Legal Lexikon

Stufenklage

Definition und Grundprinzip der Stufenklage

Die Stufenklage ist ein gerichtliches Verfahren, das mehrere aufeinander aufbauende Anträge in einer Klage bündelt. Sie kommt zum Einsatz, wenn eine Person zwar einen Anspruch auf eine Leistung vermutet, die genaue Höhe oder den Umfang aber ohne Auskunft der Gegenseite nicht beziffern kann. In der ersten Stufe wird Auskunft verlangt, gegebenenfalls folgt die Versicherung der Richtigkeit dieser Auskunft, und abschließend wird die konkrete Leistung verlangt. So wird Informationsbeschaffung und Durchsetzung des Leistungsanspruchs in einem einheitlichen Verfahren verbunden.

Zweck und typische Anwendungsfelder

Ziel ist die Überwindung von Informationsasymmetrien. Häufige Anwendungsfälle sind Unterhalts- und Vergütungsansprüche, Beteiligungen an Gewinnen, Lizenzabrechnungen oder Provisionsforderungen. In all diesen Situationen hängen Umfang und Höhe des Anspruchs von Daten ab, die typischerweise nur die Gegenseite besitzt.

Abgrenzung zu anderen Klagearten

Im Unterschied zur reinen Leistungsklage wird der Leistungsantrag hier zunächst unbeziffert gestellt und erst nach erteilter Auskunft konkretisiert. Gegenüber einer isolierten Auskunftsklage bietet die Stufenklage den Vorteil, dass die spätere Leistung bereits prozessual vorbereitet ist und im selben Verfahren verfolgt wird. Von einer Feststellungsklage unterscheidet sie sich durch die Ausrichtung auf konkrete Auskunft und Zahlung statt bloßer Klärung eines Rechtsverhältnisses.

Aufbau der Stufen

Stufe 1: Auskunft

In der ersten Stufe wird verlangt, die für die Bezifferung des Anspruchs erforderlichen Informationen mitzuteilen. Das kann beispielsweise die Offenlegung von Einkünften, Umsätzen, Verträgen, Abrechnungen oder sonstigen relevanten Unterlagen sein. Der Antrag muss die Art der Auskunft so konkret beschreiben, dass die Reichweite des Gebotenen klar erkennbar ist.

Stufe 2: Eidesstattliche Versicherung (optional)

Wenn begründete Zweifel an Vollständigkeit oder Richtigkeit der Auskunft bestehen, kann als nächste Stufe die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung verlangt werden. Dieser Schritt dient der Absicherung der zuvor erteilten Auskunft und erhöht die Verbindlichkeit der Angaben. Er ist nicht zwingend und wird nur beansprucht, wenn ein entsprechendes Sicherungsbedürfnis dargelegt wird.

Stufe 3: Leistung

Auf Grundlage der erteilten Auskunft wird abschließend die geschuldete Leistung verlangt, meist die Zahlung eines bestimmten Betrages. Der zuvor unbezifferte Leistungsantrag wird dann beziffert. Das Gericht entscheidet hier über das „Ob“ und die „Höhe“ der Leistung.

Reihenfolge und Bindungswirkung

Die Stufen werden nacheinander durchlaufen. Das Gericht kann über die Auskunft getrennt entscheiden und diesen Teil des Rechtsstreits vorab erledigen. Die erteilte Auskunft bildet die Grundlage für die spätere Bezifferung. Die Parteien sind an die prozessualen Erklärungen und die getroffenen Teilentscheidungen gebunden, soweit diese rechtskräftig werden.

Zulässigkeit und Voraussetzungen

Rechtsschutzbedürfnis und Informationsasymmetrie

Die Stufenklage setzt ein schlüssiges Interesse an Auskunft voraus, weil ohne diese eine konkrete Bezifferung nicht möglich oder unzumutbar wäre. Es genügt, dass die begehrte Information für die Geltendmachung der Leistung erheblich ist.

Bestimmtheit des Klageantrags

Die Anträge müssen so bestimmt sein, dass deren Inhalt erkennbar und vollstreckbar ist. Für die Auskunft sind Art, Umfang und Zeitraum zu umschreiben. Der Leistungsantrag wird in der Regel zunächst unbeziffert gestellt und nach Auskunft konkretisiert; die Bezifferung erfolgt innerhalb des laufenden Verfahrens.

Zuständigkeit und Gerichtsstand

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit richtet sich nach dem Streitgegenstand und der allgemeinen Gerichtsstandsordnung. Maßgeblich sind insbesondere der Wohn- oder Geschäftssitz der Parteien und der Ort der Leistungserbringung.

Partei- und Prozessfähigkeit

Die Beteiligten müssen verfahrensfähig sein. Bei Minderjährigen oder vertretenen Organisationen handelt die jeweils berechtigte Vertretung.

Verfahrensablauf

Einreichung und Klageanträge

Die Klage umfasst von Beginn an sämtliche Stufen als gestaffelte Anträge. Nach erteilter Auskunft wird der Leistungsantrag konkretisiert und gegebenenfalls um weitere Tatsachen ergänzt, die sich aus der Auskunft ergeben.

Gerichtliche Entscheidungen je Stufe

Über die Auskunft kann das Gericht durch gesonderte Entscheidung befinden. Erst nach Erfüllung der Auskunft und ggf. der eidesstattlichen Versicherung wird über die Leistung entschieden. Teilentscheidungen können eigenständig rechtskräftig werden.

Beweislast und Beweismittel

Die klagende Partei trägt die Darlegungs- und Beweislast für die anspruchsbegründenden Tatsachen, soweit diese nach Auskunft vorliegen. Für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft ist die auskunftspflichtige Seite verantwortlich. Übliche Beweismittel sind Urkunden, Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten und Parteivernehmungen.

Vollstreckbarkeit der Auskunft und Zwangsmittel

Ein rechtskräftig zugesprochener Auskunftsanspruch ist vollstreckbar. Bei Nichtbefolgung können Zwangsmittel angeordnet werden, um die Erfüllung zu erreichen. Die Art der Zwangsmittel richtet sich nach den allgemeinen Vollstreckungsregeln.

Kosten und Gebühren

Streitwert in den Stufen

Der Streitwert setzt sich aus dem wirtschaftlichen Interesse an der Auskunft und dem Leistungsinteresse zusammen. Das Leistungsinteresse erhält besonderes Gewicht, weil es regelmäßig den höchsten wirtschaftlichen Wert verkörpert. Der endgültige Streitwert kann sich nach Bezifferung ändern.

Kostenverteilung

Die Kosten folgen grundsätzlich dem Obsiegen und Unterliegen in den einzelnen Stufen und im Gesamtergebnis. Teilentscheidungen können zu einer vorläufigen Kostenverteilung führen, die am Ende angepasst wird. Eine einvernehmliche Beendigung wirkt sich ebenfalls auf die Kostenlast aus.

Zeitliche Aspekte

Verjährung und Hemmung

Die Erhebung einer Stufenklage wirkt sich auf laufende Verjährungsfristen aus. Bereits mit der Einreichung werden rechtliche Wirkungen ausgelöst, die den Leistungsanspruch absichern können. Entscheidend ist, dass der Leistungsanspruch Bestandteil des Verfahrens ist, auch wenn er zunächst unbeziffert bleibt.

Verzinsung

Zinsen können ab dem Zeitpunkt geschuldet sein, ab dem sich die Leistung in Verzug befindet oder die Voraussetzungen für eine Verzinsung vorliegen. Der konkrete Beginn hängt von Fälligkeit, Mahnung und den Umständen des Einzelfalls ab.

Besonderheiten und Risiken

Erweiterung oder Einschränkung der Klage

Nach Auskunft kann die Klage präzisiert und inhaltlich angepasst werden, soweit dies auf den im Verfahren verfolgten Anspruch bezogen bleibt. Unzulässige Erweiterungen, die einen neuen Streitgegenstand betreffen, sind auszugrenzen.

Unzulässige oder missbräuchliche Verwendung

Die Stufenklage ist kein Mittel zur Ausforschung ohne hinreichenden Bezug zu einem Leistungsanspruch. Fehlt es an einem ernsthaften Leistungsinteresse, kann das Verfahren unzulässig sein.

Vergleich und Erledigung

Das Verfahren kann in jeder Stufe durch Einigung beendet werden. Eine Einigung kann Auskunft, Richtigkeitsversicherung und Leistung vollständig oder teilweise regeln.

Internationale Bezüge

Bei grenzüberschreitenden Sachverhalten stellen sich Fragen der Zuständigkeit, der internationalen Zustellung und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen. Maßgeblich sind insoweit die einschlägigen Regeln des internationalen Zivilverfahrensrechts.

Beispiele aus der Praxis

Unterhalts- und Lohnabrechnungen

Zur Bestimmung von Unterhalt oder variablen Vergütungsbestandteilen werden Einkommensnachweise und Abrechnungen benötigt. Die Stufenklage verbindet die Offenlegung dieser Daten mit dem späteren Zahlungsbegehren.

Gewinnbeteiligung und Lizenzabrechnungen

Ansprüche auf Beteiligungen, Boni oder Lizenzgebühren setzen häufig genaue Abrechnungen voraus, die nur die andere Seite besitzt. Die Stufenklage dient hier der strukturierten Aufbereitung und Durchsetzung.

Gesellschaftsrechtliche Informationsansprüche

Bei Auseinandersetzungen zwischen Gesellschaftern oder zwischen Gesellschaft und Beteiligten wird die Auskunft über Geschäftszahlen und Verträge benötigt, um Leistungsansprüche zu beziffern. Die Stufenklage verknüpft diese Auskunft mit dem Leistungsbegehren.

Häufig gestellte Fragen

Was ist eine Stufenklage und wozu dient sie?

Die Stufenklage ist ein Verfahren, in dem zuerst Auskunft verlangt wird, um danach die Leistung – meist Zahlung – beziffern und durchsetzen zu können. Sie dient der Überwindung von Informationslücken, wenn die benötigten Daten bei der Gegenseite liegen.

Wie viele Stufen kann eine Stufenklage enthalten?

Üblich sind bis zu drei Stufen: Auskunft, eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit (optional) und Leistung. Ob die zweite Stufe nötig ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls und bestehenden Zweifeln an der Auskunft ab.

Wann ist eine Stufenklage unzulässig?

Unzulässig ist sie insbesondere dann, wenn kein berechtigtes Interesse an Auskunft besteht oder der Leistungsanspruch erkennbar fehlt. Die Stufenklage darf nicht als reines Ausforschungsinstrument ohne Bezug zu einem Leistungsbegehren eingesetzt werden.

Welche Entscheidungen trifft das Gericht in den einzelnen Stufen?

Das Gericht kann zunächst gesondert über den Auskunftsanspruch entscheiden. Nach Erteilung der Auskunft und gegebenenfalls einer Richtigkeitsversicherung entscheidet es über die konkrete Leistung. Teilentscheidungen können selbstständig rechtskräftig werden.

Wie wirkt sich die Stufenklage auf Verjährungsfristen aus?

Die Erhebung der Stufenklage entfaltet Wirkungen auf die Verjährung des Leistungsanspruchs, obwohl dieser anfangs unbeziffert ist. Maßgeblich ist, dass der Leistungsanspruch von Beginn an Teil des Verfahrens ist.

Wie werden Streitwert und Kosten bestimmt?

Der Streitwert umfasst das wirtschaftliche Interesse an der Auskunft sowie das Leistungsinteresse. Die Kosten richten sich nach dem Ergebnis der einzelnen Stufen und dem Gesamtausgang des Verfahrens. Eine Einigung kann die Kostenverteilung beeinflussen.

Ist die erteilte Auskunft vollstreckbar?

Wird die Auskunft durch Entscheidung zugesprochen, ist sie vollstreckbar. Bei Nichtbefolgung kommen Zwangsmittel in Betracht, um die Erfüllung herbeizuführen.