Stücklohn im Arbeitsrecht
Definition und rechtliche Einordnung
Unter dem Begriff Stücklohn versteht man im deutschen Arbeitsrecht eine Form der leistungsbezogenen Vergütung, bei der die Entlohnung auf der Grundlage der quantitativ erbrachten Arbeitsleistung erfolgt. Das bedeutet, die Vergütung richtet sich nach der Anzahl produzierter oder bearbeiteter Einheiten (Stücke) innerhalb eines bestimmten Zeitraums. Im Unterschied zum Zeitlohn, der sich ausschließlich nach der aufgewendeten Arbeitszeit bemisst, hängt der erzielte Lohn beim Stücklohn ganz oder teilweise von der individuellen Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ab.
Gesetzliche Grundlagen des Stücklohns
Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch und Arbeitsrecht
Das deutsche Arbeitsrecht kennt den Stücklohn insbesondere im Rahmen der freien Lohnfindung, wie sie nach § 611a BGB (Begriff des Arbeitsvertrags) möglich ist. Gesetzliche Vorgaben zur Gestaltung des Stücklohns selbst gibt es nicht im Detail. Vielmehr unterliegt die Ausgestaltung individuellen oder kollektiven Vereinbarungen, insbesondere durch:
- Arbeitsvertragliche Regelungen
- Tarifverträge (§ 1 TVG)
- Betriebsvereinbarungen (§ 77 BetrVG)
Mindestlohngesetz (MiLoG)
Nach §§ 1, 2 MiLoG besteht die Verpflichtung, dass auch bei Entlohnung nach Stücklohn mindestens der gesetzliche Mindestlohn pro Stunde gezahlt wird. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass die Stücklohnberechnung in keinem Fall zu einer Vergütung unter dem gesetzlichen Mindestlohn führt. Dies unterliegt regelmäßig behördlicher Kontrolle durch den Zoll.
Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
Stücklohnverhältnisse unterliegen uneingeschränkt den Bestimmungen des Arbeitszeitgesetzes. Es ist nicht zulässig, Beschäftigte im Rahmen von Stücklohnsystemen zur Überschreitung der gesetzlich vorgeschriebenen Höchstarbeitszeiten (§ 3 ArbZG) zu bewegen. Arbeitgeber sind verpflichtet, die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften auch bei variablen Vergütungsmodellen sicherzustellen.
Gestaltung und vertragliche Vereinbarungen
Inhalt eines Stücklohnvertrags
Ein Arbeitsvertrag, der eine Stücklohnbasis vorsieht, muss die maßgeblichen Kriterien eindeutig regeln. Hierzu zählen insbesondere:
- Höhe des Stücklohns pro Einheit
- Definition und Messbarkeit der zu erbringenden Stückleistung
- Erfassung und Nachweis der geleisteten Einheiten (z. B. über Stücklisten)
- Regelungen zur Unterbrechung von Arbeitszeiten (Pausen, Krankheit)
- Umgang mit fehlerhaften oder zurückgewiesenen Stücken
Abgrenzung zu kombinierten Lohnformen
Häufig wird der Stücklohn gekoppelt mit einem Grundlohn als Mindestabsicherung (Mindestlohnkomponente). Solche Vergütungsmodelle werden gemeinhin als Akkordlohn bezeichnet, wobei der Stücklohn die einfachste Form des Akkordlohns darstellt.
Arbeitsschutz und Fürsorgepflichten
Gesundheitsschutz
Das Bundesarbeitsgericht hat wiederholt betont, dass Arbeitgeber auch in Stücklohnsystemen ihre Schutz- und Fürsorgepflichten nach §§ 618 ff. BGB einzuhalten haben. Die Leistungsvorgaben und der Arbeitsdruck dürfen die Gesundheit der Beschäftigten nicht gefährden. Es sind Maßnahmen zur Vermeidung von Überbeanspruchung und gesundheitlichen Schäden erforderlich.
Diskriminierungsverbot
Stücklohnsysteme unterliegen dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Differenzierungen bei der Höhe des Stücklohns oder den zugrundeliegenden Vorgaben dürfen nicht auf diskriminierenden Kriterien beruhen (§ 1 AGG).
Mitbestimmung der Arbeitnehmervertretung
Nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) hat der Betriebsrat insbesondere bei Einführung und Ausgestaltung von Systemen der leistungsbezogenen Vergütung (einschließlich Stücklohn) ein zwingendes Mitbestimmungsrecht. Der Betriebsrat kann damit auf die Ausgestaltung der Entgeltfestsetzung, Leistungsvorgaben sowie auf Verfahren der Leistungsermittlung und -kontrolle Einfluss nehmen.
Folgen bei Unterschreitung des Mindestlohns
Sollten durch die Kalkulation des Stücklohns Fälle auftreten, in denen der Durchschnittslohn unterhalb des gesetzlichen Mindestlohns liegt, sind Nachzahlungen zu leisten. Betroffene Beschäftigte haben einen gesetzlichen Anspruch auf den Differenzbetrag, und dem Arbeitgeber drohen empfindliche Bußgelder nach dem MiLoG.
Steuer- und sozialversicherungsrechtliche Behandlung
Stücklohn stellt steuerlich wie sozialversicherungsrechtlich Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 SGB IV dar. Es gelten sämtliche Vorschriften zur Lohnabrechnung, zur Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen identisch zum Zeitlohn.
Beendigung und Änderung des Stücklohnsystems
Die Änderung der Vergütungsform von Stücklohn auf Zeitlohn oder umgekehrt kann einseitig nur unter den Voraussetzungen der Änderungskündigung erfolgen (§ 2 KSchG). Bestehen kollektivrechtliche Regelungen, bedarf es der einvernehmlichen Anpassung.
Fazit
Der Stücklohn ist eine etablierte Vergütungsform im Arbeitsrecht und unterliegt zahlreichen rechtlichen Bestimmungen. Maßgebende Aspekte sind dabei die Mindestlohnvorschriften, Mitbestimmungsrechte der Arbeitnehmervertretungen sowie der umfassende Arbeitsschutz. Arbeitgeber sind verpflichtet, Stücklohnsysteme so zu gestalten, dass weder gesetzliche Vorschriften verletzt noch Arbeitnehmer benachteiligt oder gesundheitlich gefährdet werden. Die sorgfältige vertragliche Ausgestaltung und die regelmäßige Überprüfung der tatsächlichen Lohnauszahlungshöhe sind daher aus rechtlicher Sicht unerlässlich.
Häufig gestellte Fragen
Welche gesetzlichen Regelungen gelten für den Stücklohn in Deutschland?
Im deutschen Arbeitsrecht ist der Stücklohn eine Form des Leistungslohns, bei dem die Vergütung nach der produzierten Stückzahl erfolgt. Die maßgeblichen gesetzlichen Regelungen hierzu finden sich vor allem im Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 611a BGB zum Arbeitsvertrag) und im Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Wichtig ist, dass auch bei Stücklohn die allgemeinen arbeitsrechtlichen Schutzvorschriften gelten. Dies betrifft insbesondere das Mindestlohngesetz (MiLoG), das sicherstellt, dass der durchschnittliche Stundenverdienst, berechnet auf Basis des Stücklohns und der Arbeitszeit, den gesetzlichen Mindestlohn nicht unterschreitet. Ferner darf der Stücklohn nicht dazu führen, dass Arbeitsschutzvorschriften oder gesetzliche Höchstarbeitszeiten umgangen werden. Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträge können zudem ergänzende oder abweichende Regelungen enthalten, solange der allgemeinen arbeitsrechtliche Schutz (z. B. hinsichtlich Arbeitszeit, Pausen oder Kündigungsschutz) gewahrt bleibt.
Wie wird beim Stücklohn die Einhaltung des Mindestlohns gewährleistet?
Nach § 1 MiLoG ist der Arbeitgeber verpflichtet, sicherzustellen, dass jeder Arbeitnehmer pro geleisteter Arbeitsstunde mindestens den jeweils gültigen gesetzlichen Mindestlohn erhält. Beim Stücklohn bedeutet dies, dass sich durchschnittlich über die abgerechnete Arbeitszeit hinweg der Verdienst pro Stunde nicht unterhalb des Mindestlohns bewegen darf. Erreicht ein Arbeitnehmer durch die tatsächlich erbrachte Stückleistung nicht den Mindestlohn, ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Differenz auszugleichen. Zur Überprüfung dieser Vorgaben müssen Arbeitgeber eine nachvollziehbare Arbeitszeiterfassung sowie eine nachvollziehbare Berechnungsgrundlage für den Stücklohn führen. Bei Unterschreitung der Mindestentlohnung drohen Bußgelder und Nachzahlungen.
Welche Vorgaben gelten bei Krankheit, Urlaub oder Feiertagen im Stücklohn?
Da bei reiner Stücklohnvereinbarung nur für tatsächlich erbrachte Leistungen gezahlt wird, stellt sich die Frage der Vergütung, wenn der Arbeitnehmer an der Arbeitsleistung – etwa durch Urlaub, Krankheit oder gesetzliche Feiertage – gehindert ist. Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) regelt, dass Arbeitnehmer im Fall von Krankheit, Urlaub (§ 11 BUrlG) oder an gesetzlichen Feiertagen Anspruch auf Fortzahlung des durchschnittlichen Arbeitsverdienstes haben. Dabei bemisst sich das fortzuzahlende Entgelt beim Stücklohn nach dem Durchschnittsverdienst, den der Arbeitnehmer in der relevanten Zeitspanne (meist in den letzten 13 Wochen) vor dem Ausfalltag erzielt hat. Eventuelle schwankende Leistungszahlen werden daher durch die Durchschnittsbildung ausgeglichen.
Wie sind Überstunden und Mehrarbeit beim Stücklohn rechtlich zu behandeln?
Überstunden und Mehrarbeit müssen beim Stücklohn gesondert betrachtet werden. Eine geltende Vereinbarung über Stücklohn entbindet den Arbeitgeber nicht von der Beachtung des Arbeitszeitgesetzes (insb. § 3 ArbZG – Achtstundentag, Ruhezeit, Pausen). Sollte ein Arbeitnehmer über die vertraglich festgelegte Arbeitszeit hinaus weitere Arbeitsstunden leisten, so ist auch hierfür eine Vergütung zu zahlen – entweder ebenfalls nach Stückzahl oder, falls keine Stückzahl erbracht wurde, durch einen angemessenen Stundenlohn (häufig auf Basis des Durchschnittslohns). Überdies können tarif- oder arbeitsvertragliche Zuschläge für Überstunden zur Anwendung kommen. Auch bei Überstunden darf der Durchschnittsverdienst pro Stunde den Mindestlohn nicht unterschreiten.
Hat der Arbeitnehmer beim Stücklohn Anspruch auf transparente Abrechnungen?
Ja, der Arbeitnehmer hat gemäß § 108 Gewerbeordnung (GewO) Anspruch auf eine nachvollziehbare und transparente Abrechnung seiner Vergütung. Insbesondere beim Stücklohn ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Stückzahlen sowie die Berechnungsgrundlagen (Stückmenge, Stückgeld, ggf. Zuschläge) in einer für den Arbeitnehmer prüfbaren Weise darzulegen. Die Abrechnung muss mindestens Angaben zu Abrechnungszeitraum, Stückzahl, Vergütung pro Stück, eventuellen Zusatzleistungen und Gesamtsumme enthalten. Bei Unstimmigkeiten oder fehlender Transparenz muss der Arbeitgeber die Berechnung offenlegen und erläutern.
Können durch Stücklohnregelungen arbeitsrechtliche Schutzvorschriften umgangen werden?
Das Arbeitsrecht sieht ausdrücklich vor, dass beim Stücklohn keine Umgehung von Schutzvorschriften erfolgen darf. So sind u. a. Arbeitszeit- und Pausenregelungen (§§ 3-5 ArbZG), Mutterschutz (MuSchG), Jugendarbeitsschutz (JArbSchG) und Regelungen zum Schwerbehindertenschutz weiterhin zwingend zu beachten. Diese Schutzvorschriften gelten unabhängig von der Art der Vergütung und sorgen dafür, dass durch Stücklohnvereinbarungen kein Anreiz zur Gefährdung von Gesundheit oder Arbeitssicherheit geschaffen wird. Verstöße des Arbeitgebers können zu arbeitsrechtlichen Sanktionen und Bußgeldern führen. Gewerbe- und Berufsgenossenschaften achten außerdem darauf, dass Stücklohn nicht zu überhöhtem Leistungsdruck und damit erhöhtem Unfallrisiko führt.
Wie verhält es sich mit Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen zum Stücklohn?
Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen können für einzelne Branchen oder Betriebe spezifische Regeln zur Stücklohngestaltung vorsehen, beispielsweise zur Berechnung der Stückvergütung, zur Gewährleistung eines Mindestverdiensts (Garantielohn) oder zu Ergänzungsleistungen bei schwankender Auftragslage. Solche Vereinbarungen dürfen den gesetzlichen Mindestlohn sowie zwingende arbeitsrechtliche Schutzvorschriften jedoch nicht unterschreiten. Häufig enthalten Tarifverträge auch Regelungen zu Mindeststückzahlen, Kontrollmechanismen, Arbeitszeitkonten und Überstundenvergütung. Die Einhaltung dieser Regeln kann von Gewerkschaften oder Betriebsräten überwacht und ggf. durchgesetzt werden.
Welche Nachweispflichten hat der Arbeitgeber beim Stücklohn?
Bei Vereinbarung von Stücklohn ist der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer in Textform über die wesentlichen Vertragsbedingungen (einschließlich Art und Umfang des Stücklohns) zu unterrichten, dies ergibt sich aus dem Nachweisgesetz (NachwG). Zusätzlich besteht eine Nachweispflicht über die tatsächlich geleisteten Stückzahlen, Arbeitszeiten und Berechnungsgrundlagen, damit Arbeitnehmer ihre Rechte nachvollziehen und bei Bedarf geltend machen können. Fehlt eine ausreichende Dokumentation, können sich daraus Beweisnachteile für den Arbeitgeber in einem möglichen Rechtsstreit ergeben. Auch aus § 16 MiLoG ergibt sich die Pflicht zur Aufzeichnung der täglichen Arbeitszeit, insbesondere bei geringfügiger Beschäftigung.