Strategische Umweltprüfung
Die Strategische Umweltprüfung (SUP) ist ein Verfahrensinstrument des Umweltrechts, das auf der Ebene der Planung und Programmentwicklung die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen von Plänen und Programmen systematisch identifiziert, bewertet und in den Entscheidungsprozess integriert. Sie dient der frühzeitigen Berücksichtigung von Umweltbelangen und der Förderung einer umweltgerechten Gestaltung politischer, planerischer und programmatischer Entscheidungen.
Übersicht und rechtliche Einordnung
Die strategische Umweltprüfung nimmt als vorgelagertes Umweltprüfungsverfahren eine zentrale Rolle in der europäischen und nationalen Umweltgesetzgebung ein. Sie ergänzt insbesondere die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP), die auf Projektebene Anwendung findet (§2 Abs. 4 UVPG), indem sie die Folgen auf der vorgelagerten Plan- und Programmebene abschätzt.
Rechtsgrundlagen der Strategischen Umweltprüfung
Europäische Union: SUP-Richtlinie
Rechtliche Basis für die SUP bildet auf europäischer Ebene die Richtlinie 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-Richtlinie). Die Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass Pläne und Programme, die voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben, vor ihrer Annahme oder Umsetzung einer Umweltprüfung unterzogen werden.
Anwendungsbereich der SUP-Richtlinie
Die Richtlinie gilt für Pläne und Programme, die von Behörden erstellt oder angenommen werden und für die durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene die Aufstellung vorgeschrieben ist. Besondere Bedeutung erhält sie bei Plänen und Programmen aus dem Bereich der Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischerei, Energie, Industrie, Verkehr, Abfallbewirtschaftung, Wasserwirtschaft, Telekommunikation, Tourismus, Raumordnung sowie Flächennutzung, sofern diese zur Festlegung eines Rahmenwerks für künftige Genehmigungen von Projekten dienen.
Nationale Umsetzung: Deutschland
In Deutschland erfolgte die Umsetzung der SUP-Richtlinie in das nationale Recht hauptsächlich durch das Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG). Weitere spezialgesetzliche Regelungen finden sich im Baugesetzbuch (BauGB) bezüglich der Bauleitplanung.
Gesetzliche Grundlagen und Anwendungsbereiche
Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG)
Das UVPG regelt umfassend das Verfahren der SUP in § 14 ff. und beschreibt die Durchführung bei der Aufstellung von Plänen und Programmen, die durch Bundes- oder Landesrecht vorgeschrieben sind.
Baugesetzbuch (BauGB)
Für die Bauleitplanung – insbesondere für Flächennutzungspläne und Bebauungspläne – sind die umweltprüfungsrechtlichen Anforderungen in den §§ 2 Abs. 4, 2a und 4c BauGB konkretisiert. Die dortige Umweltprüfung entspricht im Wesentlichen den Vorgaben der SUP.
* Fachspezifische Gesetze
Auch zahlreiche sektorale Fachgesetze (wie das Wasserhaushaltsgesetz, das Energiewirtschaftsgesetz oder das Luftverkehrsgesetz) enthalten Verweise auf die Anwendung der SUP.
Ablauf des SUP-Verfahrens
Verfahrensschritte der strategischen Umweltprüfung
Die SUP ist als mehrstufiges, transparentes Verfahren ausgestaltet:
- Feststellung der SUP-Pflicht
Zunächst erfolgt die Prüfung, ob das Vorhaben eines Plans oder Programms der SUP-Pflicht unterliegt. Dies richtet sich nach gesetzlichen Schwellenwerten, Vorprüfungen und der Einschätzung, ob erhebliche Umweltauswirkungen zu erwarten sind.
- Scoping (Festlegung des Untersuchungsrahmens)
In einem förmlichen Scoping-Verfahren wird der Untersuchungsrahmen mit Behörden und ggf. der Öffentlichkeit abgestimmt (§ 14f UVPG).
- Durchführung der Umweltprüfung
Es werden die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen des Plans oder Programms sowie zum Schutz, zur Vermeidung und zur Verminderung dieser Auswirkungen vorgesehene Maßnahmen ermittelt, beschrieben und bewertet.
- Umweltbericht
Die Ergebnisse der Umweltprüfung werden in einem Umweltbericht zusammengefasst. Dieser erläutert insbesondere die berücksichtigten Alternativen und die Gründe für die Auswahl der geprüften Variante.
- Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung
Der Planentwurf und der Umweltbericht werden öffentlich ausgelegt. Behörden und die Öffentlichkeit erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme (§ 14h UVPG).
- Entscheidung und Berücksichtigung der Umweltauswirkungen
Die Ergebnisse der SUP fließen in die Abwägung und Entscheidung zur Annahme des Plans oder Programms ein.
- Bekanntgabe und Monitoring
Nach der Entscheidung werden die Ergebnisse bekannt gegeben. Es folgt ein Monitoring der tatsächlichen Umweltauswirkungen zur Überprüfung der Prognosen und ggf. zur Anpassung von Maßnahmen.
Umweltbericht als zentrales Instrument
Der Umweltbericht übernimmt eine Kernfunktion. Er enthält mindestens:
- eine Beschreibung des Inhalts und der Hauptziele des Plans oder Programms,
- eine Darstellung des derzeitigen Umweltzustands,
- Prognosen zu den zu erwartenden Umweltauswirkungen,
- Angaben zu berücksichtigten Alternativen,
- geplante Maßnahmen zur Vermeidung, Verringerung und Kompensation nachteiliger Umweltauswirkungen,
- Monitoring-Maßnahmen.
Verhältnis zu anderen umweltrechtlichen Prüfverfahren
Abgrenzung zur Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP)
Während das SUP-Verfahren auf Pläne und Programme auf übergeordneter Ebene abzielt, betrifft die Umweltverträglichkeitsprüfung konkrete Projekte (§ 2 Abs. 4 UVPG). Beide Verfahren sind komplementär angelegt. Die Ergebnisse der SUP werden bei später nötigen projektbezogenen UVP-Verfahren regelmäßig als wichtige Vorarbeit herangezogen.
Integration in Raumordnung und Fachplanungen
Die SUP ist integraler Bestandteil von Raumordnungs- und Fachplanungsprozessen. Sie trägt zur Berücksichtigung von Umwelterfordernissen im Rahmen der Flächennutzungsplanung, Landesentwicklungsplanung und sektoraler Fachplanungen (z. B. Verkehrs-, Wasser- oder Abfallwirtschaftskonzepte) bei.
Beteiligungsrechte und Öffentlichkeitsbeteiligung
Die strategische Umweltprüfung ist eng mit Beteiligungsrechten der Öffentlichkeit und der Behörden (insbesondere der Träger öffentlicher Belange) verknüpft. Das Verfahren fördert die Transparenz und demokratische Legitimation umweltrelevanter planerischer Entscheidungen. Die Einbeziehung der Öffentlichkeit ist im UVPG verbindlich geregelt und umfasst insbesondere die Auslegung der Planungsunterlagen, die Möglichkeit zur Stellungnahme und deren ernsthafte Berücksichtigung im Entscheidungsprozess (§ 14h UVPG).
Rechtsschutz und Kontrolle
Beteiligte und von den Folgen betroffene Personen oder Vereinigungen können die Einhaltung der umweltrechtlichen Vorschriften – und somit des SUP-Erfordernisses – im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes überprüfen lassen. Dies bezieht sich insbesondere auf Fehler im Verfahren, in der Öffentlichkeitsbeteiligung oder bei der Bewertung der Umweltauswirkungen. Die SUP-Modellierung ist jedoch auf die Überprüfung wesentlicher Verfahrens- sowie Bewertungsdefizite beschränkt; das Gericht ersetzt die Abwägung der für die Entscheidung zuständigen Behörde grundsätzlich nicht.
Bedeutung und Auswirkungen der Strategischen Umweltprüfung
Die strategische Umweltprüfung gilt als zentrales Steuerungsinstrument, um Umweltschutzbelange frühzeitig und systematisch in die Planung von Vorhaben einzubringen und so eine nachhaltige Entwicklung sicherzustellen. Sie trägt zur Vermeidung irreversibler Umweltschäden auf übergeordneten Entscheidungsebenen bei und verbessert die Transparenz und Nachvollziehbarkeit öffentlicher Planungsentscheidungen.
Weiterführende Regelungen und internationale Bezüge
Neben den genannten europäischen und nationalen Vorgaben existieren auch völkerrechtliche Verpflichtungen, etwa durch das Übereinkommen über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Kontext (Espoo-Konvention) oder das Aarhus-Übereinkommen über den Zugang zu Informationen, die Öffentlichkeitsbeteiligung an Entscheidungsverfahren und den Zugang zu Gerichten in Umweltangelegenheiten.
Literatur und Weblinks
- Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme
- Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG)
- Baugesetzbuch (BauGB)
- Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV): Informationen zur strategischen Umweltprüfung
Hinweis: Dieser Artikel bietet eine umfassende Darstellung zum Begriff der strategischen Umweltprüfung und deren rechtlicher Ausgestaltung in Deutschland und der Europäischen Union. Er soll als fundierte Informationsquelle im Rahmen eines Rechtslexikons dienen.
Häufig gestellte Fragen
Welche Verfahren sind für die Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) rechtlich vorgeschrieben?
Im rechtlichen Kontext ist die Durchführung einer Strategischen Umweltprüfung (SUP) in Deutschland insbesondere im Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) geregelt, das die Richtlinie 2001/42/EG über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (SUP-Richtlinie) in nationales Recht umsetzt. Rechtlich vorgeschrieben ist ein mehrstufiges Verfahren, das unter anderem die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden, die Erstellung eines Umweltberichts, eine Auslegung und Einsichtnahme, die Berücksichtigung der Ergebnisse bei der Entscheidungsfindung sowie eine abschließende Information über die getroffene Entscheidung umfasst. Die SUP ist immer dann zwingend durchzuführen, wenn Pläne und Programme in den Anwendungsbereich des UVPG fallen, also beispielsweise bei Raumordnungs-, Flächennutzungs- oder Landschaftsplänen, die bestimmte Schwellenwerte überschreiten oder besonders sensitive Schutzgüter betreffen. Für Ausnahmen sieht das Gesetz spezielle Zulässigkeitsvoraussetzungen und Prüfungen des Einzelfalls vor.
Wer ist rechtlich verantwortlich für die ordnungsgemäße Durchführung der SUP?
Verantwortlich für die Durchführung der Strategischen Umweltprüfung ist gemäß § 2 UVPG die für die Ausarbeitung oder Annahme des Plans oder Programms zuständige Behörde, üblicherweise die jeweilige Planungsbehörde auf kommunaler, Landes- oder Bundesebene. Diese sogenannte „verfahrensführende Behörde“ trägt die rechtliche Verantwortung dafür, dass das SUP-Verfahren ordnungsgemäß, transparent und fristgerecht nach Maßgabe der gesetzlichen Vorgaben durchgeführt wird. Zu den Pflichten gehören die Information und Beteiligung der Öffentlichkeit und der betroffenen Behörden, die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Umweltprüfung einschließlich des erforderlichen Umweltberichts sowie die Dokumentation und Berücksichtigung der Ergebnisse im Entscheidungsprozess. Verstöße gegen diese Pflichten können zu Anfechtbarkeit der Pläne und Programme führen oder verwaltungsgerichtlich überprüft werden.
Welche rechtlichen Anforderungen bestehen an die Öffentlichkeitsbeteiligung im Rahmen der SUP?
Das UVPG verlangt eine umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung. Rechtlich ist festgelegt, dass die betroffene Öffentlichkeit bereits frühzeitig, also zu einem Zeitpunkt, zu dem noch alle Optionen offen sind, in das Verfahren der SUP einbezogen werden muss. Dies umfasst die öffentliche Auslegung des Entwurfs des Plans oder Programms sowie des zugehörigen Umweltberichts, die Möglichkeit zur Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist (in der Regel mindestens vier Wochen) und die Berücksichtigung dieser Stellungnahmen bei der weiteren Planung. Die Ergebnisse der Öffentlichkeitsbeteiligung sind rechtlich bindend zu prüfen und müssen dokumentiert werden. Nach der Entscheidung ist die Öffentlichkeit wiederum über das Ergebnis und die Berücksichtigung ihrer Einwände zu informieren. Verstöße gegen Verfahrens- und Beteiligungsrechte können rechtliche Konsequenzen haben und etwaige Planungen anfechtbar machen.
Was sind die rechtlichen Folgen einer fehlenden oder mangelhaften Durchführung der SUP?
Unterbleibt die gesetzlich vorgeschriebene Strategische Umweltprüfung oder wird sie nicht ordnungsgemäß durchgeführt, kann dies erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. In der Regel führt dies zur formellen und materiellen Rechtswidrigkeit des betroffenen Plans oder Programms. Nach dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz haben anerkannte Umweltverbände, aber auch betroffene Bürger das Recht, die Rechtmäßigkeit der Planung gerichtlich überprüfen zu lassen. Gerichte können die Planung für nichtig erklären oder aufheben, falls formelle Fehler (z. B. bei der Öffentlichkeitsbeteiligung) oder materielle Mängel (z. B. unzureichende Berücksichtigung erheblicher Umweltauswirkungen) festgestellt werden. Eine fehlende SUP kann zudem zu Verzögerungen im Planfeststellungsprozess und in der Umsetzung von Projekten führen.
Welche Pläne und Programme unterliegen nach geltendem Recht der SUP-Pflicht?
Die SUP-Pflicht besteht nach den Vorschriften des UVPG und der SUP-Richtlinie grundsätzlich für alle Pläne und Programme, die von Behörden erarbeitet oder angenommen werden und für die durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften eine Umweltprüfung vorgesehen ist. Eine SUP ist insbesondere durchzuführen bei der Aufstellung, Änderung oder Ergänzung von Raumordnungsplänen, Flächennutzungsplänen, Landschaftsplänen, oder spezifischen Programmen, die bestimmte Sektoren (z. B. Verkehr, Energie, Landwirtschaft, Wasserwirtschaft, Abfallentsorgung) betreffen, sofern sie voraussichtlich erhebliche Umweltauswirkungen haben. Es gelten dabei Schwellenwerte und Ausschlusskriterien, insbesondere wenn Schutzgebietstatbestände (wie Natura 2000-Gebiete) berührt werden. In bestimmten Ausnahmefällen (z. B. rein finanzielle oder administrative Programme) kann eine SUP entfallen, dies bedarf aber einer Einzelfallprüfung und nachvollziehbarer Begründung durch die zuständige Behörde.
Wie wird die Qualität und Nachvollziehbarkeit einer SUP rechtlich sichergestellt?
Zur rechtlichen Sicherstellung von Qualität und Nachvollziehbarkeit der SUP bestehen normierte Vorgaben insbesondere für den Inhalt des Umweltberichts (§ 40 UVPG). Der Umweltbericht muss alle erheblichen und voraussichtlich nachteiligen Auswirkungen des Plans oder Programms auf die Schutzgüter (wie Mensch, Tiere, Pflanzen, Biodiversität, Boden, Wasser, Luft, Klima, Landschaft, Kultur- und Sachgüter) systematisch und nachvollziehbar darstellen. Die Methodik der Untersuchung, die Alternativenprüfung, eine Darstellung ergriffener Maßnahmen zur Vermeidung oder Minimierung nachteiliger Auswirkungen sowie eine Beschreibung der Überwachungsmaßnahmen sind zwingende Bestandteile. Der gesamte Verfahrensverlauf, inklusive der Einwände aus der Öffentlichkeitsbeteiligung sowie behördlicher Stellungnahmen, muss dokumentiert werden, um die spätere Überprüfbarkeit zu gewährleisten.
Gibt es rechtliche Möglichkeiten, gegen die Durchführung oder das Ergebnis einer SUP vorzugehen?
Ja, das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (UmwRG) eröffnet insbesondere Umweltvereinigungen die Möglichkeit, im Rahmen einer Verbandsklage gegen Pläne und Programme, für die eine SUP vorgeschrieben war, zu klagen. Darüber hinaus können auch betroffene Privatpersonen, die in eigenen Rechten verletzt sind, Rechtsmittel einlegen. Einwände können sowohl gegen Verfahrensfehler (wie die Nichteinbeziehung der Öffentlichkeit) als auch inhaltliche Mängel des Umweltberichts und der Alternativenprüfung gerichtet sein. Gerichte überprüfen die Einhaltung der gesetzlichen Verfahrensstandards und gegebenenfalls die inhaltliche Abwägung und können Pläne und Programme aufheben, wenn erhebliche Rechtsverstöße vorliegen. Die Klagebefugnis ist an spezifische Zulässigkeitsvoraussetzungen gebunden und unterliegt Fristen.