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Stockwerkseigentum

Begriff und Einordnung

Stockwerkeigentum (auch: Stockwerkseigentum) bezeichnet nach schweizerischem Recht eine besondere Form des Eigentums an einer Liegenschaft. Es verbindet eine ideelle Miteigentumsquote am Grundstück und am gesamten Gebäude mit einem ausschliesslichen Recht an bestimmten, in sich abgeschlossenen Räumen (Sonderrecht), etwa einer Wohnung oder einem Geschäftslokal. Jede Einheit ist rechtlich verselbständigt und kann grundsätzlich eigenständig veräussert, belastet und vererbt werden. Stockwerkeigentum dient der dauerhaften rechtlichen Ordnung von Gebäuden mit mehreren, getrennt nutzbaren Einheiten.

Im Unterschied zur Miete begründet Stockwerkeigentum dingliches Eigentum an einer Einheit. Im Unterschied zum blossen Miteigentum an einer Liegenschaft ist das Nutzungs- und Verwaltungsrecht an klar abgegrenzte Räume gebunden; gemeinschaftliche Teile verbleiben im gemeinschaftlichen Bereich.

Entstehung und Grundbuch

Begründung

Stockwerkeigentum entsteht durch einen formellen Begründungsakt und den Eintrag im Grundbuch. Grundlage sind ein Aufteilungsplan und eine genaue Umschreibung der Einheiten. Der Begründungsakt definiert insbesondere Lage, Umfang und Inhalt des Sonderrechts sowie die massgebenden Wertquoten.

Grundbuch und Wertquote

Für jede Stockwerkeinheit wird ein eigenes Grundbuchblatt geführt. Eingetragen werden unter anderem die Beschreibung der Einheit, die zugehörige Wertquote, Rechte und Lasten sowie allfällige Dienstbarkeiten. Die Wertquote drückt das Verhältnis der Einheit zum Ganzen aus; sie ist in der Praxis bedeutsam für die Verteilung von Kosten und, je nach Regelung, für Stimmrechte.

Inhalt des Sonderrechts und gemeinschaftliche Teile

Sonderrecht (exklusive Räume)

Das Sonderrecht verleiht das ausschliessliche Nutzungs- und Verwaltungsrecht an bestimmten, räumlich und funktional abgeschlossenen Teilen des Gebäudes (z. B. Wohnung, Büro, Keller- oder Hobbyraum, sofern abgeschlossen). Innerhalb dieses Bereichs bestehen weitgehende Gestaltungsbefugnisse, soweit keine schädigenden Auswirkungen auf gemeinschaftliche Teile oder andere Einheiten eintreten.

Gemeinschaftliche Teile

Teile, die für Bestand, Sicherheit oder äusseres Erscheinungsbild des Gebäudes wesentlich sind, verbleiben in der Gemeinschaft. Dazu zählen regelmässig Grund und Boden, tragende Bauteile, Dach, Fassade, Treppenhaus, allgemeine Haustechnik und gemeinsame Leitungen. Diese Bestandteile werden gemeinschaftlich genutzt, unterhalten und erneuert.

Ausschliessliche Benutzungsrechte

Neben dem Sonderrecht können einzelne Gemeinschaftsflächen einem Eigentümer zur ausschliesslichen Nutzung zugewiesen werden (z. B. Gartenanteile, Aussenparkplätze, Dachterrassen). Dabei verbleibt das Eigentum an der Fläche in der Gemeinschaft; eingeräumt wird lediglich die bevorzugte Nutzung. Solche Rechte werden in der Regel im Grundbuch angemerkt und im Reglement konkretisiert.

Gemeinschaftsordnung und Verwaltung

Organe der Gemeinschaft

Die Gesamtheit der Stockwerkeigentümer bildet eine Gemeinschaft. Übliche Organe sind die Versammlung der Stockwerkeigentümer als beschlussfassendes Organ und die Verwaltung zur Geschäftsführung und Ausführung der Beschlüsse. Je nach Anlage kann ein Ausschuss eingesetzt werden.

Reglement und Hausordnung

Das Reglement präzisiert die interne Ordnung: Zweckbestimmung der Einheiten (z. B. Wohnen, Büro), Nutzungsregeln, Stimm- und Kostenordnung, Unterhaltspflichten, Organisation der Verwaltung sowie die Hausordnung. Es schafft Transparenz, fördert die Berechenbarkeit im Zusammenleben und dient als Massstab für die Beurteilung von Beschlüssen.

Beschlussfassung

Die Versammlung entscheidet über gemeinschaftliche Belange, darunter Budget, Jahresrechnung, Unterhalt, Erneuerungen, Versicherungen und Reglementsänderungen. Je nach Bedeutung des Geschäfts gelten unterschiedliche Mehrheitserfordernisse; für weitreichende Eingriffe sind erhöhte Mehrheiten vorgesehen. Beschlüsse werden protokolliert und können innerhalb bestimmter Fristen rechtlich überprüft werden.

Kosten, Lasten und Unterhalt

Laufende Kosten

Betriebs- und Nebenkosten für gemeinschaftliche Einrichtungen (z. B. Heizung, Lift, Reinigung, Allgemeinstrom, Verwaltung) werden grundsätzlich nach der Wertquote verteilt, sofern das Reglement nichts Abweichendes vorsieht oder sachliche Gründe eine andere Verteilung rechtfertigen.

Unterhalt und Erneuerungen

Zwischen ordentlichem Unterhalt (laufende Instandhaltung) und ausserordentlichen Erneuerungen wird unterschieden. Grössere Erneuerungen an gemeinschaftlichen Teilen bedürfen eines entsprechenden Beschlusses. Üblich ist die Bildung eines Erneuerungsfonds zur Finanzierung künftiger Instandsetzungen an gemeinschaftlichen Teilen; die Einlagen erfolgen nach festgelegten Schlüsseln.

Schaden und Versicherung

Gebäudeversicherungen und weitere Sach- oder Haftpflichtversicherungen werden auf Gemeinschaftsebene organisiert, soweit sie gemeinschaftliche Teile betreffen. Schäden werden nach Ursache, betroffenen Teilen (Sonderrecht oder Gemeinschaft) und vertraglichen Regelungen zugeordnet. Melde- und Mitwirkungspflichten ergeben sich aus Reglement und Versicherungsverträgen.

Bauliche Änderungen und Zweckbestimmung

Änderungen im Sonderrecht

Bauliche Massnahmen innerhalb des Sonderrechts sind zulässig, sofern keine wesentlichen Auswirkungen auf Tragwerk, gemeinschaftliche Anlagen, Leitungen oder das äussere Erscheinungsbild entstehen und Rechte anderer Eigentümer nicht beeinträchtigt werden. Eingriffe in gemeinschaftliche Teile bedürfen einer entsprechenden Zustimmung.

Eingriffe in gemeinschaftliche Teile

Veränderungen an Dach, Fassade, tragenden Bauteilen, gemeinsamen Leitungen oder Anlagen gelten als Eingriffe in gemeinschaftliche Teile. Für derartige Vorhaben sind erhöhte Mehrheitserfordernisse üblich. Schutzwürdige Aspekte wie Statik, Brandschutz und bauliche Einheitlichkeit sind zu beachten.

Nutzungsänderungen

Eine Änderung der Zweckbestimmung (z. B. von Wohnen zu Gewerbe) unterliegt den Festlegungen im Reglement und den öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Auch kurzzeitige Vermietungskonzepte können reglementarisch eingeschränkt oder geordnet sein.

Veräusserung, Belastung und Sicherheiten

Verkauf und Erwerb

Stockwerkeinheiten sind grundsätzlich frei verkehrsfähig. In der Praxis bedeutsam sind die Einsicht in Reglement, Protokolle und Kostensituation der Gemeinschaft sowie in bestehende Rechte und Lasten. Allfällige vertragliche Vorkaufsrechte können vorgesehen sein und sind im Grundbuch ersichtlich.

Belastungen und Grundpfandrechte

Jede Einheit kann eigenständig mit Grundpfandrechten belastet werden. Die Eintragung erfolgt auf dem Grundbuchblatt der Einheit. Persönliche oder dingliche Rechte Dritter sowie Dienstbarkeiten werden ebenfalls grundbuchlich vermerkt.

Sicherung der Gemeinschaft

Zur Sicherung von Beitragsforderungen an die Gemeinschaft besteht ein gesetzliches Pfandrecht zugunsten der Gemeinschaft an den einzelnen Einheiten. Dieses dient der Durchsetzung von Kosten- und Beitragsforderungen.

Rechte, Pflichten und Haftung

Rechte der Stockwerkeigentümer

Dazu gehören insbesondere das exklusive Nutzungsrecht im eigenen Sonderrechtsbereich, die Mitwirkung an gemeinschaftlichen Entscheidungen, Einsichtsrechte in Unterlagen der Gemeinschaft sowie der Anspruch auf ordnungsgemässe Verwaltung.

Pflichten der Stockwerkeigentümer

Dazu gehören die Tragung der gemeinschaftlichen Kosten nach der festgelegten Ordnung, die Mitwirkung an Unterhalt und Erneuerung gemeinschaftlicher Teile, die Beachtung der Hausordnung sowie die Rücksichtnahme auf die Rechte anderer Eigentümer.

Haftung und Vollstreckung

Für gemeinschaftliche Verbindlichkeiten haften die Eigentümer nach dem festgelegten Schlüssel. Offene Beitragsforderungen können unter Nutzung der gesetzlichen Sicherungsmittel durchgesetzt werden; die Vollstreckung kann sich auf die einzelne Einheit beziehen.

Beendigung, Umgestaltung und Sonderfälle

Änderung der Aufteilung

Die Zusammenlegung oder Teilung von Einheiten sowie die Anpassung von Wertquoten erfordern eine formelle Änderung der Begründungsgrundlagen und eine Eintragung im Grundbuch. Regelmässig bedarf es hierfür erhöhter Zustimmungsquoten.

Aufhebung

Die Aufhebung von Stockwerkeigentum ist grundsätzlich nur mit umfassender Zustimmung möglich oder in gesetzlich vorgesehenen Ausnahmefällen. Die Konsequenzen betreffen insbesondere die Rückführung in ein anderes Eigentumsregime und die Auseinandersetzung unter den Beteiligten.

Besondere Konstellationen

Bei Mischliegenschaften (Wohnen/Gewerbe), grossen Anlagen mit mehreren Gebäuden, Baurechtskonstellationen oder umfangreichen Sondernutzungsrechten stellen sich zusätzliche Zuordnungs- und Organisationsfragen, die in Begründungsakten und Reglementen konkretisiert werden.

Häufig gestellte Fragen

Was bedeutet Stockwerkeigentum in der Schweiz?

Stockwerkeigentum verbindet eine Miteigentumsquote an der Liegenschaft mit einem ausschliesslichen Recht an bestimmten, abgeschlossenen Räumen. Jede Einheit ist im Grundbuch separat erfasst und kann eigenständig veräussert, belastet und vererbt werden.

Worin unterscheidet sich Stockwerkeigentum von Miete und einfachem Miteigentum?

Im Mietverhältnis besteht kein Eigentum an der Wohnung, sondern nur ein obligatorisches Nutzungsrecht. Beim einfachen Miteigentum fehlen die exklusiven Sonderrechte an abgeschlossenen Räumen; Nutzung und Verwaltung erfolgen gemeinschaftlich. Stockwerkeigentum kombiniert Miteigentum mit exklusiven Rechten an konkreten Räumen.

Welche Gebäudeteile sind Sonderrecht, welche gemeinschaftlich?

Sonderrecht umfasst abgeschlossene, klar abgegrenzte Räume wie Wohnungen oder separate Kellerräume. Tragende Bauteile, Dach, Fassade, allgemeine Haustechnik, Hauptleitungen, Treppenhaus und der Boden sind in der Regel gemeinschaftlich. Gartenflächen oder Aussenparkplätze werden häufig als ausschliessliche Benutzungsrechte ausgestaltet.

Wie werden Kosten und Stimmrechte verteilt?

Die Verteilung der Kosten erfolgt typischerweise nach Wertquoten, sofern Reglement oder sachliche Kriterien nichts anderes vorsehen. Die Ausgestaltung der Stimmrechte und Mehrheiten ergibt sich aus Gesetz und Reglement; für gewichtige Entscheide sind erhöhte Mehrheiten vorgesehen.

Welche Regeln gelten für bauliche Veränderungen?

Innerhalb des Sonderrechts sind Änderungen zulässig, wenn gemeinschaftliche Teile nicht beeinträchtigt werden und Rechte anderer Eigentümer gewahrt bleiben. Eingriffe in Dach, Fassade, Tragwerk oder gemeinsame Leitungen bedürfen entsprechender Beschlüsse mit höheren Mehrheiten.

Kann eine Stockwerkeinheit frei verkauft oder belastet werden?

Ja, Stockwerkeinheiten sind grundsätzlich frei verkehrsfähig und können mit Grundpfandrechten belastet werden. Allfällige vertragliche Vorkaufsrechte oder weitere Rechte und Lasten ergeben sich aus Grundbuch, Reglement und Begründungsunterlagen.

Wozu dient der Erneuerungsfonds?

Der Erneuerungsfonds dient der planmässigen Finanzierung grösserer Instandsetzungen und Erneuerungen an gemeinschaftlichen Teilen. Die Einlagen erfolgen nach festgelegten Schlüsseln, meist in Anlehnung an die Wertquoten.