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Strombasierte Kraftstoffe


Begriff und rechtliche Einordnung von Strombasierten Kraftstoffen

Strombasierte Kraftstoffe, auch als Power-to-X-Kraftstoffe oder synthetische Kraftstoffe bezeichnet, sind flüssige oder gasförmige Energieträger, die unter Einsatz elektrischer Energie aus erneuerbaren Quellen hergestellt werden. Sie stellen eine zentrale Technologie im Rahmen der Energiewende, Dekarbonisierung und des Klimaschutzes dar. Die Rechtsordnung legt dabei umfangreiche Anforderungen und Rahmenbedingungen für ihre Herstellung, Nutzung und Vermarktung fest.


Legaldefinition und Abgrenzung

Definition strombasierter Kraftstoffe

Strombasierte Kraftstoffe werden gemäß § 2 Absatz 5 der 38. Bundes-Immissionsschutzverordnung (38. BImSchV), die auf der Erneuerbare-Energien-Richtlinie der Europäischen Union (RED II) basiert, als solche Kraftstoffe definiert, die aus nicht-biogenem CO₂ unter ausschließlichem Einsatz von Strom aus erneuerbaren Energiequellen synthetisch hergestellt wurden. Sie sind von biogenen Kraftstoffen sowie von fossilen Energieträgern rechtlich abzugrenzen.

Abgrenzung zu weiteren Kraftstoffen

  • Biokraftstoffe: Hergestellt aus Biomasse, unterliegen eigenen rechtlichen Vorgaben (z. B. Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung).
  • Fossile Kraftstoffe: Herkömmliche Erdölprodukte mit anderen regulatorischen Anforderungen und Klimaschutzzielen.
  • HVO (Hydrotreated Vegetable Oils): Synthetischer Biokraftstoff aus Pflanzenölen mit gesondert definierter Rechtsgrundlage.

Europarechtliche Regelungen

EU-Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II) und RED III

Die RED II (Richtlinie (EU) 2018/2001) definiert und regelt im europäischen Rechtsrahmen die nachhaltige Produktion und Anrechnung strombasierter Kraftstoffe. Mit der RED III (seit 2023 in Kraft) wurden die Mindestquoten für den Einsatz erneuerbarer Energien und die Anrechnungsmöglichkeiten strombasierter Kraftstoffe weiter konkretisiert.

Anrechnung und Förderfähigkeit

Strombasierte Kraftstoffe können bei Erfüllung bestimmter Nachhaltigkeitskriterien auf die Erfüllung der Klimaschutzziele im Verkehrssektor und der Treibhausgasminderungsquote (§ 37a BImSchG) angerechnet werden. Die genaue Berechnung und Ausstellung von Nachweisen erfolgt gemäß der EU-Durchführungsverordnung 2022/996.


Nationale Gesetzgebung: Deutschland

Bundes-Immissionsschutzgesetz und Verordnungen

Die rechtliche Anerkennung und Regulierung strombasierter Kraftstoffe erfolgt in Deutschland primär im Rahmen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) und der 38. BImSchV. Diese enthalten unter anderem Vorgaben für die Zulassung, nachhaltige Produktion und Nachweisführung.

Nachhaltigkeitskriterien und Treibhausgasbilanzierung

Die Nachhaltigkeitsanforderungen für strombasierte Kraftstoffe ergeben sich aus den §§ 8-10 der 38. BImSchV sowie dem § 37a BImSchG. Zu den Kriterien zählen z. B.:

  • Herstellung ausschließlich mit erneuerbarem Strom,
  • Berücksichtigung der vollständigen Treibhausgasbilanz nach Anhang VI der RED II,
  • Nachweisführung über Zertifizierungssysteme.

Zulassung und Anrechenbarkeit

Für strombasierten Wasserstoff, e-Fuels und andere PtX-Kraftstoffe sind rechtliche Zulassungen nach Chemikaliengesetz (ChemG), Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) und weiteren umweltrechtlichen Vorschriften erforderlich. Die Anrechnung im Sinne der Treibhausgasminderungsquote bedarf eines geprüften Nachhaltigkeitsnachweises.


Regulatorische Anforderungen an Hersteller und Inverkehrbringer

Zertifizierung und Nachweisführung

Für die Marktteilnahme ist eine Anerkennung nach dem Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsgesetz (Biokraft-NachhG) in Verbindung mit einem Zertifizierungssystem notwendig. Die Nachweise müssen lückenlos für die gesamte Wertschöpfungskette erbracht werden.

Überwachung und Kontrolle

Das Umweltbundesamt (UBA) und die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) überwachen die Einhaltung sämtlicher gesetzlicher Anforderungen und führen regelmäßige Prüfungen der Nachweissysteme durch.


Steuerliche Behandlung und Förderung strombasierter Kraftstoffe

Energiesteuerrechtliche Behandlung

Strombasierte Kraftstoffe unterliegen dem Energiesteuergesetz (EnergieStG) und profitieren unter bestimmten Voraussetzungen von Steuerbegünstigungen, die auf nachhaltige und emissionsarme Energieträger abzielen.

Förderprogramme

Durch nationale und europäische Programme (z. B. Nationale Wasserstoffstrategie, Innovationsförderung im Verkehrssektor, IPCEI Wasserstoff) werden Forschung, Entwicklung, Produktion und Markteinführung strombasierter Kraftstoffe finanziell unterstützt.


Regulatorische Herausforderungen und zukünftige Entwicklungen

Offene rechtliche Fragen

  • Definition von „erneuerbarem Strom“: Vorgaben zur Herkunft, Direktleitung und Zeitgleichheit.
  • CO₂-Quellen: Zulässigkeit und Nachhaltigkeit der eingesetzten CO₂-Quellen als Kriterium.
  • EU-vorgaben: Fortlaufende Anpassungen durch die EU-Gesetzgebung, insbesondere mit Blick auf die RED III und geplante europaweite Zertifizierungssysteme.

Perspektiven und Ausblick

Die Rechtslage bezüglich strombasierter Kraftstoffe befindet sich im fortlaufenden Wandel, geprägt durch technische Innovationen und ambitionierte europäische sowie nationale Klimaschutzziele. Eine Harmonisierung der Vorgaben auf EU-Ebene ist absehbar. Die rechtliche Einbindung und Klarstellung der Produktions- und Anforderungskriterien bleibt maßgebliches Anliegen für die Praxis und die regulatorische Entwicklung.


Literatur und weiterführende Quellen

  • Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)
  • 38. Bundes-Immissionsschutzverordnung (38. BImSchV)
  • Energiesteuergesetz (EnergieStG)
  • Europäische Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED II, RED III)
  • EU-Durchführungsverordnung 2022/996
  • Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung (Biokraft-NachV)

Fazit: Strombasierte Kraftstoffe sind ein zentraler Baustein für den emissionsarmen Energie- und Verkehrssektor. Ihre rechtliche Regulierung erfasst Produktion, Nutzung, Förderung und steuerliche Behandlung umfassend und entwickelt sich kontinuierlich weiter, um den Zielen des Klimaschutzes und der Energiewende gerecht zu werden.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten für die Herstellung strombasierter Kraftstoffe in Deutschland?

Die Herstellung strombasierter Kraftstoffe (auch als Power-to-X-Kraftstoffe oder E-Fuels bezeichnet) unterliegt in Deutschland einer Vielzahl rechtlicher Anforderungen, die sich aus internationalem, europäischem und nationalem Recht ergeben. Zunächst ist die Zulassung und der Betrieb von Elektrolyseanlagen und weiteren Produktionsanlagen nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) genehmigungspflichtig, sofern bestimmte Schwellenwerte überschritten werden. Daneben müssen Anforderungen des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) und des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) bezüglich der Entnahme, Nutzung und Rückführung von Wasser sowie im Umgang mit Abfällen eingehalten werden. Im Hinblick auf die Stromherkunft spielt das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eine zentrale Rolle, insbesondere wenn die erzeugten Kraftstoffe als „grün“ klassifiziert werden und auf eine von Treibhausgas-Minderungsquoten (THG-Quote) abhängige Förderung abzielen. Zusätzlich greifen europäische Vorgaben, beispielsweise aus der Erneuerbare-Energien-Richtlinie II (RED II bzw. RED III), in Bezug auf Nachhaltigkeitskriterien, Nachweispflichten und Mengenobergrenzen. Hierzu kommen Vorschriften zum Handel und Handling von Chemikalien (CLP-VO, REACH) sowie ggf. das Energiesteuerrecht beim Inverkehrbringen der Kraftstoffe. Die Hersteller müssen daher ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Rechtsbereiche beachten, um sämtliche Genehmigungen und Nachweispflichten ordnungsgemäß zu erfüllen.

Unterliegen strombasierte Kraftstoffe besonderen steuerrechtlichen Vorgaben?

Strombasierte Kraftstoffe sind kraftfahrzeugsteuerrechtlich und insbesondere im Bereich der Energiesteuern relevant. Nach dem Energiesteuergesetz (EnergieStG) wird die energetische Verwertung von synthetisch hergestellten Kraftstoffen grundsätzlich wie bei fossilen Kraftstoffen besteuert. Allerdings gibt es für bestimmte strombasiert hergestellte Kraftstoffe unter Erfüllung spezifischer Nachhaltigkeitskriterien (z. B. ausschließlich Strom aus erneuerbaren Quellen) Erleichterungen oder Steuerbefreiungen. Die konkrete steuerliche Einstufung hängt wesentlich von der chemischen Zusammensetzung, dem Verwendungszweck und der Nachweisführung entsprechend den Vorgaben des Zolls ab. Für die Beantragung steuerlicher Begünstigungen ist in der Regel eine Zertifizierung über die Nachhaltigkeit und Herkunft notwendig, etwa durch die Verwendung von Nachhaltigkeitssystemen, wie sie für Biokraftstoffe etabliert sind.

Welche Nachweis- und Zertifizierungspflichten bestehen für strombasierte Kraftstoffe?

Für strombasierte Kraftstoffe gelten umfangreiche Nachweis- und Zertifizierungspflichten, insbesondere im Hinblick auf die Reduktion von Treibhausgasemissionen und die Herkunft des eingesetzten Stroms. Nach Vorgabe der europäischen RED II müssen Betreiber von Anlagen zur Herstellung strombasierter Kraftstoffe nachweisen, dass der eingesetzte Strom aus erneuerbaren Quellen stammt, um die Produkte als „erneuerbar“ deklarieren und im Rahmen von Fördermechanismen (z. B. THG-Quote) geltend machen zu können. Hierzu dient in Deutschland das Nationale Nachweisregister (Nabisy), über das Herkunftsnachweise und Nachhaltigkeitszertifikate ausgestellt und dokumentiert werden. Die Nachweisketten beinhalten typischerweise Angaben zu Rohstoffquellen, Prozessschritten, Emissionsbilanzen und Verbräuchen und sind regelmäßig durch zertifizierte Auditstellen zu überprüfen und zu belegen. Verstöße gegen die Nachweispflichten können zu empfindlichen Sanktionen und zum Ausschluss von Fördermaßnahmen führen.

Gibt es für strombasierte Kraftstoffe spezifische Anforderungen an die Zulassung als Kraftstoff auf dem Markt?

Ja, strombasierte Kraftstoffe unterliegen insbesondere chemikalienrechtlichen Vorgaben sowie kraftstoffspezifischen Normen, bevor sie im Verkehrssektor in Verkehr gebracht werden dürfen. Zunächst müssen sie sämtliche Anforderungen der Kraftstoffqualitätsverordnung (10. BImSchV) erfüllen, die Grenzwerte und Spezifikationen für Kraftstoffe festlegt. Darüber hinaus sind nach der REACH-Verordnung Stoffregistrierungen und Sicherheitsnachweise, einschließlich der Angabe aller Inhaltsstoffe und relevanten Risikomanagementmaßnahmen, vorzulegen. Nur bei Einhaltung aller gesetzlichen Normen, einschließlich Umwelt- und Arbeitsschutzvorschriften, kann ein strombasiertes Produkt als Kraftstoff zugelassen und vertrieben werden. In der Praxis ist eine enge Abstimmung mit den zuständigen Behörden, insbesondere dem Umweltbundesamt (UBA) und der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM), erforderlich.

Welche besonderen Vorgaben bestehen beim grenzüberschreitenden Handel strombasierter Kraftstoffe innerhalb und außerhalb der EU?

Der grenzüberschreitende Handel strombasierter Kraftstoffe innerhalb der EU unterliegt einheitlichen Regeln auf Basis der Erneuerbare-Energien-Richtlinie II (RED II) bzw. RED III sowie den Vorschriften über den Binnenmarkt. Notwendig sind insbesondere anerkannte Nachhaltigkeitsnachweise und einheitliche Zertifizierungssysteme, um eine gegenseitige Anerkennung zu gewährleisten. Bei Exporten in Drittländer bestehen zusätzliche Anforderungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und der Außenwirtschaftsverordnung (AWV), etwa hinsichtlich Sanktions- und Embargobestimmungen sowie der Zollabwicklung. Zudem sind Herkunftsnachweise und die Einhaltung internationaler Abkommen zu erneuerbaren Energien vorzulegen. Innerhalb der EU kann es zu Abweichungen bei der steuerlichen Behandlung und zu weiteren landesspezifischen Anforderungen kommen, weshalb eine sorgfältige Prüfung jedes Einzelfalls notwendig ist.

Unterliegen Projekte zur Errichtung von Produktionsanlagen für strombasierte Kraftstoffe einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)?

In vielen Fällen ist für die Errichtung und den Betrieb von Produktionsanlagen für strombasierte Kraftstoffe eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) verpflichtend. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn Elektrrolyse- oder Syntheseanlagen eine bestimmte Größe überschreiten oder mit anderen industriellen Anlagen gekoppelt sind. Die UVP stellt sicher, dass sämtliche potenziellen Umweltauswirkungen – wie Emissionen, Wasserverbrauch oder Eingriffe in Schutzgebiete – bereits im Rahmen des Genehmigungsverfahrens umfassend geprüft und in der Planung berücksichtigt werden. Die zuständige Genehmigungsbehörde prüft jeweils im Einzelfall, ob eine Pflicht zur Durchführung einer UVP, einer standortbezogenen Vorprüfung oder der Erstellung ergänzender Fachgutachten besteht.

Welche haftungsrechtlichen Aspekte sind bei der Herstellung und dem Vertrieb strombasierter Kraftstoffe relevant?

Haftungsrechtlich müssen Hersteller und Vertreiber strombasierter Kraftstoffe sowohl produkthaftungsrechtliche als auch umweltrechtliche Bestimmungen beachten. Nach dem Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG) haften sie für Schäden, die durch fehlerhafte Produkte entstehen, beispielsweise aufgrund von Verunreinigungen oder nicht normgerechter Beschaffenheit des Kraftstoffs. Umweltrechtlich besteht eine verschuldensunabhängige Haftung nach dem Umweltschadensgesetz (USchadG), sofern es zu einer Schädigung von Boden, Wasser oder geschützten Arten und Lebensräumen kommt. Ergänzend greifen spezialgesetzliche Haftungsnormen, etwa bei der Beförderung gefährlicher Stoffe oder im Umgang mit wassergefährdenden Stoffen. Hersteller und Inverkehrbringer sind daher verpflichtet, umfassende Qualitätssicherungs- und Kontrollsysteme vorzuhalten sowie Haftungsrisiken vertraglich und versicherungsrechtlich abzusichern.