Begriff und Funktion der Steuerklassen
Steuerklassen sind ein Ordnungssystem im deutschen Lohnsteuerabzug. Sie bestimmen, in welcher Höhe die Lohnsteuer während des Kalenderjahres vom Arbeitslohn einbehalten wird. Die Einordnung richtet sich vor allem nach dem Familienstand, dem Vorhandensein von Kindern, dem Status als alleinerziehende Person sowie der Anzahl paralleler Beschäftigungen. Die Steuerklasse beeinflusst die monatliche Nettoauszahlung, nicht jedoch die endgültige Einkommensteuer, die im Rahmen der Jahresveranlagung festgestellt wird. Die relevanten Merkmale werden elektronisch als ELStAM (Elektronische Lohnsteuerabzugsmerkmale) geführt und vom Arbeitgeber abgerufen.
Einordnung der Steuerklassen I bis VI
Steuerklasse I
Erfasst werden im Regelfall ledige, dauerhaft getrennt lebende oder geschiedene Beschäftigte sowie verwitwete Personen nach Ablauf des Jahres, das auf den Todesfall folgt, sofern keine Voraussetzungen für eine andere Klasse vorliegen. Kinder werden über entsprechende Merkmale in den ELStAM berücksichtigt.
Steuerklasse II
Vorgesehen für alleinerziehende Beschäftigte, bei denen mindestens ein Kind im Haushalt lebt und für das ein Anspruch auf kindbezogene Leistungen besteht. Die Klasse II bildet den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende über den Lohnsteuerabzug ab. Voraussetzung ist, dass die Alleinerziehendeneigenschaft in den ELStAM erfasst ist.
Steuerklasse III
Anwendbar bei verheirateten oder verpartnerten Beschäftigten im Rahmen der Kombination III/V, wenn der andere Teil die Klasse V führt oder kein steuerpflichtiges Arbeitsentgelt bezieht. Die Klasse III führt zu einem geringeren monatlichen Steuerabzug als Klasse IV, da sie auf eine ungleiche Einkommensverteilung in der Partnerschaft ausgerichtet ist.
Steuerklasse IV
Standardklasse für verheiratete oder verpartnerte Beschäftigte, wenn beide Arbeitslohn beziehen. Die Kombination IV/IV ist der Ausgangspunkt bei gemeinsamer Haushaltsführung und vergleichbaren Einkommen. Die Einordnung erfolgt regelmäßig automatisch, sobald die entsprechenden Personenstandsmerkmale elektronisch vorliegen.
Steuerklasse IV mit Faktor
Variante der Kombination IV/IV. Ein Faktor wird auf Grundlage der voraussichtlichen gemeinsamen Jahressteuer berechnet und soll den laufenden Lohnsteuerabzug zwischen beiden Beschäftigten näher an die voraussichtliche Jahressteuer heranführen. Der Faktor wird als ELStAM geführt und regelmäßig neu festgesetzt, wenn die zugrunde gelegten Daten angepasst werden.
Steuerklasse V
Gegenstück zur Klasse III in der Kombination III/V. Der monatliche Steuerabzug ist hier höher, weil Freibeträge und Progressionswirkungen in der Kombination so verteilt werden, dass die Gesamtbelastung über beide Beschäftigte hinweg abgebildet wird.
Steuerklasse VI
Gilt für das zweite und jedes weitere parallel ausgeübte Dienstverhältnis, sofern der Arbeitslohn individuell nach ELStAM besteuert wird. In dieser Klasse werden keine allgemeinen Freibeträge berücksichtigt, weshalb der Steuerabzug vergleichsweise hoch ausfällt. Sie kommt auch zum Tragen, wenn bei einer Beschäftigung keine abrufbaren ELStAM bereitstehen.
Rechtliche Rahmenbedingungen und Zuständigkeiten
Die Einordnung in eine Steuerklasse sowie deren Änderungen werden von der Finanzverwaltung vorgenommen und in den ELStAM hinterlegt. Arbeitgeber sind verpflichtet, die jeweils aktuellen ELStAM für den Lohnsteuerabzug abzurufen und anzuwenden. Beschäftigte können ihre gespeicherten Merkmale einsehen und veränderte Verhältnisse mitteilen, damit die ELStAM aktualisiert werden.
ELStAM und Datenübermittlung
Zu den ELStAM gehören unter anderem Steuerklasse, Faktor (sofern vorhanden), kinderbezogene Merkmale sowie Angaben zur Kirchensteuerpflicht. Arbeitgeber greifen unter Nutzung der steuerlichen Identifikationsnummer auf diese Merkmale zu. Änderungen wirken sich regelmäßig ab dem nächsten möglichen Abrechnungszeitraum aus.
Wechsel der Steuerklasse
Ein Wechsel ist in festgelegten Konstellationen möglich, etwa bei Eheschließung, Begründung oder Aufhebung einer Lebenspartnerschaft, Trennung, Tod des Ehe- oder Lebenspartners, Aufnahme oder Wegfall der Alleinerziehendeneigenschaft sowie Aufnahme oder Beendigung einer Beschäftigung. In bestimmten Fällen nimmt die Verwaltung eine Anpassung von Amts wegen vor. Auf Antrag ist ein Wechsel zwischen zulässigen Kombinationen grundsätzlich einmal im Kalenderjahr möglich; für die Berücksichtigung im laufenden Jahr ist die Einhaltung der hierfür vorgesehenen Fristen erforderlich.
Besonderheiten bei Eheschließung, Trennung und Verwitwung
Nach Eheschließung oder Begründung einer eingetragenen Lebenspartnerschaft werden die Beschäftigten regelmäßig in die Kombination IV/IV aufgenommen, sofern beide Arbeitslohn beziehen. Alternativ sind die Kombination III/V sowie IV/IV mit Faktor möglich. Bei dauerhafter Trennung erfolgt ab dem folgenden Jahr die Einordnung außerhalb der Ehegattenklassen, typischerweise in I oder II. Beim Tod des Ehe- oder Lebenspartners bleibt für das Todesjahr eine Ehegattenklasse möglich; im Folgejahr greift regelmäßig die Einordnung außerhalb der Ehegattenklassen.
Auswirkungen der Steuerklasse
Auf die laufende Lohnsteuer
Die Steuerklasse beeinflusst die monatliche Bemessung der Lohnsteuer. Sie steuert, welche Freibeträge und Progressionswirkungen im Abzugsverfahren berücksichtigt werden. Dadurch kann die Nettoauszahlung im Jahresverlauf schwanken, ohne die endgültige steuerliche Belastung festzulegen.
Auf den Solidaritätszuschlag und die Kirchensteuer
Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer knüpfen beim laufenden Abzug an die einbehaltene Lohnsteuer an. Die Steuerklasse wirkt mittelbar, indem sie die Lohnsteuerhöhe beeinflusst. Die Kirchensteuerpflicht selbst richtet sich nach der gemeldeten Religionszugehörigkeit und nicht nach der Steuerklasse.
Auf Lohnersatzleistungen
Bestimmte Lohnersatzleistungen orientieren sich für ihre Berechnung an einem aus dem Arbeitsentgelt abgeleiteten Netto, das die im Zeitpunkt der Entstehung relevanten Abzugsmerkmale einbezieht. Die Steuerklasse kann dadurch als Rechengröße mittelbar auf die Höhe solcher Leistungen wirken.
Auf die Einkommensteuerveranlagung
Die Steuerklasse bestimmt nicht die endgültige Einkommensteuer. Sie dient lediglich der laufenden Erhebung durch den Arbeitgeber. Im Rahmen der Jahresveranlagung werden Einkünfte, Freibeträge und Abzugsbeträge umfassend geprüft; die einbehaltene Lohnsteuer wird angerechnet, Über- oder Unterzahlungen werden ausgeglichen.
Mehrfachbeschäftigung, Minijobs und Besonderheiten
Bei mehreren zeitgleichen Beschäftigungen wird das erste Dienstverhältnis mit der maßgeblichen Grundklasse (I, II, III, IV oder V) geführt; für weitere Dienstverhältnisse ist Klasse VI vorgesehen, sofern dort der individuelle Lohnsteuerabzug nach ELStAM erfolgt. Geringfügige Beschäftigungen (Minijobs) werden häufig pauschal besteuert und nicht über eine Steuerklasse abgerechnet; bei individueller Besteuerung finden die ELStAM Anwendung.
Verfahren und Nachweise
Feststellung und Abruf der Merkmale
Die steuerliche Identifikationsnummer dient als Schlüssel für den Abruf der ELStAM. Arbeitgeber dürfen nur die Merkmale für das aktuell bestehende Beschäftigungsverhältnis nutzen. Beschäftigte können die hinterlegten Daten über die vorgesehenen Zugangswege der Verwaltung einsehen.
Datenschutz
Der Abruf der ELStAM ist auf den jeweiligen Arbeitgeber beschränkt und unterliegt dem Datenschutz. Unbefugte Zugriffe sind ausgeschlossen und unterliegen Kontrollmechanismen der Verwaltung.
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Zweck der Steuerklassen im Lohnsteuerabzug?
Steuerklassen strukturieren den monatlichen Lohnsteuerabzug nach persönlichen Verhältnissen wie Familienstand, Kindern und Mehrfachbeschäftigung. Sie sollen den laufenden Steuerabzug realitätsnah gestalten, ohne die endgültige Jahressteuer festzulegen.
Welche Steuerklassen gibt es und wer wird grundsätzlich eingeordnet?
Es gibt die Klassen I bis VI: I für ledige, getrennt lebende, geschiedene und später verwitwete Personen; II für Alleinerziehende mit entsprechender Haushalts- und Kinderkonstellation; III/V als Kombination für verheiratete oder verpartnerte Beschäftigte; IV/IV als Standard für zwei Verdienende sowie IV/IV mit Faktor; VI für weitere parallel ausgeübte Beschäftigungen bei individuellem Abzug.
Kann die Steuerklasse während des Jahres geändert werden?
Ein Wechsel ist in geregelten Fällen möglich, etwa bei Eheschließung, Trennung, Tod des Partners, Änderung der Alleinerziehendeneigenschaft oder Aufnahme beziehungsweise Beendigung einer Beschäftigung. Darüber hinaus ist ein antragsgebundener Wechsel zwischen zulässigen Kombinationen einmal jährlich vorgesehen, unter Beachtung der hierfür maßgeblichen Fristen.
Welche Bedeutung hat die Steuerklasse für Ehegatten und Lebenspartner?
Bei gemeinsamem Haushalt und Arbeitslohn beider Partner ist IV/IV der Regelfall. Alternativ kommen III/V oder IV/IV mit Faktor in Betracht. Die Wahl der Kombination wirkt nur auf den laufenden Abzug; die Jahressteuer wird im Rahmen der Veranlagung festgestellt.
Welche Auswirkungen hat eine zweite Beschäftigung auf die Steuerklasse?
Für das zweite und jedes weitere gleichzeitige Dienstverhältnis wird die Klasse VI verwendet, sofern der Lohn dort individuell nach ELStAM besteuert wird. In Klasse VI werden keine allgemeinen Freibeträge berücksichtigt, was zu einem höheren monatlichen Steuerabzug führt.
Beeinflusst die Steuerklasse die Höhe von Lohnersatzleistungen?
Bei verschiedenen Lohnersatzleistungen wird ein aus dem Arbeitsentgelt abgeleitetes Netto zugrunde gelegt, das die aktuelle Steuerklasse berücksichtigt. Dadurch kann die Steuerklasse als Berechnungsgröße mittelbar auf die Leistungshöhe wirken.
Hat die Steuerklasse Einfluss auf die endgültige Einkommensteuer?
Nein. Die Steuerklasse steuert nur den laufenden Lohnsteuerabzug. Die endgültige Steuer entsteht erst mit der Jahresveranlagung; die einbehaltene Lohnsteuer wird angerechnet und es kann zu Erstattungen oder Nachzahlungen kommen.