Begriff und rechtliche Grundlagen der Steuer- und Zollfahndung
Die Steuer- und Zollfahndung ist ein zentrales Ermittlungsorgan im Bereich der Finanzverwaltung in Deutschland. Ihr Hauptauftrag besteht in der Aufdeckung und Verfolgung von Steuerstraftaten und Ordnungswidrigkeiten im Zusammenhang mit dem Zoll- und Steuerrecht. Die rechtliche Basis und Durchführung dieser Aufgaben sind im Wesentlichen in der Abgabenordnung (AO), der Strafprozessordnung (StPO), dem Zollfahndungsdienstgesetz (ZfdG) sowie speziellen Steuergesetzen geregelt.
Aufgaben und Zuständigkeitsbereiche
Steuerfahndung
Die Steuerfahndung ist organisatorisch Teil der Landesfinanzverwaltung. Ihre Hauptaufgabe liegt in der Ermittlung von Steuerstraftaten (§ 369 ff. AO) und Steuerordnungswidrigkeiten (§ 377 ff. AO). Die Steuerfahndung wird in der Regel dann tätig, wenn der Verdacht einer Steuerhinterziehung oder einer anderen mit Strafe bedrohten Steuerverfehlung besteht.
Zu den Aufgaben zählen insbesondere:
Auffinden von nicht erklärten Einkünften oder Vermögenswerten
Aufdecken von Steuerhinterziehungsmodellen
Sicherung von Beweismitteln
Durchführung von Durchsuchungen und Beschlagnahmen
Mitwirkung bei der Verfolgung und Ahndung von Steuerstraftaten
Zollfahndung
Die Zollfahndung ist auf Bundesebene dem Zollkriminalamt unterstellt und operiert im gesamten Bundesgebiet. Sie befasst sich vorrangig mit der Bekämpfung von Zollstraftaten, Schmuggel, Umsatzsteuerkarussellen, Warenfälschungen sowie der Verhinderung von Steuerhinterziehung im grenzüberschreitenden Warenverkehr gemäß § 2 ZfdG.
Zu ihren Aufgaben gehören:
Aufdeckung von Verstößen gegen das Zollrecht und das Außenwirtschaftsrecht
Verfolgung von Organisierter Kriminalität im Zollbereich
Ermittlung bei internationalem Waren- und Steuerbetrug
Beitrag zur Wahrung der inneren und äußeren Sicherheit
Rechtliche Rahmenbedingungen
Abgabenordnung (AO)
Die Abgabenordnung enthält zentrale Vorschriften zur Durchführung von Steuerfahndungen. Nach § 208 Abs. 1 Nr. 3 AO ist die Steuerfahndung befugt, Steuerstraftaten zu erforschen und die dafür erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Ermittlungsbefugnisse orientieren sich an der Strafprozessordnung.
Strafprozessordnung (StPO)
Als Ermittlungspersonen der Staatsanwaltschaft sind die Beschäftigten der Steuerfahndung nach § 152 StPO verpflichtet, bei Verdacht einer Straftat Ermittlungen aufzunehmen und durchzuführen. Dies schließt insbesondere Maßnahmen wie Durchsuchungen (§ 102 ff. StPO), Sicherstellungen, Vernehmungen und Überwachungen ein.
Zollfahndungsdienstgesetz (ZfdG)
Das ZfdG regelt die Aufgaben, Befugnisse und Zuständigkeiten der Zollfahndung. Es enthält umfangreiche Vorschriften zur Durchführung von Fahndungs- und Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Zusammenarbeit mit anderen Behörden (beispielsweise der Polizei und Staatsanwaltschaft).
Ermittlungsmaßnahmen
Durchsuchung und Beschlagnahme
Ermittlungsmaßnahmen wie die Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen (§ 102, § 105 StPO) und die Beschlagnahme von Beweismitteln sind zentrale Instrumente der Steuer- und Zollfahndung. Diese Maßnahmen bedürfen in der Regel eines richterlichen Beschlusses, dürfen aber bei Gefahr im Verzug auch durch die Ermittlungsbehörden selbst angeordnet werden.
Überwachung der Telekommunikation
In bestimmten Fällen kann die Überwachung von Telekommunikation angeordnet werden (§ 100a StPO). Solche Eingriffe setzen einen Anfangsverdacht einer schweren Straftat voraus und unterliegen strengen gesetzlichen Voraussetzungen sowie einer richterlichen Anordnung.
Vernehmungen und Auskunftsersuchen
Zur Aufklärung des Sachverhalts werden Zeugen, Beschuldigte und Auskunftspersonen förmlich vernommen. Daneben kann die Steuer- oder Zollfahndung Auskunft bei anderen Behörden, Kreditinstituten oder Unternehmen einholen.
Rechte und Pflichten der Betroffenen
Mitwirkungspflichten
Betroffene einer Durchsuchung oder Ermittlung sind zur Duldung der Maßnahmen verpflichtet. Sie haben jedoch das Recht, die Durchsuchung zu beobachten und anwaltlichen Beistand in Anspruch zu nehmen. Über durchgeführte Maßnahmen ist ein Protokoll zu erstellen, das den Betroffenen auszuhändigen ist.
Schutz der persönlichen Rechte
Sämtliche Maßnahmen der Steuer- und Zollfahndung unterliegen den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und des Datenschutzes. Zu berücksichtigen sind hierbei insbesondere die Grundrechte auf Unverletzlichkeit der Wohnung, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf ein faires Verfahren.
Zusammenarbeit mit anderen Behörden
Die Steuer- und Zollfahndung arbeitet eng mit der Staatsanwaltschaft, Polizei, anderen Finanz- und Zollbehörden sowie internationalen Ermittlungsorganen (beispielsweise Europol und OLAF) zusammen. Die Zuständigkeit der einzelnen Behörden richtet sich nach dem jeweiligen Sachverhalt sowie den gesetzlichen Regelungen.
Statistische Bedeutung und Praxis
Die Tätigkeit der Steuer- und Zollfahndung hat erhebliche praktische Auswirkungen auf die Sicherung des Steueraufkommens und die Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität. Jährlich werden durch ihre Ermittlungen Milliardenbeträge aufgedeckt und dem Staatshaushalt gesichert. Die Erfolge der Fahndung tragen maßgeblich zur Steuergerechtigkeit und zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts bei.
Rechtsbehelfe und Kontrollmechanismen
Betroffene können gegen Ermittlungsmaßnahmen der Steuer- und Zollfahndung Rechtsbehelfe einlegen, insbesondere:
Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 98 Abs. 2 S. 2 StPO) bei Beschlagnahme
Beschwerde gegen Durchsuchungsbeschlüsse (§ 304 StPO)
Antrag auf Akteneinsicht (§ 147 StPO)
Die Tätigkeit der Fahndungsstellen wird regelmäßig durch interne Revisionen sowie die Staatsanwaltschaft kontrolliert, die eine ordnungsgemäße Durchführung der Ermittlungen und die Beachtung der Rechtsstaatlichkeit überwacht.
Internationale Zusammenarbeit
Angesichts der zunehmenden Globalisierung spielen grenzüberschreitende Steuer- und Zollstraftaten eine immer größere Rolle. Die Steuer- und Zollfahndung ist daher auch in internationale Kooperationen eingebunden. Gemeinsame Ermittlungsgruppen mit EU-Mitgliedstaaten, der Austausch von Informationen sowie die gegenseitige Unterstützung bei Ermittlungen sind gesetzlich vorgesehen und werden in zahlreichen Fällen erfolgreich praktiziert.
Fazit
Die Steuer- und Zollfahndung ist ein zentrales Instrument der deutschen Finanzverwaltung zur Bekämpfung und Ahndung von Steuer- und Zollkriminalität. Ihre rechtlichen Grundlagen sind breit gefächert und bieten umfangreiche Ermittlungsbefugnisse, deren Ausübung jedoch stets an rechtsstaatliche Vorgaben gebunden ist. Durch ihre Tätigkeit leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur Wahrung des Steuerrechts, zur Sicherung staatlicher Einnahmen und zur Durchsetzung des Prinzips der Steuergerechtigkeit.
Häufig gestellte Fragen
Wie läuft eine Durchsuchung durch die Steuer- oder Zollfahndung ab?
Eine Durchsuchung durch die Steuer- oder Zollfahndung basiert stets auf einem richterlichen Durchsuchungsbeschluss gemäß § 102 StPO, sofern nicht Gefahr im Verzug vorliegt und damit ausnahmsweise auch Staatsanwaltschaft oder ihre Ermittlungspersonen einen Durchsuchungsbeschluss erlassen dürfen. Das Ziel der Maßnahme besteht darin, Beweismittel aufzufinden, die den Verdacht einer Steuerstraftat oder eines Steuerordnungswidrigkeitenverstoßes untermauern. Die Fahnder müssen sich zu Beginn der Durchsuchung legitimieren und den Beschluss vorzeigen. Die Maßnahme kann in Wohn- und Geschäftsräumen, aber auch in Fahrzeugen durchgeführt werden. Betroffene haben das Recht, bei der Durchsuchung anwesend zu sein oder eine Vertrauensperson hinzuzuziehen. Das Durchsuchungsprotokoll muss alle sichergestellten Gegenstände auflisten; zudem steht es dem Betroffenen frei, zu einzelnen Punkten förmlich Widerspruch einzulegen. Gegenstände, die dem Beschlagnahmeverbot unterliegen (z. B. Schriftverkehr mit Verteidigern), sind zu schützen. Die Durchsuchung ist stets zu protokollieren und das Protokoll dem Betroffenen auszuhändigen.
Welche Befugnisse hat die Steuerfahndung im Ermittlungsverfahren?
Die Steuerfahndung, als besondere Ermittlungsbehörde der Finanzverwaltung, hat im Rahmen des Ermittlungsverfahrens weitgehende Befugnisse zur Aufklärung steuerstrafrechtlich relevanter Sachverhalte. Sie ist befugt, Auskünfte einzuholen, Personen zu vernehmen, Unterlagen anzufordern und zu beschlagnahmen, Durchsuchungen vorzunehmen sowie Zeugen zu laden und zu befragen. Dies ist sowohl auf Grundlage der Abgabenordnung (AO) als auch nach der Strafprozessordnung (StPO) zulässig. Die Maßnahmen sind jedoch an Verhältnismäßigkeit und die gesetzlichen Grenzen des Datenschutzes und der Grundrechte gebunden. Insbesondere dürfen Zwangsmaßnahmen nur bei konkretem Verdacht und auf richterliche Anordnung hin erfolgen.
Können sich betroffene Personen gegen Maßnahmen der Steuerfahndung wehren?
Betroffene können gegen Maßnahmen der Steuerfahndung auf verschiedenen rechtlichen Wegen vorgehen. Gegen Durchsuchungs- oder Beschlagnahmeanordnungen kann beim zuständigen Amtsgericht Beschwerde eingelegt werden, die im Rahmen des sogenannten Erinnerungs- oder Beschwerdeverfahrens entschieden wird. Rechtsmittel sind insbesondere die Beschwerde (§ 304 StPO) sowie eventuell Anträge auf gerichtlichen Rechtsschutz nach dem Grundsatz effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG). Auch bereits erfolgte Maßnahmen können im Nachhinein auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft werden, etwa hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer Durchsuchung oder der Dauer einer Beschlagnahme. Rechtsanwälte können hinzugezogen werden, um die Interessen der Betroffenen unmittelbar zu wahren und etwaigen Eingriffen entgegenzuwirken.
Welche Mitwirkungspflichten bestehen gegenüber der Steuer- und Zollfahndung?
Im Ermittlungsverfahren gegenüber der Steuer- und Zollfahndung bestehen für Beschuldigte grundsätzlich keine umfassenden Mitwirkungspflichten. Beschuldigte haben das Recht, die Aussage zu verweigern und müssen sich nicht selbst belasten (sogenanntes Nemo-tenetur-Prinzip nach § 136 Abs. 1 StPO, Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip). Für Zeugen hingegen besteht eine Aussage- und Wahrheitspflicht; sie müssen wahrheitsgemäß Auskunft geben, soweit nicht Auskunftsverweigerungsrechte greifen (z. B. nach §§ 52 ff. StPO). Bei der Vorlage von Unterlagen muss unterschieden werden: Während Steuerpflichtige im Verwaltungsverfahren weitreichende Vorlagepflichten haben, besteht im Strafverfahren keine Pflicht zum aktiven Mitwirken gegen die eigene Person.
Welche Rolle spielt das Steuergeheimnis im Ermittlungsverfahren?
Das Steuergeheimnis (§ 30 AO) schützt die Informationen, die einer Behörde im Rahmen ihrer steuerlichen Tätigkeit bekannt werden, grundsätzlich vor unbefugter Offenbarung. Im Ermittlungsverfahren findet jedoch eine Einschränkung insoweit statt, als die Offenbarung von Daten dann zulässig ist, wenn dies zur Durchführung eines Steuerstrafverfahrens erforderlich ist. Die Offenbarungsbefugnis ist dann eröffnet, wenn ein hinreichender Anfangsverdacht für eine Steuerstraftat vorliegt. Dennoch müssen auch während der Ermittlungen die Grundsätze des Verhältnismäßigkeitsprinzips und der Gesetzmäßigkeit beachtet werden. Informationen dürfen nur gezielt, zweckgebunden und in gesetzlich vorgesehenem Rahmen weitergegeben werden.
Können Unterlagen und Daten von Dritten (zum Beispiel Banken) beschlagnahmt werden?
Die Steuer- und Zollfahndung ist berechtigt, auch bei Dritten Verdachtsprüfungen vorzunehmen und Ermittlungsmaßnahmen durchzuführen, sofern ein Anfangsverdacht gegen einen Steuerpflichtigen beziehungsweise eine steuerrelevante Person besteht. Das umfasst auch das Recht, bei Dritten (z. B. Banken, Steuerberatern, Geschäftspartnern) Durchsuchungen durchzuführen und steuerrelevante Unterlagen sowie Daten zu beschlagnahmen (§§ 103, 94 StPO). Voraussetzung hierfür ist in der Regel ein richterlicher Beschluss. Auch hier greift der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und die Wahrung etwaiger Schutzrechte wie das Zeugnisverweigerungsrecht von Berufsgeheimnisträgern (§§ 53, 97 StPO).
Wann wird ein Strafverfahren durch die Steuerfahndung eingeleitet?
Die Einleitung eines Strafverfahrens durch die Steuerfahndung erfolgt, sobald ein sogenannter Anfangsverdacht (§ 152 Abs. 2 StPO) auf eine Steuerstraftat besteht. Dies kann nach einer Betriebsprüfung, durch Kontrollmitteilungen, anonyme Hinweise, Verdachtsmeldungen nach dem Geldwäschegesetz oder im Rahmen eigener Ermittlungen erfolgen. Mit Bekanntwerden des Verdachts ist die Steuerfahndung verpflichtet, ein Ermittlungsverfahren einzuleiten und die weiteren notwendigen Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts durchzuführen. Das Verfahren wird dann in enger Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft geführt und kann u.a. zu Anklageerhebung oder – im Falle geringer Schuld – zur Einstellung gegen Auflage führen.