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Steuerfestsetzungsverfahren

Was ist das Steuerfestsetzungsverfahren?

Das Steuerfestsetzungsverfahren ist das verwaltungsrechtliche Verfahren, in dem die Finanzbehörden die Höhe einer Steuer ermitteln und verbindlich festlegen. Ergebnis ist regelmäßig ein Steuerbescheid, der die Steuerschuld für einen bestimmten Zeitraum oder einen bestimmten Sachverhalt festsetzt. Das Verfahren dient der gesetzmäßigen und gleichmäßigen Erhebung von Steuern und bildet die Grundlage für spätere Zahlungsansprüche des Staates sowie für Rechtsbehelfe der Betroffenen.

Zweck und Grundprinzipien

Gleichmäßigkeit und Gesetzesbindung

Die Festsetzung soll sicherstellen, dass Steuern nach den geltenden materiellen Regeln erhoben werden und alle Betroffenen gleichbehandelt werden. Entscheidungen der Finanzbehörden müssen sich an rechtlich vorgegebenen Maßstäben orientieren.

Amtsermittlung und Mitwirkung

Die Finanzbehörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Gleichzeitig bestehen Mitwirkungspflichten der Betroffenen, etwa durch Abgabe von Steuererklärungen, Vorlage von Unterlagen und Erteilung von Auskünften. Fehlen ausreichende Informationen, kann die Behörde schätzen.

Form, Verständlichkeit und Digitalisierung

Das Verfahren erfolgt weitgehend schriftlich und zunehmend elektronisch. Steuererklärungen, Mitteilungen und Bescheide werden standardisiert erstellt und bekanntgegeben, um Nachvollziehbarkeit und Rechtssicherheit zu gewährleisten.

Beteiligte und Zuständigkeit

Steuerpflichtige, Haftungsschuldner und Dritte

Beteiligte sind insbesondere die steuerpflichtigen Personen oder Unternehmen. In besonderen Fällen können Dritte in Anspruch genommen werden, etwa als Haftende oder als Arbeitgeber bei Anmeldesteuern. Auch Datenlieferanten (z. B. Banken, Versicherungen) wirken durch gesetzliche Meldepflichten mittelbar mit.

Finanzbehörden

Örtlich und sachlich zuständig sind die Finanzämter nach den jeweils geltenden Zuständigkeitsregeln. Sie führen die Ermittlung, rechtliche Würdigung, Festsetzung und Bekanntgabe durch.

Vertretung und Kommunikation

Die Beteiligten können sich vertreten lassen. Die Kommunikation erfolgt schriftlich, elektronisch oder mündlich; maßgeblich für Fristen und Rechtsfolgen ist die wirksame Bekanntgabe behördlicher Entscheidungen.

Ablauf des Verfahrens

Anstoß des Verfahrens

Steuererklärung und Steueranmeldung

Regelmäßig beginnt das Verfahren mit der Abgabe einer Steuererklärung (z. B. Einkommen-, Körperschaft-, Gewerbe- oder Umsatzsteuer) oder mit einer Steueranmeldung (z. B. Lohnsteuer, Umsatzsteuervoranmeldung). Anmeldungen können unmittelbar zur Steuerfestsetzung führen.

Datenabgleich und Kontrollmitteilungen

Die Finanzbehörde nutzt Kontrollmitteilungen, elektronische Meldungen und Plausibilitätsprüfungen. Abweichungen können Rückfragen oder weitergehende Ermittlungen auslösen.

Ermittlung und Prüfung

Sachverhaltsermittlung

Die Behörde klärt die maßgeblichen Tatsachen. Als Beweismittel kommen Urkunden, Aufzeichnungen, Auskünfte, Auszüge, Auskünfte Dritter sowie Ortsbesichtigungen in Betracht. Es bestehen Aufbewahrungs- und Vorlagepflichten.

Außenprüfung

Bei Unternehmen und in besonderen Fällen kann eine Außenprüfung angeordnet werden. Feststellungen der Außenprüfung fließen in die Steuerfestsetzung ein.

Festsetzung und Bescheid

Arten der Festsetzung

  • Endgültige Festsetzung: abschließende Entscheidung über die Steuer.
  • Vorläufige Festsetzung: die Steuer wird vorläufig festgesetzt, wenn bestimmte Punkte offen sind; eine spätere Anpassung bleibt möglich.
  • Festsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung: ermöglicht eine umfassende spätere Überprüfung und Anpassung.

Schätzung

Wenn Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt werden können oder die Mitwirkung unzureichend ist, kann die Behörde schätzen. Die Schätzung muss nachvollziehbar und realitätsnah sein.

Steuerbescheid

Der Steuerbescheid enthält die festgesetzte Steuer, Berechnungsgrundlagen, Hinweise zur Fälligkeit und eine Begründung. Mit wirksamer Bekanntgabe entfaltet der Bescheid rechtliche Wirkungen. Er kann selbständig oder in Verbindung mit Nebenentscheidungen (z. B. Zinsen) ergehen.

Fälligkeit, Anrechnung und Vorauszahlungen

Die festgesetzte Steuer wird mit Bekanntgabe des Bescheids fällig, sofern keine andere Fälligkeit bestimmt ist. Bereits geleistete Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträge (z. B. Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer) werden angerechnet. Erstattungsansprüche oder Nachzahlungen ergeben sich aus der Verrechnung.

Fristen und Verjährung

Festsetzungsfrist

Die Festsetzung ist nur innerhalb der Festsetzungsfrist zulässig. Diese beginnt in der Regel mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist, und beträgt regelmäßig mehrere Jahre. Bei leichtfertigen Falschangaben verlängert sie sich; bei vorsätzlicher Hinterziehung gilt ein deutlich längerer Zeitraum. Besonderheiten gelten für den Fristbeginn, wenn Erklärungen verspätet abgegeben werden.

Ruhen, Hemmung und Ablaufhemmung

Unter bestimmten Voraussetzungen kann der Fristablauf gehemmt oder hinausgeschoben sein, etwa während einer Außenprüfung, im Rahmen von Rechtsbehelfsverfahren oder bei vorläufigen Festsetzungen. Dadurch bleibt eine spätere Anpassung möglich.

Bekanntgabe und Fristberechnung

Für die Einhaltung von Fristen ist der Zeitpunkt der wirksamen Bekanntgabe maßgeblich. Die Berechnung folgt allgemeinen Fristenregeln, unter Einschluss von Wochenenden und Feiertagen nach den einschlägigen Vorschriften.

Korrekturen und Änderungen

Änderungsbescheid

Ein bereits erlassener Steuerbescheid kann durch Änderungsbescheid angepasst werden, wenn die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Änderungsgründe sind gesetzlich umschrieben und unterscheiden sich nach Anlass und Zeitpunkt.

Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten

Offenbare Schreib- oder Rechenfehler können berichtigt werden. Dies betrifft rein mechanische Versehen, nicht aber strittige Rechtsfragen.

Neue Tatsachen und Beweismittel

Werden nachträglich erhebliche Tatsachen oder Beweismittel bekannt, kann dies eine Änderung ermöglichen. Dabei ist zu unterscheiden, ob die neuen Umstände bereits früher hätten erkannt werden können.

Vorläufigkeit und spätere Endgültigkeit

Bei vorläufigen Festsetzungen wird der Bescheid später angepasst, wenn die offenen Punkte geklärt sind. Der Übergang in die Endgültigkeit erfolgt durch Änderungsbescheid oder konkludent, wenn die Voraussetzungen entfallen.

Rechtsbehelfe und Rechtsschutz

Einspruch

Gegen Steuerbescheide steht der Einspruch als behördliches Rechtsmittel offen. Er ist fristgebunden und ermöglicht eine vollständige Überprüfung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht. Die Behörde kann abhelfen, den Bescheid ändern oder den Einspruch zurückweisen.

Aussetzung der Vollziehung

Die Vollziehbarkeit eines angefochtenen Bescheids kann unter bestimmten Voraussetzungen vorläufig ausgesetzt werden. Das dient der vorübergehenden Sicherung, bis über die Rechtmäßigkeit entschieden ist.

Klage zum Finanzgericht

Wird dem Einspruch nicht abgeholfen, ist der gerichtliche Rechtsschutz eröffnet. Die gerichtliche Kontrolle erfasst Tatsachen- und Rechtsfragen im Umfang der Anfechtung.

Besondere Konstellationen

Grundlagen- und Folgebescheide

In mehrstufigen Verfahren (z. B. bei Personengesellschaften) werden Grundlagen in einem gesonderten Verfahren festgestellt. Diese sind für den Folgebescheid bindend. Änderungen des Grundlagenbescheids wirken auf den Folgebescheid fort.

Anmeldesteuern

Bei Anmeldesteuern (z. B. Lohnsteuer, Umsatzsteuer) erfolgt die Festsetzung durch Abgabe der Anmeldung. Eine spätere Prüfung und Änderung bleibt möglich.

Vorauszahlungen

Für laufende Steuern werden Vorauszahlungen festgesetzt. Sie beruhen auf voraussichtlichen Ergebnissen und werden mit der Jahresfestsetzung verrechnet.

Datenschutz und Verfahrensgrundsätze

Datenverarbeitung

Personen- und Unternehmensdaten werden nur zu steuerlichen Zwecken verarbeitet. Der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist zu beachten. Übermittlungen erfolgen auf gesetzlicher Grundlage und nach Maßgabe der Zweckbindung.

Rechtliches Gehör und Begründung

Vor nachteiligen Entscheidungen ist das rechtliche Gehör zu wahren, soweit dies vorgesehen ist. Bescheide sind zu begründen, damit sie nachvollziehbar und überprüfbar sind.

Abgrenzung zur Steuererhebung und Vollstreckung

Das Steuerfestsetzungsverfahren klärt die Entstehung und Höhe der Steuerschuld. Die anschließende Steuererhebung betrifft Zahlung, Stundung und Vollstreckung. Beide Bereiche sind rechtlich getrennt, bauen jedoch aufeinander auf.

Häufig gestellte Fragen zum Steuerfestsetzungsverfahren

Worin besteht der Unterschied zwischen Steuerfestsetzung und Steuererhebung?

Die Steuerfestsetzung legt die Höhe der Steuerschuld verbindlich fest und endet mit dem Steuerbescheid. Die Steuererhebung regelt Zahlung, Verrechnung, Stundung und Vollstreckung der festgesetzten Beträge.

Wann beginnt und endet die Festsetzungsfrist?

Die Festsetzungsfrist beginnt in der Regel mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entsteht. Sie beträgt im Normalfall mehrere Jahre und kann sich bei bestimmten Pflichtverstößen oder strafbarem Verhalten verlängern. Prüfungen und Rechtsbehelfe können den Ablauf hinausschieben.

Welche Bedeutung hat der Steuerbescheid?

Der Steuerbescheid ist die verbindliche Entscheidung über die Steuerschuld. Er enthält Berechnungsgrundlagen, Hinweise zu Fälligkeit und gegebenenfalls Nebenentscheidungen. Mit der wirksamen Bekanntgabe entfaltet er Bindungswirkung, kann aber unter den gesetzlichen Voraussetzungen geändert werden.

Was bedeutet eine vorläufige Festsetzung oder ein Vorbehalt der Nachprüfung?

Bei einer vorläufigen Festsetzung bleiben bestimmte Punkte offen und können später angepasst werden. Ein Vorbehalt der Nachprüfung ermöglicht eine umfassende spätere Überprüfung der gesamten Festsetzung. In beiden Fällen sind spätere Änderungen erleichtert.

Was geschieht, wenn keine Steuererklärung abgegeben wird?

Bleibt eine Erklärung aus, kann die Finanzbehörde die Besteuerungsgrundlagen schätzen und auf dieser Basis die Steuer festsetzen. Zusätzlich können Verspätungsfolgen und weitere Maßnahmen vorgesehen sein.

Kann ein Steuerbescheid nachträglich geändert werden?

Eine nachträgliche Änderung ist möglich, wenn gesetzlich vorgesehene Änderungsgründe vorliegen, etwa bei neuen Tatsachen, offenbaren Unrichtigkeiten, vorläufigen Festsetzungen oder innerhalb der einschlägigen Fristen.

Welche Rolle spielen Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträge?

Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträge werden auf die festgesetzte Jahressteuer angerechnet. Daraus kann sich eine Nachzahlung oder Erstattung ergeben. Die Höhe künftiger Vorauszahlungen kann auf Grundlage aktueller Erkenntnisse angepasst werden.

Welche Rechtsbehelfe gibt es gegen eine Steuerfestsetzung?

Gegen Steuerbescheide steht der Einspruch zur Verfügung. Wird diesem nicht abgeholfen, ist die Klage beim Finanzgericht möglich. Unter bestimmten Voraussetzungen kann die Vollziehung vorläufig ausgesetzt werden.