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Sexuelle Belästigung


Begriff und Definition der Sexuellen Belästigung

Sexuelle Belästigung bezeichnet unerwünschte, sexuell bestimmte Verhaltensweisen, die die Würde einer Person am Arbeitsplatz oder im öffentlichen Raum verletzen. Sie wird in zahlreichen Ländern als sozialethisch missbilligtes Verhalten aufgefasst und zentral im Antidiskriminierungsrecht geregelt. Ihr rechtlicher Rahmen ist sowohl im Zivil- als auch im Strafrecht abgesteckt. Sexuelle Belästigung ist insbesondere im Arbeitsrecht, im Beamtenrecht sowie im Strafrecht von Bedeutung.

Rechtliche Grundlagen in Deutschland

Zivilrechtliche Regelung nach § 3 Absatz 4 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) definiert sexuelle Belästigung in Deutschland umfassend: Demnach stellt jede unerwünschte, sexuell bestimmte Handlung eine Diskriminierung dar, wenn durch ihr Verhalten die Würde der betroffenen Person verletzt wird. Dazu gehören beispielsweise anzügliche Bemerkungen, unerwünschte körperliche Berührungen, sexuelle Gesten oder das Zeigen von pornographischem Material.

Das AGG verpflichtet Arbeitgeber, ihre Mitarbeiter vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz zu schützen. Beschäftigte haben Anspruch auf Schutzmaßnahmen und bei Verstößen unter Umständen auf Schadensersatz sowie Entschädigung.

Pflichten des Arbeitgebers

Arbeitgeber müssen:

  • geeignete Maßnahmen zum Schutz vor sexueller Belästigung ergreifen,
  • Beschwerden prüfen und im Fall einer bestätigten Belästigung angemessene Konsequenzen ziehen,
  • Arbeitnehmenden, die sich beschweren, vor Benachteiligungen schützen.

Rechte der Betroffenen

Betroffene Personen können:

  • sich direkt bei der Beschwerdestelle des Arbeitgebers oder bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes melden,
  • die Arbeit verweigern, falls der Arbeitgeber keine Abhilfe schafft (Unter bestimmten Voraussetzungen, § 14 AGG),
  • Schadensersatz und Entschädigung verlangen (§ 15 AGG).

Strafrechtliche Einordnung (§ 184i StGB)

Sexuelle Belästigung stellt seit 2016 auch eine Straftat nach deutschem Strafrecht dar. § 184i Strafgesetzbuch (StGB) regelt die sexuelle Belästigung im engeren strafrechtlichen Sinne. Erfasst sind demnach erhebliche, sexuell motivierte körperliche Übergriffe wie unerwünschtes Berühren an intimen Körperstellen. Die Strafandrohung reicht bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.

Abgrenzung zu anderen Straftatbeständen

Sexuelle Belästigung grenzt sich von anderen Sexualdelikten, insbesondere der sexuellen Nötigung (§ 177 StGB) ab. Maßgebliches Kriterium ist das Fehlen von Nötigungsmitteln (z. B. Gewalt oder Drohung). Daneben können weitere Straftatbestände wie Beleidigung, Nachstellung oder Körperverletzung erfüllt sein.

Beamtenrechtliche Aspekte

Im öffentlichen Dienst gelten besondere Verhaltensanforderungen. Beamte, die sich der sexuellen Belästigung schuldig machen, drohen disziplinarrechtliche Konsequenzen bis hin zur Entfernung aus dem Dienst. Neben einer dienstrechtlichen Ahndung sind auch straf- und arbeitsrechtliche Konsequenzen möglich.

Einstufung, Erscheinungsformen und Tatbestände

Typische Erscheinungsformen sexueller Belästigung

Zu den möglichen Handlungen zählen unter anderem:

  • sexuell anzügliche Bemerkungen,
  • unerwünschte Berührungen,
  • eindeutige Blicke,
  • das Versenden von Nachrichten mit sexuellem Inhalt,
  • das Zeigen oder Präsentieren pornographischer Medien im beruflichen Kontext,
  • penetrantes Nachfragen nach privaten oder intimen Informationen.

Ob eine Handlung bereits als sexuelle Belästigung einzustufen ist, hängt stets von den konkreten Umständen, der Intensität und der Wirkung auf die betroffene Person ab.

Anforderungen an den Tatbestand

Wesentliche Bestandteile des rechtlichen Begriffs sind:

  • Unerwünschtheit: Die betroffene Person muss die Handlung eindeutig ablehnen.
  • Sexuelle Bestimmtheit: Es muss ein sexualbezogener Bezug bestehen.
  • Verletzung der Würde: Die Handlung muss die Achtung oder Wertschätzung der betroffenen Person beeinträchtigen.

Verfahren und Rechtsfolgen bei sexueller Belästigung

Zivilrechtliche Ansprüche

Betroffene können im Rahmen des AGG:

  • eine Beschwerde einreichen,
  • die Abstellung der Belästigung verlangen,
  • Schadensersatz und Entschädigung beanspruchen – insbesondere bei schwerwiegenden, wiederholten oder nachhaltigen Vorfällen.

Strafrechtliche Verfahren

Sexuelle Belästigung nach § 184i StGB ist ein Antragsdelikt. Das bedeutet, die Strafverfolgung erfolgt nur auf Antrag der betroffenen Person, außer das öffentliche Interesse an der Verfolgung wird bejaht. Neben Geldstrafe oder Freiheitsstrafe drohen Einträge in das Führungszeugnis sowie weitere berufliche und gesellschaftliche Konsequenzen.

Maßnahmen des Arbeitgebers

Arbeitgeber haben im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht weitgehende Handlungsmöglichkeiten, wie:

  • Abmahnung,
  • Versetzung,
  • Ordentliche oder fristlose Kündigung,
  • Teilnahme an Trainings und Sensibilisierungsmaßnahmen,
  • Einleitung externer Ermittlungen.

Sexuelle Belästigung im internationalen Vergleich

Europäisches Recht

Im europäischen Rechtssystem regeln insbesondere EU-Gleichbehandlungsrichtlinien den Schutz vor sexueller Belästigung. Die Richtlinien verpflichten die Mitgliedstaaten, effektive Abhilfemaßnahmen und Sanktionen sicherzustellen. Das Bundesgleichstellungsgesetz und das AGG setzen diese Vorgaben in Deutschland um.

Weitere Länder

In vielen Ländern ist sexuelle Belästigung explizit gesetzlich mit teils ähnlichen, teils erweiterten Schutzmechanismen geregelt. Unterschiede bestehen beispielsweise hinsichtlich der Strafverfolgung, der Höhe möglicher Sanktionen sowie des Kreises der geschützten Personen.

Prävention und Aufklärung

Förderung eines respektvollen und diskriminierungsfreien Arbeits- und Lebensumfeldes steht im Mittelpunkt präventiver Bemühungen. Unternehmen sind gehalten, regelmäßige Schulungen anzubieten, klare Verhaltenskodizes zu etablieren und transparente Beschwerdewege zu gewährleisten. Auch im öffentlichen Sektor und in Bildungseinrichtungen gelten Präventionsprogramme als bedeutender Schutzfaktor.

Fazit

Sexuelle Belästigung ist ein rechtlich vielschichtiger Begriff, der sowohl straf-, arbeits- als auch beamtenrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Im Fokus steht der umfassende Schutz der Würde und Gleichbehandlung aller Menschen in allen gesellschaftlichen Bereichen. Ein effektiver Rechtsschutz wird maßgeblich durch präventive Maßnahmen, Ansprechstellen und Rechtsansprüche gewährleistet. Die Definition, die gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie der Umgang mit Fällen sexueller Belästigung unterliegen einem stetigen gesellschaftlichen und rechtlichen Wandel, der den Schutz Betroffener weiter stärken soll.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Schritte können Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz einleiten?

Betroffene von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz haben nach deutschem Recht verschiedene Möglichkeiten, sich zu schützen und zur Wehr zu setzen. Zunächst können sie sich gemäß § 13 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) an eine in ihrem Betrieb zuständige Beschwerdestelle wenden, die Arbeitgeber zwingend einrichten müssen. Der Beschwerdeführer wird dabei weder benachteiligt noch müssen negative Konsequenzen befürchtet werden (§ 16 AGG). Der Arbeitgeber ist verpflichtet zu prüfen, wie der Beschwerde abzuhelfen ist (§ 12 Abs. 3 AGG) und muss gegebenenfalls geeignete Maßnahmen ergreifen, wie beispielsweise Abmahnung oder Versetzung der belästigenden Person bis hin zur Kündigung bei schwerwiegenden Fällen. Daneben können Betroffene auch arbeitsrechtliche Schritte wie das Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 14 AGG geltend machen, das ihnen erlaubt, die Arbeit zu verweigern, wenn der Arbeitgeber keine Schutzmaßnahmen ergreift. Darüber hinaus ist die Geltendmachung von Schadenersatz- und Schmerzensgeldansprüchen nach § 15 AGG möglich. Neben zivilrechtlichen Konsequenzen kann sexuelle Belästigung auch als Straftat nach § 184i StGB verfolgt werden, sodass Betroffene Strafanzeige bei der Polizei oder Staatsanwaltschaft erstatten können. Hierbei spielt die Beweissicherung, etwa durch Zeugen, Protokolle oder schriftliche Dokumentationen, eine entscheidende Rolle. Je nach Einzelfall ist die Unterstützung durch einen Rechtsanwalt oder eine Beratungsstelle sinnvoll.

Welche Fristen müssen bei der Geltendmachung von Ansprüchen wegen sexueller Belästigung beachtet werden?

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) sieht in § 15 Abs. 4 AGG eine Frist von zwei Monaten vor, innerhalb derer ein Anspruch auf Entschädigung oder Schadensersatz nach Bekanntwerden der sexuellen Belästigung gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht werden muss. Wird diese Frist versäumt, können Schadensersatzansprüche in der Regel nicht mehr durchgesetzt werden. Im Falle einer arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzklage gilt gem. § 4 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) eine Frist von drei Wochen ab Zugang der Kündigung. Bei Strafanzeigen richtet sich die Frist grundsätzlich nach den Verjährungsvorschriften des Strafgesetzbuchs (StGB): Für sexuelle Belästigung nach § 184i StGB beträgt die Verfolgungsverjährung 5 Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB). Auch für die zivilrechtliche Geltendmachung von Schmerzensgeldansprüchen nach § 823 BGB gilt regelmäßig eine dreijährige Verjährungsfrist ab dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 195, § 199 BGB).

Welche Beweismittel sind bei einer gerichtlichen Auseinandersetzung wegen sexueller Belästigung zulässig?

Im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens wegen sexueller Belästigung können verschiedene Beweismittel herangezogen werden. Dazu zählen insbesondere Zeugenaussagen, insbesondere von Kollegen oder anderen Dritten, die die Situation beobachtet oder Kenntnis von den Vorfällen erlangt haben. Weiterhin sind schriftliche Dokumentationen, wie E-Mails, Nachrichten (z.B. WhatsApp, SMS), Protokolle oder schriftliche Aufzeichnungen der Betroffenen von Bedeutung, sofern sie möglichst zeitnah nach den Vorfällen gefertigt wurden. Auch Bild- und Tonaufnahmen können Beweiswert besitzen, wobei darauf zu achten ist, dass deren Anfertigung ohne Zustimmung des Gesprächspartners mitunter strafbar sein kann (§ 201 StGB). Die Beweiswürdigung obliegt dem Gericht, das nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) entscheidet. Grundsätzlich ist „Aussage gegen Aussage“ nicht zwangsläufig ein Hindernis für eine erfolgreiche Klage, jedoch muss die betroffene Partei plausibel und widerspruchsfrei schildern können, was vorgefallen ist. Zudem sind Indizienbeweise (z.B. Verhaltensänderungen, gesundheitliche Folgen) zulässig. Mitwirkungspflichten bestehen im arbeitsrechtlichen Kontext sowohl für den Arbeitgeber (Untersuchungs- und Schutzpflichten) als auch für die Beschäftigten (z.B. Pflicht zur Mitteilung von Beobachtungen).

Kann sexuelle Belästigung auch im Rahmen von Strafverfahren geahndet werden und welche Straftatbestände kommen in Frage?

Sexuelle Belästigung kann in Deutschland strafrechtlich verfolgt werden. Der zentrale Straftatbestand ist § 184i StGB („Sexuelle Belästigung“), der jede sexuell bestimmte körperliche Berührung unter Strafe stellt, wenn diese gegen den erkennbaren Willen des Opfers erfolgt. Die Tat wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe geahndet. Kommt eine mehrere Personen betreffende gemeinschaftliche Begehung hinzu, droht eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Je nach Schwere und Intensität der Tathandlung können auch andere Straftatbestände wie Beleidigung (§ 185 StGB), Nachstellung (§ 238 StGB) oder sexuelle Nötigung (§ 177 StGB) zutreffen, wenn die sexuelle Handlung mit Gewalt, durch Drohung mit Gefahren für Leib oder Leben oder durch Ausnutzung einer schutzlosen Lage erfolgt ist. Bei minder schweren Formen liegt häufig eine Ordnungswidrigkeit oder eine arbeitsrechtliche Verfehlung vor. Für eine strafrechtliche Verfolgung reicht grundsätzlich eine Strafanzeige des Opfers aus. Die Staatsanwaltschaft nimmt dann Ermittlungen auf.

Welche Pflichten treffen den Arbeitgeber im Zusammenhang mit sexueller Belästigung im Betrieb?

Der Arbeitgeber hat gemäß § 12 AGG eine umfassende Pflicht, seine Beschäftigten vor sexueller Belästigung zu schützen und geeignete Maßnahmen zu deren Verhinderung und Ahndung zu ergreifen. Dazu zählt zunächst die Pflicht, die Belegschaft über das Verbot der sexuellen Belästigung aufzuklären und entsprechende innerbetriebliche Regelungen, wie Betriebsvereinbarungen oder Codes of Conduct, einzuführen. Bei einem Verstoß ist der Arbeitgeber verpflichtet, unverzüglich Maßnahmen zu ergreifen, um die Belästigung zu unterbinden. Dies kann von einer Ermahnung, Versetzung oder Abmahnung bis hin zur verhaltensbedingten Kündigung des Täters reichen. Der Arbeitgeber muss zudem eine Beschwerdestelle (§ 13 AGG) benennen, bei der Betroffene sich melden können. Kommt der Arbeitgeber diesen Pflichten nicht nach, kann er selbst aus Gleichbehandlungs- und Fürsorgepflichten haftbar gemacht werden. Beschäftigte haben das Recht, bei Untätigkeit des Arbeitgebers die Arbeit zu verweigern, ohne Vergütungsanspruch zu verlieren, sofern dies zur Beseitigung der Belästigung notwendig ist (§ 14 AGG).

Wie ist der Schutz vor sexueller Belästigung bei befristeten Verträgen, Praktika und Ausbildungsverhältnissen geregelt?

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gilt unabhängig von der Form des Beschäftigungsverhältnisses. Somit sind befristete Beschäftigungsverhältnisse, Praktikantinnen und Praktikanten sowie Auszubildende umfassend gegen sexuelle Belästigung geschützt. Auch für diese Gruppen hat der Arbeitgeber die gleichen Pflichten hinsichtlich Prävention, Intervention und Unterstützung. Besonders schutzbedürftig sind Auszubildende und Praktikantinnen, weshalb das Berufsbildungsgesetz (BBiG) ergänzend einschlägig ist. In diesem Zusammenhang kann ein wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung sowohl für Opfer als auch für Täter vorliegen (§ 22 BBiG). Der besondere Kündigungsschutz für Schwangere, Schwerbehinderte und Betriebsratsmitglieder bleibt unberührt, verlangt aber in der Regel eine Zustimmung der entsprechenden Stelle oder Behörde. Der Zugang zu Beratungsstellen und rechtlichem Beistand steht allen Betroffenen offen, unabhängig von Vertragsstatus oder Dauer der Betriebszugehörigkeit.

Gibt es Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche für die Betroffenen, und wie werden diese berechnet?

Betroffene von sexueller Belästigung können gemäß § 15 AGG sowohl Ansprüche auf Schadensersatz als auch auf eine angemessene Entschädigung in Geld (meist Schmerzensgeld) stellen. Voraussetzung ist, dass der Schaden oder die Beeinträchtigung in Kausalität zur Belästigung steht. Die Höhe des Entschädigungsanspruchs richtet sich nach der Schwere der Beeinträchtigung, der Dauer, den Umständen des Einzelfalls, möglichen Folgen für die berufliche Entwicklung sowie dem Grad der Verschuldens des Täters und des Arbeitgebers (bei unterlassener Prävention oder Intervention). Die Rechtsprechung nutzt zur Bemessung vergleichbare Urteile als Orientierung, wobei Schmerzensgeldsummen im niedrigen bis mittleren vierstelligen Bereich liegen können, bei schweren oder langandauernden Fällen auch darüber hinaus. Darüber hinaus besteht ein Anspruch auf Ersatz materieller Schäden wie Heilbehandlungskosten oder Verdienstausfall. Schmerzensgeld und Schadensersatz können sowohl zivilrechtlich gegen die belästigende Person als auch gegen den Arbeitgeber geltend gemacht werden – Letzteres besonders bei Verletzung der Arbeitgeberpflichten.