Steuerliche Nebenleistungen
Steuerliche Nebenleistungen sind Begriffe des deutschen Steuerrechts, die im Zusammenhang mit der Erhebung und Erfüllung von Steuern eine zentrale Rolle spielen. Sie umfassen alle Zahlungen, die neben der eigentlichen Steuer gefordert werden können und sind in der Abgabenordnung (AO) geregelt. Steuerliche Nebenleistungen dienen insbesondere dazu, den steuerlichen Vollzug sicherzustellen und die pünktliche und vollständige Steuerentrichtung zu fördern.
Begriff und Rechtsgrundlagen
Definition und Abgrenzung
Steuerliche Nebenleistungen sind nach § 3 Abs. 4 der Abgabenordnung (AO) Abgaben, die im Zusammenhang mit einer Steuerforderung erhoben werden. Sie unterscheiden sich von den eigentlichen Steuern dadurch, dass sie keine Gegenleistung für eine bestimmte staatliche Leistung darstellen, sondern als Sanktion, Sicherung oder Ausgleich im Zusammenhang mit steuerlichen Pflichten dienen. Im Gegensatz zu Zinsen, die beispielsweise ein Entgelt für verspätete Zahlungen sind, greifen andere Formen steuerlicher Nebenleistungen als Reaktion auf Fehlverhalten oder als Zwangsmittel.
Gesetzliche Grundlage
Die maßgeblichen Vorschriften sind in §§ 3, 12 und 13 AO geregelt. Wesentliche steuerliche Nebenleistungen sind Steuerzinsen, Säumniszuschläge, Verspätungszuschläge, Zwangsgelder sowie Kosten.
Arten steuerlicher Nebenleistungen
Steuerzinsen
Steuerzinsen werden gemäß §§ 233 bis 237 AO erhoben, wenn eine Steuerfrist überschritten wird oder bei Nachzahlungs- bzw. Erstattungsbeträgen. Der häufigste Anwendungsfall sind Nachzahlungs- (§ 233a AO) und Aussetzungszinsen (§ 237 AO). Die Höhe der Zinsen ist in § 238 AO geregelt und beträgt zurzeit 0,15 % pro Monat (Stand 2024), wobei Verfassungsrechtsprechung (insb. BVerfG, Urteil vom 8. Juli 2021, 1 BvR 2237/14) hier zu Anpassungen führte.
Säumniszuschläge
Säumniszuschläge werden nach § 240 AO für verspätete Zahlungen von Steuern erhoben. Sie dienen als Druckmittel, um die fristgerechte Steuerzahlung sicherzustellen. Die Höhe beträgt 1 % des rückständigen Steuerbetrags für jeden angefangenen Monat.
Verspätungszuschläge
Verspätungszuschläge sind in § 152 AO geregelt und werden erhoben, wenn Steuererklärungen nicht oder nicht fristgerecht abgegeben werden. Die Festsetzung liegt im Ermessen der Finanzbehörde, wobei seit dem Gesetz zur Modernisierung des Besteuerungsverfahrens (StModernG) in bestimmten Fällen ein automatischer Verspätungszuschlag vorgesehen ist.
Zwangsgelder
Zwangsgelder gemäß §§ 328 ff. AO können angesetzt werden, um die Erfüllung steuerlicher Mitwirkungs- oder Duldungspflichten zu erzwingen. Ein Zwangsgeld unterscheidet sich vom Bußgeld dadurch, dass es keinen Strafcharakter, sondern eine reine Beugemittelfunktion besitzt.
Kosten
Kosten nach § 337 ff. AO entstehen insbesondere im Zusammenhang mit Vollstreckungsmaßnahmen zur Beitreibung von Steuern oder Nebenleistungen, etwa für Pfändungen oder andere Diensthandlungen.
Rechtliche Einordnung und Bedeutung
Steuerliche Nebenleistungen als öffentlich-rechtliche Geldleistung
Das Wesen der steuerlichen Nebenleistungen liegt in deren Charakter als öffentlich-rechtliche Geldleistungen, die unmittelbar aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 AO) entstehen. Sie werden ohne gesonderten Verwaltungsakt geschuldet, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Vollstreckt werden sie wie Steuerforderungen.
Abgrenzung zu anderen Sanktionen und Maßnahmen
Steuerliche Nebenleistungen sind von Strafzahlungen, Bußgeldern (z. B. Ordnungswidrigkeiten) und Schadensersatzansprüchen zu unterscheiden. Sie dienen nicht der Bestrafung des Steuerpflichtigen, sondern der Kompensation von Nachteilen für die Finanzverwaltung und der Sicherung des Steueraufkommens.
Verhältnis zu Steuerbescheiden und Rechtsbehelfen
Der Anspruch auf steuerliche Nebenleistungen ergibt sich regelmäßig als Folge nicht oder nicht rechtzeitig erfüllter steuerlicher Hauptpflichten. Gegen die Festsetzung steuerlicher Nebenleistungen kann nach den allgemeinen Vorschriften der AO Einspruch eingelegt werden. Rechtsbehelfe richten sich nach der entsprechenden Nebenleistungsfestsetzung, wobei beispielsweise bei Zinsen prüfenswert ist, ob sie dem Grund und der Höhe nach korrekt festgesetzt wurden.
Praktische Bedeutung und Anwendungsbeispiele
Beispiele aus der Verwaltungspraxis
- Nicht fristgerechte Abgabe einer Umsatzsteuer-Voranmeldung: Die Finanzverwaltung kann einen Verspätungszuschlag erheben.
- Verspätete Zahlung einer Steuerforderung: Hier setzt die Behörde automatisch Säumniszuschläge fest.
- Verstöße gegen Mitwirkungspflichten: Ggf. wird ein Zwangsgeld verhängt, um die Herausgabe von Unterlagen zu erzwingen.
- Nachträgliche Steuerfestsetzung (z. B. Betriebsprüfung): Es werden Nachzahlungszinsen auf den rückständigen Betrag erhoben.
Bedeutung in der Rechtsprechung
Die Rechtsprechung befasst sich regelmäßig mit verfassungsrechtlichen Fragen zu Höhe und Funktion einzelner Nebenleistungen, etwa bei den Zinsen (§ 238 AO).
Systematische Einordnung im Steuerrecht
Steuerliche Nebenleistungen bilden eine eigenständige Kategorie innerhalb des Abgabenrechts. Ihre Erhebung und Durchsetzung unterliegt den Vorschriften der AO. Der daraus entstehende Anspruch ist ein öffentlich-rechtlicher zu Gunsten des Fiskus, und zwar unabhängig davon, ob die zugrunde liegende Steuerforderung noch besteht oder bereits erloschen ist (§ 47 AO).
Wissenswertes und weiterführende Hinweise
- Steuerliche Nebenleistungen unterliegen nicht der Umsatzsteuer.
- Die entsprechenden Ansprüche verjähren nach den allgemeinen Festsetzungs- und Zahlungsverjährungsvorschriften der AO.
- Im Falle von Insolvenz des Steuerschuldners sind steuerliche Nebenleistungen grundsätzlich Insolvenzforderungen.
Literatur und Weblinks
- Abgabenordnung (AO), insbesondere §§ 3, 12, 13, 152, 233 ff., 240, 328 ff.
- Bundesfinanzministerium – Veröffentlichung zum Thema steuerliche Nebenleistungen
- Bundesverfassungsgericht: Urteile zur Verfassungsmäßigkeit steuerlicher Zinsen
Mit diesem umfassenden Überblick werden die zentralen Aspekte steuerlicher Nebenleistungen im deutschen Steuerrecht strukturiert und detailliert dargestellt, was deren Bedeutung und Rechtsfolgen im Rahmen der Steuererhebung verdeutlicht.
Häufig gestellte Fragen
In welchen Fällen können steuerliche Nebenleistungen neben der eigentlichen Steuer erhoben werden?
Steuerliche Nebenleistungen können immer dann erhoben werden, wenn sie gesetzlich ausdrücklich vorgesehen sind und die Voraussetzungen des jeweiligen Einzelgesetzes (z.B. Abgabenordnung – AO) erfüllt werden. Häufige Fälle sind unter anderem die verspätete Zahlung von Steuern (hier entstehen Verspätungszuschläge oder Säumniszuschläge), das verspätete Abgeben von Steuererklärungen oder das Nichtbefolgen von Mitwirkungsverpflichtungen gegenüber der Finanzbehörde. Auch bei bestimmten Verstößen gegen steuerliche Verpflichtungen können Zwangsgelder oder Zinsen fällig werden. Welche Nebenleistung konkret zur Anwendung kommt, richtet sich nach dem Verhalten des Steuerpflichtigen sowie nach der Art und Schwere des Verstoßes. Die Einzelheiten, insbesondere zur Berechnung und Festsetzung der Nebenleistungen, regeln die jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen, zumeist die §§ 3 Abs. 4 und 12 ff. AO.
Welche Arten von steuerlichen Nebenleistungen gibt es und worin unterscheiden sie sich?
Die wichtigsten steuerlichen Nebenleistungen sind Säumniszuschläge, Verspätungszuschläge, Zinsen, Zwangsgelder und Kosten. Säumniszuschläge werden bei verspäteter Zahlung von Steuern erhoben und sollen die rechtzeitige Entrichtung der Steuerschulden sicherstellen sowie einen Ausgleich für den Liquiditätsvorteil des Steuerschuldners schaffen. Verspätungszuschläge werden festgesetzt, wenn Steuererklärungen nicht rechtzeitig abgegeben werden, wobei sie sowohl einen Druck- als auch Sanktionscharakter haben. Zinsen, insbesondere Nachzahlungs- und Erstattungszinsen, gleichen finanzielle Nachteile aus, die durch die Verzögerung von Zahlungen entstehen. Zwangsgelder dienen der Durchsetzung von Mitwirkungspflichten und werden festgesetzt, wenn der Steuerpflichtige einer Aufforderung der Finanzbehörde nicht nachkommt. Kosten entstehen insbesondere bei Vollstreckungsmaßnahmen und umfassen Auslagen sowie Verwaltungsgebühren.
Wie ist die Zuständigkeit und das Verfahren zur Festsetzung steuerlicher Nebenleistungen geregelt?
Die Zuständigkeit für die Festsetzung steuerlicher Nebenleistungen liegt grundsätzlich bei der Finanzbehörde, die auch für die Festsetzung der jeweiligen Hauptsteuer zuständig ist. Das Verfahren zur Festsetzung ist in der Abgabenordnung geregelt: Es handelt sich um einen Verwaltungsakt, der dem Steuerpflichtigen schriftlich bekanntzugeben ist. Gegen festgesetzte Nebenleistungen kann der Steuerpflichtige innerhalb der gesetzlichen Fristen (in der Regel ein Monat nach Bekanntgabe) Einspruch einlegen. Die Nebenleistungen sind ebenso wie die Steuer selbst vollstreckbar und unterliegen denselben Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung und gegebenenfalls des gerichtlichen Rechtsschutzes.
Gibt es besondere Verjährungsfristen bei steuerlichen Nebenleistungen?
Ja, für steuerliche Nebenleistungen gelten grundsätzlich die gleichen Verjährungsvorschriften wie für die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis, d.h., es kommt die Festsetzungsverjährung nach §§ 169 ff. AO zur Anwendung. Die Verjährung beginnt dabei mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Anspruch auf die Nebenleistung entstanden ist. Für manche Nebenleistungen, etwa die Zinsen, gelten abweichende Regelungen, die zum Beispiel eine gesonderte Berechnung der Verzinsungszeiträume oder Besonderheiten bei der Berechnung der Verjährung (beginnend mit der Entstehung des Zinsanspruchs) vorsehen können, soweit dies ausdrücklich gesetzlich geregelt ist. Auch die Ablaufhemmung und die Unterbrechung/Neubeginn der Verjährungsfrist sind entsprechend zu berücksichtigen.
Wie werden steuerliche Nebenleistungen zwangsweise durchgesetzt?
Die zwangsweise Durchsetzung steuerlicher Nebenleistungen erfolgt nach denselben Grundsätzen wie bei Steuern selbst, also aufgrund des Vollstreckungsverfahrens nach der Abgabenordnung (§§ 249 ff. AO). Sobald eine steuerliche Nebenleistung durch Verwaltungsakt festgesetzt und fällig ist, kann die Finanzbehörde sie vollstrecken, falls der Schuldner nicht freiwillig zahlt. Die Maßnahmen reichen von der Pfändung von Konten, Lohn oder sonstigem Vermögen bis hin zur Eintragung von Sicherungshypotheken. Da Nebenleistungen wie Steuern behandelt werden, gelten alle dazu vorgesehenen Regelungen der Verwaltungsvollstreckung – einschließlich der Möglichkeit, Anträge auf Aussetzung der Vollziehung zu stellen, falls der zugrundeliegende Bescheid angefochten wird.
Unterliegen steuerliche Nebenleistungen denselben Rechtsbehelfen wie Steuerbescheide?
Ja, der Steuerpflichtige kann gegen die Festsetzung steuerlicher Nebenleistungen die gleichen Rechtsbehelfe einlegen wie gegen Steuerbescheide. Dies beginnt mit dem Einspruchsverfahren bei der zuständigen Finanzbehörde und reicht im Falle der Erfolglosigkeit bis zur Anrufung der Finanzgerichte im Rahmen des Klageverfahrens. Auch die Möglichkeit der Aussetzung der Vollziehung kann beantragt werden, wenn Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Nebenleistungsfestsetzung bestehen. Die Verfahren richten sich nach den Vorschriften der Abgabenordnung sowie der Finanzgerichtsordnung (FGO).
Kann auf steuerliche Nebenleistungen in besonderen Fällen verzichtet werden?
Ein Erlass oder die Niederschlagung steuerlicher Nebenleistungen ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften möglich, etwa aus Billigkeitsgründen nach § 227 AO. Voraussetzung hierfür ist, dass die Erhebung der Nebenleistung im Einzelfall als unbillig erscheint, z.B. wenn sie eine unzumutbare Härte für den Steuerpflichtigen darstellen oder ein atypischer Ausnahmefall vorliegt. Die Entscheidung steht im Ermessen der Finanzbehörde. Dennoch ist ein vollständiger oder teilweiser Erlass von Nebenleistungen – insbesondere von Säumnis- und Verspätungszuschlägen – nur in eng begrenzten Ausnahmekonstellationen möglich, um die gleichmäßige Rechtsanwendung und die abschreckende Wirkung der Nebenleistungen nicht zu unterlaufen.