Begriff und rechtliche Grundlagen der Steuerkarte
Die Steuerkarte war in Deutschland bis zum Jahr 2012 ein zentrales Dokument im Lohnsteuerabzugsverfahren und diente der schriftlichen Erfassung und Weitergabe von persönlichen steuerlichen Merkmalen einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers an den Arbeitgeber. Die Ausstellung, Führung und Anwendung der Steuerkarte war in verschiedenen Rechtsnormen, insbesondere im Einkommensteuergesetz (EStG) und der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV), umfassend geregelt. Seit 2013 wurde die Steuerkarte durch das elektronische Verfahren „ELStAM“ (Elektronische LohnSteuerAbzugsMerkmale) abgelöst.
Entwicklung und Funktion der Steuerkarte
Entstehungsgeschichte
Die Steuerkarte wurde erstmals im Jahr 1925 eingeführt und diente der Vereinfachung des Lohnsteuerabzugs. Sie wurde jährlich von den Meldebehörden auf Papier ausgestellt und enthielt Angaben, die für die richtige Berechnung der Lohnsteuer notwendig waren. Mit der Einführung des ELStAM-Verfahrens am 1. Januar 2013 verlor die Steuerkarte endgültig ihre Funktion.
Zweck und rechtliche Bedeutung
Die Steuerkarte erfüllte im Lohnsteuerabzugsverfahren mehrere Funktionen:
- Sie wies die Lohnsteuerklasse, die Zahl der Kinderfreibeträge, Kirchenzugehörigkeit sowie weitere relevante Informationen aus, die den Arbeitgeber zum korrekten Abzug der Lohnsteuer verpflichteten.
- Sie diente als Nachweis der auf Grundlage der gespeicherten Merkmale berechneten Steuerbeträge gegenüber den Finanzbehörden.
Aufbau und Inhalt der Steuerkarte
Wesentliche Angaben
Die nach rechtlichen Vorgaben ausgestellte Steuerkarte enthielt folgende wesentliche Daten:
– Name, Vorname, Geburtsdatum, Religion, Anschrift der Arbeitnehmerin bzw. des Arbeitnehmers
– Steuernummer und Identifikationsnummer
– Zahl der Kinderfreibeträge (§ 38b EStG)
– Lohnsteuerklasse (§ 38b EStG, § 39c EStG)
– Freibeträge und Hinzurechnungsbeträge (z. B. für Werbungskosten, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen)
– Informationen zur Befreiung bzw. Ermäßigung bei mehreren Arbeitsverhältnissen (Haupt- und Nebenarbeitsverhältnis)
Die Meldebehörde stellte die Steuerkarte zum Ende eines Kalenderjahres für das Folgejahr aus.
Ausstellung, Verwaltung und Pflichten
Ausstellung und Änderungen
Die Ausstellung erfolgte zunächst automatisch für alle steuerpflichtigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Änderungen, zum Beispiel bei Heirat, Geburt eines Kindes, einem Kirchenaustritt oder Wohnortwechsel, wurden durch persönliche Anzeige bei der Meldebehörde vorgenommen. Die zuständige Behörde erfasste diese Änderungen und aktualisierte die Steuerkarte entsprechend. Der Arbeitnehmer war verpflichtet, dem Arbeitgeber die aktuelle Steuerkarte für den Lohnsteuerabzug auszuhändigen.
Aufbewahrung und Datenschutz
Der Arbeitgeber verwahrte die Steuerkarte bis zum Ende des Beschäftigungsverhältnisses oder Ablaufs des Kalenderjahres. Bei Beendigung war sie dem Arbeitnehmer zurückzugeben. Rechtsgrundlage für den Datenschutz boten insbesondere die Vorschriften der Abgabenordnung (AO) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Die Verwendung der Daten war ausschließlich auf den Zweck des Lohnsteuerabzugs beschränkt.
Lohnsteuerabzug und Steuerkarte
Bindung des Arbeitgebers an die Steuerkarte
Der Arbeitgeber war rechtlich verpflichtet, beim monatlichen Lohnsteuerabzug ausschließlich die auf der Steuerkarte vermerkten Daten zugrunde zu legen. Eigenmächtige Änderungen waren nicht zulässig. Ausnahmen galten nur bei ausdrücklicher behördlicher Genehmigung oder bei Vorlage einer vom Finanzamt ausgestellten Bescheinigung.
Besonderheiten im Arbeitsverhältnis
Bei mehreren Beschäftigungsverhältnissen durfte die Steuerklasse I bis V nur für das Hauptarbeitsverhältnis verwendet werden; für weitere Beschäftigungen war grundsätzlich Steuerklasse VI einzutragen. Besonderheiten bestanden bei Ehegatten sowie bei besonderen Freibeträgen nach § 39a EStG, die ausschließlich das Finanzamt auf der Steuerkarte eintragen durfte.
Elektronische Ablösung durch ELStAM
Gesetzlicher Übergang
Der Wechsel zum elektronischen Verfahren wurde im Rahmen des Steuerbürokratieabbaugesetzes (§ 39e EStG) vollzogen. Das ELStAM-Verfahren sieht die Speicherung und den Abruf der Lohnsteuerabzugsmerkmale mittels elektronischer Datenübermittlung vor. Seit 2013 sind die bisherigen Papier-Steuerkarten außer Kraft gesetzt.
Rechtliche Folgen und Übergangsregelungen
Bis zur vollständigen Umstellung auf ELStAM im Jahr 2013 behielten die alten Steuerkarten mit Gültigkeitsvermerk der Meldebehörden weiterhin Rechtskraft. Ab 2013 ist der Abruf der Steuerdaten ausschließlich durch den Arbeitgeber im Wege des Datenfernübertragungsverfahrens zulässig, was die rechtlichen Anforderungen an Datenschutz, Datensicherheit und Authentifizierung bei Datenzugriff erhöhte.
Zusammenfassung und Bedeutung
Die Steuerkarte war ein zentrales Rechtsdokument im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer. Ihre rechtliche Bedeutung lag in der Sicherstellung eines gesetzeskonformen Lohnsteuerabzugs und einer ordnungsgemäßen Datenverwaltung durch Arbeitgeber und Behörden. Die vollständige Ablösung durch das elektronische Verfahren ELStAM führte zu einer Modernisierung und effizienteren Durchführung des Lohnsteuerabzugsverfahrens unter Einhaltung der datenschutzrechtlichen Anforderungen.
Weiterführende Rechtsnormen
- Einkommensteuergesetz (EStG), insbesondere §§ 38, 38b, 39, 39a, 39e
- Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV)
- Abgabenordnung (AO)
- Bundesdatenschutzgesetz (BDSG)
Hinweis: Die Steuerkarte wird in Deutschland seit 2013 nicht mehr verwendet und ist vollständig durch das elektronische ELStAM-Verfahren ersetzt. Historische und rechtliche Fragestellungen zur Steuerkarte bleiben jedoch relevant für vergangene Abrechnungszeiträume und Archivierungsfragen.
Häufig gestellte Fragen
Wann muss eine Steuerkarte dem Arbeitgeber vorgelegt werden?
Nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen ist ein Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber zu Beginn eines Beschäftigungsverhältnisses unverzüglich die Steuerkarte beziehungsweise die relevanten steuerlichen Informationen zur Verfügung zu stellen. In Deutschland wurde die frühere Papier-Steuerkarte zwar durch das elektronische Verfahren ELStAM (Elektronische LohnSteuerAbzugsMerkmale) abgelöst, jedoch hat der Arbeitnehmer weiterhin die Pflicht, dem Arbeitgeber die für den Lohnsteuerabzug notwendigen Daten – insbesondere das Geburtsdatum, die steuerliche Identifikationsnummer sowie die Konfession – korrekt mitzuteilen, sofern der Arbeitgeber diese noch nicht elektronisch abrufen kann. Die Nichtvorlage dieser Angaben kann rechtliche Konsequenzen haben, da der Arbeitgeber in solchen Fällen gemäß § 39c EStG den Steuerabzug nach Steuerklasse VI vornehmen muss, was für den Arbeitnehmer regelmäßig einen höheren Steuerabzug bedeutet.
Welche rechtlichen Folgen hat das Nichtvorlegen der Steuerkarte?
Kommt ein Arbeitnehmer seiner Obliegenheit zur Vorlage der Steuerkarte beziehungsweise zur Mitteilung der erforderlichen Lohnsteuerabzugsmerkmale nicht nach, ist der Arbeitgeber nach § 39c Abs. 1 Satz 1 EStG verpflichtet, den Arbeitslohn nach Steuerklasse VI zu versteuern. Diese Steuerklasse ist mit den höchsten Steuerabzügen verbunden und dient als Sanktion für die fehlende Mitwirkung des Arbeitnehmers. Daraus resultieren für den Arbeitnehmer regelmäßig finanzielle Nachteile, die er nur durch ein nachträgliches Nachreichen reduzieren kann. Zusätzlich kann das wiederholte oder vorsätzliche Unterlassen der Mitwirkung bei der steuerlichen Erfassung arbeitsrechtliche Folgen bis hin zur Abmahnung oder Kündigung haben. Aus Sicht des Arbeitgebers entsteht durch das Fehlen der Steuerkarte ein erhöhtes Haftungsrisiko, da er für eine korrekte Abführung der Lohnsteuer verantwortlich bleibt.
Wie lange ist eine Steuerkarte beziehungsweise der Datensatz gültig?
Im rechtlichen Sinne ist die Gültigkeit der Steuerkarte beziehungsweise der steuerlichen Lohnabzugsmerkmale im ELStAM-Verfahren an das jeweilige Kalenderjahr gebunden. Änderungen, die sich während des Jahres ergeben (z. B. Eheschließung, Geburt eines Kindes, Kirchenaustritt), werden laufend elektronisch an das Finanzamt übermittelt und zumeist bereits im aktuellen Jahr wirksam. Gleichwohl gilt grundsätzlich, dass die einmal festgestellten Merkmale für das laufende Jahr maßgeblich bleiben. In Spezialfällen – etwa bei rückwirkenden Änderungen – sieht das Gesetz (§ 39 EStG) hier Ausnahmen vor, die eine Anpassung auch für bereits vergangene Lohnabrechnungszeiträume ermöglichen. Arbeitgeber sind verpflichtet, die zur Verfügung gestellten Daten regelmäßig zu aktualisieren und deren rechtskonforme Anwendung sicherzustellen.
Wer ist rechtlich für die Richtigkeit der Angaben auf der Steuerkarte verantwortlich?
Rechtlich gesehen ist gemäß § 39 Abs. 4 EStG in erster Linie der Arbeitnehmer für die Richtigkeit und Aktualität der für die Lohnsteuerabzugsmerkmale relevanten Angaben verantwortlich. Der Arbeitgeber darf grundsätzlich auf die Richtigkeit der ELStAM-Daten vertrauen und ist lediglich bei offensichtlichen Fehlern oder Unrichtigkeiten verpflichtet, den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen und gegebenenfalls eine Berichtigung beim Finanzamt zu veranlassen. Änderungen hinsichtlich steuerlicher Verhältnisse (zum Beispiel Ehestand, Kinderanzahl, Konfessionszugehörigkeit) müssen vom Arbeitnehmer selbstständig und unverzüglich dem zuständigen Finanzamt gemeldet werden. Das vorsätzliche oder fahrlässige Unterlassen der Korrektur kann eine Ordnungswidrigkeit im Sinne der Abgabenordnung darstellen.
Welche Rechte hat ein Arbeitnehmer, wenn die Steuerklasse falsch auf der Steuerkarte eingetragen ist?
Stellt der Arbeitnehmer fest, dass die Steuerklasse auf der Steuerkarte beziehungsweise im ELStAM-Datensatz nicht korrekt ist, hat er das Recht und die Pflicht, einen Antrag auf Änderung der Lohnsteuerabzugsmerkmale beim zuständigen Finanzamt zu stellen. Das Finanzamt ist nach Prüfung der Sachlage verpflichtet, die Korrektur unverzüglich durchzuführen (§ 39 Abs. 4 Satz 2 EStG). Bis zur Korrektur bleibt der Arbeitgeber an die aktuell vorliegenden Daten gebunden, es sei denn, das Finanzamt teilt ihm ausdrücklich eine rückwirkende Änderung mit. Ein Anspruch auf rückwirkende Korrektur besteht insbesondere dann, wenn die falsche Steuerklasse nicht durch eigenes Verschulden des Arbeitnehmers entstanden ist. Darüber hinaus kann der Arbeitnehmer im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung zu viel gezahlte Steuern zurückfordern.
Ist die Weitergabe der Daten auf der Steuerkarte an Dritte erlaubt?
Die datenschutzrechtlichen Vorschriften, insbesondere aus der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG), legen fest, dass die in der Steuerkarte beziehungsweise in den ELStAM enthaltenen persönlichen und steuerlichen Daten ausschließlich für die Zwecke des Lohnsteuerabzugs verwendet werden dürfen. Der Arbeitgeber ist rechtlich verpflichtet, diese Informationen vertraulich zu behandeln und vor unbefugtem Zugriff zu schützen. Eine Weitergabe an Dritte – hierzu zählen auch interne Abteilungen außerhalb der Gehaltsabrechnung – ist nur dann zulässig, wenn hierfür eine gesetzliche Grundlage besteht oder der Arbeitnehmer ausdrücklich eingewilligt hat. Zuwiderhandlungen können datenschutzrechtliche Sanktionen und Schadenersatzansprüche auslösen.
Welche Besonderheiten gelten bei mehreren Beschäftigungsverhältnissen hinsichtlich der Steuerkarte?
Gemäß § 39b Abs. 2 EStG ist bei mehreren gleichzeitigen Beschäftigungsverhältnissen zwingend zu beachten, dass die Steuerklasse I-V nur für das erste Dienstverhältnis – das Hauptarbeitsverhältnis – angewendet werden darf. Alle weiteren Arbeitsverhältnisse (sogenannte Nebenjobs) müssen durch den Arbeitgeber verpflichtend mit Steuerklasse VI abgerechnet werden. Der Arbeitnehmer muss dafür Sorge tragen, dass die ELStAM dem Hauptarbeitgeber korrekt zugeordnet ist. Die missbräuchliche parallele Nutzung der günstigeren Steuerklassen für mehrere Arbeitgeber stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann steuer- und arbeitsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Ein Wechsel des Hauptarbeitgebers mit entsprechendem Wechsel der Steuerklasse muss beim Finanzamt beantragt und dem neuen Hauptarbeitgeber unverzüglich mitgeteilt werden.