Begriff und Definition der Sozialpädagogischen Einzelbetreuung
Die Sozialpädagogische Einzelbetreuung (SPE) ist eine im deutschen Kinder- und Jugendhilferecht verankerte Hilfeform, die sich insbesondere an Jugendliche und junge Volljährige richtet, die einen besonders hohen individuellen Unterstützungsbedarf aufweisen. Sie zählt zu den sogenannten „intensiven“ Hilfen zur Erziehung gemäß § 27 ff. SGB VIII (Achtes Buch Sozialgesetzbuch – Kinder- und Jugendhilfe).
Die Sozialpädagogische Einzelbetreuung ist durch ihre ausgeprägte Individualisierung und Flexibilität charakterisiert. Sie dient vorrangig der Bewältigung von Entwicklungsproblemen, der sozialen Integration sowie der Förderung der Persönlichkeitsentwicklung von Adressat:innen, deren Probleme durch andere, weniger intensive Hilfen nicht hinreichend aufgefangen werden können.
Gesetzliche Grundlagen der Sozialpädagogischen Einzelbetreuung
Verortung im SGB VIII
Die Rechtsgrundlage der Sozialpädagogischen Einzelbetreuung findet sich insbesondere in § 30 SGB VIII („Erziehungsbeistand, Betreuungshelfer“), wobei jedoch neben der genannten Vorschrift auch andere Paragraphen des SGB VIII, insbesondere §§ 27 („Hilfe zur Erziehung“) und 35, von Bedeutung sind. Die SPE wird im SGB VIII nicht wörtlich als eigene Hilfeform benannt, ist aber unter die „sonstigen, im Einzelfall notwendige Hilfen“ nach § 27 Abs. 2 Satz 2 SGB VIII subsumierbar und wird in der Praxis oftmals als besondere Ausgestaltung des Erziehungsbeistands nach § 30 SGB VIII gewährt.
Zielgruppe und Anwendungsbereiche
Die Sozialpädagogische Einzelbetreuung richtet sich typischerweise an Jugendliche und junge Volljährige (bis zur Vollendung des 21. bzw. 27. Lebensjahres in besonderen Einzelfällen), deren Unterstützungserfordernisse mit anderen Regelangeboten, wie Heimerziehung oder Tagesgruppenarbeit, nicht ausreichend gedeckt werden können (vgl. § 41 SGB VIII hinsichtlich Nachbetreuung nach Erreichen der Volljährigkeit).
Häufig adressiert die SPE Jugendliche mit besonderen sozialen oder psychischen Belastungen, Delinquenz, Suchtproblematiken oder erheblichem Schul- oder Ausbildungsversagen. Ziel ist die Stabilisierung der Persönlichkeit und Förderung einer eigenverantwortlichen Lebensgestaltung.
Ausgestaltung und rechtliche Voraussetzungen
Inhaltliche Gestaltung
Die konkrete Ausgestaltung der Sozialpädagogischen Einzelbetreuung erfolgt anhand des individuellen Hilfebedarfs und wird in einem Hilfeplanverfahren gemäß § 36 SGB VIII abgestimmt. Sie kann beispielsweise umfassen:
- Intensive Einzelgespräche und Beziehungsgestaltung
- Förderung sozialer Kompetenzen und Problembewältigungsstrategien
- Unterstützung in schulischen und beruflichen Angelegenheiten
- Begleitung im Alltags- und Freizeitbereich
- Krisenintervention
Die SPE ist üblicherweise ambulant angelegt, kann aber in besonderen Konstellationen auch mit teilstationären oder stationären Elementen kombiniert werden.
Hilfeplanverfahren
Gemäß § 36 SGB VIII ist für jede Hilfe zur Erziehung ein strukturiertes Hilfeplanverfahren obligatorisch. Hier wird – unter Beteiligung aller Beteiligten, insbesondere des jungen Menschen selbst – der individuelle Unterstützungsbedarf, die konkrete Ausgestaltung und die Zielsetzung sowie die jeweiligen Zuständigkeiten festgelegt. Die Sozialpädagogische Einzelbetreuung wird erst nach Abschluss dieses Verfahrens bewilligt, wobei die Fachkräfte des Jugendamts prüfend und steuern tätig werden.
Recht auf Hilfe zur Erziehung
Ein Anspruch auf Sozialpädagogische Einzelbetreuung konkretisiert sich über das grundsätzliche Recht auf Hilfe zur Erziehung nach § 27 Abs. 1 SGB VIII. Dabei obliegt der zuständigen öffentlichen Behörde (in der Regel das örtliche Jugendamt) eine Auswahlentscheidung, welche Hilfeform im Einzelfall erforderlich und geeignet ist.
Die SPE ist als Einzelmaßnahme regelmäßig dann angezeigt, wenn weniger intensive Hilfen nicht ausreichen, andere Hilfesettings scheitern oder nicht angemessen sind und eine intensivere individuelle Begleitung notwendig erscheint.
Trägerschaft und Durchführung
Die Durchführung der Sozialpädagogischen Einzelbetreuung obliegt öffentlichen oder privaten Trägern der Jugendhilfe. Diese müssen die Eignung und Qualifikation ihres Personals nachweisen und die gesetzlichen Vorgaben § 72 SGB VIII (Persönliche Eignung) sowie ggf. landesrechtliche Ausführungsbestimmungen einhalten. Die Qualitätssicherung und Kontrolle erfolgt durch das Jugendamt.
Die Finanzierung der Maßnahme übernimmt grundsätzlich der öffentliche Träger (Jugendamt) gemäß § 39 SGB VIII „Leistungen zum Unterhalt bei Unterbringung außerhalb des Elternhauses“, sofern Voraussetzungen für Anspruch und Bedarf gegeben sind. Zuzahlungen durch Erziehungsberechtigte oder Betroffene selbst sind in seltenen Fällen möglich und werden nach dem jeweiligen Landesrecht sowie den individuellen wirtschaftlichen Verhältnissen bemessen.
Abgrenzungen zu anderen Hilfeformen
Die Sozialpädagogische Einzelbetreuung grenzt sich dadurch ab, dass sie als Einzelmaßnahme durchgeführt wird und eine intensive, engmaschige und individuelle Unterstützung bietet. Sie unterscheidet sich insbesondere von:
- Erziehungsbeistandschaft (§ 30 SGB VIII): Hier liegt der Fokus eher auf Unterstützungsleistungen in der Alltagsbewältigung, die SPE ist jedoch intensiver und individuell abgestimmter.
- Sozialpädagogischer Familienhilfe (§ 31 SGB VIII): Statt einer auf die gesamte Familie bezogenen Hilfe wird bei der SPE gezielt ein einzelner junger Mensch unterstützt.
- Betreutem Wohnen (§ 34 SGB VIII): Hier steht die Unterbringung im Mittelpunkt, während die SPE schwerpunktmäßig ambulant organisiert ist.
Relevante Rechtsprechung und Verwaltungspraxis
Maßgeblich für die Bewilligung und Ausgestaltung der Sozialpädagogischen Einzelbetreuung ist die Verwaltungs- und Sozialgerichtsbarkeit. Die Rechtsprechung stellt klar, dass Anspruch und Umfang der Maßnahme sich aus dem Kindeswohl bemessen (§ 1 Abs. 3 SGB VIII) und Individualbedarf orientiert auszugestalten sind. Die Verwaltungsgerichte prüfen regelmäßig die korrekte Durchführung des Hilfeplanverfahrens, die Bedarfsanalyse und die Angemessenheit der Maßnahme im Einzelfall.
Datenschutz und Schweigepflicht
Personenbezogene Daten im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer Sozialpädagogischen Einzelbetreuung unterliegen den datenschutzrechtlichen Vorgaben, insbesondere denen des SGB VIII (§ 65 SGB VIII i.V.m. DSGVO). Darüber hinaus sind Sozialpädagog:innen an die Schweigepflicht gebunden (§ 203 Abs. 1 StGB) und dürfen Informationen nur bei Vorliegen eines rechtlichen Interesses oder einer Einwilligung weitergeben.
Fazit
Die Sozialpädagogische Einzelbetreuung nimmt als intensivste ambulante Hilfeform im System der Hilfen zur Erziehung eine besondere Rolle ein. Sie wird rechtlich sowohl durch die allgemeinen Vorschriften des SGB VIII als auch durch verwaltungsrechtliche und datenschutzrechtliche Vorgaben geprägt. Die Spezifik der Maßnahme liegt in ihrer Einzelfallorientierung, ihrer Flexibilität und ihrer variablen Intensität, wodurch sie den individuellen Bedarfen besonders belasteter junger Menschen gerecht werden kann. Die Bewilligung und Durchführung der Maßnahmen sind an ein formelles Hilfeplanverfahren sowie strenge Maßstäbe in Bezug auf Notwendigkeit, Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit gebunden.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Sozialpädagogische Einzelbetreuung?
Die sozialpädagogische Einzelbetreuung ist in Deutschland überwiegend im Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) – Kinder- und Jugendhilfe – rechtlich verankert. Insbesondere § 27 SGB VIII (Hilfe zur Erziehung) bildet zusammen mit § 30 SGB VIII (Sozialpädagogische Einzelbetreuung) die Hauptgrundlage für diese Hilfeform. Die Anspruchsprüfung, Durchführung und Kostenübernahme richten sich nach den dort festgelegten Voraussetzungen und Verfahren. Die Ausgestaltung erfolgt weiterhin unter Beachtung ergänzender Gesetze wie dem Bundeskinderschutzgesetz (BKiSchG), Datenschutzregelungen der DSGVO, ergänzenden Verwaltungsvorschriften der Länder, dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG), dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) sowie landesrechtlichen Ausführungsgesetzen zur Kinder- und Jugendhilfe.
Wer hat Anspruch auf sozialpädagogische Einzelbetreuung?
Anspruchsberechtigt nach SGB VIII sind grundsätzlich Personen unter 18 Jahren (Kinder und Jugendliche), deren Erziehungsberechtigte oder Erziehungsbeauftragten die Hilfe beantragen und deren Entwicklung ohne diese Unterstützung gefährdet erscheint (§§ 27, 30 SGB VIII). Vorrangiger Maßstab ist der individuelle erzieherische Bedarf. Anspruch besteht nur, wenn weniger intensive oder andere Hilfen zur Erziehung nicht ausreichen und eine Einzelbetreuung zur sozialpädagogischen Förderung, Verselbständigung oder Vermeidung von Kindeswohlgefährdung notwendig ist. Auch junge Volljährige können im Rahmen von § 41 SGB VIII (Hilfen für junge Volljährige) Anspruch haben. Die Anspruchsprüfung erfolgt in Form einer Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII unter Beteiligung des Jugendamtes, aller Beteiligten sowie der Sorgeberechtigten.
Wie läuft das Antrag- und Bewilligungsverfahren rechtlich ab?
Das Verfahren beginnt mit einem formellen Antrag beim zuständigen Jugendamt. Dieses ist gesetzlich verpflichtet, im Rahmen eines Hilfeplanverfahrens (§ 36 SGB VIII) den Bedarf, die Art der Hilfe und das Ziel der Maßnahme gemeinsam mit dem Kind/Jugendlichen und den Sorgeberechtigten festzustellen. Die Bewilligung wird in der Regel durch einen schriftlichen Hilfeplan dokumentiert, in dem die Ausgestaltung sowie Umfang und Dauer der Einzelbetreuung verbindlich festgelegt werden. Alle Beteiligten – das Jugendamt, die Sorgeberechtigten und das Kind oder der Jugendliche – haben Mitwirkungsrechte. Die Entscheidung über die Hilfe unterliegt dem Verwaltungsrecht und kann bei Ablehnung oder Unstimmigkeiten durch Widerspruch und verwaltungsgerichtliche Klage überprüft werden.
Wer trägt die Kosten für die sozialpädagogische Einzelbetreuung?
Die notwendigen und angemessenen Kosten werden nach § 39 SGB VIII regelmäßig vom zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe (meist das Jugendamt) übernommen. In bestimmten Fällen kann der Hilfeberechtigte zu einem Kostenbeitrag gemäß §§ 91 ff. SGB VIII herangezogen werden, insbesondere bei eigenem Einkommen oder Vermögen der Sorgeberechtigten bzw. des jungen Menschen. Die konkrete Kostenbeteiligung richtet sich nach der Kostenbeitragsverordnung und ist im Bewilligungsbescheid festgelegt. Kosten für die Maßnahme selbst sind dagegen mit dem Träger der Jugendhilfe nach sozialrechtlichen Vergütungssätzen oder auf Grundlage von Entgeltvereinbarungen abzurechnen.
Welche Mitwirkungs- und Beschwerderechte bestehen für Hilfeberechtigte?
Antragsberechtigte, Hilfeberechtigte und Jugendliche haben umfassende Mitwirkungsrechte im Hilfeplanverfahren (§ 36 SGB VIII). Sie können Vorschläge zur Ausgestaltung, zu Zielen und zur Wahl des Trägers einbringen. Darüber hinaus besteht das Recht auf Akteneinsicht gemäß § 25 SGB X (Sozialverwaltungsverfahren) und auf Anhörung sowie eine detaillierte schriftliche Begründung bei Ablehnung des Antrags. Im Fall von Streitigkeiten besteht das Recht auf Widerspruch gegen den Bescheid des Jugendamts, das Recht auf Beratungshilfe sowie auf Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht. Weitere Schutzrechte existieren im Bereich des Datenschutzes und in Bezug auf die Schweigepflicht der eingesetzten sozialpädagogischen Fachkräfte.
Welche Datenschutzregelungen sind bei sozialpädagogischer Einzelbetreuung zu beachten?
Für die Verarbeitung personenbezogener Daten gelten die Vorschriften der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), ergänzend §§ 61 ff. SGB VIII (Sozialdatenschutz) sowie das Bundes- und ggf. das Landesdatenschutzgesetz. Die Weitergabe, Speicherung und Verarbeitung sensibler Daten von Kindern, Jugendlichen und deren Familien setzt regelmäßig eine informierte Einwilligung voraus, sofern keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage wie die Umsetzung des staatlichen Wächteramtes (§§ 1, 8a SGB VIII) vorliegt. Alle Fachkräfte unterliegen der Schweigepflicht und müssen einen sorgfältigen und dokumentierten Umgang mit sämtlichen personenbezogenen Daten sicherstellen, einschließlich einer Löschung nach Maßgabe der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen.
Wie lange kann eine sozialpädagogische Einzelbetreuung bewilligt werden und wie erfolgt die Beendigung?
Die Dauer der Maßnahme richtet sich nach dem individuellen Bedarf, der im Hilfeplanverfahren regelmäßig überprüft und dokumentiert wird. Die Fortführung oder Beendigung der Leistung wird in Abhängigkeit vom erreichten Hilfeziel, veränderten Lebensumständen oder auf Wunsch der Beteiligten im Rahmen des erneuerten Hilfeplanverfahrens entschieden. Das Jugendamt muss bei geplanten Veränderungen rechtlich informiert werden und ein Abbruch oder eine vorzeitige Beendigung sind nur unter Einhaltung der Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte sowie entsprechender Dokumentation im Hilfeplan rechtmäßig. Das rechtliche Ende tritt in der Regel ein, wenn das Hilfeziel erreicht bzw. keine Notwendigkeit mehr besteht oder der junge Mensch volljährig wird, mit der Option auf eine Hilfeverlängerung nach § 41 SGB VIII.