Steuergeheimnis
Das Steuergeheimnis ist ein zentrales Prinzip des deutschen Steuerrechts und stellt den Schutz personenbezogener sowie unternehmensbezogener Daten vor unbefugter Offenbarung und Verwertung sicher. Es verpflichtet insbesondere Bedienstete der Finanzbehörden, steuerliche Verhältnisse natürlicher und juristischer Personen sowie betriebliche und wirtschaftliche Verhältnisse vertraulich zu behandeln. Die rechtliche Grundlage und die Ausgestaltung des Steuergeheimnisses werden im Folgenden umfassend erläutert.
Rechtsgrundlagen des Steuergeheimnisses
Steuergeheimnis nach § 30 AO
Das Steuergeheimnis ist im deutschen Recht primär in § 30 der Abgabenordnung (AO) geregelt. Die Vorschrift definiert sowohl den sachlichen Anwendungsbereich als auch die Personen, die zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet sind. Gemäß § 30 Abs. 1 AO dürfen Amtsträger, gleichgestellte Personen sowie Dritte, die bei den Finanzbehörden tätig sind, steuerliche Informationen nicht unbefugt offenbaren oder verwerten.
Historische Entwicklung
Das Steuergeheimnis entwickelte sich in Deutschland aus dem Bedürfnis, die Vertraulichkeit der vom Staat erhobenen Informationen zu gewährleisten und somit das Vertrauen in die Steuergesetzgebung zu stärken. Es ist eng verknüpft mit dem Gedanken des Steuerrechts als Vertrauensrechtsverhältnis zwischen Bürger und Staat.
Schutzumfang und Schutzbereich
Geschützte Informationen
Vom Schutzbereich des Steuergeheimnisses umfasst sind alle „Verhältnisse eines anderen“ im Zusammenhang mit den im Steuerrecht erhobenen Daten. Dazu gehören insbesondere:
- Persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse von Steuerpflichtigen
- Betriebsgeheimnisse sowie Geschäftsgeheimnisse
- Erkenntnisse aus Steuererklärungen, Betriebsprüfungen und Ermittlungsmaßnahmen
Nicht geschützt sind dagegen Daten, die ohnehin offenkundig oder allgemein zugänglich sind.
Umfang des Schutzes
Das Steuergeheimnis erstreckt sich auf sämtliche Informationen, die im Rahmen der Aufgabenerfüllung durch die Steuerbehörde erlangt oder verarbeitet werden. Die Verschwiegenheitspflicht dauert auch über die Beendigung des Dienstverhältnisses hinaus an.
Verpflichtete Personen
Zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet sind:
- Amtsträger (z. B. Beamte, Angestellte im öffentlichen Dienst)
- Personen in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis
- Privatrechtlich Beschäftigte, soweit sie Aufgaben der Steuerverwaltung wahrnehmen
- Dritte, soweit ihnen im Zusammenhang mit deren Tätigkeit steuerlich relevante Daten bekannt werden
Ausnahmen vom Steuergeheimnis
Gesetzlich geregelte Offenbarungsbefugnisse
Das Steuergeheimnis ist nicht absolut. In bestimmten Fällen gestattet das Gesetz die Offenbarung steuerlicher Daten, insbesondere dann, wenn:
- eine gesetzliche Offenbarungspflicht oder -befugnis besteht, etwa zugunsten von Ermittlungsbehörden (§ 30 Abs. 4 AO),
- das öffentliche Interesse an der Offenbarung das Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen überwiegt,
- der Steuerpflichtige einer Offenbarung zustimmt,
- eine Offenbarung für Zwecke der Strafverfolgung, der Gefahrenabwehr oder zur Durchsetzung von Steueransprüchen notwendig ist.
Offenbarung an andere Behörden
Die Übermittlung von steuerlichen Daten an andere Behörden ist unter engen Voraussetzungen zulässig, etwa im Rahmen der Zusammenarbeit mit Sozialbehörden, Polizei oder Staatsanwaltschaft. Diese Datenübermittlung muss sich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewegen und ist regelmäßig zu dokumentieren.
Das Steuergeheimnis im Vergleich zu anderen Geheimnisschutzregeln
Abgrenzung zum Datenschutz
Das Steuergeheimnis ist eigenständig neben dem allgemeinen Datenschutzrecht nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Während sich die DSGVO auf den Schutz personenbezogener Daten allgemein bezieht, schützt das Steuergeheimnis sämtliche steuerlich relevante Informationen unabhängig davon, ob es sich um personenbezogene Daten handelt oder nicht.
Verhältnis zu anderen Geheimnisschutzvorschriften
Neben dem Steuergeheimnis existieren weitere berufs- oder amtsbezogene Verschwiegenheitspflichten, wie z.B. das Sozialgeheimnis (§ 35 SGB I), das Bankgeheimnis oder das Geschäftsgeheimnis. Das Steuergeheimnis hat jedoch einen eigenen, spezialgesetzlichen Anwendungsbereich im Steuerrecht.
Rechtsfolgen bei Verletzung des Steuergeheimnisses
Strafbarkeit und Ahndung
Die unbefugte Offenbarung von steuerlichen Informationen ist eine Straftat nach § 355 Strafgesetzbuch (StGB) und kann mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden. In besonders schweren Fällen, wie bei gewerbsmäßiger oder bandenmäßiger Begehung, können höhere Strafen verhängt werden.
Disziplinarrechtliche Folgen
Amtsträger, die das Steuergeheimnis verletzen, müssen zudem mit disziplinarrechtlichen Konsequenzen rechnen. Diese reichen von dienstrechtlichen Abmahnungen bis hin zur Entfernung aus dem Dienst.
Zivilrechtliche Ansprüche
Betroffene Steuerpflichtige können unter Umständen auf Schadensersatz klagen, sofern ihnen durch die unbefugte Offenbarung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist.
Bedeutung und Ziele des Steuergeheimnisses
Vertrauensschutz
Das Steuergeheimnis dient maßgeblich dem Vertrauensschutz des Steuerpflichtigen gegenüber dem Staat. Nur durch die Wahrung der Vertraulichkeit kann die freiwillige und wahrheitsgemäße Steuererklärung sowie die Kooperation mit den Finanzbehörden sichergestellt werden.
Steuerliches Massenverfahren und Informationssicherheit
In einer Massengesetzgebung wie dem Steuerrecht, in dem eine Vielzahl von Daten erhoben und verarbeitet werden, ist der besondere Schutz dieser Informationen unerlässlich. Das Steuergeheimnis trägt so zur Akzeptanz und Funktionsfähigkeit des Steuersystems bei.
Hinweis: Der Begriff „Steuergeheimnis“ ist ein zentraler Bestandteil des deutschen Steuerrechts und findet auch in anderen Ländern, zum Beispiel in Österreich und der Schweiz, vergleichbare Ausgestaltungen. Die konkrete Ausgestaltung und Reichweite kann im internationalen Kontext jedoch abweichen.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist vom Steuergeheimnis verpflichtet?
Vom Steuergeheimnis sind grundsätzlich alle Amtsträger erfasst, die bei der Durchführung steuerlicher Gesetze tätig sind. Dies umfasst insbesondere die Mitarbeiter der Finanzbehörden, wie etwa Finanzbeamte, sowie weitere, mit Steuerangelegenheiten betraute Behördenangehörige. Darüber hinaus erstreckt sich die Verpflichtung auf sogenannte „gleichgestellte Personen,“ wie beispielsweise Gutachter, Sachverständige, Dolmetscher und Übersetzer, die im Rahmen eines steuerlichen Verfahrens tätig werden. Auch Personen in Ausbildung, Praktikanten oder Beisitzer in Steuerrechtsausschüssen unterliegen dem Steuergeheimnis. Die Verschwiegenheitspflicht bleibt dabei auch nach Beendigung der jeweiligen Tätigkeit bestehen. Grundlage dieser Verpflichtung ist § 30 der Abgabenordnung (AO), der die Wahrung des Steuergeheimnisses als persönliche Pflicht ausgestaltet und Verstöße mit strafrechtlichen und disziplinarischen Konsequenzen ahndet.
Welche Informationen sind vom Steuergeheimnis umfasst?
Das Steuergeheimnis schützt sämtliche „vertraulichen steuerlichen Verhältnisse“ natürlicher und juristischer Personen. Dazu zählen insbesondere alle Angaben, die im Zusammenhang mit der steuerlichen Erfassung, Festsetzung, Erhebung und Vollstreckung stehen. Beispiele hierfür sind Einkommensverhältnisse, betriebliche Umsätze, Vermögensverhältnisse, steuerliche Bewertungen und Steuerschulden. Geschützt sind nicht nur die Daten, die durch Steuerpflichtige selbst oder deren Vertreter mitgeteilt werden, sondern auch Informationen, die im Zuge der behördlichen Tätigkeit – etwa durch Betriebsprüfungen oder Ermittlungen – erlangt werden. Das Steuergeheimnis erstreckt sich auch auf Sachverhalte, aus denen Rückschlüsse auf steuerrelevante Tatbestände gezogen werden können. Die Schutzwirkung bleibt zudem auch nach Erledigung eines Steuerverfahrens bestehen.
In welchen Fällen darf das Steuergeheimnis ausnahmsweise durchbrochen werden?
Das Steuergeheimnis wird nach dem Grundsatz der Vertraulichkeit strikt geschützt, jedoch sieht § 30 Abs. 4 AO bestimmte Ausnahmetatbestände vor. Zu den wichtigsten Ausnahmen zählen die ausdrückliche Einwilligung des Betroffenen, ein zwingendes öffentliches Interesse, sowie Fälle, in denen die Offenbarung zur Durchführung eines Strafverfahrens erforderlich ist. Weitere Ausnahmen gelten etwa im Rahmen des internationalen Informationsaustausches, etwa mit ausländischen Steuerbehörden bei Verdacht auf Steuerstraftaten oder im Rahmen europarechtlicher Verpflichtungen. Auch gegenüber bestimmten anderen Behörden wie Gerichten oder Sozialversicherungsträgern kann eine Offenbarung zulässig sein, sofern eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage besteht. In jedem Einzelfall sind die Voraussetzungen und der Umfang der Offenbarung jedoch strikt zu prüfen und zu dokumentieren.
Welche Folgen hat ein Verstoß gegen das Steuergeheimnis?
Ein Verstoß gegen das Steuergeheimnis stellt eine Straftat dar, die nach § 355 Strafgesetzbuch (StGB) mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe geahndet werden kann. Bei vorsätzlich begangenen Verletzungen drohen darüber hinaus disziplinarrechtliche Konsequenzen, wie etwa die Entfernung aus dem Dienst im Beamtenverhältnis. Auch fahrlässige Verstöße können zu Maßnahmen führen, etwa zu einer Abmahnung oder einem Bußgeld nach den anzuwendenden Disziplinargesetzen. Ferner kann der geschädigte Steuerpflichtige zivilrechtliche Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz geltend machen, sofern ihm durch die unbefugte Offenbarung seiner steuerlichen Verhältnisse ein Schaden entstanden ist.
Welche Rolle spielt das Steuergeheimnis im Rahmen von Gerichtsverfahren?
Im Rahmen von Gerichtsverfahren, insbesondere in Steuer- und Finanzgerichtsprozessen, hat das Steuergeheimnis eine besondere Bedeutung. Nach § 30 Abs. 4 Nr. 1 AO kann das Steuergeheimnis durchbrochen werden, wenn die Offenbarung der Tatsachen zur Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens in Steuersachen erforderlich ist. Allerdings sind dabei die Offenbarung und die Verwertung auf das absolut erforderliche Maß zu beschränken. Gerichte und Richter sowie die an Gerichtsverfahren beteiligten Personen sind ebenfalls zur Wahrung des Steuergeheimnisses verpflichtet. Die Akteneinsicht und die Veröffentlichung von Urteilen dürfen steuerlich sensible Informationen nur im zwingend notwendigen Umfang offenlegen oder müssen diese anonymisieren, um Rückschlüsse auf die steuerlichen Verhältnisse einzelner Personen zu vermeiden.
Gilt das Steuergeheimnis auch gegenüber Dritten, wie Angehörigen oder Arbeitgebern?
Das Steuergeheimnis gilt grundsätzlich auch gegenüber Dritten, zu denen weder ein dienstliches noch ein gesetzliches Verhältnis im Zusammenhang mit dem Steuerfall besteht. Das umfasst insbesondere Familienangehörige, Arbeitgeber oder Geschäftspartner des Steuerpflichtigen. Eine Offenbarung von steuerlichen Angelegenheiten gegenüber solchen Dritten ist nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Einwilligung des Betroffenen zulässig oder wenn eine ausdrückliche gesetzliche Ausnahme – etwa im Rahmen von Unterhaltsverfahren oder der Geltendmachung von Steuererstattungsansprüchen durch Dritte – besteht. Die Einhaltung des Steuergeheimnisses ist strikt zu kontrollieren; Verstöße sind auch bei unbefugter Offenbarung gegenüber dem engsten Familienkreis zu sanktionieren.
Kann das Steuergeheimnis durch Auskunftsansprüche, wie etwa dem Informationsfreiheitsgesetz, eingeschränkt werden?
Das Steuergeheimnis hat als spezialgesetzliche Verschwiegenheitspflicht Vorrang vor allgemeinen Auskunfts- und Informationsansprüchen aus dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) oder vergleichbaren Landesgesetzen. Auskünfte über steuerliche Verhältnisse können daher nicht durch einen allgemeinen Antrag auf Informationszugang erlangt werden, wenn das Steuergeheimnis greift. Nur in ausdrücklich geregelten gesetzlichen Ausnahmefällen – beispielsweise im Rahmen von Auskünften über Abgabenschulden bei Immobilienveräußerungen an Kaufinteressenten (§ 69 Abs. 1 Satz 2 AO) – kann das Steuergeheimnis durch spezifische Rechtsgrundlagen eingeschränkt werden. Grundsätzlich bleibt der besondere Schutz des Steuergeheimnisses gegenüber allgemeinen Transparenzregelungen bestehen.