Legal Lexikon

Streik


Definition und Grundlagen des Streiks

Der Streik ist ein zentrales Instrument der kollektiven Arbeitskampfmaßnahmen, meist im Rahmen von Tarifauseinandersetzungen. Er bezeichnet die planmäßige, gemeinsame und zeitlich begrenzte Niederlegung der Arbeit durch eine Vielzahl von Arbeitnehmern mit dem Ziel, arbeitsbezogene Forderungen gegenüber dem Arbeitgeber oder einem Arbeitgeberverband durchzusetzen. Rechtlich betrachtet stellt der Streik die kollektive Verweigerung der Arbeitsleistung dar und ist historisch sowie systematisch elementarer Bestandteil der Koalitionsfreiheit.

Rechtliche Rahmenbedingungen des Streiks

Koalitionsfreiheit gemäß Grundgesetz

Die Grundlage für das Streikrecht bildet die im Grundgesetz (Art. 9 Abs. 3 GG) verankerte Koalitionsfreiheit. Dieses Grundrecht schützt das Recht von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, Vereinigungen zur Wahrung und Förderung ihrer Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu bilden. Daraus folgt das Recht, Tarifverhandlungen zu führen und als Mittel des Arbeitskampfes auch Arbeitsniederlegungen durchzuführen.

Zulässigkeit und Rechtswidrigkeit von Streiks

Das Streikrecht ist nicht unbegrenzt gewährleistet. Es unterliegt rechtlichen Beschränkungen, die insbesondere durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) entwickelt wurden:

Tarifbezogenheit: Zulässig sind nur Streiks, die zum Abschluss, zur Änderung oder zur Durchsetzung von Tarifverträgen geführt werden. Politische Streiks, die ausschließlich auf allgemeine politische Ziele (z. B. Gesetzesänderungen) abzielen, sind nach herrschender Meinung unzulässig.
Träger des Streiks: Ein Streik ist grundsätzlich nur zulässig, wenn er von tariffähigen Gewerkschaften ausgerufen und geführt wird (sog. Gewerkschaftsstreik). Wilde Streiks, die ohne Gewerkschaftsbeteiligung stattfinden, sind rechtswidrig.
Verhältnismäßigkeit: Der Streik muss hinsichtlich Intensität und Ziel in einem angemessenen Verhältnis stehen. Er darf nicht die wirtschaftliche Existenz des Arbeitgebers gefährden oder das Gemeinwohl unzumutbar beeinträchtigen.
Ausschöpfung des Rechtswegs: Das sogenannte Ultima-Ratio-Prinzip verpflichtet die Parteien, alle zumutbaren Möglichkeiten zur Konfliktlösung auszuschöpfen. Ein Streik ist erst nach Scheitern der Verhandlungen zulässig.
* Friedenspflicht: Während der Laufzeit eines Tarifvertrags besteht eine friedenspflichtige Phase, in der keine Arbeitskampfmaßnahmen bezüglich der tarifvertraglich geregelten Angelegenheiten durchgeführt werden dürfen.

Arten von Streiks

Erzwingungsstreik

Der Erzwingungsstreik ist das typische Mittel zur Durchsetzung tariflicher Forderungen und zielt auf den Abschluss eines neuen Tarifvertrages ab.

Warnstreik

Warnstreiks sind befristete Arbeitsniederlegungen vor dem Scheitern der Tarifverhandlungen und dienen dem Druckaufbau, ohne den endgültigen Abbruch der Verhandlungen zu signalisieren.

Sympathiestreik

Beim Sympathiestreik legen Arbeitnehmer ihre Arbeit nieder, um andere Arbeitnehmer bei einem Hauptkonflikt zu unterstützen. Die Zulässigkeit dieses Streiktyps ist weiterhin Gegenstand arbeitsgerichtlicher Diskussionen.

Generalstreik und politischer Streik

Generalstreiks betreffen weite Teile der Arbeitnehmerschaft und zielen häufig auf grundlegende politische Veränderungen ab. Politische Streiks im Sinne umfassender politischer Zielsetzungen sind in der Bundesrepublik Deutschland nach vorherrschender Rechtsauffassung nicht erlaubt.

Rechtliche Folgen des Streiks

Vergütungsanspruch während des Streiks

Während eines rechtmäßigen Streiks ruht der Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber (§ 615 Satz 1 BGB analog). Gewerkschaften zahlen währenddessen üblicherweise Streikunterstützungen.

Arbeitsverhältnis und Kündigungsschutz

Die Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik stellt keine Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten dar und begründet keinen Kündigungsgrund. Die Ausübung des Streikrechts darf nicht zur Benachteiligung führen (BAG-Rechtsprechung).

Aussperrung als Reaktionsmittel des Arbeitgebers

Im Rahmen des Arbeitskampfrechts steht Arbeitgebern, als Pendant zum Streik, das Mittel der Aussperrung zu. Dabei werden Arbeitnehmer von der Arbeitsleistung und entsprechend von der Vergütung ausgeschlossen, um den wirtschaftlichen Druck auf die Arbeitnehmerseite zu erhöhen. Auch hinsichtlich der Aussperrung gelten die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und Tariftreue.

Streik im Öffentlichen Dienst und Beamtenstreik

Im Bereich des öffentlichen Dienstes bestehen Einschränkungen. Für Beamtinnen und Beamte gilt ein gesetzliches Streikverbot, das mehrfach vom Bundesverfassungsgericht sowie vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bestätigt wurde. Tarifbeschäftigte im öffentlichen Dienst können hingegen am Streik teilnehmen, sofern keine besonderen Rechtsvorschriften entgegenstehen.

Internationale und Europäische Dimension

Das Streikrecht hat eine völkerrechtliche und europarechtliche Komponente. Artikel 6 Abs. 4 der Europäischen Sozialcharta und Art. 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union erkennen das Streikrecht grundsätzlich an. Die konkrete Ausgestaltung bleibt aber den Mitgliedstaaten überlassen.

Abgrenzung zu anderen Arbeitskampfmitteln

Betriebsrat und Arbeitskampf

Dem Betriebsrat ist die Organisation und Durchführung eines Streiks untersagt. Seine Aufgabe beschränkt sich auf die Wahrnehmung der betrieblichen Mitbestimmung, nicht aber auf tarifliche Arbeitskämpfe.

Weitere Arbeitskampfmaßnahmen

Neben dem Streik existieren weitere kollektive Maßnahmen wie Bummelstreik, Dienst nach Vorschrift oder Boykott, die ebenfalls einer rechtlichen Bewertung unterliegen und vom klassischen Streik abzugrenzen sind.

Fazit

Der Streik stellt ein wesentliches Mittel der kollektiven Interessenvertretung von Arbeitnehmern gegenüber Arbeitgebern dar und ist rechtlich umfassend geregelt. Während das Grundrecht auf Streik durch die Koalitionsfreiheit geschützt ist, befinden sich seine Grenzen im Spannungsfeld von Tarifautonomie, Verhältnismäßigkeit sowie Friedenspflicht. Insbesondere die detaillierten Einschränkungen und Voraussetzungen, die sich aus gesetzlicher Rahmengebung, Tarifvertragsgesetz und arbeitsgerichtlicher Rechtsprechung ergeben, bilden die rechtliche Basis für die Ausübung und Zulässigkeit von Streiks in Deutschland.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für einen rechtmäßigen Streik in Deutschland erfüllt sein?

Damit ein Streik in Deutschland rechtmäßig ist, müssen mehrere rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst muss der Streik von einer tariffähigen Gewerkschaft organisiert werden, das heißt, spontane Streiks außerhalb gewerkschaftlicher Initiativen gelten in der Regel als rechtswidrig. Weiterhin muss der Streik ein tariflich regelbares Ziel verfolgen, häufig das Erzwingen eines Tarifvertrages oder die Verbesserung von Arbeits- und Einkommensbedingungen. Vor dem Streik müssen die Friedenspflicht sowie sämtliche Schlichtungsverfahren beachtet werden, sofern der Tarifvertrag keine Öffnungsklausel enthält und noch wirksam ist. Ein Streik darf nur dann durchgeführt werden, wenn keine rechtlich bindende Regelung über das Streikziel besteht (Ablauf oder Kündigung des Tarifvertrags). Zudem muss die Gewerkschaft vor Streikbeginn eine Urabstimmung durchführen, wobei eine bestimmte Mehrheit der Mitglieder für den Arbeitskampf stimmen muss. Der Streik muss verhältnismäßig sein, das heißt, er darf nicht außer Verhältnis zur angestrebten Tarifforderung stehen und sollte als letztes Mittel (ultima ratio) erfolgen, wenn Verhandlungen oder Schlichtungsverfahren erfolglos blieben.

Welche Rechte haben Arbeitnehmer während eines Streiks?

Während eines rechtmäßigen Streiks sind Arbeitnehmer von ihrer arbeitsvertraglichen Pflicht zur Arbeitsleistung befreit, das heißt, sie dürfen die Arbeit niederlegen, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen wie Abmahnung oder Kündigung fürchten zu müssen. Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, während des Streiks Lohnzahlungen zu leisten (sog. „Lohnsperre“ oder „Annahmeverzug“). Viele Gewerkschaften zahlen während eines Streiks jedoch Streikgeld, um den Lohnausfall teilweise zu kompensieren. Zudem genießen streikende Arbeitnehmer während des Arbeitskampfes einen besonderen Schutz: Eine Kündigung wegen der Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik ist nach § 612a BGB sowie nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts unwirksam. Nach Beendigung des Streiks sind Arbeitnehmer grundsätzlich verpflichtet, ihre Arbeit wieder aufzunehmen, der Arbeitgeber darf sie nicht benachteiligen oder diskriminieren.

Ist es Arbeitnehmern gestattet, zum Streik aufgerufen zu werden, wenn sie nicht Mitglied einer Gewerkschaft sind?

In Deutschland ist die Teilnahme am Streik grundsätzlich nicht auf Gewerkschaftsmitglieder beschränkt. Zwar wird der Streik in der Regel von einer Gewerkschaft initiiert und organisiert, die Teilnahme am Streik ist jedoch auch für Nichtmitglieder zulässig, sofern es sich um einen rechtmäßigen Streik handelt. Nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur ist die Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft keine Voraussetzung dafür, am Streik teilzunehmen. Nichtgewerkschaftlich organisierte Arbeitnehmer profitieren ebenfalls vom Streikschutz, können aber nicht auf Streikgeld der Gewerkschaft hoffen, da dies eine Mitgliederleistung ist.

Welche Auswirkungen hat ein Streik auf das Arbeitsverhältnis und den Urlaubsanspruch?

Während eines Streiks ruht regelmäßig das Arbeitsverhältnis bezüglich der Hauptpflichten (Arbeitsleistung und Lohnzahlung). Die Streiktage gelten jedoch grundsätzlich nicht als Arbeitsunfähigkeit oder Urlaubstage. Ein Arbeitsverhältnis wird durch Teilnahme an einem rechtmäßigen Streik nicht beendet oder unterbrochen, sondern lediglich die Leistungspflichten ruhen während des Arbeitskampfes. Urlaubsansprüche werden durch Streiktage grundsätzlich nicht berührt; Arbeitgeber dürfen den Streik nicht mit dem Urlaub verrechnen oder Arbeitnehmer anweisen, während des Streiks Urlaub zu nehmen. Nach Streikende sind Arbeitnehmer verpflichtet, ihre Arbeitsleistung wie gewohnt wieder aufzunehmen.

Dürfen Arbeitgeber während eines Streiks Streikbrecherprämien zahlen oder Leiharbeitnehmer einsetzen?

Arbeitgeber dürfen im Grundsatz Streikbrecherprämien zahlen, um Arbeitnehmer zur Arbeitsaufnahme während eines Streiks zu motivieren, allerdings müssen solche Maßnahmen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit beachten und dürfen nicht dazu führen, Streikende unzulässig zu benachteiligen oder zu diskriminieren. Der Einsatz von Leiharbeitnehmern zur Streikbrucharbeit ist nach § 11 Abs. 5 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) ausdrücklich verboten. Leiharbeitnehmer dürfen demnach nicht eingestellt oder auf Streikarbeitsplätze umgesetzt werden, um die Auswirkungen des Streiks zu mindern. Ein Verstoß gegen dieses Verbot ist bußgeldbewährt.

Welche Rolle spielt die Friedenspflicht im Arbeitskampfrecht?

Die Friedenspflicht ist ein zentrales Element des deutschen Arbeitskampfrechts und besagt, dass während der Laufzeit eines Tarifvertrags keine Arbeitskampfmaßnahmen bezüglich der durch den Tarifvertrag geregelten Fragen erlaubt sind. Während dieser Zeit sind sowohl Streiks als auch Aussperrungen hinsichtlich der im Tarifvertrag geregelten Angelegenheiten ausgeschlossen. Die Friedenspflicht endet mit Beendigung oder Kündigung des Tarifvertrags, ab diesem Zeitpunkt sind Arbeitskampfmaßnahmen grundsätzlich zulässig. Vertragsbrüchige Streiks während der Friedenspflicht gelten als rechtswidrig und können arbeitsrechtliche Konsequenzen für die Teilnehmer sowie zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche für die Arbeitgeberseite nach sich ziehen.

Welche gerichtlichen Maßnahmen können Arbeitgeber gegen einen Streik ergreifen?

Arbeitgeber haben die Möglichkeit, gegen einen als rechtswidrig angesehenen Streik vorzugehen, insbesondere durch einstweilige Verfügungen bei den Arbeitsgerichten. Hierbei kann gerichtlich festgestellt werden, dass eine bestimmte Streikmaßnahme unzulässig ist und die Gewerkschaft oder die streikenden Arbeitnehmer zur Unterlassung verpflichtet werden. Darüber hinaus können Schadensersatzansprüche gegen die Gewerkschaft geltend gemacht werden, wenn durch einen rechtswidrigen Streik finanzielle Schäden entstehen. Voraussetzung ist jedoch stets die gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit des Streiks. Während eines rechtmäßigen Streiks besteht diese Möglichkeit grundsätzlich nicht.