Begriff und rechtliche Einordnung des Streiks
Der Begriff „Strike“ (deutsch: Streik) bezeichnet im Arbeitsrecht eine kollektive, planmäßige Arbeitsniederlegung durch eine Vielzahl von Arbeitnehmern zur Durchsetzung gemeinsamer Interessen gegenüber einem Arbeitgeber oder einem Arbeitgeberverband. Im Regelfall handelt es sich dabei um ein zentrales Mittel kollektiver Arbeitskämpfe im Rahmen der Tarifautonomie. Der Streik nimmt eine herausragende Stellung im System des Arbeitskampfrechts ein und ist insbesondere im Kontext des Tarifrechts von besonderer Relevanz. Während der Begriff international vielfältig verstanden wird, sind die rechtlichen Bedingungen und Grenzen des Streiks in Deutschland und Europa detailliert normiert und durch die Rechtsprechung präzisiert.
Historische Entwicklung des Streikrechts
Die Entwicklung des Streikrechts ist eng verbunden mit der Entstehung der Gewerkschaften und dem Streben nach Gestaltungsmacht in den Arbeitsbeziehungen. Während Streiks im 19. Jahrhundert vielfach untersagt oder sogar strafbar waren, erfolgte mit der Weimarer Reichsverfassung die verfassungsrechtliche Anerkennung des Grundrechts auf Koalitionsfreiheit. In der Bundesrepublik Deutschland manifestiert sich dieses Recht in Art. 9 Abs. 3 Grundgesetz (GG), welches das Recht gewährleistet, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden.
Rechtliche Grundlagen des Streiks
Verfassungsrechtlicher Schutz
Das Streikrecht wird in Deutschland über Art. 9 Abs. 3 GG als Teil der durch die Koalitionsfreiheit geschützten kollektiven Maßnahmen anerkannt. Das Bundesverfassungsgericht hat klargestellt, dass das Streikrecht unverzichtbarer Bestandteil effektiver Tarifautonomie ist. Einschränkungen sind grundsätzlich nur unter engen Voraussetzungen und zum Schutz anderer verfassungsrechtlich geschützter Rechtsgüter zulässig.
Einfachgesetzliche Regelungen
Explizite gesetzliche Vorschriften zum Streik existieren im deutschen Recht nicht. Das Streikrecht ist jedoch durch zahlreiche arbeits- und kollektivrechtliche Regelungen sowie durch die höchstrichterliche Rechtsprechung ausgestaltet.
Schutzbereich
Der Schutzbereich des Streikrechts umfasst grundsätzlich alle gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer. Auch nicht organisierte Arbeitnehmer können sich in bestimmten Fällen an Streiks beteiligen. Beamte unterliegen verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Einschränkungen und dürfen nach der ständigen Rechtsprechung nicht streiken.
Zulässigkeit und Grenzen eines rechtmäßigen Streiks
Ziel und Zweck des Streiks
Ein rechtmäßiger Streik muss auf den Abschluss, die Änderung oder den Erhalt eines Tarifvertrags gerichtet sein. Streikmaßnahmen, die politische Ziele verfolgen oder außerhalb des Tarifvertragssystems stehen, sind grundsätzlich unzulässig (sog. politischen Streiks).
Träger des Streiks
Nur tariffähige Parteien, in der Regel Gewerkschaften, sind zum Aufruf und zur Durchführung eines Streiks berechtigt. Wilde Streiks (nicht von einer Gewerkschaft getragene Streikaktionen) gelten als rechtswidrig und können Konsequenzen für die teilnehmenden Arbeitnehmer nach sich ziehen.
Ablauf und Formen des Streiks
Streiks können sich als Vollstreik (Stilllegung des gesamten Betriebes), Teilstreik, Warnstreik oder Schwerpunktstreik manifestieren. Insbesondere Warnstreiks werden als legitimes Druckmittel innerhalb der tariflichen Friedenspflicht anerkannt, sofern sie nach Ablauf des Tarifvertrags erfolgen.
Voraussetzungen eines rechtmäßigen Streiks
Ein rechtmäßiger Streik setzt in aller Regel folgende Voraussetzungen voraus:
- Der Streik wird von einer tariffähigen Gewerkschaft getragen
- Der Streik verfolgt tariflich regelbare Ziele
- Die Friedenspflicht ist abgelaufen oder außer Kraft getreten
- Das Verhältnismäßigkeitsprinzip wird beachtet
Die Verhältnismäßigkeit eines Streiks wird durch Dauer, Umfang, Angemessenheit und Zielrichtung überprüft.
Friedenspflicht
Während der Laufzeit eines Tarifvertrags besteht eine relative oder absolute Friedenspflicht. Während dieser Zeit darf hinsichtlich der vom Tarifvertrag geregelten Angelegenheiten nicht gestreikt werden.
Rechtsfolgen des Streiks
Ein rechtmäßiger Streik führt nicht zur Beendigung, sondern zur Suspendierung der Hauptleistungspflichten aus dem Arbeitsverhältnis für die Dauer der Arbeitsniederlegung. Das Arbeitsverhältnis bleibt bestehen. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, Arbeitsentgelt für die streikbedingt ausgefallene Arbeit zu leisten (sog. „Ohne Arbeit kein Lohn“). Zur Kompensation erhalten Arbeitnehmer in der Regel Streikgeld von ihrer Gewerkschaft.
Aussperrung als Gegenmaßnahme
Dem Streik steht als Gegenmaßnahme die Aussperrung seitens des Arbeitgebers gegenüber. Auch deren Zulässigkeit und Verhältnismäßigkeit unterliegt strengen Voraussetzungen. Die Aussperrung ist nur unter vergleichbaren Bedingungen wie der Streik zulässig.
Unzulässige und rechtswidrige Streiks
Streikmaßnahmen, die nicht von einer Gewerkschaft getragen werden („wilde Streiks“) oder nicht auf Gewerkschaftsziele im Tarifkontext gerichtet sind, gelten als rechtswidrig. Die Teilnahme an einem solchen Streik kann zu arbeitsrechtlichen Sanktionen führen – insbesondere zur Abmahnung oder sogar zur fristlosen Kündigung.
Für Beamte gilt ein umfassendes Streikverbot gemäß Art. 33 Abs. 5 GG. Die Verletzung dieser Pflicht kann Disziplinarmaßnahmen bis zur Entfernung aus dem Dienst nach sich ziehen.
Streik im europäischen und internationalen Kontext
Auch im europäischen Arbeitsrecht wird das Streikrecht über die Europäische Sozialcharta geschützt. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sieht das Streikrecht weitgehend als elementaren Bestandteil der Koalitionsfreiheit. Unterschiede in der nationalen Umsetzung sind jedoch weiterhin erheblich.
In vielen Ländern bestehen spezifische rechtliche Vorgaben für einzelne Branchen (z. B. im öffentlichen Dienst, bei kritischer Infrastruktur oder im Transportwesen). Internationale Übereinkommen, wie die Normen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), beeinflussen die staatliche Gesetzgebung und Rechtsprechung zum Streikrecht.
Auswirkungen und Bedeutung von Streiks
Streiks wirken sich direkt auf das Verhältnis zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern aus. Sie dienen als Druckmittel im Tarifkonflikt und haben erhebliche betriebswirtschaftliche und gesellschaftliche Bedeutung. Ein funktionierendes Streikrecht gilt als wesentliche Voraussetzung für faire Aushandlungsprozesse im Arbeitsleben.
Schutz vor Benachteiligung
Streikende genießen umfassenden Schutz vor Diskriminierung und Benachteiligung durch den Arbeitgeber. Vergeltungsmaßnahmen sind unzulässig, sofern der Streik rechtmäßig erfolgt ist.
Beteiligung Dritter
Auch „Sympathiestreiks“ (Solidaritätsstreiks zugunsten anderer Beschäftigtengruppen) sind unter engen Voraussetzungen zulässig, sofern sie die tariflichen Voraussetzungen erfüllen und die Verhältnismäßigkeit des Arbeitskampfes wahren.
Zusammenfassung
Der Streik stellt im Arbeitsrecht das zentrale Mittel kollektiver Auseinandersetzungen zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite dar. Das Streikrecht ist in Deutschland verfassungsrechtlich geschützt, bedarf aber spezifischer Voraussetzungen hinsichtlich Ziel, Trägerschaft, Ablauf und Verhältnismäßigkeit. Im internationalen Kontext ist das Streikrecht ebenso anerkannt, unterliegt jedoch verschiedenen Ausgestaltungen. Die Einhaltung der rechtlichen Rahmenbedingungen ist für Arbeitnehmer wie Arbeitgeber von großer Bedeutung, da Verstöße erhebliche arbeits- und dienstrechtliche Folgen haben können.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für einen rechtmäßigen Streik erfüllt sein?
Ein Streik ist nur dann rechtmäßig, wenn er bestimmten rechtlichen Voraussetzungen genügt. In Deutschland ist der Streik ein durch das Grundgesetz (Art. 9 Abs. 3 GG) geschütztes Mittel kollektiver Interessenwahrnehmung und elementarer Bestandteil der Koalitionsfreiheit. Rechtlich zulässig ist ein Streik grundsätzlich nur, wenn er von einer tariffähigen Gewerkschaft durchgeführt wird, mit dem Ziel, einen Tarifvertrag zu erreichen oder dessen Durchsetzung zu erzwingen. Voraussetzung ist außerdem, dass die Friedenspflicht beachtet wurde – das bedeutet, während der Laufzeit eines bereits bestehenden Tarifvertrags sind Arbeitskampfmaßnahmen unzulässig. Darüber hinaus muss der Streik verhältnismäßig sein, das heißt, er darf nicht außer Verhältnis zum angestrebten Ziel stehen und muss ein geeignetes sowie erforderliches Mittel zur Zielerreichung darstellen. Nach dem Prinzip der Ultima Ratio ist ein Streik erst zulässig, wenn Verhandlungen erfolglos geblieben sind und alle weniger einschneidenden Maßnahmen ausgeschöpft wurden. Häufig ist zudem eine Urabstimmung unter den Gewerkschaftsmitgliedern rechtlich erforderlich, wobei die genaue Ausgestaltung gewerkschaftsintern geregelt wird.
Dürfen alle Arbeitnehmer an einem Streik teilnehmen?
Nicht alle Arbeitnehmer dürfen uneingeschränkt an einem Streik teilnehmen. Beamte und Richter sind in Deutschland aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung und ihrer besonderen Treuepflicht dem Staat gegenüber von Streiks vollständig ausgeschlossen. Arbeitnehmer aus dem Bereich der Daseinsvorsorge (z.B. im Transport- oder Gesundheitswesen) dürfen hingegen nur unter strenger Beachtung gewisser Auflagen und unter Einhaltung von Notdienstvereinbarungen streiken, damit die Grundversorgung der Bevölkerung nicht gefährdet wird. Grundsätzlich ist die Teilnahme für alle Mitglieder der streikführenden Gewerkschaft möglich. Auch nicht organisierte Arbeitnehmer dürfen sich einem rechtmäßigen Streik anschließen, sie genießen dann denselben arbeitsrechtlichen Schutz wie Gewerkschaftsmitglieder. Für leitende Angestellte gelten eigene Regelungen, da diese als Vertreter des Arbeitgebers besondere Pflichten haben können.
Welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen hat die Teilnahme an einem Streik?
Wenn ein Streik rechtmäßig ist, dürfen den streikenden Arbeitnehmern daraus grundsätzlich keine arbeitsrechtlichen Nachteile entstehen. Das bedeutet, eine Kündigung oder anderweitige Sanktionen, die einzig auf der Streikteilnahme beruhen, sind unzulässig. Während der Streikzeit ruht jedoch das Arbeitsverhältnis: Arbeitnehmer sind von der Pflicht zur Arbeitsleistung befreit, und der Arbeitgeber muss für diese Zeit ebenfalls keinen Lohn zahlen (sogenannte „Keine Arbeit, kein Lohn“-Regel). Gewerkschaftsmitglieder können unter bestimmten Voraussetzungen Streikgeld erhalten. Allerdings: Die Teilnahme an einem sogenannten „wilden Streik“, d.h. einem nicht von einer Gewerkschaft organisierten oder unrechtmäßigen Streik, kann arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung nach sich ziehen.
Inwiefern darf der Arbeitgeber während eines Streiks reagieren?
Während eines rechtmäßigen Streiks steht dem Arbeitgeber das Recht zur sogenannten „Aussperrung“ offen. Damit kann er eigene Schutzmaßnahmen ergreifen, indem er Arbeitnehmer – meist aus der streikführenden Belegschaft oder auch aus dem gesamten Betrieb – vom Zutritt zum Arbeitsplatz ausschließt und kein Arbeitsentgelt zahlt. Allerdings gelten für die Aussperrung strenge Voraussetzungen: Sie muss als Gegenmaßnahme verhältnismäßig sein und darf nur als Reaktion auf einen rechtlich zulässigen Streik erfolgen. Darüber hinaus hat der Arbeitgeber das Recht, den Betrieb während des Streiks weiterzuführen und keineswegs verpflichtet, den Forderungen der Gewerkschaft nachzugeben. Das Einschalten von Leiharbeitnehmern oder „Streikbrechern“ ist jedoch nur begrenzt zulässig und kann vor allem im Fall von Notdiensten rechtlich eingeschränkt sein.
Wie gestaltet sich der Rechtsschutz im Zusammenhang mit Streiks?
Der Rechtsschutz im Streikkontext ist in Deutschland durch die Arbeitsgerichte gewährleistet. Arbeitgeber können insbesondere einstweilige Verfügungen beantragen, um unrechtmäßige Streiks zu unterbinden. Dabei prüfen die Gerichte, ob die rechtlichen Voraussetzungen für den Streik eingehalten wurden. Hat ein Gericht einen Streik als rechtswidrig festgestellt, drohen der Gewerkschaft oder den streikenden Arbeitnehmern Unterlassungsansprüche sowie Schadensersatzforderungen. Umgekehrt können Arbeitnehmer, die wegen der Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik benachteiligt werden, ihrerseits arbeitsrechtliche Schutzansprüche – etwa auf Weiterbeschäftigung oder Wiedereinstellung – gerichtlich durchsetzen. Auch die Rechtmäßigkeit von Aussperrungsmaßnahmen kann von den Arbeitsgerichten überprüft werden.
Welche Grenzen setzt das Gesetz dem Streikverhalten?
Das gesetzliche Streikrecht ist stets begrenzt durch die Wahrung öffentlicher Interessen und den Schutz der Allgemeinheit. So sind Streiks, die gegen die Verfassung oder gegen Gesetze verstoßen oder die öffentliche Sicherheit oder Ordnung gefährden, unzulässig. Bei Streiks in lebenswichtigen Bereichen (Krankenhäuser, Feuerwehr, Energieversorgung etc.) sind Notdienste einzurichten, damit unaufschiebbare bzw. lebenswichtige Arbeiten weiterhin erledigt werden können. Wer während eines Streiks zu Gewalt oder Nötigung greift oder den Betrieb übermäßig blockiert, überschreitet die vom Gesetz gezogenen Grenzen und riskiert straf- und zivilrechtliche Konsequenzen. Auch Blockaden und Besetzungen sind nur unter engen Voraussetzungen zulässig. Die Beachtung dieser rechtlichen Grenzen ist für die Rechtmäßigkeit eines Streiks von entscheidender Bedeutung.
Können während eines Streiks Ersatzarbeitskräfte eingesetzt werden?
Der Einsatz von Ersatzarbeitskräften während eines Streiks ist rechtlich eng begrenzt. Grundsätzlich ist es Arbeitgebern untersagt, Leiharbeitnehmer als Streikbrecher einzusetzen, wenn dies die Wirkung des Streiks vereiteln würde (§ 11 Abs. 5 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz – AÜG). Eigene nichtstreikende Arbeitnehmer oder betriebsfremde Personen dürfen unter bestimmten Voraussetzungen eingesetzt werden, solange keine gesetzlichen oder tarifvertraglichen Regelungen verletzt werden. Auch der Einsatz von befristet Beschäftigten als Streikbrecher ist zulässig, sofern arbeitsrechtliche Mindestbedingungen beachtet werden. Werden dagegen Schutzvorschriften verletzt, kann dies arbeitsrechtliche und ggf. wettbewerbswidrige Folgen für den Arbeitgeber haben.