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Steuerzinsen


Steuerzinsen

Begriff und rechtliche Einordnung

Steuerzinsen sind im deutschen Steuerrecht Zinsen, die auf Steuern festgesetzt werden, insbesondere im Zusammenhang mit Nachforderungen und Erstattungen durch die Finanzbehörden. Steuerzinsen stellen keine eigenständige Steuer dar, sondern sind ein Annexanspruch, der regelmäßig mit dem Steueranspruch verbunden ist. Sie dienen der Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes und dem Ausgleich von Vor- und Nachteilen, die sich aus verzögerten Steuerzahlungen oder Erstattungen ergeben.

Rechtsgrundlagen

Die maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen zu Steuerzinsen finden sich in den §§ 233 bis 237 der Abgabenordnung (AO). Diese Vorschriften regeln sowohl den Anspruch auf Steuerzinsen als auch Umfang und Berechnung. Weitere Einzelregelungen können sich aus spezialgesetzlichen Vorschriften, wie etwa dem Einkommensteuergesetz (EStG) oder dem Umsatzsteuergesetz (UStG), ergeben.

Steuerzinsen nach der Abgabenordnung

  • § 233 AO legt die allgemeinen Voraussetzungen fest, unter denen Zinsen im Steuerrecht entstehen.
  • § 234 AO regelt Stundungszinsen.
  • § 235 AO enthält Vorschriften zu Hinterziehungszinsen.
  • § 236 AO betrifft Aussetzungszinsen.
  • § 233a AO beschäftigt sich mit Zinsen auf Steuererstattungen und -nachzahlungen.

Arten der Steuerzinsen

Es werden hauptsächlich folgende Arten von Steuerzinsen unterschieden:

Nachzahlungszinsen und Erstattungszinsen (§ 233a AO)

Nachzahlungszinsen fallen an, wenn eine Steuer erst mit erheblicher Verspätung nach Ablauf des Steuerentstehungszeitraums beziehungsweise des gesetzlichen Fälligkeitszeitpunkts festgesetzt und bezahlt wird. Gleiches gilt umgekehrt für Erstattungszinsen, die zu zahlen sind, wenn eine Steuererstattung spät festgesetzt wird.

  • Zinslauf: Beginnt grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist; der Zeitraum bis dahin ist zinsfrei.
  • Zinssatz: Bis 2018 betrug der Zinssatz 0,5 % pro Monat (6 % p.a.). Aufgrund aktueller Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts wurde der Zinssatz rückwirkend ab 2019 auf 0,15 % pro Monat (1,8 % p.a.) herabgesetzt.

Stundungszinsen (§ 234 AO)

Wird eine fällige Steuer vom Finanzamt auf Antrag gestundet, also der Zahlungstermin hinausgeschoben, entstehen Stundungszinsen in Höhe von 0,5 % des gestundeten Betrags pro Monat, sofern nicht im Einzelfall ein abweichender Zinssatz von der Finanzbehörde festgelegt wird.

Hinterziehungszinsen (§ 235 AO)

Werden Steuern hinterzogen, verlangt das Finanzamt sogenannte Hinterziehungszinsen, die ebenfalls mit 0,5 % pro Monat festgesetzt werden. Sie entstehen rückwirkend für den gesamten Zeitraum seit Entstehung des Steueranspruchs bis zu dessen Festsetzung bzw. Zahlung.

Aussetzungszinsen (§ 237 AO)

Beantragt eine steuerpflichtige Person Aussetzung der Vollziehung gegen eine strittige Steuerfestsetzung – z. B. während eines Einspruchsverfahrens – und stellt sich im Nachhinein heraus, dass die Steuer zu zahlen ist, werden für den ausgesetzten Betrag Aussetzungszinsen in Höhe von 0,5 % pro Monat berechnet.

Anwendungsbereich und Ausnahmen

Bestimmte Steuerarten sind vom Anwendungsbereich der Steuerzinsen ausgenommen. Insbesondere bei Verbrauchsteuern (wie der Energiesteuer oder Tabaksteuer) finden Steuerzinsen grundsätzlich keine Anwendung. Ebenso gibt es Ausnahmen bei bestimmten Steuerfestsetzungen, zum Beispiel im Zusammenhang mit Steuerabzugsbeträgen nach § 50a EStG.

Zweck der Steuerzinsen

Steuerzinsen verfolgen das Ziel, die wirtschaftliche Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen zu gewährleisten. Sie verhindern, dass durch verzögerte Festsetzung von Steuerforderungen oder Erstattungen unbillige Vermögensvorteile oder -nachteile entstehen. Dabei steht nicht ein Schuldvorwurf im Vordergrund wie etwa bei Säumniszuschlägen, sondern allein der zeitliche Ausgleich von Liquiditätsvorteilen und Nachteilen.

Berechnung der Steuerzinsen

Die Berechnung der Steuerzinsen erfolgt auf Basis des festgesetzten Steuerbetrags nach Ablauf der zinsfreien Karenzzeit. Die Zinsen werden pro angefangenem Monat für den jeweiligen Zeitraum berechnet. Die Rundung erfolgt auf volle Eurobeträge. Im Einzelnen ist auf die jeweiligen spezifischen Regelungen des § 238 AO abzustellen.

Beginn und Ende des Zinslaufs

  • Beginn: Der Zinslauf beginnt grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist.
  • Ende: Der Zinslauf endet mit Bekanntgabe des Steuerbescheids.
  • Unterbrechung/Verlängerung: Unter bestimmten Umständen kann sich der Beginn oder das Ende des Zinslaufs verschieben, etwa im Rahmen von Änderungsbescheiden oder bei Berichtigung von Steuerfestsetzungen.

Gesetzgebung und Rechtsprechung

Anpassung des Zinssatzes

Die Rechtsprechung, allen voran das Bundesverfassungsgericht, hat wiederholt klargestellt, dass der bis 2018 verwendete Zinssatz von 6 % jährlich angesichts der aktuellen Niedrigzinsphase unangemessen hoch ist und damit gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip und den Gleichheitssatz verstößt. Der Gesetzgeber war daraufhin verpflichtet, den Zinssatz anzupassen, was zur weitgehenden Absenkung auf 0,15 % pro Monat geführt hat.

Freibeträge und Ausnahmen

Zinsen werden grundsätzlich erst ab einem Betrag von 10 Euro festgesetzt (§ 239 AO). Es gibt zudem besondere Härtefallregelungen, die es ermöglichen, auf die Festsetzung von Steuerzinsen zu verzichten, wenn dies im Einzelfall unbillig wäre.

Abgrenzung zu anderen Nebenleistungen

Steuerzinsen sind von anderen steuerlichen Nebenleistungen abzugrenzen. Während Steuerzinsen allein dem Ausgleich von Zinsvorteilen und -nachteilen dienen, werden Säumniszuschläge erhoben, wenn eine Steuer nicht fristgerecht gezahlt wird. Verspätungszuschläge werden hingegen für verspätete Abgabe von Steuererklärungen festgesetzt.

Bedeutung in der steuerlichen Praxis

Steuerzinsen sind ein bedeutendes Instrument zur Sicherstellung der Steuergleichheit und werden insbesondere in Fällen umfangreicher Betriebsprüfungen, bei verspäteten Festsetzungen oder im Rahmen von Einspruchs- und Klageverfahren relevant. Sowohl Steuerpflichtige als auch die Finanzverwaltung müssen die Vorschriften zu Steuerzinsen im Rahmen der jeweiligen Verfahren genau beachten.


Hinweis: Dieser Beitrag verschafft eine umfassende Übersicht über das rechtliche Konzept der Steuerzinsen in Deutschland. Weiterführende Informationen finden sich in den einschlägigen Vorschriften der Abgabenordnung und der aktuellen Rechtsprechung der deutschen Gerichte.

Häufig gestellte Fragen

Wie hoch ist der aktuelle gesetzliche Zinssatz für Steuerzinsen und wie wird dieser berechnet?

Der gesetzliche Zinssatz für Steuerzinsen in Deutschland wurde zuletzt mit Wirkung zum 1. Januar 2019 durch das Jahressteuergesetz geändert und erneut im Zuge verschiedener verfassungsgerichtlicher Überprüfungen angepasst. Ursprünglich betrug der Zinssatz gemäß § 238 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) 0,5 % für jeden vollen Monat, was einem jährlichen Zinssatz von 6 % entsprach. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Juli 2021 (Az. 1 BvR 2237/14) wurde der Zinssatz als verfassungswidrig hoch eingestuft und die Bundesregierung verpflichtete sich zu einer Neuregelung. Seit 1. Januar 2019 beträgt der Zinssatz für Nachzahlungszinsen und Erstattungszinsen gemäß § 233a und § 238 Abs. 1 AO nur noch 0,15 % pro Monat, was einem jährlichen Zinssatz von 1,8 % entspricht. Die Berechnung erfolgt immer auf den noch zu zahlenden Steuerbetrag, wobei für jeden angefangenen Monat ein voller Monatszinssatz erhoben wird. Die Zinsberechnung beginnt regelmäßig nach Ablauf eines in § 233a AO vorgesehenen zinsfreien Zeitraums (i. d. R. 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist) bis zur Bekanntgabe des Steuerbescheids.

In welchen Fällen werden Steuerzinsen überhaupt erhoben?

Steuerzinsen nach §§ 233 ff. AO werden grundsätzlich für Zeiträume erhoben, in denen entweder Steuerbeträge nicht gezahlt, verspätet festgesetzt oder erstattet werden. Die wichtigsten Arten von Steuerzinsen sind Nachzahlungszinsen (§ 233a AO), Erstattungszinsen, Stundungszinsen (§ 234 AO), Aussetzungszinsen (§ 237 AO) und Hinterziehungszinsen (§ 235 AO). Nachzahlungszinsen greifen regelmäßig, wenn Steuerbescheide nachträglich geändert werden und sich daraus eine Nachforderung ergibt, oder wenn Steuererklärungen verspätet abgegeben werden, sodass die Festsetzung verzögert wird. Erstattungszinsen fallen an, wenn zu Unrecht zu hohe Steuern gezahlt und später zurückerstattet werden. Je nach Zinsart gelten unterschiedlich strenge Voraussetzungen und Rechtsfolgen, wobei stets der Gesetzeswortlaut und die einschlägige Rechtsprechung zu beachten sind.

Wann beginnt und endet der Zinslauf für Steuerzinsen nach § 233a AO?

Der Beginn des Zinslaufes für Steuerzinsen nach § 233a AO ist gesetzlich klar geregelt. Nach § 233a Abs. 2 AO beginnt der Zinslauf grundsätzlich nach Ablauf eines zinsfreien Zeitraums von 15 Monaten, beginnend mit dem Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist. Beispielsweise beginnt für die Einkommensteuer 2022 der Zinslauf mit Ablauf des 31. März 2024. Das Ende des Zinslaufes ist auf den Tag der Bekanntgabe des entsprechenden Steuerbescheids oder auf den Tag der Zahlung der Steuer begrenzt, je nachdem was früher eintritt. Zwischenzeitliche Unterbrechungen des Zinslaufs, z. B. bei vorläufigen Festsetzungen oder aufgrund gerichtlicher Aussetzung, sind gesondert geregelt und erfordern eine präzise Prüfung des Einzelfalls.

Wie wird im Falle von Einspruch oder Klage mit den Zinsen verfahren?

Im Falle eines Einspruchs oder einer Klage gegen einen Steuerbescheid besteht die Möglichkeit, die Vollziehung des angefochtenen Bescheids gemäß § 361 AO (bei Einspruch) bzw. § 69 Finanzgerichtsordnung (FGO) (bei Klage) auszusetzen. Erfolgt eine solche Aussetzung der Vollziehung, so werden für die ausgesetzte Steuer keine Nachzahlungszinsen nach § 233a AO, sondern Aussetzungszinsen gemäß § 237 AO erhoben, sofern der angefochtene Bescheid später bestandskräftig und die Steuerforderung bestätigt wird. Die Aussetzungszinsen sollen einen Zinsvorteil des Steuerpflichtigen ausgleichen, der durch die verzögerte Zahlung eingetreten ist. Der Zinssatz und die Berechnungsweise entsprechen grundsätzlich den allgemeinen Vorschriften, können aber geringfügige Besonderheiten aufweisen, insbesondere was Laufzeit und Beginn betrifft.

Können gezahlte Steuerzinsen steuerlich als Betriebsausgabe oder Werbungskosten berücksichtigt werden?

Aus rechtlicher Sicht ist die steuerliche Abziehbarkeit von Steuerzinsen differenziert zu betrachten. Nachzahlungszinsen gemäß § 233a AO sind seit dem Veranlagungszeitraum 1999 nach § 4 Abs. 5b EStG ausdrücklich nicht mehr als Betriebsausgaben abzugsfähig. Gleiches gilt für Hinterziehungszinsen (§ 235 AO), Stundungszinsen (§ 234 AO) und Aussetzungszinsen (§ 237 AO), soweit der Gesetzgeber dies ausdrücklich geregelt hat. Erstattungszinsen, die von der Finanzverwaltung zurückgezahlt werden, sind gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG hingegen als Einkünfte aus Kapitalvermögen steuerpflichtig. Dies wurde durch das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 15. Juni 2010 (Az. VIII R 33/07) grundlegend klargestellt.

Welche Möglichkeiten bestehen, sich gegen einen Steuerzinsbescheid zu wehren?

Ein Steuerpflichtiger hat das Recht, gegen einen Zinsbescheid Einspruch gemäß § 347 AO einzulegen. Dabei ist zwingend zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Zinserhebung tatsächlich erfüllt sind (bspw. richtiger Beginn und Ende des Zinslaufs, korrekte Anwendung des Zinssatzes, sachliche und rechnerische Richtigkeit). Der Einspruch hat aufschiebende Wirkung hinsichtlich der Zinsfestsetzung. Kommt das Finanzamt nach Prüfung nicht zur gewünschten Entscheidung, kann Klage vor dem Finanzgericht erhoben werden; die Klagefrist beträgt i. d. R. einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung. In bestimmten Ausnahmefällen kann auch ein Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen (§ 227 AO) gestellt werden, wenn etwa außergewöhnliche Umstände eine unbillige Härte begründen.

Unter welchen Umständen können Steuerzinsen ausgesetzt oder erlassen werden?

Steuerzinsen können ausnahmsweise ganz oder teilweise ausgesetzt oder erlassen werden, wenn der Erhebung unbillige Härten entgegenstehen. Ein Erlass nach § 227 AO kommt insbesondere dann in Betracht, wenn die Zinsschuld aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen als unangemessen erscheint oder sich ausnahmsweise besondere Umstände ergeben (beispielsweise besonders lange Bearbeitungszeiten im Amt, unverschuldete Verzögerungen durch den Steuerpflichtigen). Die Entscheidung liegt im Ermessen der Finanzbehörde, die sämtliche Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Hierbei ist eine strenge Einzelfallprüfung erforderlich, erforderlichenfalls mit Begründung der besonderen Härte – pauschale oder regelmäßig wiederkehrende Gründe reichen hierfür nicht aus. Ein Rechtsanspruch auf Erlass besteht nicht.