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Stufenführerschein


Begriff und rechtlicher Hintergrund des Stufenführerscheins

Der Stufenführerschein ist ein Führerscheinkonzept im Bereich des Fahrerlaubnisrechts, das insbesondere im Zusammenhang mit dem Erwerb von Fahrerlaubnissen der Klassen A1, A2 und A (Motorradklassen) Anwendung findet. Ziel des Stufenführerscheins ist es, eine schrittweise Heranführung an leistungsstärkere Krafträder unter Berücksichtigung des Alters und der Fahrerfahrung zu gewährleisten. Das Konzept ist eine Reaktion auf die europäische Richtlinie 2006/126/EG (sog. 3. EU-Führerscheinrichtlinie) und wurde in Deutschland durch das Straßenverkehrsgesetz (StVG) sowie die Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) rechtlich umgesetzt.

Definition

Der Stufenführerschein beschreibt ein System, bei dem der Aufstieg zu einer höheren Fahrzeugklasse, insbesondere im Bereich der Krafträder, an bestimmte Voraussetzungen wie Mindestalter, Besitzdauer der niedrigeren Fahrerlaubnisklasse und absolvierte Fahrpraxis gekoppelt ist. Ein unmittelbarer Direkteinstieg in die höchste Motorradklasse ist nur eingeschränkt möglich und in der Regel an ein höheres Mindestalter gebunden.

Rechtliche Grundlagen und gesetzliche Regelungen

Europarechtlicher Hintergrund

Der Stufenführerschein basiert maßgeblich auf Vorgaben des europäischen Rechts. Die 3. EU-Führerscheinrichtlinie normiert insbesondere die stufenweise Erweiterung der Fahrerlaubnis im Bereich der Krafträder. Ziel ist ein einheitliches und erhöhtes Maß an Verkehrssicherheit innerhalb der Europäischen Union durch abgestufte Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen.

Nationale Rechtsgrundlagen

Die maßgeblichen Vorschriften zum Stufenführerschein finden sich im deutschen Recht im Straßenverkehrsgesetz (StVG) und insbesondere in der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV), §§ 6, 10, 15 ff. Besondere Bedeutung kommt dabei den Regelungen zur Erteilung und Erweiterung der Fahrerlaubnis (Klassen A1, A2, A) zu.

Klassen mit Stufenführerschein-System

  • A1: Leichtkrafträder (max. 125 ccm, max. 11 kW, max. 0,1 kW/kg)
  • A2: Krafträder (max. 35 kW, max. 0,2 kW/kg)
  • A: Krafträder ohne Leistungsbeschränkung

Voraussetzungen für die Erteilung

Erst- und Aufsteigerregelung

Die Fahrerlaubnis kann entweder unmittelbar – nach Erreichen des Mindestalters – oder durch schrittweisen Erwerb durch Vorbesitz eines Führerscheins einer niedrigeren Klasse erreicht werden:

  • Direkteinstieg: Erwerb einer Fahrerlaubnis einer höheren Klasse ohne Vorbesitz ist zulässig, jedoch an ein höheres Mindestalter und vollständige theoretische sowie praktische Ausbildung inklusive Prüfung geknüpft.
  • Stufenaufstieg: Nach Vorbesitz der niedrigeren Klasse für einen bestimmten Zeitraum (meist zwei Jahre) kann der Inhaber eine Erweiterung auf die nächsthöhere Klasse beantragen. In der Regel ist nur eine praktische Prüfung ohne zusätzliche theoretische Prüfung erforderlich.

Mindestalter

  • A1: 16 Jahre
  • A2: 18 Jahre (bzw. 20 Jahre bei Vorbesitz A1 von mindestens zwei Jahren)
  • A: 24 Jahre (Direkteinstieg), 20 Jahre (bei mind. zweijährigem Vorbesitz A2)

Praktische Voraussetzungen

Für den Stufenaufstieg muss die Bewerberin oder der Bewerber nachweisen, dass sie oder er seit mindestens zwei Jahren im Besitz der niedrigeren Klasse ist. Zudem ist eine praktische Prüfung erforderlich, die jedoch inhaltlich auf einen gefestigten Umgang mit Krafträdern der jeweils niedrigeren Klasse abzielt und keine vollständige klassenspezifische Grundausbildung voraussetzt.

Ablauf der stufenweisen Erweiterung der Fahrerlaubnis

Antragstellung

Der Antrag auf Erweiterung wird bei der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde gestellt. Erforderlich sind der Nachweis über die erforderliche Vorbesitzdauer, ein Sehtest, die Teilnahme an einer Erste-Hilfe-Schulung sowie ein Nachweis über die erforderliche praktische Ausbildung (sofern notwendig).

Ausbildung und Prüfungen

Die Ausbildungs- und Prüfungsanforderungen unterscheiden sich nach Art des Stufenaufstiegs:

  • Direkteinstieg: Umfangreiche theorie- und praxisbezogene Ausbildung sowie beide Prüfungen (theoretisch und praktisch).
  • Stufenaufstieg: Praktische Aufstiegsprüfung; die theoretische Prüfung entfällt. Umfang der praktischen Ausbildung richtet sich nach individueller Einschätzung der Fahrschule, eine fest vorgeschriebene Mindestanzahl an Fahrstunden besteht nicht.

Rechtliche Folgen und Rechtsposition

Mit Bestehen der praktischen Aufstiegsprüfung und Eintragung im Führerschein erhält die Inhaberin oder der Inhaber die Erlaubnis zum Führen von Fahrzeugen der nächsthöheren Führerscheinklasse. Die frühere Klassenberechtigung bleibt uneingeschränkt bestehen.

Besonderheiten und Ausnahmen

Umschreibung ausländischer Führerscheine

Die Anrechnung von Vorbesitzzeiten bei Umschreibungen ausländischer Fahrerlaubnisse ist im Einzelfall anhand der Gleichwertigkeit der ausländischen Fahrerlaubnisklassen zu prüfen. Ein Stufenaufstieg ist in diesen Fällen möglich, wenn die Voraussetzungen nachgewiesen werden.

Gültigkeit und Befristung

Fahrerlaubnisse sind unionsweit gültig. Die Berechtigungen einer erweiterten Klasse gelten unbefristet bzw. bis zum Erreichen von Altersgrenzen oder medizinisch bedingten Befristungen.

Widerruf und Rücknahme

Der Widerruf oder die Rücknahme einer Fahrerlaubnis aufgrund fehlender Eignung, Verstöße gegen Auflagen oder nicht zutreffender Voraussetzungen kann auch im Hinblick auf stufenweise erlangte Klassen erfolgen, wobei jeweils die rechtlichen Anforderungen für die betreffende Klasse zu beachten sind.

Rechtliche Bewertung und Bedeutung

Der Stufenführerschein dient der schrittweisen Qualifikation für den Umgang mit leistungsstärkeren Motorrädern. Durch die Kopplung an Fahrpraxis und Mindestalter wird das Unfallrisiko insbesondere jüngerer und unerfahrener Fahrerinnen und Fahrer verringert. Zugleich wird die Mobilität und individuelle Anpassung im Bereich des Führerscheinerwerbs flexibilisiert sowie eine europaweit einheitliche Regelung gewährleistet. Das Stufenführerscheinsystem ist ein zentrales Element der Fahrerlaubnisstrukturierung und trägt maßgeblich zur Verkehrssicherheit im Zusammenhang mit motorisierten Zweirädern bei.

Literatur und Normen

  • Straßenverkehrsgesetz (StVG)
  • Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV)
  • 3. EU-Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 2006/126/EG)
  • Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV-VwV)

Hinweis: Diese Ausführungen verschaffen einen umfassenden Überblick zum Begriff „Stufenführerschein“ und dienen der Information im Rahmen eines Rechtslexikons. Weiterführende Details zu einzelnen Verfahrensabläufen oder Besonderheiten sollten anhand der jeweils aktuellen Gesetzeslage eingeholt werden.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für den Erwerb eines Stufenführerscheins erfüllt sein?

Für den Erwerb eines Stufenführerscheins müssen zunächst die allgemeinen Fahreignungsvoraussetzungen gemäß Fahrerlaubnisverordnung (FeV) erfüllt sein. Dazu zählen insbesondere das Erreichen des jeweils vorgeschriebenen Mindestalters, ein ordentlicher Wohnsitz in Deutschland sowie das Bestehen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung in bestimmten Fällen (z.B. bei vorangegangenen Verkehrsverstößen). Weiterhin muss der Antragsteller nachweisen, dass er an einer theoretischen und praktischen Fahrprüfung für die entsprechende Führerscheinklasse teilgenommen hat, wobei sich die Prüfungsanforderungen mit jeder nächsten Stufe erhöhen. Entscheidet sich der Bewerber für die Erweiterung auf eine höhere Stufe, ist die Einhaltung vorgegebener Fristen (in der Regel mindestens zwei Jahre Fahrpraxis in der niedrigeren Klasse) gesetzlich vorgeschrieben. Zudem ist der Nachweis über eine Ausbildung bei einer amtlich anerkannten Fahrschule notwendig, wobei der Umfang der Ausbildung abhängig von der angestrebten Stufe variieren kann.

In welchem zeitlichen Abstand kann man die nächste Stufe beim Stufenführerschein beantragen?

Die zeitlichen Abstände für den Aufstieg zur nächsthöheren Stufe beim Stufenführerschein sind in der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) klar geregelt. Grundsätzlich müssen Führerscheininhaber eine mindestens zweijährige Fahrpraxis auf der vorangegangenen Stufe nachweisen, bevor sie zur nächsthöheren Klasse aufsteigen dürfen. Für die Klassen A1 auf A2 sowie von A2 auf A sind jeweils Wartezeiten von mindestens zwei Jahren vorgeschrieben. Ausnahmen gibt es lediglich, wenn der Bewerber bereits das höhere Mindestalter für die aufzusteigende Klasse erreicht hat und in diesen Fällen die reguläre theoretische und praktische Prüfung vollständig ablegt. In solchen Ausnahmefällen entfällt die Wartezeit, ansonsten ist die zweijährige Praxiszeit zwingend einzuhalten und durch Vorlage des bisherigen Führerscheins nachzuweisen.

Welche besonderen rechtlichen Folgen kann ein Verstoß gegen die Auflagen des Stufenführerscheins nach sich ziehen?

Wer die im Rahmen des Stufenführerscheins vorgeschriebenen Auflagen nicht einhält – beispielsweise das Führen eines Fahrzeugs der nächsthöheren Klasse ohne die notwendige Prüfungsbescheinigung oder vor Ablauf der geforderten Wartezeit – begeht gemäß § 21 StVG eine Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis. Dies führt in der Regel zur Einleitung eines Strafverfahrens mit möglichen Konsequenzen wie Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Darüber hinaus kann dies auch zu einem behördlichen Entzug der Fahrerlaubnis führen, was wiederum eine längere Sperrfrist für die Neuerteilung nach sich zieht. Fahrten trotz bestehender Auflagenverletzung können ferner zu Versicherungsschutzverlust und zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen führen. Zudem wird der Führerscheinbesitzer bei künftigen Führerscheinanträgen als unzuverlässig eingestuft, was einen negativen Einfluss auf spätere Erteilungen weiterer Fahrerlaubnisklassen haben kann.

Wie verhält sich der Stufenführerschein bei einem Wohnsitzwechsel innerhalb der EU?

Der rechtliche Status eines während eines Wohnsitzwechsels ausgestellten Stufenführerscheins ist EU-weit durch die Führerscheinrichtlinie geregelt. Zieht der Inhaber des Stufenführerscheins in ein anderes EU-Land um, so wird die zuvor erworbene Fahrerlaubnis grundsätzlich anerkannt. Allerdings unterliegt der Führerschein den jeweiligen nationalen Bestimmungen des neuen Wohnsitzlandes. Das kann sich insbesondere auf die Dauer der Wartezeiten zwischen den Stufen sowie auf notwendige Prüfungen auswirken. Der Betroffene sollte sich bei der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde des neuen Wohnsitzstaats informieren, ob zusätzliche Nachweise oder Anpassungsprüfungen erforderlich sind. Wird der Führerschein nach dem Umzug erneuert, erfolgt die Ausstellung nach dem Recht des neuen Wohnsitzstaats, wobei bereits absolvierte Stufen in der Regel anerkannt werden.

Welche Prüfungsanforderungen gelten bei der Erweiterung auf die nächsthöhere Stufe?

Für die Erweiterung auf die nächsthöhere Stufe im Stufenführerschein-System sind die Prüfungsanforderungen gesetzlich in der Fahrerlaubnis-Verordnung (§§ 16, 17 FeV) verankert. Beim Aufstieg von einer niedrigeren auf eine höhere Klasse ist in der Regel eine praktische Prüfung erforderlich, deren Umfang sich nach den Inhalten der jeweiligen Führerscheinklasse richtet. Die theoretische Prüfung kann unter Umständen entfallen, sofern sie bereits für die untergeordnete Stufe abgelegt wurde, sofern sich der Prüfungsstoff nicht wesentlich unterscheidet. Die praktische Prüfung ist dabei auf die Fähigkeiten und Kenntnisse fokussiert, die für die sichere Beherrschung von leistungsstärkeren oder technisch komplexeren Fahrzeugen notwendig sind. Die Ausbildung vor der Prüfung muss an einer zugelassenen Fahrschule erfolgen und schließt einen Nachweis über die zu absolvierenden Fahrstunden sowie eine Bestätigung der notwendigen Fahrpraxis ein. Besonderes Augenmerk liegt auf den Nachweis der Beherrschung und des verkehrssicheren Verhaltens mit dem neuen Fahrzeugtyp.

Welche gesetzlichen Besonderheiten gelten für Begleitpersonen beim begleiteten Fahren im Rahmen des Stufenführerscheins?

Begleitpersonen beim begleiteten Fahren (z.B. BF17) unterliegen speziellen gesetzlichen Anforderungen (§ 48a FeV). Sie müssen das 30. Lebensjahr vollendet haben, seit mindestens fünf Jahren ununterbrochen eine gültige Fahrerlaubnis der Klasse B besitzen und dürfen maximal einen Punkt im Fahreignungsregister (FAER) vorweisen. Es sind keine weiteren Prüfungen oder Schulungen für die Begleitpersonen vorgeschrieben, sie müssen aber jederzeit bereit sein, dem Fahranfänger beratend zur Seite zu stehen und dürfen selbst keine berauschenden Mittel konsumiert haben. Die Begleitung wird im Führerschein des Fahranfängers eingetragen, und Verstöße gegen diese Vorschriften können neben Ordnungswidrigkeiten für den Fahranfänger auch Konsequenzen für die Begleitperson (z. B. Ausschluss aus zukünftigen Begleiterlaubnissen) nach sich ziehen.

Wie beeinflussen Verkehrsverstöße während der Probezeit die rechtliche Bewertung des Stufenführerscheins?

Verkehrsverstöße während der Probezeit haben im Rahmen des Stufenführerscheins direkte rechtliche Auswirkungen. Schwere Verstöße (sogenannte A-Verstöße, beispielsweise Alkohol am Steuer, grobe Geschwindigkeitsüberschreitungen) oder wiederholte leichtere Verstöße (B-Verstöße) führen gemäß § 2a StVG zur Anordnung eines Aufbauseminars, Verlängerung der Probezeit von zwei auf vier Jahre und gegebenenfalls zu weiteren Maßnahmen wie der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens (MPU). Wiederholte oder schwerwiegende Verstöße können außerdem zum Entzug der Fahrerlaubnis führen. Verkehrsverstöße während der Wartezeit auf die nächste Stufe verzögern darüber hinaus die Erteilung der nächsthöheren Fahrerlaubnis, da der Inhaber zunächst alle behördlichen Maßnahmen erfolgreich abschließen muss, bevor ein Antrag auf Erweiterung gestellt werden darf.