Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Gesellschaftsrecht»Störfallbeauftragter

Störfallbeauftragter


Begriff und rechtliche Grundlagen des Störfallbeauftragten

Der Störfallbeauftragte ist eine durch das deutsche Umweltrecht geregelte Funktion, die innerhalb von Anlagen mit erheblichem Gefahrenpotenzial zur Überwachung, Beratung und Kontrolle in Bezug auf den betrieblichen Umweltschutz installiert wird. Die Rechtsgrundlage ergibt sich insbesondere aus dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und der zugehörigen Störfall-Verordnung (12. BImSchV). Ziel dieser Beauftragung ist die Verhinderung und Minimierung von Störfällen, Schadensereignissen und deren Auswirkungen auf Mensch und Umwelt.


Rechtliche Einordnung und Aufgaben

Gesetzliche Grundlage

Die Bestellung des Störfallbeauftragten fußt auf den §§ 58a bis 58f BImSchG sowie auf den Vorschriften der Störfall-Verordnung. Betreiber bestimmter genehmigungsbedürftiger Anlagen sind verpflichtet, einen oder mehrere fachkundige Personen als Störfallbeauftragte zu bestellen, sofern die Anlage nach Art, Größe und Gefahrenpotential dies erfordert (§ 58b BImSchG). Die entsprechende Anordnung kann auch durch die zuständigen Überwachungsbehörden erfolgen.

Aufgabenbereich (Pflichtenheft)

Die Aufgaben des Störfallbeauftragten umfassen insbesondere:

  • Beratung des Betreibers in allen Angelegenheiten rund um den Schutz vor Störfällen und die Optimierung betrieblicher Sicherheitseinrichtungen
  • Überwachung der Einhaltung der einschlägigen rechtlichen Anforderungen zur Verhinderung von Störfällen, einschließlich interner Betriebsanweisungen und externer Vorschriften
  • Erarbeitung und Überprüfung von Alarm- und Gefahrenabwehrplänen
  • Organisation und Kontrolle von Notfallübungen
  • Koordination von Maßnahmen zur Erkennung, Begrenzung und Beseitigung von Gefahren nach Störfällen
  • Meldung von Erkenntnissen bezüglich festgestellter Verstöße gegen Vorschriften oder Mängel in betrieblichen Abläufen an den Betreiber und, bei Untätigkeit, an die zuständige Behörde
  • Erstellung regelmäßiger Berichte und Dokumentationen über getroffene und geplante Maßnahmen

Funktionelle Stellung im Unternehmen

Der Störfallbeauftragte hat eine beratende und überwachende Stellung gegenüber dem Betreiber, jedoch keine Anordnungs- oder Weisungsbefugnis. Er agiert unabhängig, um die Einhaltung der gesetzlichen Verpflichtungen sicherzustellen. Die regelmäßige Information der Betriebsleitung und die Zusammenarbeit mit anderen betrieblichen Beauftragten (z. B. Immissionsschutz-, Gewässerschutzbeauftragte) ist ausdrücklich vorgesehen.


Bestellung, Voraussetzungen und Abberufung

Bestellungspflicht und -voraussetzungen

Die Pflicht zur Bestellung eines Störfallbeauftragten besteht für Anlagen:

  • die nach der Störfallverordnung als Betriebsbereich eingestuft werden und
  • bei denen Stoffmengen bestimmte Schwellenwerte überschreiten

Der Betreiber muss eine geeignete, fachkundige und zuverlässige Person auswählen. Die Fachkunde bezieht sich auf Kenntnisse in den einschlägigen technischen und rechtlichen Anforderungen im Bereich des Anlagenbetriebs und Störfallmanagements. Die Bestellung und ein etwaiger Widerruf sind in schriftlicher Form vorzunehmen und der zuständigen Behörde anzuzeigen.

Rechte und Pflichten des Störfallbeauftragten

Störfallbeauftragte genießen einen besonderen Kündigungsschutz gemäß § 58b Abs. 2 BImSchG, der die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses bis ein Jahr nach Beendigung der Funktion ausschließt, sofern nicht aus wichtigem Grund gekündigt wird. Zudem ist dem Beauftragten die für seine Tätigkeit notwendige Zeit sowie der Zugang zu allen relevanten Informationen, Unterlagen und Betriebsbereichen zu gewähren. Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sind sie weisungsunabhängig.

Abberufung und Haftung

Die Abberufung kann nur aus wichtigem Grund erfolgen, etwa bei grober Pflichtverletzung oder fehlender Eignung. Hinsichtlich der Haftung gelten die allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätze, jedoch ist die persönliche Haftung beschränkt, sofern der Störfallbeauftragte in Wahrnehmung seiner Aufgaben handelte und keine grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorliegt.


Zusammenarbeit mit Behörden und weiteren Beauftragten

Zusammenarbeit mit Behörden

Der Störfallbeauftragte hat bei behördlichen Überwachungsmaßnahmen mitzuwirken und den Behörden erforderliche Auskünfte zu erteilen sowie Unterlagen vorzulegen. Kommt der Betreiber seinen gesetzlichen Verpflichtungen nicht nach und werden vom Störfallbeauftragten Mängel festgestellt, ist dieser verpflichtet, die zuständige Behörde zu informieren.

Zusammenarbeit im Betrieb

Kooperation und regelmäßiger Informationsaustausch mit anderen Umweltschutzbeauftragten des Betriebs sind gesetzlich gewollt und ermöglichen eine ganzheitliche Überwachung aller relevanten Umweltaspekte.


Bedeutung des Störfallbeauftragten für den Umweltschutz

Angesichts der potenziellen Gefahren durch den Betrieb von Industrieanlagen erfüllt der Störfallbeauftragte eine wichtige Schutzfunktion im betrieblichen Umweltschutzsystem. Durch Prävention, Beratung und Kontrolle trägt er dazu bei, die Entstehung von Störfällen zu verhindern und den Betreiber zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Umweltgefahren anzuhalten. Seine Tätigkeit ist ein wesentliches Element der betrieblichen Eigenkontrolle und der Compliance mit Umweltschutzgesetzen.


Literatur und weiterführende Normen

  • Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), §§ 58a ff.
  • 12. Verordnung zur Durchführung des BImSchG (Störfall-Verordnung)
  • Verwaltungsvorschrift zum Gesetz zum Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen und ähnliche Vorgänge

Zusammenfassung

Der Störfallbeauftragte ist ein zentrales Instrument des deutschen Umweltrechts zur Prävention, Überwachung und Regelung des Umgangs mit Störfällen in besonders gefährdeten Betriebsbereichen. Seine Rolle ist gesetzlich definiert, umfasst umfassende Überwachungs-, Beratungs- und Berichtspflichten und stellt ein wichtiges Bindeglied zwischen dem Unternehmen, den Behörden und der Öffentlichkeit im Bereich der Anlagensicherheit und des Umweltschutzes dar.

Häufig gestellte Fragen

Wann ist ein Unternehmen rechtlich verpflichtet, einen Störfallbeauftragten zu bestellen?

Ob und wann ein Unternehmen verpflichtet ist, einen Störfallbeauftragten zu bestellen, regelt in Deutschland vor allem § 58b Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) in Verbindung mit der 12. BImSchV (Störfall-Verordnung, kurz: StörfallV). Die Bestellpflicht trifft grundsätzlich Betreiber genehmigungsbedürftiger Anlagen nach BImSchG, wenn diese nach Art und Menge der vorhandenen gefährlichen Stoffe unter die Regelungen der StörfallV fallen. Maßgeblich ist das Überschreiten bestimmter Mengenschwellen gefährlicher Stoffe, die der Anlage zugeordnet werden. Die Behörde kann die Bestellung eines Störfallbeauftragten ausdrücklich anordnen, der Betreiber kann aber auch eigeninitiativ handeln, sofern die Voraussetzungen vorliegen. Neben der konkreten Anlagengröße spielen Art, Gefahrenpotenzial und Risiken des jeweiligen Betriebs eine Rolle bei der Beurteilung der rechtlichen Verpflichtung. Zudem sind branchenspezifische Besonderheiten und relevante europäische Vorgaben (insb. die Seveso-III-Richtlinie) zu beachten.

Welche rechtlichen Anforderungen muss ein Störfallbeauftragter erfüllen?

Ein Störfallbeauftragter muss gemäß § 58c BImSchG sowohl die erforderliche Fachkunde als auch Zuverlässigkeit besitzen. Die Fachkunde umfasst neben einer einschlägigen technischen Ausbildung auch spezifische Kenntnisse des Immissionsschutz- und Störfallrechts sowie der Gefahrenabwehr und Prävention. Sie ist regelmäßig durch geeignete Nachweise (z.B. Zertifikate, erfolgreiche Teilnahme an anerkannten Schulungen) und Berufserfahrung zu belegen. Die Zuverlässigkeit umfasst insbesondere die persönliche Eignung, Straffreiheit und die Fähigkeit, die Aufgaben unabhängig und objektiv auszuüben. Die Fortbildungspflicht verpflichtet den Beauftragten, sich laufend über Änderungen relevanter Rechtsnormen und technischer Entwicklungen zu informieren. Weitergehende Anforderungen können sich aus behördlichen Anordnungen oder besonderen Gefahrenlagen ergeben.

Welche Haftungsverpflichtungen ergeben sich rechtlich für den Störfallbeauftragten?

Der Störfallbeauftragte trägt eine eigenständige Verantwortung im Rahmen seiner Aufgaben, die jedoch grundsätzlich im Verhältnis zum Unternehmen und nachgeordnet zur Gesamtverantwortung des Betreibers steht. Haftungsrechtlich kann der Störfallbeauftragte für Pflichtverletzungen oder fahrlässiges Verhalten persönlich zur Verantwortung gezogen werden, insbesondere wenn seine Mitwirkung zu einer Störung des bestimmungsgemäßen Betriebs oder zu einem Umweltschaden beiträgt. Strafrechtliche Verantwortlichkeit besteht beispielsweise bei Verstößen gegen Umweltgesetze oder bei unterlassener Anzeige von Gefahren. Zivilrechtlich kann bei Schäden gegebenenfalls Regress gegenüber dem Beauftragten genommen werden. Die Haftung ist jedoch begrenzt, wenn der Beauftragte im Rahmen seiner Weisungsgebundenheit handelte oder keine grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz vorliegt. Unternehmen sind angehalten, klare Regelungen und ggf. Haftungsfreistellungen im Innenverhältnis zu treffen.

Welche rechtlichen Befugnisse stehen einem Störfallbeauftragten zu?

Der Gesetzgeber stattet den Störfallbeauftragten mit umfassenden Rechten aus, um die Wahrnehmung der Aufgaben zu ermöglichen. Dazu gehören insbesondere das Recht auf freien Zugang zu allen für die Wahrnehmung seiner Arbeiten notwendigen Informationen, Dokumenten und Betriebsbereichen, die Befugnis zur Durchführung von Besichtigungen und Prüfungen sowie zur Einsicht in Betriebs- und Prozessabläufe. Weiterhin hat der Störfallbeauftragte ein uneingeschränktes Vorschlags-, Berichts- und Verbesserungsrecht gegenüber der Betriebsleitung. Er darf nicht benachteiligt oder abberufen werden, weil er seine Aufgaben ordnungsgemäß ausübt (§ 58d Abs. 2 BImSchG). Die rechtliche Stellung ähnelt damit dem besonderen Kündigungsschutz anderer betrieblicher Beauftragter, etwa dem Betriebsratsmitglied oder dem Datenschutzbeauftragten.

Welche Melde- und Anzeigeverpflichtungen hat der Störfallbeauftragte nach Gesetz?

Zu den zentralen gesetzlichen Pflichten des Störfallbeauftragten zählen verschiedene Melde- und Anzeigeobliegenheiten. Er ist verpflichtet, Betriebsstörungen, Störfälle sowie erhebliche Gefahren für Mensch und Umwelt unverzüglich der Betriebsleitung und bei Bedarf der zuständigen Aufsichtsbehörde anzuzeigen. Darüber hinaus hat er regelmäßig Berichte über die getroffenen und geplanten Maßnahmen zur Verhinderung von Störungen und zur Begrenzung möglicher Auswirkungen zu erstellen. Die Aufbewahrungspflichten und Formvorgaben ergeben sich sowohl aus den Regelungen des BImSchG, der StörfallV als auch aus ergänzenden Anordnungen der Behörden. Versäumnisse in der Erfüllung dieser Meldepflichten können ordnungswidrigkeitenrechtlich oder sogar strafrechtlich verfolgt werden.

Wie ist der Störfallbeauftragte rechtlich in den betrieblichen Entscheidungsprozess eingebunden?

Der Störfallbeauftragte besitzt keine unternehmerischen Entscheidungsbefugnisse, seine Aufgabe liegt im Beraten, Überwachen und Informieren. Nach § 58b Abs. 3 BImSchG muss er bei allen Entscheidungen, die Auswirkungen auf die Störfallvorsorge oder die Gefahrenabwehr haben könnten, frühzeitig eingebunden werden. Vorschläge und Bedenken des Beauftragten müssen von der Betriebsleitung geprüft und in angemessener Weise berücksichtigt werden. Die Unternehmensleitung bleibt jedoch letztlich entscheidungsbefugt und trägt die Gesamtverantwortung für die Umsetzung. Die ordnungsgemäße Einbindung des Störfallbeauftragten kann im Rahmen behördlicher Überprüfungen oder eines Compliance-Management-Systems nachgewiesen werden.

Welche gesetzlichen Pflichten bestehen im Hinblick auf die Dokumentation der Tätigkeit eines Störfallbeauftragten?

Um die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben und Pflichten zu belegen, ist der Störfallbeauftragte verpflichtet, sämtliche relevanten Vorgänge, Prüfungen, Berichte, Vorschläge und durchgeführten Maßnahmen lückenlos zu dokumentieren. Diese Dokumentationspflicht dient nicht nur der internen Nachvollziehbarkeit und Verbesserung des Sicherheitsniveaus, sondern stellt ein zentrales Beweismittel bei behördlichen Kontrollen sowie im Falle von Störfällen oder etwaigen Haftungs- und Strafverfahren dar. Die Mindestanforderungen zur Form, Aufbewahrungsdauer und zum Zugriff auf die Dokumentationen können sich aus den einschlägigen Gesetzen (BImSchG, StörfallV), behördlichen Auflagen oder internen Richtlinien ergeben. Die ordnungsgemäße und aktuelle Dokumentation ist ein maßgebliches Kriterium bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Störfallvorsorge im Unternehmen.