Begriff und rechtliche Einordnung der Steuerverkürzung
Die Steuerverkürzung ist ein zentraler Begriff im deutschen Steuerrecht und beschreibt die rechtswidrige Minderung, Vereitelung oder Verkürzung steuerlicher Ansprüche des Staates. Sie steht insbesondere im Zusammenhang mit Steuerstraftaten und Ordnungswidrigkeiten und stellt das tatbestandliche Kernelement der Steuerhinterziehung nach § 370 der Abgabenordnung (AO) dar. Die Steuerverkürzung kann sowohl vorsätzlich als auch fahrlässig erfolgen und betrifft verschiedene Steuerarten, wie etwa Einkommensteuer, Umsatzsteuer oder Körperschaftsteuer.
Definition der Steuerverkürzung
Im Sinne des Steuerrechts liegt eine Steuerverkürzung vor, wenn entweder
- Steuern nicht,
- nicht in voller Höhe oder
- nicht rechtzeitig festgesetzt werden
oder
- Steuern zu Unrecht erstattet oder vergütet werden (§ 370 Abs. 4 AO).
Diese Definition umfasst sowohl den Fall, dass Steuern gar nicht oder teilweise nicht festgesetzt werden (z. B. durch unvollständige Angaben in der Steuererklärung), als auch den Fall, dass eine Steuererstattung zu Unrecht erlangt wird (z. B. durch das Vortäuschen abzugsfähiger Aufwendungen).
Abgrenzung zu anderen Begriffen
Die Steuerverkürzung ist vom Begriff der Steuerhinterziehung (siehe § 370 AO) und dem Begriff der leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) abzugrenzen. Während die Steuerverkürzung das tatbestandliche Ergebnis betrifft, beziehen sich die erstgenannten Begriffe auf die Art und Weise sowie das Maß der Schuld (Vorsatz versus Leichtfertigkeit).
Rechtliche Ausgestaltung der Steuerverkürzung
Steuerverkürzung als strafrechtliches Tatbestandsmerkmal
Die Steuerverkürzung ist das zentrale Tatbestandsmerkmal der Steuerhinterziehung. Sie verwirklicht sich bereits durch die objektive Minderung des dem Fiskus zustehenden Steueranspruchs. Die Art der Verkürzung kann dabei unterschiedlich sein:
- Nicht-Festsetzung von Steuern: etwa durch das bewusste Verschweigen von Einkünften.
- Teilweise Festsetzung: bei Angabe unvollständiger oder falscher Daten.
- Zu Unrecht gewährte Erstattung: beispielsweise durch Einreichen nicht bestehender Vorsteuerbeträge bei der Umsatzsteuer.
Bereits der Versuch der Steuerverkürzung ist gemäß § 370 Abs. 2 AO strafbar.
Steuerverkürzung als Ordnungswidrigkeit
Wird die Steuerverkürzung nicht vorsätzlich, sondern leichtfertig verursacht, spricht man von leichtfertiger Steuerverkürzung im Sinne von § 378 AO. Hier handelt es sich um eine Ordnungswidrigkeit, die mit einer Geldbuße geahndet werden kann.
Steuerverkürzung im Festsetzungsverfahren
Steuerverkürzungen sind insbesondere im Rahmen von Steuerfestsetzungsverfahren von Bedeutung. Erkennt ein Finanzamt eine Verkürzung, so kann es die Steuer nachträglich durch Steuerbescheid feststellen und festsetzen. In besonderen Fällen – etwa bei Vorsatz oder Leichtfertigkeit – verlängern sich dabei die Festsetzungsfristen erheblich (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO):
- Bei Steuerhinterziehung: 10 Jahre
- Bei leichtfertiger Steuerverkürzung: 5 Jahre
- Regulär: 4 Jahre
Tatbestandliche Voraussetzungen
Objektiver Tatbestand
Eine Steuerverkürzung setzt voraus, dass dem Fiskus ein Steueranspruch ganz oder teilweise, zumindest zeitweise, vorenthalten bleibt. Sie tritt unabhängig davon ein, ob später eine Nachzahlung erfolgt. Entscheidend ist der Zeitpunkt der rechtswidrigen Nicht- oder Falschfestsetzung.
Subjektiver Tatbestand
Für die strafrechtliche Relevanz ist ein vorsätzliches Handeln erforderlich (vgl. § 15 StGB). Fahrlässigkeit genügt nicht für eine strafbare Steuerhinterziehung, kann aber eine Ordnungswidrigkeit nach § 378 AO begründen.
Versuch und Vollendung
Eine Steuerverkürzung ist vollendet, sobald der Steuervorteil erlangt ist, selbst wenn dieser später wieder entfällt (z. B. durch Nachzahlung). Bereits der Versuch ist strafbar, wenn zwar objektiv keine Verkürzung eingetreten ist, jedoch entsprechende Handlungen unternommen wurden.
Rechtsfolgen der Steuerverkürzung
Strafrechtliche Konsequenzen
Eine vorsätzlich herbeigeführte Steuerverkürzung wird als Steuerhinterziehung nach § 370 I AO mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren, in besonders schweren Fällen bis zu zehn Jahren, geahndet. Auch Mittäter, Anstifter und Gehilfen im Sinne der §§ 25 ff. StGB können belangt werden.
Steuerliche Konsequenzen
Neben der strafrechtlichen Ahndung bleibt der Fiskus berechtigt, die verkürzten Steuern nachzufordern. Zusätzlich werden in der Regel Hinterziehungszinsen in Höhe von 6 % pro Jahr (§ 235 AO) erhoben.
Ordnungswidrigkeitenrechtliche Konsequenzen
Bei leichtfertiger Steuerverkürzung droht eine Geldbuße gemäß § 378 AO. Auch hier werden die verkürzten Steuern und entsprechende Zinsen eingezogen.
Berichtigungspflicht
Steuerpflichtige sind verpflichtet, nachträgliche Erkenntnisse, die zu einer Steuerverkürzung geführt haben oder führen können, umgehend anzuzeigen und zu korrigieren (§ 153 AO). Eine unterlassene Berichtigung kann ihrerseits eine Ordnungswidrigkeit bzw. Straftat darstellen.
Beispiele und Anwendungsfälle
Praktische Beispiele
- Nichtangabe von Kapitalerträgen in der Einkommensteuererklärung.
- Vortäuschen beruflicher Aufwendungen durch gefälschte Belege.
- Zu hohe Angaben von abziehbaren Vorsteuern bei der Umsatzsteuer.
- Verschwiegen lassen von Nebeneinkünften.
Grenzfälle
Nicht jede fehlerhafte Angabe führt automatisch zu einer Steuerverkürzung. Es bedarf stets einer steuerlich erheblichen Abweichung vom tatsächlichen Sachverhalt, welche zu einer Steuerminderung führt.
Zusammenfassung
Die Steuerverkürzung ist im deutschen Steuerrecht ein essentieller Begriff, der das Unterschreiten oder Vereiteln festzusetzender Steuerbeträge beschreibt. Sie steht im Mittelpunkt steuerstrafrechtlicher und ordnungswidrigkeitenrechtlicher Sanktionen, ist Gegenstand differenzierter rechtlicher Regelungen und kann weitreichende finanzielle und strafrechtliche Konsequenzen für die betroffenen Personen oder Unternehmen haben. Zur Vermeidung einer Steuerverkürzung ist eine gewissenhafte und vollständige Erfüllung der steuerlichen Mitwirkungspflichten unerlässlich.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei einer nachgewiesenen Steuerverkürzung?
Wird eine Steuerverkürzung nachgewiesen, sind die rechtlichen Konsequenzen im deutschen Steuerstrafrecht klar geregelt. Entscheidend ist § 370 der Abgabenordnung (AO), der die Steuerhinterziehung einschließlich der Steuerverkürzung pönalisiert. Als steuerliche Nebenfolge kommt grundsätzlich die Pflicht zur Nachzahlung der entgangenen Steuerbeträge zuzüglich Zinsen (§ 233a AO) hinzu. Strafrechtlich droht dem Täter entweder eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren, in besonders schweren Fällen kann die Strafe sogar bis zu zehn Jahre Freiheitsentzug betragen. Zu den besonders schweren Fällen zählen unter anderem Steuervorteile großen Ausmaßes, das Handeln als Mitglied einer Bande oder die Verwendung gefälschter oder verfälschter Belege. Daneben kann bereits der Versuch der Steuerverkürzung strafbar sein. Außerdem kann ein Steuerstrafverfahren neben dem regulären Steuerfestsetzungsverfahren durchgeführt werden. Zu beachten ist auch, dass die Behörden bei entsprechenden Anhaltspunkten Durchsuchungen und Beschlagnahmen anordnen dürfen. Eine rechtskräftige Verurteilung kann zudem berufsrechtliche und disziplinarische Konsequenzen nach sich ziehen, wie etwa den Verlust der Zuverlässigkeit bei bestimmten Berufszulassungen.
Welche Rolle spielt der Vorsatz bei der Beurteilung einer Steuerverkürzung?
Der Vorsatz ist ein zentrales Tatbestandsmerkmal bei der strafrechtlichen Bewertung der Steuerverkürzung. Im Unterschied zu bloßen Steuerordnungswidrigkeiten, wie beispielsweise der Leichtfertigen Steuerverkürzung gemäß § 378 AO, ist für die Strafbarkeit nach § 370 AO ein zumindest bedingter Vorsatz erforderlich. Vorsatz bedeutet, dass der Täter die Steuerverkürzung entweder mit Wissen und Wollen herbeiführt oder zumindest billigend in Kauf nimmt. Der Nachweis des Vorsatzes liegt bei der Strafverfolgungsbehörde und kann anhand objektiver und subjektiver Umstände geführt werden, zum Beispiel durch systematisch unrichtige Angaben in Steuererklärungen oder durch bewusste Nichtabgabe von Steueranmeldungen trotz Pflicht. Fehlt der Vorsatz und ist nur grobe Fahrlässigkeit gegeben, greift die weniger sanktionierte Leichtfertige Steuerverkürzung. Vorsätzliche Steuerverkürzung kann zu gravierenden strafrechtlichen Sanktionen führen, sodass die genaue Abgrenzung zum fahrlässigen Verhalten im Einzelfall entscheidend ist.
Gibt es Möglichkeiten der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerverkürzung?
Im deutschen Steuerrecht besteht nach § 371 AO unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit einer strafbefreienden Selbstanzeige. Die Selbstanzeige muss vollständig und rechtzeitig erfolgen und sämtliche noch nicht verjährten Steuerstraftaten einer Steuerart offenlegen. Nur dann kann sie eine Strafbefreiung für die Steuerverkürzung bewirken. Voraussetzung ist, dass vor Entdeckung der Tat durch die Finanzbehörde oder eine andere zur Entdeckung der Tat zuständige Behörde gehandelt wird. Zudem darf noch keine Prüfungsanordnung für den betroffenen Steuerpflichtigen ergangen sein. Die nachzuzahlenden Steuern müssen innerhalb der gesetzten Frist entrichtet werden; wenn der hinterzogene Betrag eine bestimmte Schwelle übersteigt (50.000 Euro pro Tat), ist zusätzlich ein Zuschlag zu entrichten. Ist eine dieser Bedingungen nicht erfüllt, entfällt die Strafbefreiungswirkung der Selbstanzeige und die Tat bleibt strafbar.
Wie lange kann eine Steuerverkürzung strafrechtlich verfolgt werden?
Die Verfolgungsverjährung bei Steuerverkürzungen ist im Strafrecht von zentraler Bedeutung. Nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist für Steuerhinterziehung einschließlich Steuerverkürzung fünf Jahre. In besonders schweren Fällen, beispielsweise wenn der Steuerschaden sehr hoch ist, kann die Verjährungsfrist gemäß § 376 AO sogar auf zehn Jahre ausgedehnt werden. Für die steuerliche Festsetzung verjährter Steuern gilt § 169 AO, wonach die Festsetzungsverjährung in der Regel vier Jahre beträgt, bei Steuerhinterziehung aber auf zehn Jahre verlängert wird (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO). Durch strafprozessuale Maßnahmen, wie etwa die Anklageerhebung, kann die Verjährung unterbrochen werden. Das bedeutet in der Praxis, dass Steuerverkürzungen noch viele Jahre nach der Tat rechtlich verfolgt und geahndet werden können.
Inwiefern haftet ein Vertreter einer juristischen Person für Steuerverkürzungen?
Im rechtlichen Kontext können Vertreter juristischer Personen, insbesondere Geschäftsführer und Vorstände, unter bestimmten Umständen persönlich für Steuerverkürzungen haften. Dies ergibt sich aus § 34 AO, der die Verantwortlichkeit der gesetzlichen Vertreter für die steuerlichen Pflichten der von ihnen vertretenen Unternehmen festlegt. Kommt der Vertreter beispielsweise der Pflicht zur Abgabe von Steuererklärungen nicht ordnungsgemäß nach oder macht wissentlich unvollständige oder falsche Angaben, kann er sowohl zivilrechtlich als auch strafrechtlich in Anspruch genommen werden. Darüber hinaus ist eine persönliche Strafbarkeit nach § 370 AO gegeben, wenn der Vertreter selbst vorsätzlich handelt. Auch eine Haftung für fahrlässig begangene Steuerverkürzungen gemäß § 378 AO ist möglich. Neben der persönlichen Haftung droht im Rahmen der Unternehmensstrafe unter Umständen auch eine Geldbuße gegen das Unternehmen (§ 30 OWiG).
Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit mit den Steuerbehörden im Falle einer aufgedeckten Steuerverkürzung?
Nach Entdeckung einer Steuerverkürzung kann die Kooperation mit den Steuerbehörden erheblichen Einfluss auf die weitere rechtliche Behandlung der Tat und das Strafmaß haben. Bereits bei der ersten Anhörung im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens sind vollständige und wahrheitsgemäße Angaben vorteilhaft. Im Strafverfahren kann das Geständnis oder die Mitwirkung bei der Aufklärung strafmildernd berücksichtigt werden (§ 46 StGB). Auch eine freiwillige Nachzahlung der verkürzten Steuern wird positiv gewertet und kann zur Abmilderung der Sanktion beitragen. Bei geringfügigen Fällen kann von einer Strafverfolgung abgesehen und nur ein Bußgeld verhängt werden. In komplexen Fällen empfiehlt sich frühzeitige rechtliche Beratung, um das Vorgehen mit den Strafverfolgungsbehörden abzustimmen und mögliche strafmildernde Umstände zu nutzen.
Welche Unterschiede gibt es zwischen der Steuerverkürzung und der Leichtfertigen Steuerverkürzung aus rechtlicher Sicht?
Der wesentliche rechtliche Unterschied zwischen Steuerverkürzung im Sinne von § 370 AO (strafbar als Steuerhinterziehung) und der Leichtfertigen Steuerverkürzung gemäß § 378 AO (eine Ordnungswidrigkeit) liegt im geforderten subjektiven Tatbestand. Während bei der Steuerverkürzung Vorsatz erforderlich ist, genügt bei der Leichtfertigen Steuerverkürzung grobe Fahrlässigkeit. Grobe Fahrlässigkeit bedeutet, dass die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maß verletzt und nicht beachtet wurde, was jedem hätte einleuchten müssen. Die jeweiligen Rechtsfolgen unterscheiden sich: Steuerverkürzung zieht strafrechtliche Sanktionen wie Geld- oder Freiheitsstrafe nach sich, während für die Leichtfertige Steuerverkürzung lediglich ein Bußgeld verhängt wird. Auch die Festsetzungs- und Verfolgungsverjährung unterscheiden sich: Während bei vorsätzlicher Steuerverkürzung die Verjährung verlängert wird, bleiben bei der Leichtfertigen Steuerverkürzung die kürzeren Fristen bestehen.