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Sicherung der Arbeitnehmer im Krankheitsfall


Sicherung der Arbeitnehmer im Krankheitsfall

Die Sicherung der Arbeitnehmer im Krankheitsfall bezeichnet den Schutz und die materiellen Absicherungen, die Arbeitnehmer:innen im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit genießen. Dieser Begriff umfasst sämtliche arbeitsrechtlichen, sozialversicherungsrechtlichen und kollektivrechtlichen Regelungen, die den Erhalt von Arbeitsverhältnis, Arbeitsentgelt und sozialer Sicherung im Krankheitsfall sicherstellen. Ziel ist es, den Lebensunterhalt der Betroffenen während einer Krankheit aufrechtzuerhalten und vor arbeitsrechtlichen Nachteilen zu schützen.

Arbeitsrechtliche Grundlagen

Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG)

Das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) regelt die grundlegenden Ansprüche von Arbeitnehmer:innen auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts bei unverschuldeter, krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit. Nach § 3 Abs. 1 EFZG besteht der Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für bis zu sechs Wochen, sofern das Arbeitsverhältnis mindestens vier Wochen ununterbrochen bestanden hat.

Voraussetzungen der Entgeltfortzahlung

Folgende Voraussetzungen müssen für die Entgeltfortzahlung erfüllt sein:

  • Arbeitsunfähigkeit: Es muss eine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit vorliegen.
  • Kein Verschulden: Die Erkrankung darf nicht selbst verschuldet sein (z. B. grob fahrlässiges Verhalten).
  • Infoweisepflicht und Nachweispflicht: Arbeitnehmer:innen sind verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich dem Arbeitgeber mitzuteilen (§ 5 EFZG).

Dauer und Höhe des Anspruchs

Die Entgeltfortzahlung erfolgt für maximal sechs Wochen je Krankheitsfall. Die Höhe der Fortzahlung entspricht grundsätzlich dem üblichen Arbeitsentgelt, das ohne die Arbeitsunfähigkeit zu zahlen gewesen wäre (§ 4 EFZG). Wiederholungserkrankungen zählen erneut, wenn sie nicht auf derselben Grunderkrankung beruhen und zwischen den Krankheiten mehr als sechs Monate liegen.

Anspruch auch für Teilzeit und Minijobs

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung gilt unabhängig von der Arbeitszeitstruktur. Auch Teilzeitbeschäftigte, geringfügig Beschäftigte (Minijobber) und Azubis haben grundsätzlich Anspruch auf Entgeltfortzahlung, sofern die allgemeinen Voraussetzungen erfüllt sind.

Sozialversicherungsrechtliche Sicherungen

Krankengeld – Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung

Nach Ablauf des Anspruchs auf Entgeltfortzahlung (also ab der siebten Woche) erhalten gesetzlich Krankenversicherte Krankengeld nach §§ 44-51 SGB V. Das Krankengeld ersetzt im Regelfall 70 % des Bruttoarbeitsentgelts, höchstens 90 % des Nettoarbeitsentgelts, und wird für maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren wegen derselben Krankheit gezahlt.

Voraussetzungen
  • Versicherte sind gesetzlich krankenversichert.
  • Es besteht Arbeitsunfähigkeit ärztlich nachgewiesen über die sechswöchige Frist hinaus.
  • Kein Bezug von Lohn oder Gehalt mehr durch den Arbeitgeber.
Ende des Anspruchs

Das Krankengeld endet, wenn die Arbeitsunfähigkeit dauerhaft aufgehoben ist, eine Erwerbsminderungsrente bezogen wird oder die maximal mögliche Bezugsdauer ausgeschöpft ist.

Privatversicherte Arbeitnehmer

Für privat Krankenversicherte besteht – je nach Vertrag – unter Umständen ein Anspruch auf Krankentagegeld. Dieser muss jedoch separat vereinbart werden. Gesetzliche Vorgaben über die Höhe und Dauer finden sich hier nicht, maßgeblich sind die Versicherungsbedingungen.

Schutz vor Kündigung im Krankheitsfall

Kündigungsschutz

Grundsätzlich kann eine Kündigung während einer Krankheit erfolgen. Allerdings unterliegt diese strengen Anforderungen aus dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) beziehungsweise besonderen Vorschriften bei Schwerbehinderten (§ 85 SGB IX). Eine krankheitsbedingte Kündigung ist nur wirksam, wenn eine sogenannte negative Gesundheitsprognose besteht und der Betriebsablauf erheblich gestört wird.

Besonderer Schutz nach Mutterschutzgesetz und Schwerbehindertenrecht

Gesetzlich besonders geschützte Gruppen (Schwangere nach § 17 MuSchG, Menschen mit Behinderungen nach SGB IX) genießen einen verstärkten Kündigungsschutz, der nur in Ausnahmefällen (z. B. Zustimmung der Behörden) durchbrochen werden kann.

Mitwirkungs-, Anzeige- und Nachweispflichten

Unverzügliche Mitteilungspflicht

Arbeitnehmer:innen sind verpflichtet, dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Bei längerer Erkrankung ist spätestens am vierten Tag eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorzulegen; Arbeitgeber können die Vorlage auch früher verlangen.

Nachholung bei Versäumnis

Kommt die/der Arbeitnehmer:in dieser Pflicht nicht nach, kann der Anspruch auf Entgeltfortzahlung vorübergehend entfallen (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG). Die Nachholpflicht bleibt jedoch bestehen.

Besonderheiten im Kollektivrecht: Tarifvertragliche und betriebliche Zusatzregelungen

Vielfach sind im Tarif- oder Betriebsrecht ergänzende Regelungen enthalten. So können beispielsweise längere Entgeltfortzahlungszeiträume, die Aufstockung des Krankengeldes oder zusätzliche betriebliche Absicherungssysteme (z. B. betriebliches Gesundheitsmanagement, Unterstützungskassen) vereinbart werden.

Koordination mit anderen Sozialleistungen

Überschneidung mit anderen Leistungsansprüchen

In Fällen, in denen mehrere Sozialleistungen – etwa Verletztenrente nach Arbeitsunfall, Pflegegeld oder Renten wegen Erwerbsminderung – parallel in Betracht kommen, gelten jeweils die gesetzlichen Koordinationsnormen. Eine zeitgleiche Inanspruchnahme ist zum Teil möglich, häufig jedoch werden Leistungen angerechnet oder ruhen gegenseitig.

Internationales und grenzüberschreitendes Arbeitsverhältnis

Bei grenzüberschreitenden Beschäftigungsverhältnissen – insbesondere im europäischen Kontext – kommen die Vorschriften der EU-Sozialversicherungskoordinierung (Verordnung (EG) Nr. 883/2004) zur Anwendung. Diese regeln, welches nationale System zuständig ist und wie Leistungen im Krankheitsfall gewährt werden.


Zusammenfassung

Die Sicherung der Arbeitnehmer im Krankheitsfall stellt einen elementaren Bestandteil des deutschen Sozial- und Arbeitsrechts dar. Sie gewährleistet eine umfassende Einkommens- und Beschäftigungssicherung, sorgt für Rechtsschutz gegen Benachteiligungen im Erkrankungsfall und regelt, wie Arbeitnehmer:innen ihre Rechte wahrnehmen können. Zu beachten sind sowohl die gesetzlichen Grundlagen als auch ergänzende tarifliche und betriebliche Normen, die eine noch weitreichendere Absicherung bieten können.


Siehe auch:

Quellen und Literatur:

  • § 3-9 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG)
  • §§ 44-51 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)
  • Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
  • Mutterschutzgesetz (MuSchG)
  • Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)
  • Verordnung (EG) Nr. 883/2004

Diese Gesamtdarstellung gewährleistet eine umfassende Orientierung über alle rechtlichen Aspekte zur Sicherung der Arbeitnehmer im Krankheitsfall, sowohl aus arbeitsrechtlicher als auch aus sozialversicherungsrechtlicher Sicht.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Ansprüche hat ein Arbeitnehmer im Krankheitsfall gegenüber dem Arbeitgeber?

Im Falle einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit sieht das deutsche Arbeitsrecht, konkret das Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG), vor, dass Arbeitnehmer:innen grundsätzlich Anspruch auf Fortzahlung ihres Arbeitsentgelts durch den Arbeitgeber für die Dauer von bis zu sechs Wochen haben. Voraussetzung dafür ist, dass das Arbeitsverhältnis seit mindestens vier Wochen ununterbrochen besteht und die Arbeitsunfähigkeit nicht selbst verschuldet wurde. Der Anspruch umfasst das regelmäßige Arbeitsentgelt einschließlich üblicher Zuschläge, soweit diese regelmäßig anfallen. Nach Ablauf der sechswöchigen Entgeltfortzahlung besteht in der Regel Anspruch auf Krankengeld von der gesetzlichen Krankenkasse. Die Anzeige- und Nachweispflichten gegenüber dem Arbeitgeber, insbesondere die unverzügliche Krankmeldung sowie die Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung spätestens am vierten Krankheitstag, sind zwingend einzuhalten, sonst kann der Lohnfortzahlungsanspruch entfallen. Tarifverträge oder einzelvertragliche Regelungen können zugunsten des Arbeitnehmers abweichen, jedoch nicht zu dessen Nachteil.

Wie wirkt sich eine wiederholte Erkrankung auf den Lohnfortzahlungsanspruch aus?

Für wiederholte Erkrankungen sieht das Gesetz besondere Regelungen vor. Wird ein Arbeitnehmer während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses nach Ablauf der ersten sechswöchigen Entgeltfortzahlung wegen derselben Krankheit erneut arbeitsunfähig (sog. Fortsetzungserkrankung), entsteht kein neuer Lohnfortzahlungsanspruch, sofern zwischen den beiden Erkrankungen weniger als sechs Monate liegen oder während der letzten zwölf Monate nicht länger als sechs Wochen Arbeitsfähigkeit bestand. Ein Anspruch auf erneute Lohnfortzahlung besteht erst dann, wenn entweder eine neue, andere Erkrankung vorliegt oder zwischen den Erkrankungen mindestens sechs Monate liegen. Dies soll verhindern, dass Arbeitnehmer:innen durch Folgebescheinigungen die Entgeltfortzahlung unzulässig verlängern.

Unter welchen Voraussetzungen kann der Arbeitgeber die Lohnfortzahlung verweigern oder einstellen?

Der Arbeitgeber kann die Entgeltfortzahlung verweigern oder einstellen, wenn Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen und der Arbeitnehmer keine ordnungsgemäße Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegt oder glaubhaft macht. Typische Gründe für eine Verweigerung sind verspätete Krankmeldung, fehlender Nachweis oder Eigenverschulden an der Krankheit (z.B. krankheitsbedingte Verletzung infolge grob fahrlässigen Verhaltens wie Trunkenheit am Steuer). Darüber hinaus hat der Arbeitgeber das Recht, Zweifelsfälle über den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) überprüfen zu lassen. Bei positiver Rückmeldung des MDK kann die Fortzahlung eingestellt werden, bis die Zweifel ausgeräumt sind. Auch bei Verletzung von Mitwirkungspflichten, z.B. durch unterlassene Mitteilung einer Genesung oder Arbeitsaufnahme, entfällt der Zahlungsanspruch.

Was ist im Hinblick auf die Nachweispflicht und die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu beachten?

Arbeitnehmer sind nach § 5 EFZG verpflichtet, ihrem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, ist spätestens am folgenden Arbeitstag eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer vorzulegen. Der Arbeitgeber ist berechtigt, die Vorlage bereits ab dem ersten Krankheitstag zu verlangen. Erfolgt die Anzeige oder die Einreichung der Bescheinigung verspätet oder gar nicht, kann der Arbeitgeber die Entgeltfortzahlung bis zur ordnungsgemäßen Nachholung verweigern. Es ist anzuraten, auch aus Beweisgründen, die Krankmeldung schriftlich (per E-Mail, Fax oder Post) oder telefonisch zu machen und sich den Eingang bestätigen zu lassen.

Welche Rolle spielt die Krankenkasse im Zusammenhang mit der Lohnfortzahlung?

Nach Ablauf der gesetzlichen sechswöchigen Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber tritt die gesetzliche Krankenkasse mit der Zahlung von Krankengeld ein, sofern der Arbeitnehmer gesetzlich krankenversichert ist. Die Krankenkasse übernimmt dann für die weitere Dauer der Arbeitsunfähigkeit (maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren wegen derselben Krankheit) das Krankengeld, das in der Regel ca. 70% des Bruttoarbeitsentgelts (maximal 90% des Nettoarbeitsentgelts) beträgt. Die Krankenkasse prüft im Rahmen ihrer Mitwirkungspflichten die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit und deren ärztliche Attestierung eigenständig und kann bei Zweifeln am Vorliegen einer Arbeitsunfähigkeit den Medizinischen Dienst einschalten. Bestehen Unklarheiten, kommunizieren Arbeitgeber, Arbeitnehmer und Krankenkasse miteinander, um den Anspruch zu klären.

Was geschieht bei Erkrankung während des Urlaubs?

Erkrankt ein Arbeitnehmer während des genehmigten Urlaubs und wird durch ärztliches Attest für arbeitsunfähig erklärt, werden die durch ärztliches Attest nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit nicht auf den Jahresurlaub angerechnet (§ 9 Bundesurlaubsgesetz). Voraussetzung ist die unverzügliche Mitteilung an den Arbeitgeber und die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Der Urlaub wird damit unterbrochen oder nachgeholt, jedoch verschiebt sich der Urlaub nicht automatisch, sondern muss mit dem Arbeitgeber abgestimmt werden. Fehlt die entsprechende Krankmeldung oder Bescheinigung, bleiben die Urlaubstage als genommen bestehen.