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Steuergefährdung


Begriff der Steuergefährdung

Die Steuergefährdung ist ein im deutschen Steuerrecht verankerter Begriff, der Situationen beschreibt, in denen staatliche Steueransprüche gefährdet sind, ohne dass bereits ein strafbares Verhalten, wie die Steuerhinterziehung, vorliegt. Die Steuergefährdung erfasst insbesondere Fälle, in denen Handlungen oder Unterlassungen die ordnungsgemäße Festsetzung oder Erhebung von Steuern beeinträchtigen können. Sie bildet einen relevanten Anknüpfungspunkt für steuerliche Nebenpflichten sowie für bestimmte Ordnungswidrigkeiten im Rahmen des steuerlichen Verfahrensrechts.

Rechtliche Grundlagen und Normierung

Die Legaldefinition im Steuerrecht

Im deutschen Steuerrecht ist der Begriff der Steuergefährdung nicht explizit als eigenständiger Straftatbestand normiert, sondern findet sich als Tatbestandsmerkmal in verschiedenen Vorschriften wieder. Relevante Regelungen enthalten unter anderem:

  • § 379 Abgabenordnung (AO): Gefährdungstatbestände

Diese Vorschrift sanktioniert die Verletzung steuerlicher Verfahrenspflichten, wenn dadurch die Steuerfestsetzung oder die Steuererhebung gefährdet wird.

  • § 169 Abs. 2 Satz 2 AO: Festsetzungsfrist bei Steuergefährdung

Hierdurch werden besondere Regeln für die Verjährung von Ansprüchen begründet, wenn eine Steuer durch fahrlässige Falschangaben oder unterlassene Mitwirkungshandlungen gefährdet wurde.

Beispiele gesetzlicher Gefährdungstatbestände

Steuergefährdungstatbestände finden sich typischerweise bei folgenden Konstellationen:

  • Verletzung von Mitteilungspflichten (§ 138 AO)
  • Missachtung von Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten (§§ 140 ff. AO)
  • Unterlassen der Vorlage von Steueranmeldungen oder Steuererklärungen
  • Falsche oder unvollständige Angaben bei steuerlich relevanten Vorgängen

Abgrenzung zur Steuerhinterziehung und zur Steuerordnungswidrigkeit

Steuergefährdung versus Steuerhinterziehung

Die Steuergefährdung zeichnet sich dadurch aus, dass die Steuerfestsetzung oder -erhebung lediglich bedroht oder erschwert, jedoch noch nicht verhindert oder vereitelt wird. Dies unterscheidet sie maßgeblich von der Steuerhinterziehung nach § 370 AO, bei der durch vorsätzliches Handeln Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt werden.

Wichtige Unterscheidungsmerkmale sind:

  • Bei der Steuergefährdung steht die abstrakte Gefährdung der Steuereinnahmen im Vordergrund.
  • Steuerhinterziehung setzt eine vollendete Tat, meist mit Schädigung des Steueraufkommens, voraus.

Steuergefährdung und Steuerordnungswidrigkeiten

Steuergefährdung kann Bußgeldtatbestände auslösen, beispielsweise die Leichtfertigkeitstatbestände nach § 378 AO (leichtfertige Steuerverkürzung) oder diverse Ordnungswidrigkeiten nach §§ 379, 380 AO. Für eine Ordnungswidrigkeit genügt bereits die abstrakte Gefährdung staatlicher Steueransprüche aufgrund von Pflichtverletzungen.

Tatbestandsmerkmale der Steuergefährdung

Gefährdungsmoment

Zentrales Merkmal ist das Gefährdungsmoment, das regelmäßig dann vorliegt, wenn durch ein bestimmtes Verhalten die zutreffende Festsetzung oder Einziehung einer Steuer objektiv erschwert oder unmöglich gemacht wird. Es reicht, dass der Eintritt eines Schadens für das Steueraufkommen naheliegt; ein tatsächlicher Steuerschaden ist nicht erforderlich.

Handlungs- und Unterlassungsformen

Steuergefährdende Handlungen sind sowohl aktive Falschangaben als auch Unterlassungen. Beispiele sind:

  • verspätete, fehlerhafte oder unterlassene Abgaben von Steuererklärungen
  • Nichtbefolgung von Anfragen oder Prüfungsanordnungen des Finanzamts
  • Nicht-Mitteilung von steuerlich relevanten Informationen

Subjektives Tatbestandselement

Für die Verwirklichung der Steuergefährdung im Sinne der Ordnungswidrigkeitsvorschriften genügt in der Regel leichte Fahrlässigkeit. Vorsätzliches oder bewusstes Handeln ist für viele Gefährdungstatbestände nicht zwingend erforderlich.

Rechtsfolgen der Steuergefährdung

Bußgeld

Wird durch eine steuergefährdende Handlung oder Unterlassung ein gesetzlich normierter Tatbestand verwirklicht, droht ein Bußgeld. Die Bemessung erfolgt nach den Vorgaben des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG).

Steuerverfahren und Fristenhemmung

Die Feststellung einer Steuergefährdung kann zu verlängerten Festsetzungsfristen führen und den Eintritt der Festsetzungsverjährung verhindern (§ 169 Abs. 2 AO). Zudem sind mit einer Gefährdungstat zumeist erhöhte Dokumentations- und Mitwirkungspflichten verbunden.

Weitere steuerverfahrensrechtliche Folgen

  • Anordnung von Steueraufsicht- und Steuerschutzmaßnahmen
  • Möglichkeit der Sicherheitsleistung (§ 322 AO)
  • Versagung steuerlicher Vergünstigungen oder Erleichterungen

Bedeutung der Steuergefährdung in der Praxis

Präventive Funktion

Die Steuergefährdung dient dem präventiven Schutz staatlicher Steueransprüche. Sie verpflichtet zur besonderen Sorgfalt bei der Erfüllung steuerlicher Pflichten und sichert die Verlässlichkeit des Besteuerungsverfahrens.

Bedeutung in Betriebsprüfungen und Selbstanzeigen

Im Rahmen von Betriebsprüfungen wird regelmäßig geprüft, ob steuergefährdende Sachverhalte vorliegen. Auch im Zusammenhang mit Selbstanzeigen (§ 371 AO) spielt die Abgrenzung zur Steuergefährdung eine Rolle, da nicht jede gefahrbringende Handlung die Schwelle zur Steuerhinterziehung überschreitet.

Literatur und Weblinks

  • Abgabenordnung (AO)
  • Fachliteratur zum Steuerstrafrecht
  • Informationen und Merkblätter der Finanzbehörden

[Quellenangaben gemäß aktueller Rechtsprechung und Literatur sind an die individuellen Bedürfnisse des Nutzers anzupassen.]


Hinweis: Die Steuergefährdung ist ein zentraler Bestandteil des deutschen Steuerrechts und schützt das Steueraufkommen durch die Sanktionierung von Handlungen, die für den Fiskus risikobehaftet sein können, ohne zwingend eine Steuerverkürzung zu bewirken. Eine genaue Kenntnis der gesetzlichen Regelungen hilft, ungewollte Haftungsrisiken zu vermeiden.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei einer Steuergefährdung?

Bei einer Steuergefährdung drohen je nach Ausmaß der Gefährdung und individueller Sachlage unterschiedliche rechtliche Konsequenzen. Steuergefährdung führt nicht zwangsläufig zu einer Bestrafung, kann aber bereits verwaltungsrechtliche Maßnahmen wie Korrekturmaßnahmen oder Nachforderungsbescheide nach sich ziehen. Kommt es zur Feststellung einer vorsätzlichen oder leichtfertigen Steuerverkürzung, greifen die §§ 370 ff. der Abgabenordnung (AO). Neben Geldbußen oder Zwangsgeldern kann insbesondere im Fall von vorsätzlicher Steuerhinterziehung zusätzlich das Strafrecht zur Anwendung kommen, was Geld- oder Freiheitsstrafen zwischen bis zu fünf Jahren, in schweren Fällen sogar bis zu zehn Jahren bedeuten kann. Ein besonderes Augenmerk liegt darauf, ob der Steuerpflichtige fahrlässig oder vorsätzlich gehandelt hat, da hiervon die Schwere der Sanktionen abhängt. Eine Steuergefährdung kann daher den Eintritt in ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren nach sich ziehen, einschließlich etwaiger Nebenfolgen wie Berufsverbote oder Vermögenseinziehungen.

Welche Mitwirkungspflichten bestehen im Zusammenhang mit einer Steuergefährdung?

Im Rahmen der Steuergefährdung gilt für den Steuerpflichtigen eine umfassende Mitwirkungspflicht. Diese ergibt sich insbesondere aus den §§ 90 ff. AO und umfasst die wahrheitsgemäße, vollständige und rechtzeitige Offenlegung aller steuerlich relevanten Sachverhalte gegenüber der Finanzverwaltung. Im Rahmen der Gefährdungstatbestände ist der Steuerpflichtige verpflichtet, Auskünfte zu erteilen, Unterlagen vorzulegen und etwaige Unklarheiten auf Nachfrage des Finanzamts zu beseitigen. Kommt der Steuerpflichtige diesen Pflichten nicht nach, kann dies nicht nur ordnungswidrigkeitenrechtliche, sondern auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen (etwa wegen Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung). Zudem erhält das Finanzamt im Verdachtsfall umfassende Ermittlungsbefugnisse, einschließlich Durchsuchungen und Beschlagnahmungen.

Wie unterscheidet sich die Steuergefährdung von der vollendeten Steuerhinterziehung?

Rechtlich betrachtet stellt die Steuergefährdung einen Vorfeldtatbestand zur vollendeten Steuerhinterziehung dar. Während bei der vollendeten Steuerhinterziehung eine Steuer zu niedrig festgesetzt oder nicht erhoben wurde (§ 370 AO), genügt bei der Steuergefährdung bereits die Schaffung eines unmittelbaren Risikos, dass der Steueranspruch gefährdet wird. Die Gefahr kann etwa dadurch entstehen, dass unvollständige Angaben gemacht oder steuerlich erhebliche Tatsachen verschwiegen werden, auch wenn das Finanzamt die Steuer (noch) korrekt festgesetzt hat. Eine vollendete Hinterziehung liegt hingegen erst vor, wenn durch das Handeln des Steuerpflichtigen tatsächlich ein Steuervorteil erlangt wurde. Die strafrechtliche Relevanz beginnt zumeist bereits mit dem Gefährdungstatbestand, da auch der Versuch der Steuerhinterziehung strafbar ist.

Ist eine Selbstanzeige bei Steuergefährdung möglich und welche Auswirkungen hat sie?

Eine strafbefreiende Selbstanzeige ist im Zusammenhang mit der Steuergefährdung grundsätzlich nach § 371 AO möglich, sofern noch keine Entdeckung der Gefährdung oder Hinterziehung durch die Finanzbehörden stattgefunden hat. Durch die Selbstanzeige erhält der Steuerpflichtige die Möglichkeit, seine bislang unvollständig oder unrichtig offenbarten Sachverhalte nachzuerklären und die hinterzogene oder gefährdete Steuer nachzuentrichten. Voraussetzung für die Wirksamkeit der Selbstanzeige ist die vollständige und umfassende Berichtigung aller relevanten Steuerarten und Besteuerungszeiträume. Liegt eine wirksame Selbstanzeige vor, entfällt die Strafbarkeit wegen Steuerhinterziehung oder leichtfertiger Steuerverkürzung. Ist die Tat bereits entdeckt oder hat ein Prüfer der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen, ist die strafbefreiende Wirkung grundsätzlich ausgeschlossen.

Welche Ermittlungsbefugnisse stehen den Finanzbehörden bei Verdacht einer Steuergefährdung zu?

Im Verdachtsfall einer Steuergefährdung stehen den Finanzbehörden mittels §§ 208, 210 AO umfangreiche Ermittlungsbefugnisse zu. Hierzu zählt zunächst die Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung, die vom Betreten der Geschäftsräume über die Einsichtnahme in Unterlagen bis hin zur Befragung von Mitarbeitern reicht. Bei konkretem Verdacht auf eine Steuerstraftat sind zudem strafprozessuale Maßnahmen wie Durchsuchungen, Beschlagnahmen (gemäß §§ 102 ff. StPO in Verbindung mit § 399 AO) sowie die Anordnung zur Sicherung von Beweismitteln möglich. Des Weiteren besteht die Möglichkeit, Auskünfte bei Dritten einzuholen oder sogenannte Kontrollmitteilungen zu erstellen. Die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens begründet zudem die Möglichkeit, Ermittlungen auch ohne Kenntnis des Steuerpflichtigen durchzuführen.

Gilt bei Steuergefährdung eine Verjährungsfrist und wie lange ist diese?

Auch bei Steuergefährdung greifen die gesetzlichen Verjährungsvorschriften nach der Abgabenordnung. Für Steuerhinterziehung beträgt die Festsetzungsverjährung gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 AO zehn Jahre. Die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit, etwa bei leichtfertiger Steuerverkürzung (§ 378 AO), verjährt nach fünf Jahren gemäß § 376 AO. Strafverfolgungsverjährung tritt bei Steuerhinterziehung nach fünf bis zehn Jahren (§ 78 StGB) ein, abhängig vom Ausmaß der hinterzogenen Steuern. Maßgeblich ist jeweils der Zeitpunkt der Tatbeendigung, wobei laufende Ermittlungen die Verjährung hemmen oder unterbrechen können. Bei einer reinen Gefährdung ohne vollendete Steuerverkürzung sind die Fristen regelmäßig kürzer, es empfiehlt sich stets eine sorgfältige Prüfung des Einzelfalls.