Steuerbußgeldverfahren
Das Steuerbußgeldverfahren stellt ein wesentliches Instrument der deutschen Finanzbehörden zur Ahndung und Verfolgung steuerlicher Ordnungswidrigkeiten dar. Es dient neben dem Steuerstrafverfahren der Sicherstellung der ordnungsgemäßen Besteuerung und dem Schutz des öffentlichen Interesses an der Steuerehrlichkeit. Das Steuerbußgeldverfahren kommt insbesondere bei Verstößen gegen steuerliche Pflichten zum Einsatz, sofern keine strafbare Handlung im engeren Sinne vorliegt.
Begriff und Rechtsgrundlagen
Das Steuerbußgeldverfahren ist ein Verwaltungsverfahren, das insbesondere durch die Abgabenordnung (AO) und das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) geregelt wird. Es bezieht sich auf das Ahnden von Ordnungswidrigkeiten im Bereich des Steuerrechts, die nach § 378 AO (leichtfertige Steuerverkürzung) und § 379 AO (Steuergefährdung) geahndet werden können.
Definition
Unter einem Steuerbußgeldverfahren versteht man das behördliche Verfahren zur Verfolgung und Ahndung von steuerlichen Ordnungswidrigkeiten mit dem Ziel der Festsetzung einer Geldbuße. Es grenzt sich ab vom Steuerstrafverfahren, das bei Verdacht auf eine Steuerstraftat, insbesondere nach § 370 AO (Steuerhinterziehung), eingeleitet wird.
Gesetzliche Grundlagen
- Abgabenordnung (AO): Wesentliche Vorschriften finden sich in den §§ 377-384 AO.
- Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG): Nach § 410 AO findet das OWiG sinngemäß Anwendung, soweit die AO keine abweichenden Regelungen enthält.
- Ergänzende Bestimmungen: Weitere Vorgaben ergeben sich aus den Vorschriften über das Verwaltungsverfahren und den Verfahrensgrundsätzen des Steuerrechts.
Anwendungsbereich und Abgrenzungen
Abgrenzung zum Steuerstrafverfahren
Während das Steuerstrafverfahren bei vorsätzlichen Handlungen wie Steuerhinterziehung eingreift, betrifft das Steuerbußgeldverfahren meist fahrlässige oder leichtfertige Verstöße gegen steuerliche Pflichten.
Beispiele für steuerliche Ordnungswidrigkeiten
- Leichtfertige Steuerverkürzung: Wenn Steuerpflichtige ihre Pflichten nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erfüllen und dadurch Steuern verkürzt werden (§ 378 AO).
- Gefährdung von Steuern: Fehlerhafte Buchführung oder Nichtabgabe von Steuererklärungen, welche die Festsetzung von Steuern erschweren (§ 379 AO).
Ablauf des Steuerbußgeldverfahrens
Einleitung des Verfahrens
Das Steuerbußgeldverfahren wird von den Finanzbehörden eingeleitet, wenn ein Anfangsverdacht für eine steuerliche Ordnungswidrigkeit besteht. Ausgangspunkt sind meist Betriebsprüfungen, Kontrollmitteilungen oder Hinweise aus anderen Verwaltungsverfahren.
Ermittlungen und Beteiligtenrechte
Die Finanzbehörde ermittelt die Sach- und Rechtslage eigenständig. Betroffene erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme und Einsicht in die Akten. Die Beteiligtenrechte orientieren sich am Verwaltungsverfahrensrecht und am Ordnungswidrigkeitenrecht.
Bußgeldbescheid
Liegen ausreichende Anhaltspunkte vor, setzt die Behörde durch einen Bußgeldbescheid eine Geldbuße fest. Der Bescheid muss begründet sein und kann mit Rechtsmitteln angefochten werden.
Rechtsmittel und gerichtliche Überprüfung
Gegen den Bußgeldbescheid kann binnen zwei Wochen Einspruch eingelegt werden. Führt der Einspruch nicht zur Aufhebung oder Änderung des Bescheides, kann das zuständige Amtsgericht angerufen werden. Dort erfolgt eine Überprüfung im gerichtlichen Verfahren nach den Grundsätzen des OWiG.
Rechtsfolgen und Sanktionen
Höhe der Geldbuße
Die Höhe richtet sich nach der Schwere der Ordnungswidrigkeit und den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen. Nach § 378 Abs. 2 AO reicht der Bußgeldrahmen bei leichtfertiger Steuerverkürzung bis zu 50.000 Euro, bei Steuergefährdung bis zu 5.000 Euro.
Nebenfolgen
Zusätzlich zur Geldbuße kann die Finanzbehörde Maßnahmen zur Abschöpfung wirtschaftlicher Vorteile ergreifen, beispielsweise nach § 29a OWiG.
Keine Eintragung ins Bundeszentralregister
Die Verhängung eines Bußgeldes im Steuerbußgeldverfahren bleibt – mit Ausnahme besonders hoher Bußgelder – regelmäßig folgenlos für das Bundeszentralregister.
Verjährung
Die Verfolgung steuerlicher Ordnungswidrigkeiten unterliegt den Verjährungsvorschriften der §§ 31, 378 Abs. 4, 379 Abs. 3 AO und §§ 31 ff. OWiG. Die Regelfrist beträgt drei Jahre ab Beendigung der Ordnungswidrigkeit. Bestimmte Handlungen, wie Durchsuchungen oder Anhörungen, können die Verjährung unterbrechen oder hemmen.
Verhältnis zu anderen Verfahren
Verbindung mit dem Steuerstrafverfahren
Wird während des Bußgeldverfahrens der Verdacht einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung erkennbar, ist das Verfahren in ein Steuerstrafverfahren zu überführen (§ 397 AO).
Auswirkungen auf Besteuerungsverfahren
Das Steuerbußgeldverfahren kann Einfluss auf die Steuerfestsetzung und den Steuerbescheid haben. Nach Abschluss kann die Festsetzung von Zinsen oder Steuernachforderungen erfolgen. Daneben kann das Ergebnis des Bußgeldverfahrens als Indiz für steuerliche Verhältnisse dienen.
Praktische Bedeutung
Das Steuerbußgeldverfahren dient dem Schutz wichtiger Steuerrechtsgüter wie der Gleichmäßigkeit der Besteuerung. Es wirkt zudem präventiv, um die Erfüllung steuerlicher Pflichten zu sichern und stellt ein wichtiges Mittel zur Durchsetzung des Steuerrechts dar.
Zusammenfassung
Das Steuerbußgeldverfahren ist ein eigenständiges Verwaltungsverfahren zur Ahndung steuerlicher Ordnungswidrigkeiten neben dem Steuerstrafverfahren. Rechtsgrundlagen sind primär die Abgabenordnung sowie das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten. Das Verfahren ist geprägt von Behördenermittlungen, Beteiligtenrechten und gerichtlicher Überprüfung. Mit dem Steuerbußgeldverfahren trägt der Gesetzgeber der Bedeutung einer effektiven Durchsetzung steuerlicher Verpflichtungen Rechnung.
Häufig gestellte Fragen
Wann wird ein Steuerbußgeldverfahren eingeleitet?
Ein Steuerbußgeldverfahren wird eingeleitet, wenn der Verdacht besteht, dass eine Ordnungswidrigkeit nach den §§ 377 ff. der Abgabenordnung (AO) vorliegt, die im Zusammenhang mit steuerlichen Pflichten steht. Das betrifft insbesondere Verstöße wie leichtfertige Steuerverkürzung oder sonstige Zuwiderhandlungen gegen steuerliche Mitwirkungspflichten. Die Einleitung erfolgt regelmäßig durch eine förmliche Mitteilung der Finanzbehörde oder, falls bereits ein Steuerstrafverfahren läuft, durch eine Abtrennung der Bußgeldangelegenheit. Maßgeblich für den Beginn ist in der Regel die Feststellung eines objektiven und subjektiven Tatverdachts durch die zuständige Behörde, woraufhin Ermittlungen aufgenommen werden. Hierzu zählen insbesondere die Durchsicht von Akten und Belegen, die Auswertung von Steuererklärungen sowie etwaige Zeugenbefragungen. Die Einleitung ist stets zu dokumentieren und dem Betroffenen mitzuteilen, sofern seine Einlassung notwendig erscheint.
Welche Rechte stehen dem Betroffenen im Steuerbußgeldverfahren zu?
Im Steuerbußgeldverfahren stehen dem Betroffenen zahlreiche Rechte zu, die sich insbesondere aus dem Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) und der Abgabenordnung (AO) ableiten. Hierzu zählen das Recht auf rechtliches Gehör gemäß § 55 OWiG, das Akteneinsichtsrecht nach § 147 AO, das Recht auf einen Verteidiger sowie das Recht, sich zur Sache zu äußern oder zu schweigen. Darüber hinaus besteht das Recht auf eine angemessene Frist zur Stellungnahme und – sofern die Behörde eine Geldbuße verhängt – das Recht auf Einlegung eines Einspruchs (§ 67 OWiG). Im Falle weiterer Maßnahmen, wie Durchsuchung oder Beschlagnahme, stehen dem Betroffenen die Schutzrechte des Grundgesetzes sowie die jeweiligen Verfahrensgarantien zu. Zudem kann der Betroffene einer öffentlichen Anhörung oder einer gerichtlichen Überprüfung der Entscheidung verlangen.
Wie läuft ein Steuerbußgeldverfahren ab?
Das Steuerbußgeldverfahren ist in verschiedene Phasen unterteilt. Zunächst erfolgt die Prüfung eines Anfangsverdachts durch die Finanzbehörde, worauf die förmliche Einleitung des Verfahrens folgt. In der Ermittlungsphase sammelt die Behörde Beweise, prüft Unterlagen und befragt gegebenenfalls Zeugen. Nach Abschluss der Ermittlungen erfolgt die Auswertung der Beweise und die Entscheidung, ob ein Bußgeld verhängt wird. Ergeht ein Bußgeldbescheid, wird dieser dem Betroffenen zugestellt. Gegen den Bußgeldbescheid kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung Einspruch eingelegt werden (§ 67 OWiG). Führt der Einspruch nicht zur Einstellung oder Änderung durch die Behörde, wird die Angelegenheit an das zuständige Amtsgericht abgegeben, das abschließend über den Sachverhalt entscheidet. Das Verfahren kann jederzeit durch Einstellung nach § 47 OWiG beendet werden, etwa wenn kein hinreichender Verdacht besteht.
Welche Sanktionen drohen im Rahmen eines Steuerbußgeldverfahrens?
Im Steuerbußgeldverfahren können verschiedene Sanktionen verhängt werden, wobei die häufigste Maßnahme die Geldbuße darstellt. Die Höhe der Geldbuße richtet sich nach der Schwere des Verstoßes, seiner Dauer, dem Maß der Fahrlässigkeit oder Vorsätzlichkeit sowie den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen. Laut § 378 Abs. 2 AO kann die Geldbuße bis zu 50.000 Euro betragen, falls nichts anderes bestimmt ist. Darüber hinaus können Nebenfolgen wie die Einziehung von Gegenständen oder die Veröffentlichung des Bußgeldbescheids eintreten. Besonders gravierende Verstöße können zur Einleitung eines Steuerstrafverfahrens führen, sofern der Tatbestand einer Steuerstraftat erfüllt ist. Wiederholte Verstöße und bei Unternehmen auch Aufsichtsmaßnahmen nach § 130 OWiG sind möglich.
Kann ein Steuerbußgeldverfahren eingestellt werden?
Ja, ein Steuerbußgeldverfahren kann eingestellt werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich im Zuge der Ermittlungen herausstellt, dass entweder kein hinreichender Tatverdacht besteht oder das öffentliche Interesse an der Verfolgung nicht gegeben ist. Die Einstellung kann auch mit oder ohne Auflagen und Weisungen erfolgen (§ 47 OWiG). Ferner besteht im Steuerbußgeldverfahren die Möglichkeit einer Einstellung wegen Geringfügigkeit, beispielsweise bei erstmaligen oder unerheblichen Verstöße. Die Entscheidung über die Einstellung liegt im Ermessen der zuständigen Finanzbehörde. Auch im gerichtlichen Verfahren kann eine Einstellung erfolgen, etwa nach Rücknahme des Einspruchs oder im Verbund mit einer Kostenregelung.
Welche Folgen hat ein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid?
Ein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid bewirkt, dass das Verfahren erneut überprüft wird. Die Behörde hat nach Eingang des Einspruchs zunächst die Möglichkeit, den Bescheid abzuändern, aufzuheben oder aufrechtzuerhalten. Kommt es zu keiner Änderung oder Einstellung, wird das Verfahren an das zuständige Amtsgericht zur Entscheidung abgegeben. Das Gericht prüft den Fall erneut und kann zu einer anderen rechtlichen Würdigung gelangen. Während des Einspruchsverfahrens ist die Vollstreckung des Bußgeldbescheids grundsätzlich ausgesetzt. Der Betroffene kann auch im gerichtlichen Verfahren Beweisanträge stellen und verteidigen. Werden im Gerichtsverfahren neue Tatsachen bekannt, kann dies zu einer nachträglichen Einstellung oder auch zu einer Erhöhung bzw. Herabsetzung der Geldbuße führen.
Ist die Verhängung einer Geldbuße öffentlich oder vertraulich?
Das Steuerbußgeldverfahren unterliegt grundsätzlich der Vertraulichkeit. Die Verhängung einer Geldbuße wird in der Regel nicht öffentlich bekannt gegeben, soweit keine gesetzliche Verpflichtung dazu besteht. Eine Veröffentlichung erfolgt nur in besonderen Ausnahmefällen, etwa bei schwerwiegenden Ordnungswidrigkeiten oder im Fall einer Nebenfolge nach § 29a OWiG. Die Beteiligten selbst sind zur Vertraulichkeit verpflichtet, und auch die Akten sind nicht öffentlich zugänglich. Informationen über das Bußgeldverfahren dürfen personenbezogen nur mit ausdrücklicher Erlaubnis oder im Rahmen gesetzlicher Bestimmungen weitergegeben werden. Eine Ausnahme besteht, wenn im gerichtlichen Verfahren eine öffentliche Verhandlung stattfindet; hier kann die Tatsache der Verfahrenseröffnung und ihre Umstände öffentlich bekannt werden.