Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Steuerrecht»Steuerordnungswidrigkeiten

Steuerordnungswidrigkeiten

Begriff und Einordnung

Steuerordnungswidrigkeiten sind rechtlich missbilligte Verstöße gegen steuerliche Pflichten, die kein Verbrechen oder Vergehen darstellen, aber gleichwohl sanktioniert werden. Sie bewegen sich zwischen bloßen Verwaltungsverstößen und Steuerstraftaten. Ihr Zweck ist es, die Ordnung des Steuerrechts zu sichern, etwa die fristgerechte Abgabe von Erklärungen, die Richtigkeit von Angaben oder die Führung von Aufzeichnungen.

Abgrenzung zu Steuerstraftaten

Die Abgrenzung erfolgt vor allem nach der inneren Haltung der handelnden Person und der Schwere des Verstoßes. Bei einer Steuerordnungswidrigkeit liegt typischerweise Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit vor. Eine Steuerstraftat setzt in der Regel Vorsatz voraus, also das bewusste und gewollte Zuwiderhandeln. Beide Rechtsformen können ähnliche Lebenssachverhalte betreffen (zum Beispiel unrichtige Angaben), unterscheiden sich jedoch in Schuldform, Eingriffstiefe und möglichen Folgen.

Typische Pflichtverletzungen

Leichtfertige Steuerverkürzung

Von einer leichtfertigen Steuerverkürzung spricht man, wenn Steuern durch grob nachlässiges Verhalten zu niedrig festgesetzt oder zu spät entrichtet werden. Leichtfertigkeit ist mehr als einfache Unachtsamkeit, aber weniger als vorsätzliches Handeln.

Verletzung von Erklärungspflichten

Dazu zählen insbesondere die verspätete oder unterlassene Abgabe von Steuererklärungen, Voranmeldungen oder Mitteilungen, wenn dies nicht auf Vorsatz, sondern auf Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit beruht.

Verstöße gegen Aufzeichnungs-, Aufbewahrungs- und Mitwirkungspflichten

Unvollständige, nicht zeitgerechte oder fehlerhafte Bücher und Aufzeichnungen sowie die Nichtvorlage angeforderter Unterlagen können als Ordnungswidrigkeit gewertet werden, wenn kein vorsätzliches Verhalten festgestellt wird.

Falsche oder unvollständige Angaben ohne Vorsatz

Wer Tatsachen unzutreffend oder unvollständig mitteilt, ohne dies zu wollen, kann eine Ordnungswidrigkeit begehen. Entscheidend ist, dass der Irrtum auf mangelnder Sorgfalt beruht und vermeidbar gewesen wäre.

Tatbestandliche Voraussetzungen

Objektive Seite: Pflichtverstoß und Auswirkung

Erforderlich ist ein Verstoß gegen eine steuerliche Pflicht (zum Beispiel Erklärungs-, Mitwirkungs- oder Aufzeichnungspflichten). Häufig ist ein ordnungswidriger Erfolg eingetreten oder drohte einzutreten, etwa eine zu niedrige Steuerfestsetzung.

Subjektive Seite: Fahrlässigkeit und Leichtfertigkeit

Fahrlässigkeit liegt vor, wenn die gebotene Sorgfalt außer Acht gelassen wird. Leichtfertigkeit bezeichnet eine besonders gravierende Sorgfaltspflichtverletzung, die nach den Umständen des Einzelfalls vermeidbar gewesen wäre. Vorsatz würde die Einordnung als Ordnungswidrigkeit in der Regel ausschließen und den Bereich der Straftat eröffnen.

Verantwortlichkeit in Unternehmen

Bei Körperschaften und Personengesellschaften können handelnde Organe, gesetzliche Vertreter oder beauftragte Personen verantwortlich sein. Aufsichtspflichten spielen eine Rolle: Werden Mitarbeiter nicht ausreichend angeleitet oder kontrolliert, kann dies zu einer Ordnungswidrigkeit führen. Ein Unternehmen kann zudem selbst mit einer Geldbuße belegt werden, wenn die Pflichtverletzung ihm zugerechnet wird.

Rechtsfolgen

Geldbuße und Bemessung

Zentrale Sanktion ist die Geldbuße. Deren Höhe richtet sich nach der Schwere des Verstoßes, dem Ausmaß der Pflichtverletzung, den wirtschaftlichen Verhältnissen, dem Umfang eines erlangten Vorteils sowie dem Verhalten nach Entdeckung. In der Praxis reichen Bußgelder häufig von dreistelligen bis in den fünfstelligen Bereich.

Nebenfolgen und Verfahrenskosten

Neben der Geldbuße kann die Abschöpfung wirtschaftlicher Vorteile angeordnet werden. Zudem fallen regelmäßig Kosten des Verfahrens an. Weitere Nebenfolgen sind möglich, wenn besondere gesetzliche Voraussetzungen vorliegen.

Auswirkungen auf das Steuerverfahren

Unabhängig von der Geldbuße wird die Steuer grundsätzlich in zutreffender Höhe festgesetzt oder berichtigt. Dies kann zu Nachzahlungen, Zinsen und gegebenenfalls Säumniszuschlägen führen. Das Ordnungswidrigkeitenverfahren und das Steuerfestsetzungsverfahren sind rechtlich voneinander zu unterscheiden.

Verfahren

Einleitung und Ermittlung

Das Verfahren beginnt in der Regel bei der Finanzbehörde, häufig auf Basis von Prüfungen, Kontrollmitteilungen oder Feststellungen im Veranlagungsverfahren. Es wird geprüft, ob ein zurechenbarer Pflichtverstoß vorliegt und ob Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit gegeben sind.

Anhörung und rechtliches Gehör

Vor einer Sanktionierung wird die betroffene Person in der Regel angehört. Dabei können Sachverhaltsdarstellungen und entlastende Umstände berücksichtigt werden.

Bußgeldbescheid und Rechtsbehelf

Kommt die Behörde zu dem Ergebnis, dass eine Ordnungswidrigkeit vorliegt, kann sie einen Bußgeldbescheid erlassen. Gegen den Bescheid ist ein Rechtsbehelf möglich, der zu einer gerichtlichen Überprüfung führen kann. Zuständig ist regelmäßig das Amtsgericht.

Beweismaß und Beurteilung

Die Feststellungen müssen auf einer hinreichend gesicherten Tatsachengrundlage beruhen. Entscheidend ist eine Gesamtwürdigung, die sowohl den objektiven Pflichtverstoß als auch die subjektive Seite (Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit) umfasst.

Verjährung und Zeitablauf

Verfolgungsverjährung

Die Möglichkeit der Ahndung ist zeitlich begrenzt. Die Verjährungsfrist beginnt grundsätzlich mit Beendigung der Tat. Bestimmte verfahrensleitende Maßnahmen können die Frist unterbrechen oder ruhen lassen, wodurch sich der Zeitraum bis zur Verjährung verlängern kann.

Vollstreckungsverjährung

Ist ein Bußgeld bestandskräftig, bestehen gesonderte Fristen für dessen Vollstreckung. Nach Ablauf dieser Fristen kann die Geldbuße regelmäßig nicht mehr durchgesetzt werden.

Verhältnis zu Steuerstrafverfahren

Wechsel der Einordnung bei neuen Erkenntnissen

Ergeben sich im Laufe der Ermittlungen Anhaltspunkte für vorsätzliches Verhalten, kann ein Ordnungswidrigkeitenverfahren in ein Strafverfahren übergehen. Umgekehrt kann sich ein zunächst strafrechtlich beurteiltes Verhalten als lediglich ordnungswidrig erweisen.

Neben- und Folgefragen

Die Einstufung wirkt sich auf Zuständigkeiten, Beweismaß und mögliche Sanktionen aus. Ein Wechsel der Verfahrensart ist rechtlich vorgesehen und dient der sachgerechten Einordnung des festgestellten Verhaltens.

Häufig gestellte Fragen

Was unterscheidet eine Steuerordnungswidrigkeit von Steuerhinterziehung?

Der maßgebliche Unterschied liegt in der inneren Haltung: Bei einer Steuerordnungswidrigkeit wird eine steuerliche Pflicht fahrlässig oder leichtfertig verletzt. Steuerhinterziehung setzt demgegenüber regelmäßig vorsätzliches Handeln voraus. Entsprechend fallen die möglichen Sanktionen bei Ordnungswidrigkeiten milder aus.

Welche typischen Verhaltensweisen gelten als Steuerordnungswidrigkeit?

Dazu zählen unter anderem verspätete oder unterlassene Erklärungen, unrichtige oder unvollständige Angaben ohne Vorsatz, mangelhafte Aufzeichnungen und fehlende Mitwirkung bei der Aufklärung steuerlich relevanter Sachverhalte, sofern das Verhalten auf Fahrlässigkeit oder Leichtfertigkeit beruht.

Wie hoch können Geldbußen ausfallen?

Die Höhe richtet sich nach Schwere und Ausmaß des Verstoßes, dem erlangten Vorteil und den wirtschaftlichen Verhältnissen. In der Praxis bewegen sich Geldbußen häufig zwischen drei- und fünfstelligen Beträgen. Daneben können Verfahrenskosten und die Abschöpfung von Vorteilen hinzukommen.

Wer trägt die Verantwortung in Unternehmen?

Verantwortlich sind in der Regel gesetzliche Vertreter, Organmitglieder oder beauftragte Personen, die steuerliche Pflichten wahrnehmen. Bei Organisations- und Aufsichtspflichtverletzungen kann die Pflichtwidrigkeit dem Unternehmen zugerechnet werden, was zu einer Geldbuße gegen das Unternehmen führen kann.

Wie läuft ein Bußgeldverfahren im Steuerbereich ab?

Das Verfahren beginnt typischerweise mit Ermittlungen der Finanzbehörde und einer Anhörung. Kommt die Behörde zu einer Ahndung, ergeht ein Bußgeldbescheid. Gegen diesen ist ein Rechtsbehelf möglich, der eine gerichtliche Überprüfung durch das Amtsgericht eröffnen kann.

Welche Verjährungsfristen gelten?

Für die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit gelten eigenständige Fristen, die mit Beendigung der Tat beginnen. Bestimmte behördliche oder gerichtliche Maßnahmen können die Frist unterbrechen oder zum Ruhen bringen. Für die Vollstreckung bestandskräftiger Bußgelder gelten separate Fristen.

Kann eine Ordnungswidrigkeit in eine Straftat übergehen?

Ja. Führen Ermittlungen zu der Erkenntnis, dass vorsätzliches Handeln vorliegt, kann das Verfahren in ein Strafverfahren übergehen. Umgekehrt kann sich ein Verdacht auf eine Straftat im Laufe der Prüfung als ordnungswidrig herausstellen.