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Sicherung des Nachlasses


Sicherung des Nachlasses

Die Sicherung des Nachlasses ist ein zentrales Thema im Erbrecht und umfasst sämtliche Maßnahmen, die das Ziel haben, das Vermögen einer verstorbenen Person (Erblasser) vor dem Zugriff Unberechtigter zu schützen und eine geordnete Nachlassabwicklung zu gewährleisten. Sie dient vor allem dem Schutz der Erben, Vermächtnisnehmer sowie etwaiger Gläubiger des Erblassers und ist sowohl im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) als auch in verschiedenen Nebengesetzen geregelt.


Bedeutung und Ziel der Nachlasssicherung

Die Sicherung des Nachlasses verfolgt das Ziel, den Bestand und Wert des Nachlasses bis zur Feststellung der Erbfolge und endgültigen Verteilung bzw. Auseinandersetzung zu erhalten. Dadurch wird verhindert, dass Vermögenswerte verloren gehen, verheimlicht oder entzogen werden. Die Nachlasssicherung hat damit eine Funktion zum Erhalt und zur Feststellung der Vermögensmasse des Erblassers.

Typische Gefährdungssituationen

Eine Sicherung des Nachlasses ist insbesondere dann angezeigt, wenn keine unmittelbaren Erben bekannt sind, der Nachlass unübersichtlich ist oder eine Gefahr besteht, dass Nachlassgegenstände beiseite geschafft, beschädigt oder entwertet werden könnten.


Gesetzliche Grundlagen

Die wesentlichen gesetzlichen Regelungen zur Sicherung des Nachlasses finden sich in den §§ 1960 bis 1962 BGB sowie in den Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Daneben existieren einzelne Bestimmungen in spezialgesetzlichen Regelungen, etwa im Handelsgesetzbuch (HGB) bezüglich betrieblicher Nachlässe.


Maßnahmen zur Sicherung des Nachlasses

Nachlasspflegschaft

Die Nachlasspflegschaft ist eine gerichtliche Maßnahme nach § 1960 BGB. Sie wird insbesondere dann angeordnet, wenn die Erben unbekannt sind oder wenn ungeklärt ist, wer Erbe geworden ist. Das Nachlassgericht bestellt in solchen Fällen einen Nachlasspfleger. Der Nachlasspfleger hat die Aufgabe, den Nachlass vor Zugriffen Dritter zu schützen, den Bestand zu sichern, zu verwalten und die Erben zu ermitteln.

Bestellung und Aufgaben des Nachlasspflegers

Das Nachlassgericht bestellt den Nachlasspfleger von Amts wegen oder auf Antrag eines Beteiligten. Seine Hauptaufgabe besteht in der Sicherung und Verwaltung des Nachlasses sowie der Vertretung des unbekannten Erben in rechtlichen Angelegenheiten. Hierzu zählen auch die Wahrnehmung der verfahrensbezogenen Rechte sowie die Sicherstellung offener Forderungen oder Verbindlichkeiten.

Nachlassverwaltung

Die Nachlassverwaltung wird in § 1981 BGB geregelt und ist eine weitere Form staatlicher Sicherung. Sie kommt unter bestimmten Voraussetzungen in Betracht, etwa bei Überschuldung des Nachlasses oder zur Befriedigung von Nachlassgläubigern. Im Unterschied zur Nachlasspflegschaft richtet sich die Nachlassverwaltung an bekannte Erben, die aber ihre Haftung auf den Nachlass beschränken möchten.


Siegelung des Nachlasses

Das Nachlassgericht kann bereits unmittelbar nach dem Tod des Erblassers Sicherungsmaßnahmen wie Siegelung der Wohnung oder Geschäftsräume, Versiegelung von Wertgegenständen oder Bankfächern anordnen (§ 1961 BGB). Die Siegelung hält Dritte davon ab, Gegenstände eigenmächtig aus dem Nachlass zu entnehmen.


Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses

Ein weiteres zentrales Instrument der Nachlasssicherung ist die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses. Hierbei wird durch das Nachlassgericht oder den Nachlasspfleger eine vollständige Aufstellung sämtlicher Vermögenswerte und Verbindlichkeiten erstellt. Dieses Verzeichnis dient der Transparenz und ermöglicht den Beteiligten einen umfassenden Überblick über den Nachlass.

Inhalt des Nachlassverzeichnisses

Das Nachlassverzeichnis enthält Angaben zu Immobilien, Bankguthaben, Wertpapierdepots, Bargeldbeständen, körperlichen Gegenständen, Forderungen, Unternehmensbeteiligungen sowie zu bestehenden Verbindlichkeiten und Schulden des Erblassers.


Beteiligte und deren Rechte

Erben und Pflichtteilsberechtigte

Erben, aber auch Pflichtteilsberechtigte, haben das Recht auf Sicherung des Nachlasses und können entsprechende Maßnahmen beim Nachlassgericht beantragen. Sie werden regelmäßig über den Fortgang der Sicherung informiert und sind berechtigt, Einsicht in das Nachlassverzeichnis zu nehmen.

Nachlassgericht

Das Nachlassgericht hat die Aufgabe, von Amts wegen oder auf Antrag Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen. Es entscheidet im Rahmen seines Ermessens über Art und Umfang der Sicherungsmaßnahmen, gleicht widerstreitende Interessen ab und koordiniert die Nachlasssicherung bis zur endgültigen Erbfolgefeststellung.


Ende und Aufhebung der Nachlasssicherungsmaßnahmen

Nachlasssicherungsmaßnahmen enden regelmäßig mit der Feststellung der Erbfolge und der Übergabe des Nachlasses an die Erben. Das Nachlassgericht hebt die Sicherungsmaßnahmen auf, sobald die Voraussetzungen für eine Gefährdung nicht mehr vorliegen, die Erben feststehen und der Nachlass übergeben werden kann.


Praktische Bedeutung der Sicherung des Nachlasses

In der Praxis stellt die Sicherung des Nachlasses einen unverzichtbaren Bestandteil einer geordneten Nachlassabwicklung dar. Sie verhindert Missbrauch, sichert die Interessen sämtlicher Nachlassbeteiligten und bildet die Grundlage für eine rechtssichere Überleitung des Vermögens auf die Erben. Die Kenntnis und rechtzeitige Beantragung von Sicherungsmaßnahmen sind sowohl für Erben als auch für Nachlassbeteiligte von erheblicher Bedeutung, um den Bestand des Nachlasses zu sichern und eigene Ansprüche zu wahren.


Literatur und weiterführende Vorschriften

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – §§ 1960 ff., 1981 BGB
  • Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)
  • Handelsgesetzbuch (HGB) – einschlägige Spezialregelungen zur Nachlasssicherung bei Unternehmen
  • Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG)

Hinweis: Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über den Begriff und die rechtlichen Grundlagen der Sicherung des Nachlasses im deutschen Recht. Für spezifische Einzelfragen empfiehlt sich die Rücksprache mit einer rechtskundigen Beratungsstelle.

Häufig gestellte Fragen

Wie kann eine Nachlasssicherung rechtlich wirksam eingeleitet werden?

Zur rechtlich wirksamen Einleitung der Nachlasssicherung können Erben, Nachlassgläubiger oder sonstige Berechtigte beim zuständigen Nachlassgericht Sicherungsmaßnahmen beantragen. Zu den Maßnahmen zählt etwa die Nachlassverwaltung, die Siegelung der Nachlassgegenstände, die gerichtliche Anordnung eines Nachlasspflegers oder die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses. Das Nachlassgericht prüft zunächst das Sicherungsinteresse sowie die Dringlichkeit. Ein gerichtlicher Beschluss zur Sicherung wird vor allem dann erlassen, wenn eine Gefährdung des Nachlasses droht, etwa durch die Gefahr der Verschleuderung, Veruntreuung oder Unklarheit über die berechtigten Anspruchsteller. Der Antrag kann formlos erfolgen, muss jedoch konkrete Angaben zur Art und zum Umfang des Nachlasses sowie zur Art der drohenden Gefährdung enthalten. Häufig wird ein Nachweis über das rechtliche Interesse sowie die Glaubhaftmachung der Gefährdungslage verlangt.

Wer ist berechtigt, die Sicherung des Nachlasses zu verlangen?

Berechtigt zur Beantragung von Sicherungsmaßnahmen sind insbesondere die gesetzlichen und gewillkürten Erben, Vermächtnisnehmer, Pflichtteilsberechtigte sowie Nachlassgläubiger. Weiterhin kann auch ein Testamentsvollstrecker oder ein Nachlassverwalter solche Maßnahmen beantragen, sofern sie im rechtlichen Interesse des Nachlasses erfolgen. Minderjährige Erben können durch ihre gesetzlichen Vertreter handeln. Auch wenn der Erbe noch unbekannt ist, kann jede Person, der ein Anspruch am Nachlass zusteht oder die ein berechtigtes Interesse hat, beim Gericht Sicherungsmaßnahmen anregen.

Welche Arten von Sicherungsmaßnahmen sieht das Gesetz vor?

Zu den gesetzlichen Sicherungsmaßnahmen zählen insbesondere die Anordnung eines Nachlasspflegers (§ 1960 BGB), die Siegelung der Nachlassgegenstände (§ 2213 BGB), die Aufnahme eines Nachlassverzeichnisses oder die Inventarerrichtung (§ 1993 BGB). Die Auswahl der Maßnahme richtet sich nach Art und Umfang der drohenden Gefährdung. Eine Nachlasspflegschaft ist insbesondere dann angezeigt, wenn kein Erbe vorhanden oder der Erbe unbekannt ist. Die Siegelung schützt beweglichen Nachlass vor unbefugtem Zugriff oder rechtswidriger Entnahme. Ergänzend kann das Gericht die Nachlassgegenstände versiegeln oder an einen amtlichen Verwahrer übergeben.

Wie lange gelten Sicherungsmaßnahmen für den Nachlass?

Die Dauer der Sicherungsmaßnahmen richtet sich nach dem Fortbestehen des Sicherungsinteresses und dem jeweiligen Sicherungszweck. Regelmäßig enden Maßnahmen wie die Nachlasspflegschaft mit der Annahme der Erbschaft durch den Erben, spätestens jedoch mit der Ermittlung und Feststellung des Erben beziehungsweise der Erbengemeinschaft. Siegelungen werden aufgehoben, sobald keine Gefährdung des Nachlasses mehr besteht oder wenn der Erbe das Erbe antritt und einen entsprechenden Antrag stellt. Das Nachlassgericht überprüft regelmäßig die weitere Notwendigkeit der Maßnahmen und hebt diese von Amts wegen auf, wenn der Sicherungszweck entfällt.

Welche Rechte und Pflichten hat ein Nachlasspfleger im Rahmen der Nachlasssicherung?

Ein Nachlasspfleger wird vom Nachlassgericht zur Sicherung und Verwaltung des Nachlasses bestellt, wenn die Erben unbekannt oder verhindert sind. Seine Aufgaben umfassen insbesondere die Sicherung und Erhaltung des Nachlassvermögens, die Feststellung der Erben sowie die Erstellung eines Nachlassverzeichnisses. Er darf keine Verfügungen tätigen, die zu einer Schmälerung des Nachlasses über das Sicherungserfordernis hinaus führen. Der Nachlasspfleger haftet für Sorgfaltsverstöße während seiner Tätigkeit gegenüber den Berechtigten und ist dem Nachlassgericht zur Auskunft und Rechnungslegung verpflichtet. Seine Vergütung richtet sich nach dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (VBVG).

Wer trägt die Kosten einer Nachlasssicherung?

Die Kosten für Sicherungsmaßnahmen, wie Gerichtskosten für die Anordnung der Sicherung oder Vergütung des Nachlasspflegers, werden grundsätzlich aus dem Nachlass selbst beglichen. Das bedeutet, dass die Erbmasse für sämtliche anfallenden Aufwendungen aufkommt. Sollte das Nachlassvermögen hierfür nicht ausreichen, kann unter Umständen eine Kostenbeteiligung der Antragsteller oder Berechtigten erfolgen, insbesondere wenn Maßnahmen ausschließlich im Einzelinteresse erfolgen. Die genaue Kostentragung richtet sich nach den Vorschriften des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG) sowie der Nachlassordnung.

Inwieweit können Sicherungsmaßnahmen die Rechte der Erben oder Dritter beschränken?

Sicherungsmaßnahmen können für Erben und auch Dritte, die etwa im Besitz von Nachlassgegenständen sind, erhebliche Einschränkungen bedeuten. So dürfen Erben bis zur Aufhebung der Maßnahme nicht frei über die gesicherten Nachlassgegenstände verfügen. Beschränkungen können etwa durch die Siegelung, die Entziehung der Verwaltungs- und Verfügungsmacht im Falle der Nachlasspflegschaft oder die gerichtliche Verwahrung entstehen. Dritte, wie Vermieter oder Banken, werden vom Gericht über die Sicherungsmaßnahmen informiert und sind zur Kooperation verpflichtet. Rechtsmittel gegen die Maßnahmen sind möglich und richten sich nach den Regelungen der ZPO und des FamFG.