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Sicherungsvertrag


Sicherungsvertrag

Der Sicherungsvertrag ist ein zentrales Institut des deutschen Zivilrechts und stellt eine vertragliche Vereinbarung zwischen zwei Parteien dar, mit der eine Verpflichtung zur Stellung oder Begründung eines Sicherungsrechts begründet wird. Er dient der Absicherung eines bestehenden oder künftigen Anspruchs (Sicherungszweck) durch die Einräumung eines Sicherungsmittels, wie zum Beispiel einer Bürgschaft, Hypothek, Grundschuld, Verpfändung oder Sicherungsübereignung. Die Funktion des Sicherungsvertrags besteht darin, dem Sicherungsnehmer (Gläubiger) zusätzliche Rechte im Falle der Nichterfüllung einer Verpflichtung seitens des Sicherungsgebers (Schuldner) zu verschaffen.

Rechtsnatur und Systematik des Sicherungsvertrags

Der Sicherungsvertrag ist ein schuldrechtlicher Vertrag. Er regelt die wechselseitigen Rechte und Pflichten zwischen Sicherungsgeber und Sicherungsnehmer. Im deutschen Recht sind die dem Sicherungsvertrag zugrundeliegenden Typen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nicht ausdrücklich geregelt, sondern konkretisieren sich durch die Rechtsprechung und das Gewohnheitsrecht. Meist geht der Sicherungsvertrag der Begründung des eigentlichen Sicherungsrechts (zum Beispiel der Abtretung oder Verpfändung) voraus oder findet mit diesem zusammen statt (Realakt und Sicherungsvertrag).

Abgrenzung zum Sicherungsverhältnis

Das Sicherungsverhältnis beschreibt dasjenige Verhältnis, aus dem heraus eine zu sichernde Forderung resultiert (Kreditverhältnis, Schuldverhältnis usw.). Der Sicherungsvertrag ist hingegen die Grundlage für die Begründung des Sicherungsmittels; er steht neben dem sogenannten Sicherungsrechtsverhältnis, das bei Begründung eines dinglichen Sicherungsrechts entsteht.

Inhalt und Ausgestaltung des Sicherungsvertrags

Der Sicherungsvertrag bestimmt Art und Umfang der zur Verfügung gestellten Sicherheiten sowie deren Zweckbindung. Er enthält insbesondere folgende wesentlichen Regelungselemente:

  • Bestimmung des Sicherungszwecks: Der Sicherungsvertrag regelt, welche konkreten Forderungen durch das Sicherungsrecht gesichert werden sollen (z.B. einen bestimmten Kredit, einen Kontokorrentkredit oder auch künftige Forderungen).
  • Begründung des Sicherungsmittels: Der Vertrag legt fest, welches Sicherungsmittel (Bürgschaft, Hypothek, Grundschuld, Sicherungsübereignung, Verpfändung usw.) zur Sicherung dient.
  • Rückgewährpflicht: Einer der zentralen Inhalte ist die Regelung zur Rückübertragung oder Freigabe der Sicherung nach Wegfall des Sicherungszwecks.
  • Verwertungsmodalitäten: Der Vertrag kann Modalitäten vorsehen, nach denen der Sicherungsnehmer das Sicherungsrecht im Sicherungsfall (zumeist bei Nichterfüllung der gesicherten Forderung) verwerten darf.

Rechtsfolgen des Sicherungsvertrags

Der Sicherungsvertrag verpflichtet den Sicherungsgeber, das vereinbarte Sicherungsmittel zu bestellen, und bindet den Sicherungsnehmer an die Zweckerklärung (Zweckbestimmungserklärung), also die Vereinbarung, für wessen Sicherung die bestellte Sicherheit dienen soll. Verstöße gegen die im Sicherungsvertrag getroffenen Regelungen können Ansprüche auf Rückübertragung, Schadensersatz oder Unterlassung begründen.

Ein wesentliches Merkmal des Sicherungsvertrags ist die sogenannte „Akzessorietät“ (Abhängigkeit) bei einigen Sicherungsmitteln, insbesondere bei Bürgschaft (§ 765 BGB) und Hypothek (§§ 1113 ff. BGB), wonach diese nur so lange bestehen, wie die gesicherte Forderung besteht. Bei Sicherheiten wie der Grundschuld (nicht-akzessorisch) wird die Verbindung zur gesicherten Forderung allein durch den Sicherungsvertrag hergestellt.

Typische Erscheinungsformen des Sicherungsvertrags

Sicherungsübereignung

Die Sicherungsübereignung ist ein weit verbreitetes Sicherungsmittel im Mobilienbereich (z.B. bei Kfz- oder Warenkrediten) und wird durch Sicherungsvertrag und Übereignungsakt begründet. Der Sicherungsnehmer erhält Eigentum an der Sache, darf dieses aber nur unter den Bedingungen des Sicherungsvertrags verwerten.

Verpfändung

Die Verpfändung, insbesondere das Pfandrecht an beweglichen Sachen (§§ 1204 ff. BGB) oder Rechten (§§ 1273 ff. BGB), erfordert ebenfalls einen Sicherungsvertrag, der den Sicherungszweck bindend festlegt.

Grundschuld und Sicherungsgrundschuld

Die Bestellung einer Grundschuld (§§ 1191 ff. BGB) erfolgt fast ausschließlich zu Sicherungszwecken. Das Sicherungsverhältnis ergibt sich aus dem Sicherungsvertrag, häufig in Form einer Zweckerklärung.

Bürgschaft

Die Bürgschaft (§ 765 ff. BGB) beruht zwingend auf einem Bürgschaftsvertrag, der als engste Ausprägung des Sicherungsvertrags angesehen wird, da hier die akzessorische Verbindung zwischen Hauptverbindlichkeit und Sicherungsfall besteht.

Nebenabreden und Klauseln im Sicherungsvertrag

Sicherungsverträge enthalten regelmäßig Nebenabreden, beispielsweise zu Verwertungsermächtigungen, Verzicht auf Sicherungsrechte (etwa § 1993 BGB), Mitwirkungspflichten des Sicherungsnehmers oder Regelungen zur Haftungsbegrenzung. Vielfach werden Sicherungsverträge als Formularverträge ausgestaltet, auf deren AGB-Problemstellungen (z.B. nach den §§ 305 ff. BGB) insbesondere im Bankrecht zu achten ist.

Beendigung und Rückabwicklung des Sicherungsvertrags

Mit Erfüllung der gesicherten Forderung oder Wegfall des Sicherungszwecks (zum Beispiel Rückzahlung eines Kredits) entsteht ein Anspruch des Sicherungsgebers auf Rückübertragung (bei Grundschulden: „Schuldurkundenherausgabe und Löschungsbewilligung“, bei Sicherungsübereignung: Rückübereignung) des Sicherungsrechts. Auch eine Freigabe nicht mehr benötigter Sicherheiten ist häufig im Sicherungsvertrag geregelt.

Rechtsprechung und Bedeutung in der Praxis

Die Auslegung von Sicherungsverträgen spielt insbesondere im Kredit- und Bankrecht eine herausragende Rolle. Die Rechtsprechung entwickelt fortlaufend Leitsätze zur Transparenz, Umfang und Wirksamkeit von Sicherungsabreden, insbesondere auch zur Wirksamkeit von Globalzessionen, Sicherungsgrundschulden sowie zur Inhaltskontrolle mittels AGB-Recht.

Zusammenfassung

Der Sicherungsvertrag ist ein fundamentales Instrument zur Absicherung von Forderungen und Verpflichtungen im Zivilrecht. Seine rechtliche Bedeutung entfaltet sich durch die Vereinbarung und Ausgestaltung von Sicherungsmitteln, die Bindung an den Sicherungszweck und die damit verbundenen Rückgewährpflichten. Die Komplexität und Vielgestaltigkeit des Sicherungsvertrags machen ihn zu einem unerlässlichen Bestandteil zahlreicher Rechtsverhältnisse, insbesondere im Kreditwesen, Wirtschaftsverkehr und bei Immobilientransaktionen. Die sorgfältige Gestaltung, Auslegung und Anwendung des Sicherungsvertrags ist maßgeblich für die rechtssichere Handhabung und Durchsetzung von Sicherungsrechten.

Häufig gestellte Fragen

Welche Formerfordernisse gelten für einen Sicherungsvertrag?

Ein Sicherungsvertrag unterliegt im deutschen Recht grundsätzlich keiner besonderen Form, kann also sowohl mündlich als auch schriftlich abgeschlossen werden. Gesetzlich vorgeschriebene Formerfordernisse existieren jedoch, sofern sich der Sicherungsvertrag auf Sicherheiten bezieht, für deren Begründung eine bestimmte Form vorgeschrieben ist. So ist beispielsweise für die Bestellung einer Hypothek oder Grundschuld eine notarielle Beurkundung beziehungsweise eine Eintragung ins Grundbuch erforderlich (§§ 873, 1113 BGB). Gleiches gilt etwa bei der Sicherungsabtretung künftiger Ansprüche, wenn der zu sichernde Anspruch aufgrund gesetzlicher Vorschriften selbst einer bestimmten Form bedarf. In der Praxis wird jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit und Dokumentation fast immer die Schriftform gewählt, um den Inhalt und das Zustandekommen des Sicherungsvertrags bei späteren Streitigkeiten zuverlässig nachweisen zu können. Zudem verlangen Banken und andere Kreditgeber in der Regel bereits aus Risikogesichtspunkten sowie zu Beweiszwecken stets einen schriftlichen Sicherungsvertrag.

In welchem Verhältnis stehen Sicherungsvertrag und Sicherungsgeschäft zueinander?

Der Sicherungsvertrag stellt das schuldrechtliche Grundverhältnis dar, welches die Pflichten und Rechte zwischen dem Sicherungsgeber und dem Sicherungsnehmer bezüglich der gestellten Sicherheit regelt. Er ist abzugrenzen von dem sogenannten Sicherungsgeschäft, das das Verfügungsgeschäft zur Übertragung, Bestellung oder Belastung des Sicherungsgegenstandes (z. B. einer Eigentumsübertragung, Verpfändung oder Abtretung) betrifft. Das Sicherungsgeschäft bewirkt die tatsächliche Rechtsänderung am Sicherungsobjekt. Das Verhältnis von Sicherungsvertrag und Sicherungsgeschäft ist regelmäßig durch das Trennungs- und Abstraktionsprinzip des deutschen Zivilrechts geprägt: Der Sicherungsvertrag begründet die Pflicht zur Sicherheitenbestellung, während das Verfügungsgeschäft diese Verpflichtung erfüllt. Endet das Sicherungsverhältnis (z. B. durch Rückzahlung der gesicherten Forderung), besteht regelmäßig ein Anspruch auf Rückübertragung, der aus dem Sicherungsvertrag abgeleitet wird.

Welche Risiken bestehen für den Sicherungsgeber bei Abschluss eines Sicherungsvertrags?

Für den Sicherungsgeber besteht das zentrale Risiko darin, dass er das Eigentum oder andere Rechte an dem Sicherungsobjekt (z. B. Forderungen, Grundstücke, bewegliche Sachen) vorübergehend oder endgültig an den Sicherungsnehmer überträgt. Falls der Sicherungsvertrag unklar oder lückenhaft formuliert ist, kann der Sicherungsnehmer unter Umständen über das Sicherungsobjekt weitergehend verfügen, als gewünscht war, insbesondere im Falle einer Insolvenz des Sicherungsnehmers oder bei einer nicht sachgerechten Verwertung der Sicherheit. Zudem besteht die Gefahr, dass die Sicherheit trotz Rückzahlung der gesicherten Forderung nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen zurückerlangt werden kann, wenn keine klare Freigabevereinbarung im Sicherungsvertrag getroffen wurde. Rechtlich gesehen können Risiken ebenfalls aus Gestaltungsmängeln resultieren, die zur Nichtigkeit der Sicherheitenbestellung nach § 134 BGB oder wegen Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB) führen. Daher ist eine präzise und umfassende Regelung sämtlicher relevanter Aspekte des Sicherungsvertrags unabdingbar.

Welche Bedeutung hat die Valutaverhältnis im Zusammenhang mit dem Sicherungsvertrag?

Das Valutaverhältnis ist das gesicherte Rechtsverhältnis – meist ein Kreditvertrag -, dessen Erfüllung durch die gestellte Sicherheit abgesichert werden soll. Der Sicherungsvertrag nimmt ausdrücklich Bezug auf das Valutaverhältnis, indem geregelt wird, dass und bis zu welchem Umfang die Sicherheit zu dienen hat. Im Sicherungsvertrag werden somit Berechtigung und Zweckbindung der Sicherheit eindeutig definiert. Die ordnungsgemäße Rückübertragung oder Freigabe der Sicherheit nach vollständiger Erfüllung des Valutaverhältnisses hängt unmittelbar vom Sicherungsvertrag ab. Kommt es zu Veränderungen oder Wegfall des Valutaverhältnisses (z. B. Rückzahlung des Kredits), wirkt sich dies regelmäßig auch auf die Rechte und Pflichten aus dem Sicherungsvertrag aus, sodass die Sicherheit zurückzugewähren ist. Streitigkeiten über Umfang und Bestand von Forderungen aus dem Valutaverhältnis werden häufig zum Kernpunkt rechtlicher Auseinandersetzungen um den Sicherungsvertrag.

Welche Hauptpflichten ergeben sich für die Vertragsparteien aus einem Sicherungsvertrag?

Aus dem Sicherungsvertrag erwachsen dem Sicherungsgeber in erster Linie die Pflicht zur Übertragung, Bestellung oder Einräumung der vertraglich vereinbarten Sicherheit sowie gegebenenfalls zur Pflege oder Werterhaltung des Sicherungsobjekts. Dem Sicherungsnehmer obliegt es insbesondere, die Sicherheit nur im Rahmen des vertraglich bestimmten Sicherungszwecks zu verwerten, also etwa erst im Falle des Eintritts eines Sicherungsfalls (z. B. Leistungsstörung im Valutaverhältnis). Ferner ist der Sicherungsnehmer verpflichtet, die Sicherheit ordnungsgemäß zu verwahren und auf Verlangen nach Wegfall des Sicherungszwecks herauszugeben oder zurückzuübertragen. Verstöße gegen diese Pflichten können Schadensersatzansprüche, Unwirksamkeit des Sicherungsvertrags oder sogar strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Ebenso sind Regelungen zur Verwertung, Rückgewähr der Sicherheit und Informationspflichten Bestandteil der wechselseitigen Rechte und Pflichten aus dem Sicherungsvertrag.

Wie wirkt sich eine nachträgliche Veränderung der gesicherten Forderung auf den Sicherungsvertrag aus?

Eine nachträgliche Veränderung – etwa durch Erhöhung oder Reduzierung der Hauptforderung – hat direkte Auswirkungen auf den Sicherungsvertrag, da dieser regelmäßig auf die jeweils bestehende Forderung zugeschnitten ist. Bei einer Erhöhung der Forderung kann sich der Sicherungsnehmer nur dann auf die gestellte Sicherheit berufen, wenn der Sicherungsvertrag eine entsprechende Klausel enthält, die eine solche Erweiterung des Sicherungszwecks abdeckt (Stichwort: „Sicherung künftiger Forderungen“). Andernfalls bleibt die Sicherheit auf die ursprünglich vereinbarte Forderung beschränkt. Bei der Reduzierung oder vollständigen Erfüllung der gesicherten Forderung ist der Sicherungsnehmer verpflichtet, die Sicherheit anteilig oder vollständig freizugeben oder zurückzuübertragen. Die konkreten Rechtsfolgen richten sich nach dem Inhalt des Sicherungsvertrags und den allgemeinen Regeln des BGB. Änderungen im Umfang der Forderung ohne Anpassung des Sicherungsvertrags können zu Über- oder Unterbesicherung oder sogar zur Unwirksamkeit bestimmter Sicherungsabreden führen.

Gibt es Grenzen der Vertragsfreiheit bei der Ausgestaltung eines Sicherungsvertrags?

Grundsätzlich herrscht im Bereich des Sicherungsvertrags Vertragsfreiheit, d. h., die Parteien können Inhalt, Form und Umfang ihrer Vereinbarungen weitgehend eigenverantwortlich gestalten. Grenzen setzen jedoch zwingende gesetzliche Vorschriften, wie etwa das Verbot sittenwidriger Geschäfte (§ 138 BGB), das Umgehungsverbot gesetzlicher Formvorschriften (§ 134 BGB), verbraucherschützende Bestimmungen oder das Missbrauchsverbot. Übermäßige Sicherungsabreden, die den Sicherungsgeber unangemessen benachteiligen (z. B. Übersicherung), können daher ganz oder teilweise nichtig sein. Zudem können Vorschriften des Kreditsicherungsrechts, des Insolvenzrechts oder spezialgesetzliche Regelungen (wie etwa das Wohnraumkündigungsschutzgesetz beim Sicherungsvertrag in Mietverhältnissen) die Vertragsfreiheit zusätzlich beschränken. Die Einhaltung dieser Grenzen ist für die Wirksamkeit und Durchsetzbarkeit eines Sicherungsvertrags unabdingbar.