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Steuerbescheid


Steuerbescheid

Der Steuerbescheid ist ein zentrales Instrument im deutschen Steuerrecht. Er ist ein Verwaltungsakt, durch den eine Steuerfestsetzung oder eine andere steuerrechtlich relevante Entscheidung einer Behörde öffentlich-rechtlich verbindlich an den Steuerpflichtigen mitgeteilt wird. Der Steuerbescheid regelt die Festsetzung von Steuern, deren Erhebung, Änderung, Aufhebung und ggf. Aussetzung.

Rechtsgrundlagen des Steuerbescheids

Allgemeine Regelungen

Die gesetzlichen Grundlagen für den Steuerbescheid finden sich vorrangig in der Abgabenordnung (AO), insbesondere in den §§ 155 ff. AO. Für einzelne Steuerarten sind zudem spezielle Vorschriften der jeweiligen Steuergesetze, wie dem Einkommensteuergesetz (EStG), Körperschaftsteuergesetz (KStG), Umsatzsteuergesetz (UStG) oder Gewerbesteuergesetz (GewStG) einschlägig.

Verwaltungsaktcharakter

Ein Steuerbescheid ist stets ein Verwaltungsakt im Sinne des § 118 AO. Er wird von der zuständigen Finanzbehörde erlassen und regelt ein konkretes Rechtsverhältnis zwischen Finanzbehörde und Steuerpflichtigem. Zu unterscheiden ist der Steuerbescheid von anderen Verwaltungsakten der Finanzbehörde, wie zum Beispiel der Prüfungsanordnung oder dem Aufhebungsbescheid.

Aufbau und Inhalt eines Steuerbescheids

Pflichtbestandteile

Für die Wirksamkeit eines Steuerbescheides sind bestimmte Mindestanforderungen einzuhalten:

  • Steuerschuldner: Namentliche Bezeichnung des Steuerpflichtigen.
  • Festgesetzte Steuer: Höhe und Art der Steuer.
  • Rechtsgrundlage: Bezugnahme auf gesetzliche Vorschriften.
  • Begründung: Die wesentlichen Gründe der Entscheidung (§ 121 AO), soweit hierzu ein berechtigtes Interesse besteht.
  • Rechtsbehelfsbelehrung: Information über mögliche Rechtsmittel und deren Frist (§ 157 Abs. 1 Satz 3 AO).
  • Ausfertigungsdatum: Der Zeitpunkt der Bescheiderstellung zur Berechnung von Rechtsbehelfsfristen.

Weitere Angaben

Häufig werden dem Steuerbescheid ergänzende Informationen wie Berechnungsgrundlagen, Hinweise zu Zahlungsfristen und Bankverbindungen beigefügt.

Arten von Steuerbescheiden

Im Steuerrecht existieren verschiedene Formen von Steuerbescheiden, die je nach Verfahrensstand und Steuerart unterschieden werden:

  • Erstbescheid (Erstfestsetzung): Erstmalige Festsetzung der Steuer auf Grundlage einer Steuererklärung.
  • Änderungsbescheid: Nachträgliche Änderung (Berichtigung, Aufhebung, etwa wegen Fehlern oder neuer Tatsachen).
  • Vorläufiger Steuerbescheid (§ 165 AO): Festsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder wegen unklarer Sach- bzw. Rechtslage.
  • Schätzungsbescheid (§ 162 AO): Steuer wird ohne oder mit unvollständigen Angaben des Steuerpflichtigen festgesetzt.
  • Nullbescheid: Festsetzung der Steuer auf 0 EUR (z. B. keine Steuerpflicht).
  • Teilbescheid: Betrifft nur einen bestimmten Teil des Steuergegenstands oder -zeitraums.

Festsetzung und Bekanntgabe des Steuerbescheids

Verfahren der Steuerfestsetzung

Die Steuerfestsetzung erfolgt von Amts wegen nach Prüfung der Steuererklärung oder aufgrund von Schätzungen (§§ 155, 162 AO). Sie kann schriftlich oder elektronisch bekannt gegeben werden (§ 122 AO).

Bekanntgabe und Wirksamkeit

Die Bekanntgabe des Steuerbescheids markiert den Beginn der Rechtsbehelfsfristen und definiert den Zeitpunkt der materiellen Rechtskraft. Die Bekanntgabe erfolgt in der Regel per postalischer Zusendung oder elektronisch über das ELSTER-Portal. Ein Steuerbescheid wird mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben angesehen (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO).

Bindungswirkung und Bestandskraft

Der Steuerbescheid entfaltet mit seiner Bekanntgabe Bindungswirkung für Steuerpflichtige und Behörde. Wird kein Rechtsbehelf eingelegt, wird der Steuerbescheid bestandskräftig und ist nur noch unter den engen Voraussetzungen der §§ 172 ff. AO abänderbar.

Bestandskraft und Korrekturmöglichkeiten

  • Nichtbestandskraft: Innerhalb der Einspruchsfrist (i. d. R. ein Monat ab Bekanntgabe) kann Einspruch eingelegt werden.
  • Bestandskraft: Nach Ablauf der Frist ist eine Änderung des Steuerbescheids nur unter bestimmten gesetzlichen Voraussetzungen möglich, z. B. offene Steuerfestsetzung nach § 165 AO, Korrektur wegen neuer Tatsachen (§ 173 AO), wegen offensichtlicher Unrichtigkeit (§ 129 AO) oder aus anderen Gründen gemäß §§ 172 ff. AO.
  • Rücknahme, Widerruf, Änderung: In besonderen Ausnahmefällen kann ein rechtswidriger oder fehlerhafter Bescheid auch nach Eintritt der Bestandskraft noch aufgehoben oder geändert werden.

Rechtsbehelfe gegen den Steuerbescheid

Einspruchsverfahren

Gegen einen Steuerbescheid steht dem Steuerpflichtigen der Einspruch gemäß §§ 346 ff. AO offen. Dieser ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe schriftlich einzureichen. Während des Einspruchsverfahrens prüft die Finanzbehörde den Steuerbescheid umfassend nach (§ 367 AO).

Klageverfahren

Nach erfolglosem Einspruch kann vor dem zuständigen Finanzgericht Klage gegen den Steuerbescheid erhoben werden (§ 40 FGO). Das finanzgerichtliche Verfahren kann wiederum durch weitere Instanzen, etwa zum Bundesfinanzhof (BFH), fortgesetzt werden.

Aussetzung der Vollziehung

Auf Antrag kann die Vollziehung des Steuerbescheides bis zur endgültigen Entscheidung ausgesetzt werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen (§ 361 AO, § 69 FGO).

Wirkung des Steuerbescheids

Ein wirksam bekanntgegebener Steuerbescheid bildet die Grundlage für die Steuerzahlungspflicht des Steuerpflichtigen und berechtigt die Finanzbehörde zur Steuererhebung durch Zwangsmaßnahmen, sofern die Steuer nicht freiwillig gezahlt wird (§§ 249 ff. AO).

Zahlungsverpflichtung und Vollstreckung

Die im Steuerbescheid festgesetzte Steuer ist innerhalb der im Bescheid genannten Frist fällig (§ 220 AO). Bei Nichtzahlung drohen Säumniszuschläge (§ 240 AO) und Zwangsvollstreckungsmaßnahmen (§§ 249 ff. AO).

Bedeutung des Steuerbescheids in der Praxis

Der Steuerbescheid bildet das zentrale Instrument der Steuerfestsetzung und -erhebung in Deutschland. Er dient dem Rechtsschutz der Steuerpflichtigen, der Kontrolle der Finanzbehörden und der Sicherstellung der Gleichmäßigkeit der Besteuerung.

Internationales Steuerrecht und Steuerbescheid

In grenzüberschreitenden Sachverhalten können Steuerbescheide Auswirkungen auf internationale Steuerpflichten entfalten. Doppelbesteuerungsabkommen und zwischenstaatliche Amtshilfe spielen hierbei eine wichtige Rolle.


Literaturhinweis:
Weiterführende Informationen finden sich in Kommentaren zur Abgabenordnung, Fachliteratur zum Steuerverfahrensrecht sowie in offiziellen Informationen der deutschen Finanzverwaltung.

Hinweis:
Der vorliegende Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern gibt einen umfangreichen Überblick über die wichtigsten rechtlichen Aspekte des Steuerbescheids im deutschen Steuerrecht.

Häufig gestellte Fragen

Welche Fristen gelten für den Einspruch gegen einen Steuerbescheid?

Nach der Zustellung eines Steuerbescheids beträgt die Frist für einen Einspruch gemäß § 355 Absatz 1 der Abgabenordnung (AO) grundsätzlich einen Monat. Die Frist beginnt mit dem Tag der Bekanntgabe des Steuerbescheids, wobei dieser nach § 122 Absatz 2 Nr. 1 AO drei Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt, sofern kein späteres Datum nachweislich vorliegt. Fällt das Fristende auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, verlängert sich die Frist automatisch auf den nächsten Werktag gemäß § 108 Absatz 3 AO. Innerhalb dieser Frist muss der Einspruch bei der zuständigen Finanzbehörde eingehen, wobei auch formlose Schreiben akzeptiert werden, solange eindeutig der Wille zum Einspruch erkennbar ist. Eine Begründung ist zum Zeitpunkt der Einlegung des Einspruchs noch nicht zwingend erforderlich, kann aber nachgereicht werden.

Kann der Steuerbescheid nachträglich geändert werden?

Ein Steuerbescheid kann im Einzelfall nachträglich geändert werden, sofern gesetzlich bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Änderungsgründe sind insbesondere in den §§ 129 bis 173 AO geregelt. Eine Änderung ist etwa zulässig bei offenbaren Unrichtigkeiten (§ 129 AO), nachträglich bekannt gewordenen Tatsachen oder Beweismitteln (§ 173 AO) oder infolge einer sogenannten „Vorbehaltsfestsetzung“, die im Bescheid selbst ausdrücklich angeordnet wurde (§ 164 AO). Zudem kann eine Änderung auf Basis von Drittwirkung, z.B. in Folge einer Entscheidung in einem zusammenhängenden Steuerfall, erfolgen. Allerdings bestehen auch Ausschlussfristen, wie etwa die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 AO), deren Ablauf eine Änderung grundsätzlich ausschließt.

Welche Rechtsmittel stehen gegen einen Steuerbescheid zur Verfügung?

Gegen einen Steuerbescheid kann als außergerichtliches Rechtsmittel der Einspruch eingelegt werden (§ 347 AO). Wird diesem nicht abgeholfen, besteht die Möglichkeit, gegen die daraufhin ergangene Einspruchsentscheidung innerhalb eines Monats Klage beim Finanzgericht gemäß § 47 Finanzgerichtsordnung (FGO) zu erheben. Daneben können in besonderen Fällen außerordentliche Rechtsbehelfe, wie der Antrag auf schlichte Änderung (§ 172 AO) oder die sogenannte „Wiedereinsetzung in den vorigen Stand“ (§ 110 AO), in Betracht kommen, falls beispielsweise eine Frist schuldlos versäumt wurde.

Wann wird ein Steuerbescheid bestandskräftig und welche Folgen hat dies?

Die Bestandskraft tritt ein, wenn gegen den Steuerbescheid innerhalb der Rechtsbehelfsfrist kein zulässiges Rechtsmittel eingelegt wurde oder alle Instanzen eines Rechtsmittelverfahrens abgeschlossen sind. Ab diesem Zeitpunkt ist der Bescheid für beide Seiten verbindlich (§ 157 AO). Eine nachträgliche Änderung ist dann nur noch unter den sehr engen Voraussetzungen der sog. „Korrekturvorschriften“ (z.B. § 129, § 172 ff. AO) möglich. Damit wird der Steueranspruch festgeschrieben und ist vollstreckbar, was unter anderem die Grundlage für die Erhebung und Durchsetzung der festgesetzten Steuer bildet.

Welche Angaben muss ein Steuerbescheid zwingend enthalten?

Ein Steuerbescheid muss gemäß § 157 Absatz 1 AO die Steuerart, den festgesetzten Steuerbetrag, den Besteuerungszeitraum und die Person des Steuerschuldners enthalten. Darüber hinaus muss die Entscheidung hinreichend bestimmt und für den Steuerpflichtigen nachvollziehbar sein. Der Bescheid muss daneben eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten (§ 356 AO), also Hinweise darauf, welche Rechtsmittel möglich sind, wo diese einzulegen sind und welche Fristen dafür gelten. Fehlt die Rechtsbehelfsbelehrung oder ist sie fehlerhaft, verlängert sich die Rechtsbehelfsfrist grundsätzlich auf ein Jahr (§ 356 Absatz 2 AO).

Welche Bedeutung hat eine vorläufige oder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehende Steuerfestsetzung?

Ein vorläufiger Steuerbescheid (§ 165 AO) wird dann erlassen, wenn über bestimmte Besteuerungsgrundlagen bei der Veranlagung zunächst ungelöste Fragen bestehen. Mit einer solchen Festsetzung behält sich das Finanzamt ausdrücklich eine spätere Änderung vor, falls die zwischenzeitlich ungewissen Verhältnisse geklärt sind. Ebenso kann eine Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO) erfolgen, was bedeutet, dass der Bescheid jederzeit bis zur Aufhebung des Vorbehalts überprüft und geändert werden kann. Beide Bescheidsvarianten sind somit nicht abschließend und lassen Veränderungen auch nach Ablauf der regulären Einspruchsfrist zu.