche Rechtsweg offen. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens erfolgt eine vollständige Überprüfung der Sach- und Rechtslage durch die Behörde. Bei unaufschiebbaren Fällen ist darüber hinaus die Beantragung einstweiliger Anordnungen nach § 114 FGO beim Finanzgericht möglich, wodurch ggf. eine vorläufige Aussetzung der Vollziehung bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren erreicht werden kann.
Gibt es steuerliche Besonderheiten bei der Stundung von bestimmten Steuerarten?
Die Grundsätze der Stundung nach § 222 AO gelten zwar steuerartenunabhängig, doch bestehen bei einzelnen Steuerarten besondere Vorschriften. Beispielsweise sind bei Umsatzsteuer, Lohnsteuer und anderen Quellensteuern die Voraussetzungen besonders streng, da der Steuerpflichtige hier in der Rolle eines Treuhänders für den Staat tätig ist. Die Stundung dieser Steuern wird grundsätzlich restriktiver behandelt und gegebenenfalls nur in absoluten Ausnahmefällen gewährt, da ein generelles öffentliches Interesse an der Sicherung dieser Einnahmen besteht. Auch für Steuern, die im Rahmen einer Steuerfestsetzung mit Nebenleistungen (z.B. Verspätungszuschlag, Zinsen) versehen sind, gelten besondere Verwaltungsvorschriften, die im Einzelfall geklärt werden müssen.