Begriff und rechtlicher Rahmen der Studentenschaft
Die Studentenschaft bezeichnet im deutschen Hochschulwesen die Gesamtheit der immatrikulierten Studierenden einer Hochschule, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts organisiert ist. Sie ist ein zentrales Element studentischer Selbstverwaltung und Mitbestimmung und unterliegt wesentlich den Vorgaben des jeweiligen Hochschulgesetzes der einzelnen Bundesländer. Die Studentenschaft stellt kein freiwilliges Bündnis dar, sondern ist durch die Immatrikulation an der jeweiligen Hochschule verbindlich organisiert. Neben ihrer Selbstverwaltung nimmt sie hoheitliche Aufgaben wahr und fungiert als Interessenvertretung ihrer Mitglieder.
Rechtsgrundlagen der Studentenschaft
Landesrechtliche Regelungen
Die rechtliche Grundlage für die Studentenschaft bilden im Wesentlichen die Hochschulgesetze der Bundesländer (§§ 54-57 HRG, spezifisch je Land), da die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern liegt. Meist enthalten die Hochschulgesetze detaillierte Bestimmungen zu Organisation, Aufgaben, Wahlverfahren und Finanzierung der Studentenschaft. Hierzu einige zentrale Beispiele:
- Baden-Württemberg: Landeshochschulgesetz (LHG), §§ 65-72
- Bayern: Bayerisches Hochschulinnovationsgesetz (BayHIG), Art. 72
- Nordrhein-Westfalen: Hochschulgesetz (HG NRW), §§ 53-58
- Berlin: Berliner Hochschulgesetz (BerlHG), §§ 18-22
Bundesrechtliche Regelungen greifen nur insoweit, als die Grundsätze des Hochschulrahmengesetzes (HRG) und das Grundgesetz berührt werden.
Verfassungsrechtliche Einordnung
Die Studentenschaft ist nach allgemeiner Auffassung eine Teilkörperschaft oder Unterkörperschaft der Hochschule, die als Gliedkörperschaft in den öffentlich-rechtlichen Bereich eingebettet ist. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der Zwangsmitgliedschaft stützt sich in der Regel auf das Demokratieprinzip (Art. 20 GG) und das Prinzip der Mitwirkung an öffentlich-rechtlichen Einrichtungen.
Aufgaben und Funktionen der Studentenschaft
Gesetzliche Aufgaben
In den Hochschulgesetzen werden die Kernaufgaben typischerweise wie folgt festgelegt:
- Vertretung der fachlichen, sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Interessen der Studierenden
- Mitwirkung an hochschulpolitischen Entscheidungsprozessen
- Förderung politischer Bildung und staatsbürgerlichen Verantwortungsbewusstseins
- Wahrnehmung von Beratungs- und Unterstützungsangeboten (z. B. BAföG-Beratung, soziale Hilfen)
- Durchführung von Veranstaltungen und Projekten, die der Studierendenschaft als Gesamtheit dienen
Nicht gestattet ist regelmäßig die parteipolitisch gebundene Betätigung oder die Unterstützung äußerer politischer Bewegungen außerhalb des hochschulbezogenen Rahmens.
Organe der Studentenschaft
Die Studentenschaft ist üblicherweise in verschiedene Organe gegliedert:
- Studierendenparlament (StuPa): Höchstes beschlussfassendes Gremium, gewählt von allen Studierenden
- Allgemeiner Studierendenausschuss (AStA): Exekutivorgan, vom StuPa gewählt, setzt Beschlüsse um und führt die Geschäfte
- Fachschaftsräte: Vertretung auf Fachbereichsebene, eigene Teilkörperschaften
- Schlichtungsausschüsse und Wahlausschüsse: Rechtliche Kontrolle und Organisation
Mitgliedschaft, Rechte und Pflichten
Zwangsmitgliedschaft
In Deutschland besteht die Mitgliedschaft in der Studentenschaft grundsätzlich kraft Gesetzes mit der Immatrikulation an der jeweiligen Hochschule (Zwangsmitgliedschaft). Die damit verbundenen Rechte und Pflichten sind ebenfalls im Landesrecht geregelt. Wesentliche Rechte sind Wahlrechte zu Organen der Studentenschaft sowie Anspruch auf Nutzung studentischer Angebote. Hauptpflicht ist die Zahlung des studentischen Beitrags (Solidarbeitrag).
Austritts- und Mitwirkungsrechte
Ein Austritt aus der Studentenschaft ist nicht möglich, solange eine Immatrikulation besteht. Die Mitwirkung ist über Wahlen und Engagement in den Gremien gewährleistet. Die Organe unterliegen dabei strengen demokratischen und rechtsstaatlichen Prinzipien (Wahlordnungen, Satzungen, Beschwerdemechanismen).
Finanzierung der Studentenschaft
Beitragswesen
Die Finanzierung erfolgt primär durch den von allen Studierenden zu entrichtenden Studenten- oder Semesterbeitrag, der von der Studentenschaft selbst verwaltet wird. Die Höhe des Beitrags wird vom Studierendenparlament beschlossen und kann zweckgebunden für Leistungen wie Semestertickets, Kulturförderung, Beratungsangebote oder politische Bildung eingesetzt werden. Die Erhebung unterliegt dem Gleichbehandlungsgrundsatz und der Ausgabenkontrolle durch die Hochschulverwaltung.
Vermögensverwaltung und Haushaltshoheit
Die Studentenschaft besitzt eigene Haushalts- und Vermögensverwaltung, die einer internen und externen Prüfung (meist durch das Rechnungsprüfungsamt der Hochschule) unterliegt. Finanzielle Zuwendungen Dritter sind zulässig, sofern sie keine Bindung oder Einflussnahme auf die unabhängige Aufgabenerfüllung bedingen.
Rechtschutz und Aufsicht
Rechtsstellung und Klagebefugnis
Die Studentenschaft ist eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts mit eigener Vertretungsmacht. Sie kann im eigenen Namen klagen und verklagt werden. Interne Streitigkeiten (z. B. Wahlanfechtungen) unterliegen regelmäßig der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle.
Aufsicht und Kontrolle
Die Aufsicht über die Tätigkeit der Studentenschaft obliegt der Hochschulleitung oder – in schwerwiegenden Fällen – dem zuständigen Ministerium. Gegen rechtswidrige Beschlüsse dürfen Weisungsrechte (Rechtsaufsicht, aber keine Fachaufsicht) angewendet werden; zudem ist regelmäßig eine Beanstandungsbefugnis enthalten. Die Organe der Studentenschaft sind zu Legalität und Ordnungsmäßigkeit in ihrem Binnenverhältnis verpflichtet.
Sonderregelungen und Besonderheiten
Semesterticket und Sozialfonds
Eine bundesweite Besonderheit ist die instituts- oder landesweite Durchführung des Semesterticketmodells über die Studentenschaft. Die Rechtmäßigkeit der solidarischen Finanzierung wurde mehrfach gerichtlich bestätigt. Sozialfonds zur Unterstützung finanziell schwächerer Studierender werden eigenverantwortlich verwaltet und sind Teil des sozialen Auftrags der Studentenschaft.
Politische Tätigkeit
Die hochschulpolitische Betätigung ist erlaubt, eine parteipolitische Neutralitätspflicht besteht jedoch für die Organe. Die Meinungsvielfalt soll gewährleistet bleiben; Verstöße gegen Neutralitätsgebote können durch die Aufsichtsbehörden sanktioniert werden.
Rechtsentwicklungen und Reformen
Die Rechtsstellung und die Ausgestaltung der Studentenschaften unterlagen historischen Wandlungen. Nach der Abschaffung der verfassten Studentenschaft in einzelnen Bundesländern (z. B. Bayern 1973) wurde sie vielerorts, teils in neuer Ausprägung, wieder eingeführt. In aktuellen Diskussionen stehen Fragen zur weiteren Demokratisierung, Finanzierung und Rolle bei hochschulübergreifenden Akten im Vordergrund.
Bedeutung im Hochschulrecht und Abschluss
Die Studentenschaft ist ein integraler Bestandteil der deutschen Hochschulorganisation. Ihr gesetzlicher Auftrag, die Interessen aller Studierenden zu vertreten und demokratisch zu organisieren, ist aus dem öffentlichen Hochschulwesen nicht mehr wegzudenken. Ihre Organisation und Arbeitsweise bilden einen wichtigen Faktor für die gesellschaftliche Partizipation und Mitbestimmung im System der Wissenschaft und der akademischen Ausbildung.
Siehe auch:
Hochschulrecht – Allgemeiner Studierendenausschuss – Fachschaft – Hochschulgesetz
Rechtsgrundlagen (Auswahl):
Häufig gestellte Fragen
Wer ist nach Hochschulrecht Mitglied der Studentenschaft und wie erfolgt die Mitgliedschaft?
Gemäß den Hochschulgesetzen der deutschen Bundesländer sind in der Regel alle Studierenden, die an einer Hochschule eingeschrieben sind und nicht beurlaubt sind, kraft Gesetz automatisch Mitglieder der jeweiligen verfassten Studentenschaft. Die Mitgliedschaft entsteht mit der Immatrikulation und endet mit der Exmatrikulation. Eine gesonderte Beitrittserklärung ist nicht erforderlich; vielmehr handelt es sich um eine sog. Zwangsmitgliedschaft, die verfassungsrechtlich grundsätzlich als zulässig angesehen wird, soweit die Aufgaben der Studentenschaft auf die Wahrnehmung studentischer Belange und Interessen beschränkt sind. Studierende, die einen Urlaubssemester absolvieren, können je nach landesrechtlicher Regelung von bestimmten Rechten und Pflichten (wie z.B. Beitragspflicht) befreit sein, bleiben aber zumeist dennoch Mitglieder. Sonderregelungen sind für Promotionsstudierende oder Teilzeitstudiengänge möglich, je nach Ausgestaltung im jeweiligen Landeshochschulgesetz.
Welche Rechte und Pflichten ergeben sich aus der Mitgliedschaft in der Studentenschaft?
Rechte der Mitglieder umfassen nach Maßgabe der Landeshochschulgesetze und entsprechenden Satzungen insbesondere das aktive und passive Wahlrecht zu den Organen der verfassten Studentenschaft, die Inanspruchnahme der von der Studentenschaft angebotenen Dienstleistungen (z.B. Beratungen, kulturelle Angebote, Sozialleistungen) sowie das Recht auf Information und Beteiligung an Entscheidungsprozessen innerhalb der studentischen Organe. Pflichten betreffen insbesondere die Zahlung des Semesterbeitrags, der zur Finanzierung der Aufgaben der Studentenschaft erhoben wird. Eine Weigerung der Beitragszahlung kann zum Verlust von Rechten führen, im Extremfall sogar bis zu Exmatrikulation führen, sofern landesrechtlich vorgesehen. Ferner besteht die Pflicht, Satzungen und Ordnungen der Studentenschaft zu beachten; ihre Durchsetzung erfolgt regelmäßig auf Grundlage des öffentlichen Rechts.
Wie ist die studentische Selbstverwaltung rechtlich ausgestaltet?
Die Studentenschaft ist als Teilkörperschaft des öffentlichen Rechts organisiert – eine eigenständige Körperschaft oder Gliedkörperschaft innerhalb der Hochschule, ausgestattet mit eigener Satzungs- und Verwaltungshoheit. Sie handelt durch gewählte Gremien (zum Beispiel Studierendenparlament, Allgemeiner Studierendenausschuss/AStA) innerhalb der durch Gesetz und eigene Satzung festgelegten Kompetenzen. Ihre Organe haben hoheitliche Befugnisse gegenüber den eigenen Mitgliedern und unterliegen dabei jedoch der Rechtsaufsicht der Hochschule bzw. des zuständigen Wissenschaftsministeriums. Die Aufgaben, Kompetenzen sowie die interne Organisation ergeben sich vorrangig aus den jeweiligen Hochschulgesetzen sowie den von der Studentenschaft selbst beschlossenen Satzungen.
Welche finanzielle Autonomie besitzt die Studentenschaft?
Die Studentenschaft verfügt nach dem Gesetz über eine weitgehende Finanzhoheit innerhalb ihres Aufgabenbereichs. Sie erhebt von ihren Mitgliedern einen Beitrag (häufig im Rahmen des Semesterbeitrags eingezogen), der zur Deckung der Kosten für ihre satzungsgemäßen Aufgaben dient. Über die Verwendung entscheidet das zuständige Organ (in der Regel das Studierendenparlament) durch einen Haushalt, der regelmäßig genehmigungspflichtig gegenüber der Hochschulleitung und/oder staatlichen Stellen ist. Die Finanzmittel sind zweckgebunden für Aufgaben aus dem studentischen Wirkungskreis zu verwenden; die Zweckentfremdung ist untersagt und kann zur Beanstandung durch den Rechnungshof oder durch die Rechtsaufsicht führen.
Inwiefern unterliegen Beschlüsse der Studentenschaft der Rechtsaufsicht?
Entscheidungen und Satzungsänderungen der Studentenschaft unterliegen der Rechtsaufsicht durch die Hochschulleitung und ggf. das zuständige Ministerium. Das bedeutet, dass die Aufsichtsbehörde die Rechtmäßigkeit, jedoch grundsätzlich nicht die Zweckmäßigkeit der Handlungen prüft. Bei festgestellten Rechtsverstößen kann Anordnung zur Aufhebung oder Änderung ergehen. Die Rechtsaufsicht ist ein Ausfluss des öffentlichen Status der Studentenschaft und dient der Sicherung ihrer Tätigkeit im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Die Überprüfung betrifft insbesondere Haushalts-, Wahl- und Satzungsbeschlüsse.
Dürfen Studierende aus rechtlichen Gründen die Mitgliedschaft in der Studentenschaft verweigern oder dieser austreten?
Die Mitgliedschaft in der verfassten Studentenschaft ist in der Regel gesetzlich vorgeschrieben und daher rechtlich nicht abwählbar oder kündbar, solange das Studium an einer Hochschule aufgenommen und nicht beurlaubt oder exmatrikuliert ist. Ein Austrittsrecht ist hochschulrechtlich nicht vorgesehen, da die Studentenschaft öffentlich-rechtlich verfasst und die Mitgliedschaft als „Zwangsmitgliedschaft“ legitimiert ist. Eine Verweigerung der Beitragszahlung ist nicht statthaft und kann zu Verwaltungsmaßnahmen bis hin zum Ausschluss von Hochschulleistungen führen. Ausnahmen sind im Einzelfall bei Beurlaubung oder besonderen Härtefällen möglich, müssen jedoch gesondert beantragt und genehmigt werden.
Wie werden Wahlen innerhalb der Studentenschaft rechtlich geregelt?
Die Durchführung der Wahlen zu den Organen der Studentenschaft ist in Wahlordnungen geregelt, die wiederum auf einer gesetzlichen Grundlage des jeweiligen Hochschulgesetzes basieren. Diese Wahlordnungen bestimmen etwa Stimmrecht, Wahlsystem (z.B. Listen- oder Personenwahl), Wahltermine und -fristen, Zulassungsvoraussetzungen für Kandidaturen, sowie das Verfahren für die Stimmauszählung und die Anfechtung von Wahlergebnissen. Die Einhaltung der Wahlvorschriften unterliegt der Kontrolle durch Wahlausschüsse und – bei Beschwerden – der Rechtsaufsicht der Hochschule oder ggf. der Verwaltungsgerichte. Wahlrechtsgrundsätze wie Allgemeinheit, Gleichheit, Unmittelbarkeit, Freiheit und Geheimheit sind zwingend zu beachten. Verstöße können zu Wahlanfechtungen und Neuwahlen führen.