Begriff und Einordnung von Steuernachforderungen
Steuernachforderungen bezeichnen Beträge, die die Finanzverwaltung nachträglich von Steuerpflichtigen verlangt, weil sich im Zuge der Steuerfestsetzung herausstellt, dass für einen bereits abgelaufenen Zeitraum zu wenig Steuer gezahlt wurde. Die Nachforderung ergibt sich regelmäßig aus einem Steuerbescheid oder Änderungsbescheid und betrifft unterschiedlichste Steuerarten, etwa Einkommen-, Körperschaft-, Umsatz-, Lohn- oder Gewerbesteuer. Rechtlich handelt es sich um die verbindliche Festsetzung eines Zahlungsanspruchs des Staates, der mit Bekanntgabe des Bescheids wirksam wird und zu einem bestimmten Zeitpunkt fällig ist.
Abgrenzung zu verwandten Begriffen
Steuernachforderungen sind von Steuererstattungen abzugrenzen, bei denen zu viel gezahlte Beträge zurückgezahlt werden. Sie unterscheiden sich zudem von Vorauszahlungen, die auf künftige Steuerschulden angerechnet werden. Ein Steuerbescheid kann sowohl eine Nachforderung als auch eine Erstattung enthalten; maßgeblich ist die rechnerische Differenz zwischen festgesetzter Steuer und bisher entrichteten Beträgen.
Gründe für Steuernachforderungen
Typische Auslöser
- Unvollständige oder fehlerhafte Angaben in Steuererklärungen
- Nachträglich bekannt gewordene Tatsachen oder Beweismittel
- Abweichende rechtliche Würdigung durch die Finanzverwaltung
- Ergebnisse von Außenprüfungen oder Umsatzsteuer-Nachschauen
- Verspätete oder unterlassene Abgabe von Steuererklärungen
- Korrekturen bei Lohnsteuerabzug, Vorsteuerabzug oder Betriebsausgaben
Besonderheiten je Steuerart
Bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer entstehen Nachforderungen häufig durch geänderte Einkünfte oder die Nichtanerkennung einzelner Aufwendungen. In der Umsatzsteuer führen korrigierte Bemessungsgrundlagen, Steuerbefreiungen oder Vorsteuerkürzungen zu Nachbelastungen. Bei der Lohnsteuer kann eine Haftung des Arbeitgebers für nicht ordnungsgemäß einbehaltene Steuerbeträge in Betracht kommen. In der Gewerbesteuer ergeben sich Nachforderungen regelmäßig aus geänderten Messbeträgen.
Verfahrensrechtlicher Ablauf
Erstfestsetzung und Änderungsbescheid
Die Nachforderung wird durch Steuerbescheid festgesetzt und mit Bekanntgabe wirksam. Eine spätere Korrektur erfolgt über einen Änderungsbescheid, wenn gesetzlich anerkannte Änderungsgründe vorliegen. Der Bescheid enthält neben der Berechnung der Steuer den Nachzahlungsbetrag und den Fälligkeitstermin. Mit der Bestandskraft des Bescheids wird die Festsetzung grundsätzlich verbindlich.
Mitwirkung und Auskunftspflichten
Steuerpflichtige sind zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Mitwirkung verpflichtet. Dazu zählen die Abgabe von Erklärungen, die Vorlage von Unterlagen und die Beantwortung von Rückfragen. Für bestimmte Unterlagen gelten Aufbewahrungsfristen, deren Einhaltung die spätere Überprüfbarkeit sicherstellt und die Festsetzung beeinflussen kann.
Fristen und Verjährung
Nachforderungen unterliegen der Festsetzungsverjährung. Diese läuft in der Regel über mehrere Jahre ab dem Ende des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, und kann sich je nach Sachlage verlängern, etwa bei leichtfertiger Verkürzung oder Hinterziehung. Prüfungsmaßnahmen oder die verspätete Abgabe einer Erklärung können die Frist hemmen oder ihren Beginn hinausschieben. Nach wirksamer Festsetzung gilt für die Durchsetzung der Zahlung die Zahlungsverjährung, die eigenständigen Regeln folgt.
Zinsen, Zuschläge und Nebenleistungen
Nachforderungsbeträge können verzinst werden. Die Verzinsung knüpft an gesetzlich definierte Zeiträume an und ist grundsätzlich unabhängig davon, ob ein Verschulden vorliegt. Bei verspäteter Zahlung entstehen zusätzlich Säumniszuschläge. Daneben kommen Verspätungszuschläge (bei verspäteter Erklärungsabgabe), Zwangsgelder (bei Nichterfüllung von Mitwirkungspflichten) oder Kosten der Vollstreckung als Nebenleistungen in Betracht. Höhe und Berechnung folgen gesetzlich vorgegebenen Maßstäben.
Zahlung, Stundung und Vollstreckung
Nachforderungen sind zum im Bescheid genannten Zeitpunkt zu entrichten. Eine Verrechnung mit Erstattungsansprüchen (Aufrechnung) ist möglich. Unter bestimmten Voraussetzungen können Steuerforderungen gestundet oder in Raten beglichen werden; hierfür wird regelmäßig eine angemessene Verzinsung oder Sicherheitsleistung verlangt. Bei streitigen Festsetzungen besteht die Möglichkeit, die Vollziehung auszusetzen. Werden fällige Beträge nicht gezahlt, kann die Finanzverwaltung Zwangsmaßnahmen bis hin zur Pfändung einleiten.
Rechtsbehelfe und Rechtsschutz
Gegen eine Nachforderung kann fristgebunden Einspruch eingelegt werden. Der Einspruch richtet sich gegen den Bescheid als solchen und kann zu einer vollständigen oder teilweisen Abänderung führen. Bleibt der Einspruch erfolglos, ist der Finanzrechtsweg eröffnet. Während des Rechtsbehelfsverfahrens kann die Vollziehung der Nachforderung unter bestimmten Voraussetzungen ausgesetzt werden. Wird kein Rechtsbehelf eingelegt, erlangt der Bescheid Bestandskraft.
Haftung und Gesamtschuld
In bestimmten Konstellationen haften mehrere Personen für eine Steuerschuld. Bei zusammenveranlagten Ehegatten liegt häufig eine Gesamtschuld vor. Arbeitgeber können für Lohnsteuer in Anspruch genommen werden. Für juristische Personen kommen Haftungsbescheide gegenüber gesetzlichen Vertretern in Betracht. Auch bei Unternehmensnachfolge, Umwandlungen oder Organschaften können Haftungsfragen die Durchsetzung von Nachforderungen beeinflussen.
Besondere Konstellationen
Außenprüfung und Nachschau
Außenprüfungen und Umsatzsteuer-Nachschauen dienen der nachträglichen Überprüfung steuerlich relevanter Sachverhalte. Feststellungen aus solchen Prüfungen können zu Nachforderungen führen. Die Mitwirkungspflichten bestehen auch im Rahmen dieser Maßnahmen.
Berichtigung und Nacherklärung
Werden nach Abgabe der Erklärung Fehler erkannt, kann eine Berichtigung zu einer Nachforderung führen. Nacherklärungen können neben der steuerlichen Festsetzung auch ordnungswidrigkeits- oder strafrechtliche Beurteilungen berühren. Die verfahrensrechtliche Behandlung richtet sich nach den allgemeinen Korrekturvoraussetzungen und Fristen.
Ratenzahlung und Sicherheiten
Als Ausprägung einer Stundungsvereinbarung sind Ratenzahlungen möglich. Die Finanzverwaltung kann hierfür Sicherheiten verlangen. Während einer bewilligten Zahlungserleichterung laufen regelmäßig Zinsen oder Zuschläge.
Rechtsfolgen bei Nichtzahlung
Unterbleibt die fristgerechte Zahlung, entstehen Säumniszuschläge. Die Finanzverwaltung kann Mahnungen versenden und anschließend Vollstreckungsmaßnahmen einleiten. Dazu zählen Konten- oder Forderungspfändungen, Sachpfändungen sowie weitere Durchsetzungsinstrumente. Zusätzlich können Kosten der Vollstreckung anfallen.
Dokumentation und Aufbewahrung
Die Nachvollziehbarkeit steuerlicher Vorgänge setzt eine geordnete Dokumentation voraus. Für Unternehmen und bestimmte Vorgänge gelten längere Aufbewahrungsfristen. Diese Pflichten sichern die spätere Überprüfbarkeit und können für die Beurteilung von Nachforderungen entscheidend sein.
Zusammenfassung
Steuernachforderungen entstehen, wenn die festgesetzte Steuer höher ist als die bereits entrichteten Beträge. Sie werden durch Bescheid verbindlich, unterliegen Fristen, können verzinst werden und sind bei Fälligkeit zu zahlen. Es bestehen verfahrensrechtliche Möglichkeiten der Überprüfung und gegebenenfalls Zahlungserleichterungen. Nichtzahlung hat Vollstreckungsmaßnahmen zur Folge. Die Einzelheiten hängen von Steuerart, Sachverhalt und den maßgeblichen Fristen ab.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu Steuernachforderungen
Was bedeutet eine Steuernachforderung rechtlich?
Rechtlich ist die Steuernachforderung Teil der Steuerfestsetzung. Sie ergibt sich aus einem wirksam bekanntgegebenen Bescheid, der die geschuldete Steuer für einen Zeitraum verbindlich festlegt und einen zusätzlichen Zahlbetrag ausweist.
Ab wann ist eine Steuernachforderung fällig?
Die Fälligkeit ergibt sich aus dem jeweiligen Steuerbescheid. Sie tritt grundsätzlich mit dem dort genannten Termin ein. Maßgeblich ist die wirksame Bekanntgabe und der im Bescheid ausgewiesene Fälligkeitstag.
Fallen auf Steuernachforderungen Zinsen an?
Ja, Nachforderungen können verzinst werden. Die Verzinsung richtet sich nach gesetzlich geregelten Zeiträumen und Bedingungen und ist grundsätzlich unabhängig von einem Verschulden. Zusätzlich können bei verspäteter Zahlung Säumniszuschläge anfallen.
Können Steuernachforderungen verjähren?
Steuernachforderungen unterliegen der Festsetzungsverjährung. Nach wirksamer Festsetzung verjähren Zahlungsansprüche gesondert nach den Regeln der Zahlungsverjährung. Beide Verjährungen können unter bestimmten Voraussetzungen gehemmt werden oder später beginnen.
Wie kann eine Steuernachforderung rechtlich überprüft werden?
Die Überprüfung erfolgt durch fristgebundenen Einspruch gegen den Bescheid. Wird der Einspruch zurückgewiesen, ist eine gerichtliche Überprüfung im Finanzrechtsweg möglich. Währenddessen kann die Vollziehung ausgesetzt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen.
Wer haftet bei zusammenveranlagten Ehegatten für eine Nachforderung?
Bei Zusammenveranlagung haften die Ehegatten in der Regel als Gesamtschuldner. Die Finanzverwaltung kann die Nachforderung gegenüber beiden geltend machen, unabhängig von der internen Aufteilung der Steuerlast.
Was passiert bei Nichtzahlung einer Steuernachforderung?
Bei Nichtzahlung entstehen Säumniszuschläge. Die Finanzverwaltung kann nach Mahnung Vollstreckungsmaßnahmen einleiten, etwa Pfändungen oder die Verwertung von Vermögensgegenständen. Dabei können zusätzliche Kosten anfallen.