Legal Lexikon

Short


Begriff und Grundlagen: „Short“ im rechtlichen Kontext

Der Begriff „Short“ (auch: Short-Position, Leerverkauf) bezeichnet im Finanz- und Kapitalmarktrecht eine Position, bei der auf fallende Kurse eines Wertpapiers oder Handelsgutes spekuliert wird. Dabei leiht oder verkauft ein Marktteilnehmer Vermögenswerte, die er nicht besitzt, mit der Absicht, diese zu einem späteren Zeitpunkt günstiger zurückzukaufen. Im rechtlichen Kontext beschreibt „Short“ zentrale Geschäftspraktiken, die insbesondere im Börsen-, Bank- und Wertpapierrecht weitreichende Regulierung erfahren.


Rechtliche Einordnung von Short-Positionen

Short Selling – Leerverkauf im Wertpapierrecht

Definition und Funktionsweise

Short Selling beschreibt im rechtlichen Sinne die Veräußerung von Finanzinstrumenten, die der Verkäufer im Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses nicht besitzt, sondern sich von Dritten leiht, um sie am Markt zu verkaufen. Anschließend wird angestrebt, das Finanzinstrument zu einem niedrigeren Preis zurückzuerwerben, um so Gewinn aus der Kursdifferenz zu erzielen.

Formen des Leerverkaufs

  • gedeckter Leerverkauf (Covered Short Sale): Hierbei wird das Wertpapier zuvor geliehen oder steht zur Verfügung, sodass eine unmittelbar Abwicklung des Geschäfts sichergestellt werden kann.
  • ungedeckter Leerverkauf (Naked Short Sale): Das zu verkaufende Wertpapier ist zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses nicht reserviert oder geliehen.

Rechtliche Grundlagen und Regulierungen

Europäische Union (EU)

Die Vorschriften zu Leerverkäufen sind in der Europäischen Union maßgeblich durch die Short Selling-Verordnung (EU-Verordnung Nr. 236/2012) geregelt. Diese Verordnung enthält weitreichende Offenlegungspflichten, Verbote und Einschränkungen für ungedeckte Leerverkäufe:

  • Offenlegungspflichten: Marktteilnehmer müssen Netto-Leerverkaufspositionen ab bestimmten Schwellenwerten sowohl den zuständigen Aufsichtsbehörden (z. B. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFin) als auch der Öffentlichkeit melden.
  • Verbot ungedeckter Leerverkäufe: Ungedeckte Leerverkäufe bestimmter Finanzinstrumente, insbesondere Aktien und Staatsanleihen, sind verboten. Es muss sichergestellt werden, dass das Finanzinstrument vor Initiierung des Geschäfts tatsächlich geliehen bzw. lieferbar ist.
  • Leihvoraussetzungen und Settlement-Disziplin: Um Marktmanipulationen und Settlement-Risiken zu verhindern, bestehen detaillierte Vorschriften über den Ablauf sowie die Risikosicherung bei Leerverkäufen.

Bundesrepublik Deutschland

Ergänzend zur EU-Verordnung enthält das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) Regelungen zu Meldepflichten, Verbotsverfügungen und Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzmärkte im Zusammenhang mit Short-Positionen. Die BaFin kann darüber hinaus temporäre Einschränkungen und Verbote aussprechen, um Marktintegrität und Finanzstabilität zu schützen.


Short-Positionen in weiteren Rechtsgebieten

Insolvenzrechtliche Implikationen

Short-Positionen können im Insolvenzfall einer Kontrahentin besondere Herausforderungen mit sich bringen. Bei Insolvenz eines Wertpapierleihers oder -käufers können Rückgabeansprüche, Lieferpflichten oder Ausgleichszahlungen bestehen, deren Durchsetzung durch insolvenzrechtliche Sperren, wie Masseunzulänglichkeit oder Anfechtung, beeinflusst wird.

Steuerrecht

Die steuerliche Behandlung von Gewinnen und Verlusten aus Short-Positionen ist gemäß Einkommensteuergesetz (EStG) und Körperschaftsteuergesetz (KStG) geregelt. Hieraus resultieren besondere Anforderungen an die Bilanzierung und Gewinnermittlung aus Leerverkaufsgeschäften. Die Zuordnung zu Einkunftsarten (insbesondere Einkünfte aus Kapitalvermögen) und Verlustverrechnung wird durch die Gesetzgebung und Rechtsprechung konkretisiert.

Zivilrechtliche Aspekte

Im privatrechtlichen Verhältnis regeln vor allem zivilrechtliche Verträge (wie Wertpapierleiheverträge, Rahmenverträge nach dem Deutschen Rahmenvertrag für Wertpapierdarlehen) die Modalitäten von Leerverkäufen und Short-Positionen. Hier spielen Haftung, Eigentumsübertragung und Vertragsabwicklung eine maßgebende Rolle, insbesondere bei Lieferverzug oder Zahlungsunfähigkeit eines Vertragspartners.


Marktmissbrauch und Short-Positionen

Insiderhandel und Marktmanipulation

Leerverkäufe können als Instrument für Marktmanipulation oder Insiderhandel dienen, wenn beispielsweise durch gezielte Fehlinformationen („Short and Distort“) Kursverluste erzeugt werden, von denen Short-Positionen profitieren. Die europäischen Vorgaben des Marktmissbrauchsregimes (Market Abuse Regulation – MAR, Verordnung EU Nr. 596/2014) beinhalten daher spezielle Vorschriften und Überwachungspflichten, um Missbrauch zu verhindern und die Transparenz zu steigern.

Aufsichtliche Maßnahmen und Sanktionen

Behörden wie die BaFin oder die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (European Securities and Markets Authority, ESMA) können aufgrund verdächtiger Bewegungen restriktive Maßnahmen ergreifen. Dazu zählen Verstärkungen der Meldepflichten, kurzzeitige Handelsverbote („Short Selling Bans“) oder empfindliche Geldbußen bei Rechtsverstößen im Zusammenhang mit Short-Positionen.


Meldepflichten und Transparenz

Nach EU- und deutschem Recht bestehen für Anleger und institutionelle Marktteilnehmer umfangreiche Meldepflichten, insbesondere wenn bestimmte Schwellenwerte überschritten werden:

  • Meldepflichten gegenüber den Aufsichtsbehörden: Diese dienen der Überwachung potenziell marktbeeinflussender Short-Positionen und der frühzeitigen Identifikation von Risiken für die Marktstabilität.
  • Öffentliche Bekanntmachung signifikanter Short-Positionen: Bestimmte Leerverkaufspositionen müssen unabdingbar offengelegt werden, sobald sie eine öffentliche Relevanz erlangen. Damit wird eine erhöhte Transparenz für alle Marktteilnehmer geschaffen.

Sanktionen bei Verstößen gegen Short-Regelungen

Zuwiderhandlungen gegen Leitlinien zu Leerverkäufen, wie insbesondere Meldeverstöße, ungedeckte Short-Positionen oder Marktmanipulation, können empfindliche Sanktionen nach sich ziehen. Diese reichen von Bußgeldern über Handelsverbote bis hin zu strafrechtlichen Konsequenzen. Ferner können zivilrechtliche Schadensersatzansprüche zwischen Vertragsparteien entstehen.


Zusammenfassung und praktische Bedeutung

Der Begriff Short beschreibt im rechtlichen Kontext das Halten oder Eingehen einer Position auf fallende Kurse mittels Leerverkäufen. Die rechtlichen Rahmenbedingungen hierbei sind vielschichtig und reichen von umfangreichen Offenlegungs- und Meldepflichten über Verbote ungedeckter Leerverkäufe bis hin zu aufsichtsbehördlichen Eingriffsrechten bei Marktmissbrauch. Leerverkäufe bergen Chancen, aber auch erhebliche Risiken – sowohl wirtschaftlicher als auch rechtlicher Natur – für sämtliche Beteiligte am Kapitalmarkt.


Weiterführende Vorschriften (Auswahl):

  • Verordnung (EU) Nr. 236/2012 über Leerverkäufe und bestimmte Aspekte von Kreditausfallversicherungen
  • § 38 ff. Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)
  • Market Abuse Regulation (EU) Nr. 596/2014
  • Deutsche Börse Reglemente zu Leerverkäufen

Dieser Artikel liefert eine umfassende Übersicht über den Begriff „Short“ im rechtlichen Kontext und stellt ein zentrales Nachschlagewerk für die rechtliche Bewertung von Leerverkaufspraktiken dar.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten beim Leerverkauf (Short Selling) in Deutschland?

Der Leerverkauf von Finanzinstrumenten ist in Deutschland streng reguliert und unterliegt sowohl nationalen als auch europäischen Bestimmungen. Maßgeblich ist hier insbesondere die EU-Leerverkaufsverordnung (EU-VO Nr. 236/2012), welche unmittelbar in allen Mitgliedsstaaten gilt und durch das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) ergänzt wird. Nach diesen Regelungen dürfen ungedeckte Leerverkäufe bestimmter Wertpapiere, insbesondere Aktien, grundsätzlich nicht durchgeführt werden. Vielmehr ist ein Leerverkauf nur zulässig, wenn zuvor eine Absicherung („Borrow-Locate-Requirement“) für die zu liefernden Wertpapiere besteht. Für bestimmte Finanzinstitute bestehen zudem Meldepflichten gegenüber der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sowie ab gewissen Schwellenwerten eine Veröffentlichungspflicht für Netto-Leerverkaufspositionen. Darüber hinaus kann die BaFin in Ausnahmesituationen auch befristete Verbote gegen bestimmte Leerverkaufspraktiken aussprechen.

Welche Meldepflichten bestehen bei Leerverkaufspositionen?

Rechtlich ist vorgesehen, dass bei Erreichen, Überschreiten oder Unterschreiten bestimmter Schwellenwerte (0,1 %, 0,2 %, 0,5 % und jedes weitere 0,1 %) des ausgegebenen Aktienkapitals einer börsennotierten Gesellschaft, Netto-Leerverkaufspositionen innerhalb eines Handelstags an die BaFin gemeldet werden müssen. Ab einem Schwellenwert von 0,5 % ist die Position zudem der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Diese Meldepflichten dienen der Markttransparenz und sollen Marktmanipulationen und unerwartete Kursbewegungen entgegenwirken. Für Verstöße gegen diese Pflichten drohen empfindliche Bußgelder, die in Höhe und Struktur in der Marktmissbrauchsverordnung (EU-VO Nr. 596/2014) sowie dem WpHG geregelt sind.

Gibt es spezielle Verbote oder Einschränkungen für Leerverkäufe in Ausnahmephasen?

Ja, sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene können zeitweilige Leerverkaufsverbote ausgesprochen werden. Die BaFin hat das Recht, in außergewöhnlichen Marktphasen, etwa bei extremer Volatilität oder in Krisenzeiten (wie z.B. während der Corona-Pandemie 2020), zeitlich befristete Verbote für das Eingehen oder Erhöhen von Leerverkaufspositionen zu erlassen. Diese Maßnahmen können bestimmte Aktien oder Marktsegmente betreffen und dienen dem Schutz der Finanzmarktstabilität. Solche Eingriffe werden öffentlich bekannt gegeben und sind in der Regel befristet. Auch die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) kann unionsweite Maßnahmen anordnen, die dann für alle Mitgliedsstaaten gelten.

Welche straf- und ordnungsrechtlichen Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen Leerverkaufsregeln?

Verstöße gegen die aufsichtsrechtlichen Vorschriften zu Leerverkäufen stellen Ordnungswidrigkeiten dar und können mit Bußgeldern bis zu mehreren Millionen Euro geahndet werden. Insbesondere das unerlaubte Eingehen ungedeckter Leerverkaufspositionen, fehlende oder verspätete Meldungen von Leerverkaufspositionen sowie die Umgehung von Verboten sind tatbestandlich erfasst. In besonders schweren Fällen, insbesondere wenn Marktmanipulation oder Insiderhandel nachgewiesen wird, können auch strafrechtliche Sanktionen drohen, einschließlich Freiheitsstrafen. Die Sanktionspraxis richtet sich dabei nach den Vorgaben des WpHG sowie entsprechender EU-Verordnungen.

Wer ist nach deutschem Recht legitimiert, Leerverkäufe durchzuführen?

Grundsätzlich dürfen nur solche Marktteilnehmer Leerverkäufe tätigen, die über die nötige Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz (KWG) verfügen. Dies betrifft zumeist Banken, Wertpapierhandelsunternehmen und andere professionelle Marktteilnehmer. Privatpersonen können lediglich über Broker-Dienstleistungen am Leerverkauf partizipieren, wobei letzterer häufig über derivative Instrumente (z.B. CFDs, Optionen) erfolgt – also nicht als „klassischer“ Leerverkauf im rechtlichen Sinne. Broker und Finanzdienstleister müssen zudem sicherstellen, dass sich all ihre Kunden im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben bewegen, wofür sie selbst haftbar gemacht werden können.

Welche besonderen Dokumentations- und Sorgfaltspflichten gibt es bei Short-Transaktionen?

Für alle am Short Selling beteiligten Institute besteht eine ausführliche Aufzeichnungs- und Dokumentationspflicht. Handelsvorgänge, Orderwege, Absicherungsmechanismen und Meldungen müssen vollständig, zeitnah und revisionssicher dokumentiert werden. Dies ist zwingend erforderlich, um im Rahmen behördlicher Prüfungen, etwa durch die BaFin oder Prüfungsverbände, Transparenz herstellen zu können. Ferner sind die Institute verpflichtet, interne Kontrollmechanismen zu etablieren, welche die Einhaltung der gesetzlichen Leerverkaufs-Regelungen garantieren. Daneben müssen sie alle einschlägigen Handelsdokumente für mindestens fünf Jahre aufbewahren.

Bestehen Unterschiede in der rechtlichen Behandlung von gedeckten und ungedeckten Leerverkäufen?

Ja, rechtlich werden gedeckte und ungedeckte Leerverkäufe deutlich unterschiedlich behandelt. Während gedeckte Leerverkäufe – bei denen der Verkäufer die geliehenen Wertpapiere spätestens bei Ausführung der Bestellung sicherstellen kann – unter Erfüllung gewisser Anforderungen legal sind, sind ungedeckte Leerverkäufe mit Aktien und bestimmten Schuldtiteln nach der EU-Leerverkaufsverordnung grundsätzlich verboten. Ausnahmen bedürfen einer gesonderten Erlaubnis und müssen umfangreich begründet und dokumentiert werden. Dieser Unterschied ist entscheidend für die Rechtmäßigkeit und Gestaltungsfreiheit im Short Selling.