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Standstill


Definition und Begriffserklärung: Standstill im Recht

Der Begriff Standstill (zu Deutsch etwa „Stillstand“, „Stillhalteabkommen“ oder „Stillhaltepflicht“) bezeichnet in rechtlichen Zusammenhängen eine vertraglich oder gesetzlich vereinbarte Verpflichtung, bestimmte Handlungen für eine festgelegte Zeitspanne zu unterlassen oder zu unterbrechen. Das Standstill-Konzept findet in unterschiedlichen Rechtsgebieten Anwendung, insbesondere im Gesellschaftsrecht, Mergers & Acquisitions (M&A), Kapitalmarktrecht, Kartellrecht sowie im Zivilrecht. Ein Standstill dient in der Regel der Schaffung eines rechtlichen „Ruhezustands“ zwischen den beteiligten Parteien, um beispielsweise Verfahrensabläufe zu sichern oder Verhandlungsspielräume zu wahren.


Anwendungsbereiche und rechtliche Bedeutung des Standstills

Gesellschaftsrecht und M&A

Im Rahmen von Unternehmenskäufen sowie im Kontext von Beteiligungstransaktionen spielt das Standstill-Abkommen eine maßgebliche Rolle. Hier verpflichtet sich ein Investor gegenüber dem Zielunternehmen, für einen bestimmten Zeitraum keine weiteren Anteile zu erwerben, seine Beteiligung nicht zu erhöhen oder keine feindliche Übernahme zu initiieren. Ziel eines solchen Standstill-Arrangements ist es, den Unternehmensträger vor unerwünschtem Kontrollverlust während sensibler Phasen, etwa laufender Übernahmeverhandlungen, zu schützen und eine starke Verhandlungsposition zu bewahren.

Typische Inhalte von Standstill-Abkommen im M&A-Kontext

  • Beschränkung des Erwerbs weiterer Aktien oder Beteiligungen
  • Unterlassung von Angeboten zur Übernahme („Takeover-Bids“)
  • Verbot der Bildung von Aktionärskreisen („acting in concert“)
  • Pflicht zur Vertraulichkeit bestimmter Informationen (Verknüpfung mit Verschwiegenheitsabkommen)

Kapitalmarktrecht und Übernahmerecht

Im Kapitalmarktrecht sind Standstill-Klauseln häufig Bestandteil freiwilliger Zusagen institutioneller oder strategischer Investoren gegenüber börsennotierten Unternehmen. Sie verhindern, dass während eines bestimmten Zeitraums Schwellenwerte nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz (WpÜG) überschritten werden. Zudem können Standstill-Vereinbarungen zur Einhaltung von Haltefristen nach großvolumigen Kapitalmaßnahmen beitragen.

Im Übernahmerecht können Standstill-Verpflichtungen zudem zu restriktiven Nebenabreden bei öffentlichen Übernahmeangeboten zählen, mit denen Bietern und Zielunternehmen regulatorische Vorgaben einhalten und Transparenzpflichten steuern.

Kartellrecht

Im europäischen und deutschen Kartellrecht bezeichnet das sogenannte Standstill-Gebot die Verpflichtung der Unternehmen, einen von ihnen geplanten Unternehmenszusammenschluss nicht zu vollziehen, solange keine Freigabe durch die zuständige Wettbewerbsbehörde vorliegt (§ 41 GWB, Art. 7 FKVO). Das Standstill-Gebot dient dem Erhalt wirksamen Wettbewerbs, indem irreversible Maßnahmen vor Abschluss der kartellrechtlichen Prüfung untersagt werden. Zuwiderhandlungen können zur Nichtigkeit des Zusammenschlusses und empfindlichen Bußgeldern führen.

Standstill-Gebot nach FKVO und GWB

  • Art. 7 Abs. 1 FKVO: Vollzugsverbot für Zusammenschlüsse vor abschließender Genehmigung
  • § 41 Abs. 1 GWB: Durchsetzung des Standstills im deutschen Fusionskontrollrecht

Zivilrechtliche Standstill-Klauseln

Im Bereich der Schuldverhältnisse werden Standstill-Klauseln als Bestandteil von Verträgen, etwa in Darlehens- oder Restrukturierungsvereinbarungen, vereinbart. Gläubiger verpflichten sich hierin, während der Standstill-Periode auf die Durchsetzung ihrer Ansprüche (Fälligkeit von Rückzahlungen, Geltendmachung der Kündigung oder der Vollstreckung) zu verzichten. Dies verschafft Schuldnern zeitlichen Spielraum zur Sanierung oder Verhandlungsführung.


Rechtsfolgen, Anforderungen und Durchsetzung

Vertragsrechtliche Ausgestaltung

Standstill-Klauseln sind grundsätzlich dispositiv und werden individuell ausgehandelt. Sie müssen die Dauer, den genauen Regelungsinhalt sowie etwaige Ausnahmen präzise definieren. Die Rechtsfolgen bei Verstoß, insbesondere Vertragsstrafen oder Rückabwicklungsrechte, sind üblicherweise Vertragsgegenstand. Im kapitalmarktrechtlichen oder kartellrechtlichen Kontext ergibt sich die Verbindlichkeit unmittelbar aus dem Gesetz, ein Verstoß kann bußgeldbewehrt oder mit Nichtigkeit der vollzogenen Maßnahme sanktioniert sein.

Laufzeit und Beendigung

Der Zeitraum eines Standstill ist regelmäßig befristet, etwa auf mehrere Monate bis hin zu zwei Jahren, in Ausnahmefällen auch länger. Die Beendigung tritt automatisch mit Ablauf der vereinbarten Frist oder durch Eintritt bestimmter, vertraglich definierter Ereignisse (beispielsweise Abschluss eines Übernahmevertrags) ein. Eine vorzeitige Aufhebung kann unter Umständen durch einvernehmliche Vereinbarung aller Parteien erfolgen.


Standstill in der Rechtsprechung

Die Auslegung und Wirksamkeit von Standstill-Klauseln wurde wiederholt von Gerichten geprüft. Wesentliche Streitpunkte sind dabei die Vereinbarkeit mit zwingendem Recht (z.B. Missbrauchskontrolle im Zivilrecht, kartellrechtliche Vorgaben, Aktienrecht), sowie die Reichweite und Transparenz von Standstill-Abmachungen. Die Gerichte erkennen die Zulässigkeit und Wirksamkeit regelmäßig an, solange keine unangemessene Benachteiligung einer Partei vorliegt oder zwingende gesetzliche Vorgaben verletzt werden.


Abgrenzung zu verwandten Rechtsbegriffen

Standstill-Klauseln sind abzugrenzen von Lock-up-Agreements (Unterbindung des Verkaufs von Anteilen), Non-Shop– und No-Talk-Klauseln (Verbot der Aufnahme von Verhandlungen mit Dritten während des Verkaufsprozesses) oder Stillhalteabkommen im Insolvenzrecht (Verzicht auf Maßnahmen zur Kreditrealisierung für einen bestimmten Zeitraum). Häufig treten diese Klauseln gemeinsam auf oder sind vertraglich miteinander verknüpft.


Zusammenfassung und Bedeutung des Standstill im Rechtsverkehr

Der Standstill ist ein zentraler Begriff in zahlreichen Rechtsbereichen. Er ermöglicht Rechtssicherheit, Planung und eine strukturierte Verhandlungsführung in komplexen wirtschaftlichen und rechtlichen Konstellationen. Durch genaue vertragliche Ausgestaltung und Beachtung gesetzlicher Vorgaben trägt das Standstill-Prinzip maßgeblich zur Vermeidung rechtlicher und wirtschaftlicher Nachteile sowie zur Sicherung der Interessen aller beteiligten Parteien bei.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Pflichten ergeben sich aus einer Standstill-Vereinbarung?

Eine Standstill-Vereinbarung begründet zwischen den beteiligten Parteien spezifische vertragliche Pflichten, insbesondere die Pflicht, zeitlich befristet auf die Durchsetzung bestimmter Rechte oder Ansprüche zu verzichten. Typischerweise verpflichtet sich beispielsweise ein Gläubiger, innerhalb der vereinbarten Stillhaltefrist keine Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Schuldner einzuleiten oder Kredite fällig zu stellen. Ebenso kann der Schuldner verpflichtet werden, während der Laufzeit der Vereinbarung bestimmte Informations- und Mitwirkungspflichten zu erfüllen, etwa die Offenlegung seiner wirtschaftlichen Situation oder die Unterlassung bestimmter Handlungen, die die Interessen der Gegenpartei beeinträchtigen könnten. Die Einhaltung dieser Pflichten wird regelmäßig ausdrücklich geregelt und Verstöße können zum sofortigen Ende der Standstill-Vereinbarung und zur Wiederherstellung der ursprünglichen Rechtslage führen, einschließlich der Möglichkeit, Zwangsmaßnahmen einzuleiten oder Ansprüche geltend zu machen.

Welche rechtlichen Folgen hat ein Verstoß gegen eine Standstill-Vereinbarung?

Ein Verstoß gegen eine Standstill-Vereinbarung stellt in der Regel eine Vertragsverletzung dar, die diverse rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Häufig wird im Vertrag selbst geregelt, dass eine Partei im Falle der Verletzung ihrer Pflichten der anderen Partei bestimmte Rechte zustehen, wie etwa die sofortige Beendigung der Stillhaltefrist und das Recht zur sofortigen Durchsetzung sämtlicher vertraglicher oder gesetzlicher Ansprüche. Darüber hinaus kann die verletzte Partei Schadensersatz fordern, sofern durch den Verstoß ein messbarer finanzieller Schaden entstanden ist. Es besteht zudem die Möglichkeit, gerichtlich auf Unterlassung oder Erfüllung der vereinbarten Pflichten zu klagen. Wird der Standstill im Kontext insolvenzrechtlicher Fragestellungen verletzt, können auch insolvenzrechtliche Folgen, wie die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, eintreten.

Gibt es Formvorschriften für den Abschluss einer Standstill-Vereinbarung?

Im deutschen Recht bestehen grundsätzlich keine zwingenden Formvorschriften für die Wirksamkeit einer Standstill-Vereinbarung; sie kann sowohl schriftlich als auch mündlich geschlossen werden. Aus Gründen der Nachweisbarkeit und Rechtssicherheit wird jedoch dringend empfohlen, eine schriftliche Fixierung vorzunehmen, die sämtliche Bedingungen, Laufzeiten, Pflichten der Parteien, Sanktionen bei Verstößen sowie ggf. Regelungen zu Verlängerung oder Kündigung detailliert enthält. In Sonderfällen, etwa bei Vereinbarungen, die Immobilienrechte oder gesellschaftsrechtliche Strukturen betreffen, können gesetzliche Formerfordernisse wie notarielle Beurkundung einschlägig werden.

Welche Aspekte sollten aus juristischer Sicht ausdrücklich geregelt werden?

Aus rechtlicher Sicht empfiehlt es sich, Standstill-Vereinbarungen möglichst klar und detailliert zu formulieren. Zentrale Regelungspunkte sollten insbesondere die genaue Definition des Umfangs der Stillhaltepflicht, den zeitlichen Geltungsbereich, konkrete Informations- und Mitwirkungspflichten der Parteien sowie die Voraussetzungen für die vorzeitige Beendigung oder Verlängerung der Vereinbarung sein. Ferner sollte geregelt werden, wie mit etwaigen neuen Forderungen oder Rechten während des Standstills umzugehen ist und welche Rechtsfolgen im Falle eines Verstoßes vorgesehen sind. Zuständigkeits- und Gerichtsstandwahlvereinbarungen sowie die Vereinbarung anwendbaren Rechts sind für die praktische Durchsetzbarkeit ebenfalls nicht zu vernachlässigen.

Wie lässt sich die Einhaltung einer Standstill-Vereinbarung rechtlich absichern?

Um die Einhaltung der Standstill-Vereinbarung effektiv sicherzustellen, können die Parteien verschiedene rechtliche Mechanismen vertraglich vorsehen. Dazu gehören etwa Vertragsstrafen für den Fall der Verletzung vereinbarter Pflichten, die Verpflichtung zur Sicherheitenstellung, zum Beispiel durch Bürgschaften, oder die Einschaltung eines Treuhänders zur Überwachung der Einhaltung der Bedingungen. Möglich ist darüber hinaus die Gestaltung der Vereinbarung als sogenanntes „unwiderrufliches Schuldanerkenntnis“ im Sinne des § 781 BGB, wodurch die Rechtsposition der begünstigten Partei weiter gestärkt wird. Ergänzend können Kontrollelemente wie regelmäßige Berichtspflichten, Einsichtsrechte oder externe Gutachten der Absicherung dienen.

In welchen rechtlichen Zusammenhängen findet der Standstill typischerweise Anwendung?

Standstill-Vereinbarungen sind aus rechtlicher Sicht besonders häufig im Bereich des Finanz- und Sanierungsrechts anzutreffen. Sie spielen eine zentrale Rolle im Vorfeld und während von Unternehmenssanierungen, insbesondere im Rahmen von außergerichtlichen Restrukturierungsverhandlungen oder bei konzerninternen Verhandlungen zur Schuldenregulierung. Auch im Zusammenhang mit geplanten Unternehmenskäufen oder bei Übernahmeangeboten dienen Standstill-Vereinbarungen der temporären Suspendierung von Aktionärsrechten oder Verpflichtungen, um Zeit für Verhandlungen zu schaffen. Ferner finden sie im Bereich des Patentrechts sowie bei kartellrechtlichen Fragestellungen Anwendung, etwa zur vorübergehenden Aussetzung von Maßnahmen im Vorfeld einer beabsichtigten Einigung.