Steuerordnungswidrigkeiten: Begriff, rechtlicher Rahmen und Bedeutung
Steuerordnungswidrigkeiten stellen einen zentralen Teil des deutschen Steuerrechts dar und umfassen vielfältige Verhaltensweisen, die den geordneten Ablauf der Besteuerung beeinträchtigen können, ohne jedoch die Schwelle zur Steuerstraftat zu überschreiten. Sie sind damit klar von Steuerstraftaten abzugrenzen und werden in Deutschland sowohl durch steuerliche als auch ordnungsrechtliche Vorschriften geregelt.
Rechtsgrundlagen und gesetzliche Regelung
gesetzliche Verankerung
Die wesentliche gesetzliche Grundlage für Steuerordnungswidrigkeiten bildet die Abgabenordnung (AO), insbesondere deren siebter Teil (§§ 377 bis 412 AO). Daneben enthalten eine Reihe weiterer Steuergesetze sowie das Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) wichtige Regelungen.
§ 377 AO definiert, was als Ordnungswidrigkeit im Steuerrecht gilt und enthält insbesondere Regelungen zur Ahndung, Verfolgung und zu behördlichen Zuständigkeiten. Die wichtigsten steuerrechtlichen Einzelvorschriften für Steuerordnungswidrigkeiten sind in den §§ 378 bis 381 AO niedergelegt.
Abgrenzung zur Steuerstraftat
Eine Steuerordnungswidrigkeit unterscheidet sich von einer Steuerstraftat – wie zum Beispiel einer Steuerhinterziehung (§ 370 AO) – im Grad des Verschuldens und der Rechtsfolge. Während Steuerstraftaten vorsätzlich begangen werden müssen, reicht bei Steuerordnungswidrigkeiten meist schon Fahrlässigkeit aus.
Tatbestände der Steuerordnungswidrigkeiten
Katalog der wichtigsten Steuerordnungswidrigkeiten
In den §§ 378 bis 381 AO werden verschiedene Tatbestände detailliert geregelt. Zu den häufigsten und wichtigsten Steuerordnungswidrigkeiten zählen:
- Leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO): Wer Steuern verkürzt oder für sich oder andere nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt, indem er die Sorgfalt außer Acht lässt, die nach den Umständen des Einzelfalls geboten und zumutbar ist, ohne jedoch vorsätzlich zu handeln.
- Steuergefährdende Anzeige- und Erklärungspflichten (§ 379 AO): Die Nichterfüllung von Anzeige- und Erklärungspflichten (z. B. das unterlassene Anzeigen eines Betriebs), die zu einer Gefährdung der Steuererhebung führen, kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
- Verletzung der Vorlagepflichten (§ 379 Abs. 2 AO): Wer gesetzlich vorgeschriebene Urkunden, Aufzeichnungen oder sonstige Unterlagen nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig vorlegt.
- Unrichtige Ausstellung von Bescheinigungen (§ 381 AO): Ausstellen von Bescheinigungen, die in steuerlichen Verfahren unrichtig verwendet werden können.
Formen der Fahrlässigkeit
Im Gegensatz zur vorsätzlichen Tathandlung bei Steuerstraftaten genügt für die Verwirklichung vieler Steuerordnungswidrigkeiten bereits grobe Fahrlässigkeit. Das bedeutet, es wurde die erforderliche Sorgfalt in hohem Maße außer Acht gelassen.
Rechtsfolgen und Ahndung
Geldbußen und weitere Maßnahmen
Im Fall einer festgestellten Steuerordnungswidrigkeit kann eine Geldbuße verhängt werden. Die Höhe richtet sich nach dem jeweiligen gesetzlichen Rahmen und kann je nach Tatbestand bis zu 50.000 Euro betragen. In bestimmten Fällen besteht zudem die Möglichkeit, die Einziehung von Gegenständen oder Vermögenswerten anzuordnen, sofern diese im Zusammenhang mit der Ordnungswidrigkeit stehen.
Verfahren und Zuständigkeiten
Für die Verfolgung und Ahndung von Steuerordnungswidrigkeiten sind vorrangig die Finanzbehörden zuständig (vgl. §§ 385 ff. AO). Ein Bußgeldbescheid kann erlassen werden, gegen den das Einspruchsrecht besteht. Im weiteren Verlauf ist, falls keine Einigung erzielt wird, das Amtsgericht zuständig.
Das Verfahren richtet sich nach den Vorschriften des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG), soweit steuerliche Spezialregelungen nicht vorgehen.
Verjährung von Steuerordnungswidrigkeiten
Die Verfolgung von Steuerordnungswidrigkeiten unterliegt der Verjährung. Die Verjährungsfrist für die Verfolgung beträgt gemäß § 384 AO drei Jahre (sofern gesetzlich keine längere Frist vorgesehen ist). Die Frist beginnt mit der Beendigung der Tat, kann aber durch verschiedene Verfahrenshandlungen, wie die Einleitung eines Bußgeldverfahrens, unterbrochen werden.
Besondere Aspekte und Abgrenzungen
Unterschied zu Steuerstraftaten
Im Gegensatz zu schweren Vergehen wie Steuerhinterziehung liegt bei Steuerordnungswidrigkeiten meist kein Vorsatz vor oder dieser kann nicht hinreichend nachgewiesen werden. Die Rechtsfolge ist daher regelmäßig auf eine Geldbuße beschränkt und nicht, wie bei Steuerdelikten, eine Freiheits- oder Geldstrafe.
Täter- und Beteiligtenkreis
Steuerordnungswidrigkeiten können von natürlichen und juristischen Personen, sowie von Personenvereinigungen begangen werden. Auch Organmitglieder von Unternehmen können im Rahmen der sogenannten Organhaftung für Verstöße durch das Unternehmen selbst verantwortlich gemacht werden.
Rechtsmittel und Rechtsschutzmöglichkeiten
Gegen einen Bußgeldbescheid kann binnen zwei Wochen nach Zustellung Einspruch eingelegt werden. Kommt es zu keiner Einigung, prüft das zuständige Amtsgericht die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung. Auch eine gerichtliche Überprüfung im Beschwerdeverfahren ist möglich.
Bedeutung in der Praxis
Steuerordnungswidrigkeiten spielen in der Praxis eine erhebliche Rolle, da sie oft im Zusammenhang mit Fehlern bei der Steuererklärung, aus Unkenntnis oder fehlender Sorgfalt begangen werden. Um die Steuerrechtspflichten umfassend zu erfüllen, sind Kenntnisse zu diesen Themengebieten für Steuerpflichtige wie auch Unternehmen von zentraler Bedeutung.
Steuerordnungswidrigkeiten bilden somit einen wichtigen Bestandteil der steuerlichen Ordnung und dienen dazu, das System der Steuerehrlichkeit zu sichern, ohne unmittelbar zu den schärferen Sanktionsmitteln einer Steuerstraftat greifen zu müssen. Die klaren gesetzlichen Regelungen schützen sowohl das Steueraufkommen als auch die Rechte der Steuerpflichtigen.
Häufig gestellte Fragen
Welche Verfahrensrechte hat ein Beschuldigter im Steuerordnungswidrigkeitenverfahren?
Im Steuerordnungswidrigkeitenverfahren stehen dem Beschuldigten verschiedene Verfahrensrechte zu, die sich überwiegend aus dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG), der Abgabenordnung (AO) sowie analog zum Strafverfahrensrecht ergeben. Dazu gehört insbesondere das Recht auf rechtliches Gehör (§ 55 OWiG i.V.m. § 406c StPO), wonach der Beschuldigte insbesondere vor Erlass eines Bußgeldbescheids angehört werden muss und Gelegenheit erhält, sich zu den erhobenen Vorwürfen zu äußern. Weiterhin verfügt der Beschuldigte über das Schweigerecht (§ 55 OWiG i.V.m. § 136 StPO), sodass er zu den Vorwürfen nicht aussagen oder sich nicht selbst belasten muss. Der Beschuldigte darf sich eines Verteidigers bedienen (§ 60 OWiG). Das Akteneinsichtsrecht wird gemäß § 60 Abs. 4 OWiG in Verbindung mit § 147 StPO gewährleistet, wenngleich Akteneinsicht formal nur durch den Verteidiger beantragt werden kann. Zudem steht ihm im weiteren Verlauf des Verfahrens das Recht auf gerichtliche Überprüfung von Ermittlungsmaßnahmen sowie auf Antragstellung und Beweisantragsrecht zu. Diese Regelungen dienen der Wahrung des rechtlichen Gehörs und des fairen Verfahrens und unterliegen engen Auslegungen, die durch die Gerichte im Einzelfall bestimmt werden.
Wie unterscheidet sich eine Steuerordnungswidrigkeit von einer Steuerstraftat hinsichtlich der Sanktionen?
Steuerordnungswidrigkeiten und Steuerstraftaten unterscheiden sich grundlegend hinsichtlich der gesetzlichen Rechtsfolgen. Während Steuerstraftaten, wie etwa die Steuerhinterziehung nach § 370 AO, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe sanktioniert werden können, beschränken sich die Sanktionen bei Steuerordnungswidrigkeiten auf die Verhängung einer Geldbuße (§ 377 Absatz 2 AO i.V.m. § 17 OWiG). Die maximale Höhe einer gegen eine natürliche Person verhängten Geldbuße beträgt in der Regel 50.000 EUR, wobei in bestimmten Fällen auch höhere Bußgelder, abhängig von der Höhe des entstandenen Schadens oder der Bedeutung der Tat, nach spezialgesetzlichen Vorschriften möglich sind. Wichtig ist, dass eine Steuerordnungswidrigkeit in aller Regel kein Eintrag in das Bundeszentralregister zur Folge hat, weshalb sie als minder schwer vergleichsweise „folgenloser“ angesehen wird als eine Verurteilung wegen einer Steuerstraftat. Zudem entfalten Steuerordnungswidrigkeiten keine strafprozessualen Nebenfolgen wie ein Berufsverbot. Bei der Bemessung der Geldbuße sind insbesondere die Schwere der Tat, das Ausmaß der Pflichtverletzung, wirtschaftliche Verhältnisse und ein etwaiges Verschulden maßgeblich zu berücksichtigen.
Welche Behörde ist für die Verfolgung und Ahndung von Steuerordnungswidrigkeiten zuständig?
Die Verfolgung und Ahndung von Steuerordnungswidrigkeiten obliegt gemäß § 386 Abs. 1 AO grundsätzlich den Finanzbehörden. Innerhalb der Finanzverwaltung sind regelmäßig die Bußgeld- und Strafsachenstellen (BuStraSt) der zuständigen Finanzämter für die Durchführung von Ermittlungen und das Bußgeldverfahren verantwortlich. Die Zuständigkeit kann aber auf die Staatsanwaltschaft übergehen, sofern sich im Lauf des Verfahrens Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Steuerstraftat ergeben und ein Strafverfahren einzuleiten ist. Bis zu diesem Zeitpunkt verfügen die Bußgeld- und Strafsachenstellen über alle polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungsbefugnisse, einschließlich der Durchführung von Durchsuchungen und Beschlagnahmen, sofern diese zur Aufklärung der Ordnungswidrigkeit erforderlich sind. Nach Abschluss der Ermittlungen kann die zuständige Behörde einen Bußgeldbescheid erlassen, gegen den der Betroffene Rechtsmittel einlegen kann.
Welche Rechtsmittel stehen gegen einen Bußgeldbescheid wegen einer Steuerordnungswidrigkeit zur Verfügung?
Gegen einen Bußgeldbescheid wegen einer Steuerordnungswidrigkeit kann der Betroffene innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch gemäß § 67 OWiG einlegen. Der Einspruch ist bei der im Bußgeldbescheid bezeichneten Behörde, in der Regel der Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamtes, schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen. Nach Einlegung des Einspruchs überprüft die Behörde den Bußgeldbescheid erneut, ggf. auch unter Berücksichtigung neuer Tatsachen und Beweismittel. Hält die Behörde am Bußgeldbescheid fest, leitet sie die Angelegenheit zur Entscheidung an das zuständige Amtsgericht weiter. Im gerichtlichen Verfahren kann der Betroffene erneut seine Rechte wahrnehmen, Beweisanträge stellen und auf eine mündliche Verhandlung hinwirken. Gegen Urteile der Amtsgerichte besteht zudem unter bestimmten Voraussetzungen das Recht auf Rechtsbeschwerde gemäß §§ 79 ff. OWiG.
Gibt es Verjährungsfristen für Steuerordnungswidrigkeiten und wie lange sind diese?
Für Steuerordnungswidrigkeiten gelten gesonderte Verjährungsfristen, die sich nach der jeweiligen Vorschrift richten. Gemäß § 31 OWiG beträgt die Verfolgungsverjährung für Ordnungswidrigkeiten grundsätzlich drei Jahre, sofern durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Bei Steuerordnungswidrigkeiten, die im Zusammenhang mit steuerlichen Nebenpflichten stehen oder mit der Verletzung von Mitwirkungspflichten, sieht § 376 AO eine Verfolgungsverjährung ebenfalls von drei Jahren vor. Die Frist beginnt mit Beendigung der Ordnungswidrigkeit. Sie kann durch verschiedene Maßnahmen, wie die erste Vernehmung des Betroffenen, Durchsuchungen oder Beantragung eines Bußgeldbescheids, gemäß § 33 OWiG unterbrochen werden. Nach Eintritt der Verfolgungsverjährung darf die Ordnungswidrigkeit nicht mehr verfolgt werden; dies ist von Amts wegen zu beachten. Daneben gibt es die Vollstreckungsverjährung nach § 34 OWiG, die regelt, wie lange ein erlassener Bußgeldbescheid vollstreckt werden kann (ebenfalls grundsätzlich drei Jahre).
Kann eine Steuerordnungswidrigkeit Auswirkungen auf laufende Steuerverfahren oder künftige Steuerfestsetzungen haben?
Obwohl Steuerordnungswidrigkeiten primär verwaltungsrechtlich sanktioniert werden, können sie mittelbare Auswirkungen auf laufende oder künftige Steuerverfahren haben. Insbesondere kann die Feststellung einer Ordnungswidrigkeit als Indiz für ein unzuverlässiges Verhalten des Steuerpflichtigen gewertet werden, was im Rahmen von künftigen behördlichen Entscheidungen eine Rolle spielen kann. Beispielsweise kann die Finanzbehörde künftige Steuerfestsetzungen aufgrund fehlender Glaubwürdigkeit des Steuerpflichtigen in Zweifelsfällen im Schätzungswege vornehmen (§ 162 AO). Darüber hinaus kann im Kontext der Lohnsteuer, Umsatzsteuer oder anderer steuerlicher Nebenpflichten die Erhebung einer Geldbuße im Wiederholungsfall zu einer Prüfung der Zuverlässigkeit im Rahmen der Vergabe bestimmter steuerlicher Vergünstigungen oder Bewilligungen führen. Ein automatischer Nachteil in allen steuerlichen Bereichen ergibt sich aus einer Ordnungswidrigkeit allerdings nicht, wohl aber können strategische Erwägungen hinsichtlich künftiger Kooperation und Glaubwürdigkeit des Steuerpflichtigen berührt werden.