Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Erbrecht»Stückvermächtnis

Stückvermächtnis


Definition und Allgemeines zum Stückvermächtnis

Das Stückvermächtnis ist ein Begriff des deutschen Erbrechts, der eine besondere Art des Vermächtnisses gemäß §§ 1939 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) beschreibt. Ein Stückvermächtnis liegt vor, wenn dem Bedachten (Vermächtnisnehmer) durch letztwillige Verfügung, insbesondere durch Testament oder Erbvertrag, ein individualisierter Gegenstand aus dem Nachlass des Erblassers zugewendet wird. Dies unterscheidet sich von Gattungsvermächtnissen, die lediglich eine bestimmte Art oder Klasse von Sachen betreffen, jedoch keine individuelle Zuweisung vorsieht.

Stückvermächtnisse werden regelmäßig auf einen einzelnen, im Nachlass bereits vorhandenen Gegenstand (z. B. ein bestimmtes Gemälde, ein Auto oder ein Schmuckstück) bezogen und sind damit auch als „Sachvermächtnis“ bekannt, sofern sie eine bewegliche oder unbewegliche Sache betreffen. Charakteristisch ist, dass der Erblasser genau dieses bestimmte Objekt und nicht bloß einen Gegenstand derselben Art zuwendet.

Gesetzliche Grundlagen

Rechtsquellen und Definition

Das deutsche Erbrecht regelt das Vermächtnis allgemein in den §§ 1939, 2147-2191 BGB. Das Stückvermächtnis ist eine Ausprägung des sog. Sachvermächtnisses und lässt sich insbesondere durch Auslegung der in § 2169 BGB enthaltenen Vorschriften bestimmen:

  • § 2169 BGB: Regelt insbesondere den Fall, dass ein vermächtnisweise zugewendeter Gegenstand zur Zeit des Erbfalls nicht mehr zur Erbschaft gehört (Untergang des Gegenstands).
  • § 1939 BGB: Definiert das Vermächtnis als Zuwendung eines Vermögensvorteils durch den Erblasser an eine Person, ohne diese zur Erbin einzusetzen.

Im rechtlichen Kontext ist entscheidend, dass der Vermächtnisnehmer durch das Stückvermächtnis nicht Gesamtrechtsnachfolger, sondern lediglich Anspruchsberechtigter gegenüber den Erben ist. Ihm entsteht ein schuldrechtlicher Anspruch auf Herausgabe des bezeichneten Gegenstands.

Abgrenzung zu anderen Vermächtnisarten

Unterschied zum Gattungsvermächtnis

Das Stückvermächtnis bezieht sich auf einen individualisierten Gegenstand, z. B. „mein Bild von Max Liebermann“. Im Gegensatz dazu umfasst das Gattungsvermächtnis einen Gegenstand, der nur nach generischer Bestimmung (Gattung) bezeichnet ist, z. B. „ein Fernseher“. Die Abgrenzung erfolgt nach dem Willen des Erblassers sowie nach Auslegungsgrundsätzen (§§ 133, 2084 BGB).

Unterschied zur Erbeinsetzung

Eine Erbeinsetzung bewirkt die Gesamtrechtsnachfolge. Im Gegensatz dazu vermittelt das Stückvermächtnis einen einzelnen Herausgabeanspruch hinsichtlich des bestimmten Gegenstands und keine Rechtsstellung als Miterbe oder Alleinerbe.

Gestaltung und Wirksamkeit des Stückvermächtnisses

Formvorschriften

Das Stückvermächtnis kann durch privatschriftliches oder notarielles Testament, aber auch durch Erbvertrag angeordnet werden. Die allgemeinen Formvorschriften für letztwillige Verfügungen gemäß §§ 2247 ff. BGB sind einzuhalten.

Auslegung letztwilliger Verfügungen

Die Auslegung, ob eine Verfügung ein Stückvermächtnis darstellt, erfolgt nach den §§ 133, 2084 BGB. Entscheidend sind der erkennbare Wille des Erblassers und die Umstände des Einzelfalls. Selbst wenn im Testament keine ausdrückliche Bezeichnung als „Stückvermächtnis“ vorliegt, kann dies durch eine genaue Beschreibung des betreffenden Gegenstands angenommen werden.

Rechte und Pflichten der Beteiligten

Ansprüche des Vermächtnisnehmers

Mit Eintritt des Erbfalls entsteht zugunsten des Vermächtnisnehmers ein schuldrechtlicher Anspruch auf Verschaffung des Stücks gegenüber dem Erben (§ 2174 BGB). Der Anspruch kann gerichtlich durchgesetzt werden, falls der Erbe die Herausgabe oder Übereignung verweigert.

Herausgabe- und Übergabepflicht

Der Erbe ist zur Herausgabe und ggf. Übereignung des Stücks verpflichtet. Wird das Stückvermächtnis nicht erfüllt, stehen dem Vermächtnisnehmer unter Umständen Schadensersatz- oder Wertersatzansprüche gegen den Erben zu (§ 2169 Abs. 2 BGB).

Haftung bei Untergang des Gegenstands

Gehört der vermachte Gegenstand zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr zum Nachlass, gilt das Stückvermächtnis in der Regel als erloschen (§ 2169 Abs. 1 BGB). Ausnahmen bestehen, wenn der Gegenstand nur zeitweise entzogen, unberechtigt veräußert oder zerstört wurde und der Nachlass einen Ersatzanspruch gegen Dritte hat (§ 2169 Abs. 2 BGB).

Besonderheiten bei mehreren Vermächtnisnehmern

Wird ein individueller Gegenstand mehreren Personen vermacht, ist eine Auslegung erforderlich, ob eine Teilung vorgesehen ist oder das Vermächtnis nur einer Person (im Ganzen oder alternativ) zukommen soll.

Steuer- und Bewertungsfragen

Erbschaftsteuerliche Behandlung

Der Erwerb eines Stückvermächtnisses unterliegt regelmäßig der Erbschaftsteuer. Bemessungsgrundlage ist dabei der gemeine Wert des betreffenden Gegenstands zum Zeitpunkt des Erbfalls. Die Besteuerung richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG).

Bewertung und Haftung

Der Wert eines Stückvermächtnisses kann bei der Umsetzung eine besondere Rolle spielen, etwa hinsichtlich der Pflichtteilsrechte anderer Beteiligter. Der Gegenstand ist zum Stichtagswert (Zeitpunkt des Erbfalls) zu bewerten.

Beispiel für ein Stückvermächtnis

Ein typisches Stückvermächtnis könnte wie folgt lauten:
„Ich vermache meiner Nichte Lisa mein Ölgemälde von Max Liebermann.“

In diesem Beispiel erhält die Nichte nicht das Eigentum an allen Kunstwerken des Erblassers (kein Gattungsvermächtnis), sondern nur an diesem spezifisch benannten Einzelstück.

Zusammenfassung

Das Stückvermächtnis stellt eine spezifische Form des Vermächtnisses dar, in der ein bestimmter, individualisierter Gegenstand aus dem Nachlass einer Person zugewendet wird. Seine rechtliche Bedeutung liegt in der schuldrechtlichen Anspruchsbegründung zugunsten des Vermächtnisnehmers gegenüber dem Erben. Die Wirksamkeit, Auslegung sowie die Umsetzung eines Stückvermächtnisses unterliegen den allgemeinen erbrechtlichen Regelungen und können durch zahlreiche Einzelfragen – etwa Untergang des Gegenstands oder steuerrechtliche Behandlung – geprägt sein. Wer eine letztwillige Verfügung trifft, sollte die Unterschiede zwischen Erbeinsetzung, Stückvermächtnis und anderen Vermächtnisarten sowie die Konsequenzen für die Beteiligten klar bedenken.

Weiterführende Literatur und Weblinks

Häufig gestellte Fragen

Wer ist für die Herausgabe eines Stückvermächtnisses verantwortlich?

Für die Herausgabe eines Stückvermächtnisses ist in erster Linie der Erbe oder die Erbengemeinschaft verantwortlich. Das deutsche Erbrecht sieht vor, dass der Vermächtnisnehmer grundsätzlich einen Anspruch gegen die Erben auf Leistung des vermachten Gegenstandes hat (§ 2174 BGB). Die Erben sind verpflichtet, das Stückvermächtnis zu erfüllen, sobald sie Erben geworden sind und das Vermächtnis annahmen. Probleme können sich ergeben, wenn der Nachlass nicht ausreicht, um alle Vermächtnisse zu erfüllen oder wenn ein Streit hinsichtlich der Zuordnung des vermachten Gegenstandes zum Nachlass besteht. Die Erben müssen dann im Rahmen ihrer Pflicht zur ordnungsgemäßen Nachlassverwaltung und Auseinandersetzung zunächst Nachlassverbindlichkeiten sowie Pflichtteilsansprüche berücksichtigen, bevor sie Stückvermächtnisse herausgeben. Der Vermächtnisnehmer kann seinen Anspruch notfalls auch gerichtlich durchsetzen.

Wann ist das Stückvermächtnis fällig und was gilt für die Übergabe?

Das Stückvermächtnis wird nach § 2176 BGB mit dem Erbfall fällig, d. h. zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers. Dennoch entsteht die Verpflichtung zur Herausgabe erst, wenn der Vermächtnisanspruch vom Erben erfüllt wird. Nach allgemeiner Auffassung kann der Erbe oder die Erbengemeinschaft eine angemessene Zeit beanspruchen, um den Nachlass zu sichten, die Nachlassverbindlichkeiten festzustellen und zu klären, ob das Vermächtnis bedient werden kann. Ein Vermächtnisnehmer darf mit der Geltendmachung seines Anspruchs nicht beliebig lange warten, da sonst die Gefahr der Verjährung besteht. Die physische Übergabe und Übereignung, insbesondere bei beweglichen Sachen oder Grundstücken, erfolgt grundsätzlich nach den zivilrechtlichen Vorschriften über das Eigentum und das Sachenrecht (z. B. Eintragung ins Grundbuch bei Immobilien).

Was passiert, wenn der vermachte Gegenstand nicht mehr im Nachlass vorhanden ist?

Falls der bestimmt vermachte Gegenstand beim Tod des Erblassers nicht mehr zum Nachlass gehört, ist das Stückvermächtnis grundsätzlich nach § 2169 BGB unwirksam. Eine Ausnahme besteht dann, wenn der Erblasser eine Ersatzregelung getroffen hat oder der Gegenstand aufgrund eines besonderen Rechtsverhältnisses (z. B. Sicherungsübereignung) formal nicht zum Nachlass zählt, dem Vermächtnisnehmer aber dennoch zustehen soll. In der Praxis kann dies beispielsweise relevant werden, wenn der Erblasser das Stück bereits zu Lebzeiten veräußert oder verschenkt hat. Kommt gar keine Ersatzregelung in Betracht, erlischt das Vermächtnis vollständig mit dem Wegfall des Gegenstandes.

Kann ein Vermächtnisnehmer seinen Anspruch auf ein Stückvermächtnis übertragen oder vererben?

Der Anspruch auf ein Stückvermächtnis ist grundsätzlich übertragbar und vererblich. Der Vermächtnisanspruch entsteht mit dem Erbfall als Forderung gegen den Erben bzw. die Erbengemeinschaft. Gemäß den allgemeinen Vorschriften des Schuldrechts (insbesondere § 398 BGB) kann der Vermächtnisnehmer seinen Anspruch auf Dritte übertragen, solange dies nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (z. B. durch eine persönliche Bindung des Vermächtnisses im Testament). Für den Fall, dass der Vermächtnisnehmer vor Annahme oder Durchsetzung des Vermächtnisses verstirbt, geht dessen Anspruch auf die eigenen Erben im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge (§§ 1922 ff. BGB) über.

Wie erfolgt die Bewertung eines Stückvermächtnisses für Pflichtteil und Pflichtteilsergänzung?

Das Stückvermächtnis selbst gehört nicht zum Nachlass des Erblassers, sondern ist eine Nachlassverbindlichkeit, da es den Nachlasswert vermindert. Für die Berechnung des Pflichtteils ergibt sich daraus, dass der Pflichtteilsanspruch grundsätzlich vom Wert des reinen Nachlasses nach Abzug aller Nachlassverbindlichkeiten einschließlich der Vermächtnisse bemessen wird (§ 2311 BGB). Sollte der Wert des Stückvermächtnisses den Nachlass erheblich schmälern, kann dies die Pflichtteilshöhe beeinflussen und ggf. Ansprüche von Pflichtteilsberechtigten auf Pflichtteilsergänzung (§ 2325 BGB) nach sich ziehen. Kommt es zu juristischen Auseinandersetzungen über die Wertermittlung, ist ggf. ein unabhängiges Sachverständigengutachten einzuholen.

Welche Voraussetzungen sind für die Wirksamkeit eines Stückvermächtnisses zu beachten?

Ein Stückvermächtnis wird wirksam, wenn es in einer formgültigen letztwilligen Verfügung (Testament oder Erbvertrag) eindeutig bestimmt ist. Die Beschreibung des Gegenstandes muss so konkret sein, dass er zweifelsfrei identifizierbar ist (z. B. „mein Fahrzeug Audi A6, Baujahr 2019, Fahrgestellnummer XYZ“). Gleichwohl ergeben sich häufig Streitigkeiten, etwa wenn mehrere Gegenstände gleichartig vorhanden sind oder eine eindeutige Individualisierung fehlt. In solchen Fällen ist ggf. der wirkliche Wille des Erblassers auszulegen (§ 133 BGB). Zudem darf der Gegenstand keine rechtlichen Hindernisse aufweisen, die der Übereignung entgegenstehen (z. B. Gemeinsameigentum, dingliche Rechte Dritter). Fehlt die Bestimmtheit, kann das Stückvermächtnis als unwirksam angesehen werden oder ist durch Auslegung zu konkretisieren.

Welche Auswirkungen hat ein Stückvermächtnis auf die Steuerpflicht?

Das Stückvermächtnis unterliegt der Erbschaftsteuer nach deutschem Recht. Der Wert des vermachten Gegenstandes wird dabei dem Vermächtnisnehmer zugerechnet und nach den allgemeinen Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) besteuert. Maßgeblich ist der Wert zum Zeitpunkt des Erwerbs (i.d.R. Todeszeitpunkt des Erblassers). Der Steuersatz und die Freibeträge richten sich nach dem Verwandtschaftsverhältnis zwischen Erblasser und Vermächtnisnehmer sowie nach der Steuerklasse. Besonderheiten ergeben sich bei vermächtnisbedingten Übertragungen von Immobilien oder Betriebsvermögen, für die ggf. spezielle Begünstigungen, Befreiungen oder Bewertungsverfahren gelten. Auch ist die Steuer grundsätzlich vom Vermächtnisnehmer zu tragen, es sei denn, der Erblasser hat etwas anderes testamentarisch angeordnet.