Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Steuerrecht»Steueranrechnung

Steueranrechnung


Definition und rechtliche Grundlagen der Steueranrechnung

Die Steueranrechnung ist ein zentrales Prinzip des Steuerrechts, das die Vermeidung oder Minderung von Doppelbesteuerung sicherstellt. Sie beschreibt die Möglichkeit, eine bereits im Inland oder Ausland gezahlte Steuer – in der Regel eine Körperschaftsteuer, Einkommensteuer oder Quellensteuer – auf eine im Inland zu zahlende Steuer ganz oder teilweise anzurechnen. Die maßgeblichen Regelungen finden sich im deutschen Steuerrecht insbesondere im Einkommensteuergesetz (EStG), Körperschaftsteuergesetz (KStG) und den einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA).

Systematik der Steueranrechnung

Steueranrechnung im deutschen Steuerrecht

Im deutschen Steuerrecht existieren verschiedene Anrechnungstatbestände. Sie haben den Zweck, eine wirtschaftliche Doppelbelastung von Steuersubjekten zu vermeiden. Insbesondere im internationalen Kontext wird die Anrechnung von ausländischen Steuern auf die deutsche Einkommen- oder Körperschaftsteuer sehr detailliert geregelt.

Anrechnung ausländischer Steuern (§ 34c EStG)

Gemäß § 34c EStG haben unbeschränkt Steuerpflichtige das Recht, bestimmte im Ausland gezahlte Steuern, beispielsweise auf ausländische Einkünfte, auf ihre deutsche Einkommensteuer anzurechnen. Damit wird eine doppelte steuerliche Belastung vermieden. Das deutsche Steuerrecht sieht zwei Verfahren vor:

  • Anrechnungsmethode: Die im Ausland gezahlte Steuer wird auf die deutsche Steuer angerechnet.
  • Abzugsmethode: Die ausländische Steuer wird als Werbungskosten oder Betriebsausgaben bei der deutschen Steuerermittlung abgezogen.

Die Anrechnung erfolgt bis zur Höhe des auf die ausländischen Einkünfte entfallenden Anteils der deutschen Steuer. Sie ist an strikte Nachweiserfordernisse gekoppelt und setzt grundsätzlich voraus, dass die ausländische Steuer endgültig und tatsächlich gezahlt wurde.

Anrechnung von Körperschaftsteuer (§ 36 KStG)

Im Körperschaftsteuerrecht erfolgt die Anrechnung insbesondere in Fällen von Gewinnausschüttungen, bei denen eine anrechenbare Körperschaftsteuer auf die Einkommensteuer des Anteilseigners angerechnet werden kann. Dieses Verfahren spielte eine maßgebliche Rolle im früheren sogenannten Anrechnungsverfahren, das allerdings im Zuge der Unternehmenssteuerreform ab dem Veranlagungszeitraum 2001 durch das sogenannte Halbeinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG) abgelöst wurde. Aktuell finden sich spezifische Anrechnungsregelungen z. B. im Hinblick auf ausländische Quellensteuern.

Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) und Steueranrechnung

Die meisten Doppelbesteuerungsabkommen, die Deutschland mit anderen Staaten geschlossen hat, sehen die Steueranrechnung als Regelmechanismus zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vor. Die abkommensrechtliche Steueranrechnung ist oftmals als spezielle, vorrangige Vorschrift ausgestaltet und ergänzt die nationalen Regelungen.

Das Verfahren ist im OECD-Musterabkommen in Art. 23 B geregelt. Es gibt hierbei zwei Prinzipien:

  • Befreiungsmethode: Die betreffenden ausländischen Einkünfte werden in Deutschland von der Besteuerung ausgenommen.
  • Anrechnungsmethode: Die ausländischen Steuern werden auf die deutsche Steuer bis zu einer Höchstgrenze angerechnet.

Die Steueranrechnung im Kontext von DBAs ist an verschiedene Voraussetzungen geknüpft, darunter Nachweispflichten und den im jeweiligen Abkommen festgelegten Höchstbetrag.

Weitere Anrechnungsfälle im Steuerrecht

Nicht nur ausländische Steuern können angerechnet werden. Auch bestimmte im Inland einbehaltene Steuern, wie die Kapitalertragsteuer oder die Lohnsteuer, werden im Rahmen der Steuerfestsetzung auf die festgesetzte Steuer angerechnet (§ 36 EStG).

  • Kapitalertragsteuer: Die auf Zinsen oder Dividenden erhobene Kapitalertragsteuer wird auf die Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer angerechnet.
  • Lohnsteuer: Die vom Arbeitgeber einbehaltene Lohnsteuer wird bei der Einkommensteuerveranlagung angerechnet.

Voraussetzungen und Nachweise für die Steueranrechnung

Für die Anerkennung und Anrechnung gezahlter Steuern bestehen umfangreiche Nachweis- und Dokumentationspflichten. Der Steuerpflichtige muss die gezahlte Steuer mittels Bescheinigungen, Abrechnungen oder ähnlichen Dokumenten nachweisen. Für die Anrechnung ausländischer Steuern sind regelmäßig beglaubigte Steuerbescheinigungen des ausländischen Finanzamtes erforderlich.

Die Höhe der anrechenbaren Steuer ist grundsätzlich auf den Betrag der deutschen Steuer beschränkt, der auf die ausländischen Einkünfte entfällt. Etwaige übersteigende ausländische Steuern können grundsätzlich nicht vorgetragen werden (sogenannte „Anrechnungshöchstbetrag“).

Abgrenzung zur Steuererstattung und Steuerbefreiung

Die Steueranrechnung unterscheidet sich von der Steuererstattung, bei der zu viel gezahlte Steuern direkt zurückgezahlt werden. Sie ist ebenfalls von der Steuerbefreiung abzugrenzen, bei der bestimmte Einkünfte von der Besteuerung gänzlich befreit sind (z. B. nach Art. 23 A OECD-Musterabkommen).

Die Steueranrechnung führt lediglich zu einer Verrechnung bereits geleisteter Steuerzahlungen mit einer neu entstehenden Steuerpflicht, während bei der Steuerbefreiung bestimmte Einkünfte überhaupt nicht im zu versteuernden Einkommen berücksichtigt werden.

Steueranrechnung im internationalen Kontext

Insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten kommt der Steueranrechnung eine erhebliche Bedeutung zu. Durch zunehmende Globalisierung und internationale Investitionstätigkeiten müssen immer mehr Steuerpflichtige ausländische Quellensteuern berücksichtigen. Die Regelungen zur Steueranrechnung stellen hierfür die zentrale Schnittstelle zwischen nationalem Steuerrecht und internationalen Steuerabkommen dar.

Ziel der Steueranrechnung im internationalen Kontext ist es, die in den jeweiligen Staaten bereits besteuerten Einkünfte einer angemessenen Entlastung im Ansässigkeitsstaat zuzuführen und eine doppelte (wirtschaftliche) Steuerbelastung zu vermeiden. Die konkrete Ausgestaltung der Anrechnung ist dabei von den jeweiligen bilateralen oder multilateralen Abkommen sowie den innerstaatlichen Steuergesetzen abhängig.

Praxisrelevanz und Bedeutung der Steueranrechnung

Die Steueranrechnung spielt für Privatpersonen und Unternehmen mit grenzüberschreitenden Einkünften eine zentrale Rolle bei der steuerlichen Belastung und Steuerplanung. Sie ermöglicht eine effektive Minderung der Gesamtsteuerlast im legal zulässigen Rahmen und fördert die internationale Mobilität von Arbeit und Kapital.

Weiterführende Normen und Literatur

Für weiterführende Details zur Steueranrechnung sind folgende Normen und Quellen maßgeblich:

  • § 34c EStG (Anrechnung ausländischer Steuern)
  • § 36 EStG (Anrechnung von Vorauszahlungen, Lohnsteuer und Kapitalertragsteuer)
  • § 26, § 54 KStG (Anrechnungsregelungen im Körperschaftsteuergesetz)
  • Die jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen (insbesondere Artikel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung)
  • OECD-Musterabkommen über die Vermeidung der Doppelbesteuerung (Artikel 23)

Zusammenfassung

Die Steueranrechnung ist ein fundamentales Instrument des Steuerrechts zur Vermeidung einer mehrfachen steuerlichen Belastung ein und derselben Einkünfte. Sie umfasst das Verrechnen von im In- oder Ausland gezahlten Steuern mit inländischer Steuer sowie spezielle Regelungen bei der Kapitalertrag- und Lohnsteuer. Ihre Anwendung unterliegt komplexen Voraussetzungen und ist eingebettet in ein Geflecht aus nationalen und internationalen Rechtsnormen. Die sorgfältige Beachtung der einschlägigen Vorschriften sowie eine umfassende Dokumentation sind für die Anerkennung der Anrechnung unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Wann kommt die Steueranrechnung im internationalen Steuerrecht zur Anwendung?

Die Steueranrechnung im internationalen Steuerrecht kommt immer dann zur Anwendung, wenn eine inländische steuerpflichtige Person Einkünfte erzielt, die auch im Ausland besteuert werden und zwischen dem Inland und dem betroffenen Auslandstaat kein umfassendes Doppelbesteuerungsabkommen zur Freistellungsmethode besteht. Das relevante rechtliche Fundament bildet § 34c EStG für natürliche Personen in Deutschland, während für Gesellschaften § 26 KStG gilt. Die Steueranrechnung soll verhindern, dass auf ein- und dieselben Einkünfte sowohl im Inland als auch im Ausland zeitgleich Steuern gezahlt werden müssen. Grundsätzlich wird dabei die im Ausland auf die betreffenden Einkünfte gezahlte Steuer auf die deutsche Steuer auf ebendiese Einkünfte angerechnet, maximal jedoch nur bis zu dem Betrag, der auf diesen Teil der Einkünfte in Deutschland zu zahlen wäre. Im Rahmen eines Doppelbesteuerungsabkommens können abweichende Regelungen Anwendung finden, die oftmals der Vermeidung der Doppelbesteuerung und dem Schutz des Ansässigkeitsstaates dienen. Eine wesentliche Voraussetzung für die Anrechnung ist daher die tatsächliche Zahlung der ausländischen Steuer und die eindeutige Zuordnung zu den betreffenden Einkünften.

Auf welche Arten von ausländischen Steuern ist eine Steueranrechnung grundsätzlich zulässig?

Die Steueranrechnung ist rechtlich nur für solche Steuern möglich, die mit der deutschen Einkommen- oder Körperschaftsteuer vergleichbar sind. Nach aktueller Rechtsprechung und Verwaltungspraxis sind dies insbesondere die Ertragsteuern wie Einkommensteuer, Körperschaftsteuer oder in besonderen Konstellationen auch Quellensteuern auf Zinsen, Dividenden oder Lizenzgebühren. Nicht erfasst werden dagegen Steuern, die keine ertragsbezogene Bemessungsgrundlage aufweisen, wie z.B. Vermögensteuern, Erbschaft- oder Schenkungsteuern, Umsatz- oder Mehrwertsteuern sowie spezielle Gebühren oder Abgaben. Außerdem besteht keine Anrechnungsmöglichkeit, wenn es sich um reine Quellensteuern handelt, die trotz nationalen oder abkommensrechtlichen Rückbehalts nicht auf tatsächlich besteuerte Einkünfte bezogen sind, z.B. Ausschüttungen an nicht dem Steuerabzug unterliegende Empfänger. Auch angerechnet werden können im Einzelfall ähnliche Belastungen, sofern ein äquivalenter Steuertatbestand vorliegt und die Doppelbesteuerung die zu schützende Rechtsposition des Steuerpflichtigen tatsächlich beeinträchtigt.

Welche formellen Anforderungen müssen für die Anerkennung einer Steueranrechnung erfüllt werden?

Für die steuerliche Anerkennung einer Steueranrechnung nach § 34c EStG oder einschlägigen DBA-Vorschriften sind bestimmte formelle Voraussetzungen zu erfüllen. Zunächst ist die tatsächliche Zahlung der ausländischen Steuer durch geeignete Nachweise zu belegen. Das geschieht regelmäßig durch ausländische Steuerbescheide, Zahlungsquittungen oder amtliche Steuerbescheinigungen. Zudem muss die ausländische Steuer eindeutig dem jeweiligen Einkünftetatbestand gemäß der deutschen Steuerveranlagung zugeordnet werden können; eine undifferenzierte Pauschalbesteuerung reicht hier nicht aus. Weiterhin ist in der Einkommensteuererklärung im jeweiligen Vordruck (Anlage AUS für Auslandseinkünfte) detailliert darzulegen, auf welche Einkünfte und in welcher Höhe die ausländische Steuer gezahlt wurde. Eine doppelte Anrechnung ausländischer Steuern oder eine Vermischung mit sonstigen Belastungen ist ausgeschlossen. Zu beachten ist zudem die Einhaltung der gesetzlichen Fristen für die Einreichung sämtlicher Nachweise im Rahmen der Steuerveranlagung.

Gibt es eine Begrenzung der Höhe der anrechenbaren ausländischen Steuer?

Die Höhe der anrechenbaren ausländischen Steuer ist auf die im Inland für die betreffenden Einkünfte festgesetzte Steuer begrenzt (sog. Anrechnungshöchstbetrag). Juristisch erfolgt die Berechnung des Anrechnungshöchstbetrags gemäß § 34c Abs. 1 Satz 2 EStG. Es ist also zunächst die deutsche Steuer festzustellen, die anteilig auf die ausländischen Einkünfte entfällt. Übersteigt die ausländische Steuer diesen Betrag, bleibt der übersteigende Teil im Regelfall ohne Auswirkung und ist nicht zusätzlich im Inland abziehbar. Übertragungen oder Vorträge überschießender Anrechnungsbeträge in Folgejahre sind steuerlich grundsätzlich nicht zulässig, es sei denn, ein Doppelbesteuerungsabkommen eröffnet explizit diese Möglichkeit. Für bestimmte Zusammenhänge oder Ländergruppen existieren zudem festgelegte Begrenzungen (z.B. im EU-Ausland bei Kapitaleinkünften aus Dividenden), die eine pauschale oder gekürzte Anrechnung vorsehen.

Welche Auswirkungen hat die Steueranrechnung auf den Progressionsvorbehalt und das zu versteuernde Einkommen?

Die Steueranrechnung wirkt sich unmittelbar auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuerschuld aus, dabei wird jedoch das zu versteuernde Einkommen nicht vermindert, sondern die Steuerschuld um den anrechenbaren Betrag gemindert. Ausländische Einkünfte, für die eine Steueranrechnung beantragt wird, bleiben beim Umfang des zu versteuernden Einkommens unberührt, sie erhöhen das Gesamteinkommen des Steuerpflichtigen weiterhin. Eine indirekte Auswirkung über den Progressionsvorbehalt ergibt sich meist nur dann, wenn die Freistellungsmethode zur Anwendung gelangt; bei der Anrechnungsmethode verbleiben die Einkünfte im Gesamtbetrag und werden regulär besteuert, die ausländische Steuer wird lediglich als Abzugsbetrag nach erfolgter Steuerermittlung auf die deutsche Steuerschuld angerechnet. Ausnahmen bestehen bei Tarifermäßigungsregelungen, etwa im Rahmen von § 34c Abs. 3 EStG, wenn keine vollständige Anrechnung möglich ist und stattdessen ein Abzug als Werbungskosten oder Betriebsausgaben erfolgt.

Welche besonderen Regelungen bestehen bei der Anrechnung ausländischer Quellensteuern auf Kapitalerträge?

Bei Einkünften aus Kapitalvermögen, die einer Quellensteuer im Ausland unterliegen, bestehen sowohl nationale als auch abkommensrechtliche Besonderheiten. Grundsätzlich ist zu unterscheiden, ob für ein bestimmtes Land ein Doppelbesteuerungsabkommen existiert, das die Höhe der Quellensteuer begrenzt (in der Regel auf 15 % oder 10 % je nach Abkommenslage), und ob der Steuerpflichtige tatsächlich wirtschaftlicher Eigentümer der Einkünfte ist. In Deutschland ist gemäß § 43 Abs. 6 EStG die Anrechnung für Privatanleger grundsätzlich nur bis zum nach dem jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommen maximal zulässigen Quellensteuersatz und nur auf die Kapitaleinkünfte von Bedeutung, die nach deutschem Recht steuerpflichtig sind. Für zu viel einbehaltene Quellensteuern muss eine Rückerstattung im ausländischen Staat beantragt werden und kann nicht weitergehend angerechnet werden. Besonderheiten bestehen zudem bei Investmenterträgen und bei Besteuerung nach dem Teileinkünfteverfahren (§ 3 Nr. 40 EStG), hier kann eine abweichende Anrechnungsvorschrift greifen.

Kann eine Steueranrechnung auch bei bereits im Ausland entlasteten Einkünften erfolgen?

Eine Steueranrechnung ist nur dann zulässig, wenn auf die betreffenden Einkünfte tatsächlich und endgültig eine ausländische Steuer gezahlt wurde. Wurden Einkünfte bereits im Ausland vollkommen von der Besteuerung freigestellt, ermäßigt oder im Wege einer Steuerbefreiung behandelt (z.B. gemäß eines DBA-Entlastungsverfahrens), besteht kein weiterer Anrechnungsanspruch auf die deutsche Steuer. Die Rechtsgrundlage findet sich ebenfalls in § 34c Abs. 1 EStG und korrespondierenden DBA-Regelungen, die ausdrücklich verlangen, dass die anrechenbare Steuer auf denselben Einkünftetatbestand im Ausland gezahlt wurde. Bei reduzierten Quellensteuersätzen nach DBA oder bei Anwendung einer sogenannten „steuermindernden Maßnahme“ im Ausland kann lediglich der tatsächlich gezahlte Steuerbetrag angerechnet werden. Ein Anspruch auf Anrechnung von Quellensteuern, die dem Steuerpflichtigen erstattet oder wieder vergütet werden könnten, besteht nicht, bis auf ausdrücklich abweichende Regelungen in einzelnen Doppelbesteuerungsabkommen.