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Sekundäranspruch


Definition und Begriff des Sekundäranspruchs

Der Begriff Sekundäranspruch ist ein zentrales Element im deutschen Zivilrecht und bezeichnet einen Anspruch, der nicht unmittelbar aus einem gesetzlichen Tatbestand entsteht, sondern als Reaktion auf eine Pflichtverletzung oder das Unterbleiben einer Primärleistung (Primäranspruch) ausgelöst wird. Während Primäransprüche den originären Anspruch, etwa auf Übereignung oder Zahlung, beschreiben, treten Sekundäransprüche stets subsidiär, also „nachrangig“, hinzu und dienen regelmäßig der Kompensation, Rückabwicklung oder Durchsetzung der ursprünglich geschuldeten Leistung.

Sekundäransprüche finden sich in verschiedenen Rechtsgebieten wie dem Schuldrecht, dem Sachenrecht und dem Deliktsrecht. Ihr Vorliegen und ihr Umfang sind häufig von dem Vorhandensein, dem Charakter und der Beschaffenheit eines vorausgegangenen Rechtsverhältnisses abhängig.

Systematische Einordnung im deutschen Recht

Abgrenzung zwischen Primär- und Sekundäranspruch

  • Primäranspruch: Der Anspruch, der sich aus dem Grundgeschäft ergibt (z.B. Kaufpreiszahlungspflicht, Übereignungsanspruch).
  • Sekundäranspruch: Ein davon abgeleiteter oder ersetzender Anspruch, beispielsweise auf Schadensersatz, Rücktritt, Minderung oder Ersatzleistungen, die bei einem Scheitern der Primäransprüche relevant werden.

Sekundäransprüche setzen daher regelmäßig eine Störung im Schuldverhältnis voraus und greifen erst dann, wenn der Primäranspruch nicht (ordnungsgemäß) erfüllt wurde.

Gesetzliche Anknüpfungspunkte

Sekundäransprüche sind an mehreren Stellen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Relevante Beispiele finden sich etwa in:

  • §§ 280 ff. BGB (Schadensersatz wegen Pflichtverletzung)
  • §§ 281 ff. BGB (Schadensersatz statt der Leistung)
  • §§ 323 ff. BGB (Rücktritt wegen Nicht- oder Schlechtleistung)
  • §§ 346 ff. BGB (Rückabwicklung im Rücktrittsfall)
  • §§ 812 ff. BGB (Herausgabeanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung)
  • §§ 823 ff. BGB (Deliktische Ansprüche)

Arten und Funktion von Sekundäransprüchen

Schadensersatzanspruch

Ein klassischer Sekundäranspruch ist der Anspruch auf Schadensersatz. Dieser entsteht typischerweise, wenn eine Vertragspflicht verletzt oder eine gesetzliche Schutzpflicht missachtet wurde. Der ursprüngliche Anspruch auf Leistung bleibt zwar neben dem Sekundäranspruch bestehen, häufig kann jedoch der Gläubiger zwischen der Primärleistung und dem Sekundäranspruch wählen oder beide Ansprüche unter bestimmten Voraussetzungen kombinieren.

Voraussetzungen

  • Bestand eines Primäranspruchs
  • Pflichtverletzung auf Seiten des Schuldners
  • Vertretenmüssen des Schuldners (je nach Anspruchsgrundlage erforderlich)
  • Kausaler Schaden

Beispiele aus dem Vertragsrecht

  • Sachmängel beim Kaufvertrag: Anspruch auf Schadensersatz statt oder neben der Mängelbeseitigung (§ 437 Nr. 3 i.V.m. §§ 280, 281 BGB).
  • Leistungsstörung im Werkvertragsrecht: Schadensersatz bei nicht ordnungsgemäßer Herstellung (§§ 634 Nr. 4, 280 ff. BGB).

Rücktritts- und Minderungsrechte

Auch Rücktritts- und Minderungsrechte gelten als Sekundäransprüche, da sie aus einer Störung des Primäranspruchs resultieren und es dem Gläubiger ermöglichen, sich ganz oder teilweise von dem Vertrag zu lösen oder den ursprünglich vereinbarten Leistungsumfang zu reduzieren.

Gesetzliche Grundlagen

  • Rücktritt: §§ 323 ff. BGB
  • Minderung: § 441 BGB

Herausgabe- und Bereicherungsansprüche

Nach der Rückabwicklung von Verträgen infolge des Rücktritts oder anderen Wirksamkeitshemmnissen entstehen regelmäßig Sekundäransprüche auf Rückgewähr der erhaltenen Leistungen oder deren Wertersatz (§§ 346 ff. BGB, § 812 BGB).

Ersatzlieferung und Nachbesserung

Mitunter sind auch Ansprüche auf Ersatzlieferung oder Nachbesserung als Sekundäransprüche zu qualifizieren, wenn sie erst im Falle eines Mangels auftreten und als „zweite Stufe“ nach dem Primäranspruch Bestand haben (insbesondere im Kauf-, Werk- und Mietrecht).

Verjährung von Sekundäransprüchen

Die Verjährung von Sekundäransprüchen richtet sich nach der jeweiligen Anspruchsgrundlage. Grundsätzlich gelten die allgemeinen oder besonderen Verjährungsregeln (z.B. §§ 195, 199 BGB oder § 438 BGB für Mängelansprüche beim Kauf). Die Verjährung beginnt häufig mit der Entstehung des Sekundäranspruchs, bei Schadensersatzansprüchen etwa mit Kenntnis von Schaden und Schädiger.

Bedeutung in der Rechtspraxis

Sekundäransprüche sind von erheblicher praktischer Bedeutung, da sie die Befriedigung des Gläubigers in den Vordergrund stellen und gewährleisten, dass Rechtsverletzungen nicht folgenlos bleiben. Ohne Sekundäransprüche bliebe die Rechtsdurchsetzung bei Pflichtverletzungen und Leistungsausfällen vielfach wirkungslos.

Die genaue Abgrenzung und rechtliche Behandlung von Primär- und Sekundäransprüchen ist zudem maßgeblich für Fragen der Leistungsstörungs- und Rückabwicklungssystematik, der Anspruchskonkurrenz und der Verjährung.

Zusammenfassung

Der Sekundäranspruch ist im deutschen Zivilrecht ein anspruchsbegründender Rechtsbegriff, der typischerweise im Anschluss an eine Pflichtverletzung oder Nichterfüllung eines Primäranspruchs entsteht. Er umfasst insbesondere Schadensersatz-, Rücktritts-, Minderungs- und Herausgabeansprüche, die den Gläubiger für einen Ausfall oder eine Störung der ursprünglichen Leistung kompensieren sollen. Die genaue Rechtsnatur, Entstehung und Durchsetzbarkeit eines Sekundäranspruchs richtet sich stets nach den spezifischen gesetzlichen Regelungen des einschlägigen Anspruchstyps. Damit bildet der Sekundäranspruch ein zentrales Instrument für die Absicherung vertraglicher und gesetzlicher Rechte im deutschen Zivilrecht.

Häufig gestellte Fragen

Wann entsteht ein Sekundäranspruch im rechtlichen Kontext?

Ein Sekundäranspruch entsteht regelmäßig dann, wenn der ursprünglich bestehende Primäranspruch nicht mehr, nicht wie geschuldet oder nicht rechtzeitig erfüllt werden kann. Dieser Übergang vom Primär- zum Sekundäranspruch ist insbesondere im Schuldrecht von Bedeutung, beispielsweise bei Leistungsstörungen wie Unmöglichkeit (§ 275 BGB) oder Verzug (§ 280 ff. BGB). Der Sekundäranspruch ersetzt oder ergänzt dann den ursprünglichen Erfüllungsanspruch und kann sich beispielsweise in Form von Schadensersatz, Rücktrittsrecht oder Aufwendungsersatz manifestieren. Kennzeichnend ist, dass der Schuldner nicht mehr wie ursprünglich geschuldet leisten kann oder will, sodass das Gesetz dem Gläubiger einen anderen, nachgelagerten Anspruch zur Verfügung stellt, der regelmäßig auf eine Kompensation in Geld gerichtet ist.

Welche Unterschiede bestehen zwischen einem Primär- und einem Sekundäranspruch?

Der wesentliche Unterschied besteht in deren Rechtsgrund und Funktion. Während der Primäranspruch auf die Erfüllung der ursprünglich vereinbarten Leistung zielt (z. B. Lieferung einer Sache, Zahlung eines Geldbetrags), dient der Sekundäranspruch dazu, den Gläubiger zu schützen, falls diese Leistung nicht, nicht rechtzeitig oder nicht ordnungsgemäß erbracht wird. Der Sekundäranspruch tritt in der Regel an die Stelle des Primäranspruchs und hat häufig Ausgleichscharakter. So sind beispielsweise der Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung (§ 280 Abs. 3, § 281 BGB) oder auf Ersatz vergeblicher Aufwendungen typische Sekundäransprüche, die dem Gläubiger einen ökonomischen Ausgleich verschaffen sollen.

Muss ein Verschulden des Schuldners für das Entstehen eines Sekundäranspruchs vorliegen?

Ob ein Verschulden des Schuldners erforderlich ist, hängt vom jeweiligen Sekundäranspruch ab. Bei vielen Sekundäransprüchen, insbesondere im Bereich des Schadensersatzrechts (§ 280 BGB ff.), ist ein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) notwendige Voraussetzung. Allerdings gibt es auch verschuldensunabhängige Sekundäransprüche, etwa im Falle der anfänglichen Unmöglichkeit (§ 311a Abs. 2 BGB) oder bei Rücktrittsrechten (§ 323 BGB). Hier genügt teilweise bereits die objektive Nichterfüllung oder die objektive Unmöglichkeit der Leistung. Die genauen Voraussetzungen ergeben sich stets aus der einschlägigen gesetzlichen Grundlage des jeweiligen Sekundäranspruchs.

Gibt es eine Pflicht zur Geltendmachung des Sekundäranspruchs, wenn der Primäranspruch entfällt?

Es besteht grundsätzlich keine Verpflichtung, einen Sekundäranspruch geltend zu machen. Der Gläubiger hat jedoch die Möglichkeit, im Falle des Wegfalls oder der Nichterfüllung des Primäranspruchs auf den Sekundäranspruch (z. B. Schadensersatz, Rücktritt, Ersatz vergeblicher Aufwendungen) überzugehen. In bestimmten speziellen Konstellationen können aber Mitwirkungspflichten bestehen, etwa im Hinblick auf die Schadensminderungspflicht nach § 254 BGB, die mittelbar das Entstehen und den Umfang eines Sekundäranspruchs beeinflussen kann. Die Entscheidung, ob und welcher Sekundäranspruch geltend gemacht wird, obliegt grundsätzlich dem Gläubiger.

Welche Rolle spielt die Fristsetzung bei der Entstehung von Sekundäransprüchen?

Die Fristsetzung spielt gerade im Zusammenhang mit Schadensersatz statt der Leistung (§ 281 BGB) oder dem Rücktritt (§ 323 BGB) eine entscheidende Rolle. In der Regel ist zunächst eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung zu setzen, um dem Schuldner noch einmal die Gelegenheit zur ordnungsgemäßen Vertragserfüllung zu geben. Erst nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist kann der Gläubiger auf den Sekundäranspruch übergehen und zum Beispiel Schadensersatz verlangen oder vom Vertrag zurücktreten. Von der Notwendigkeit einer solchen Fristsetzung bestehen jedoch Ausnahmen, etwa wenn der Schuldner die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert oder besondere Umstände vorliegen, die eine Fristsetzung entbehrlich machen (§ 281 Abs. 2, § 323 Abs. 2 BGB).

Welche Rechtsfolgen hat das Bestehen mehrerer Sekundäransprüche nebeneinander?

Oft stehen dem Gläubiger im Falle einer Leistungsstörung mehrere Sekundäransprüche zur Wahl, wie etwa Schadensersatz statt der Leistung, Ersatz vergeblicher Aufwendungen oder Rücktritt. Es handelt sich in vielen Fällen um sogenannte konkurrierende Ansprüche mit Wahlrecht des Gläubigers. Sind die Ansprüche miteinander unvereinbar (z. B. Rücktritt und Schadensersatz statt der Leistung), muss sich der Gläubiger entscheiden. In anderen Fällen (Schadensersatz neben der Leistung und Rücktritt) können Ansprüche auch nebeneinander bestehen. Die konkrete Ausgestaltung und die Möglichkeit der Kumulation oder Exklusivität ergeben sich aus den jeweiligen gesetzlichen Regelungen.

Wie wirken sich Sekundäransprüche auf die Verjährung aus?

Der Beginn und die Dauer der Verjährung von Sekundäransprüchen richten sich grundsätzlich nach den für diese Ansprüche spezialgesetzlich geltenden Vorschriften. Beispielhaft verjähren Schadensersatzansprüche im Regelfall nach drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger (§ 195, § 199 BGB), unabhängig davon, wann der zugrundeliegende Primäranspruch entstanden ist. Besonders zu beachten ist, dass der Wechsel vom Primär- zum Sekundäranspruch zu einer neuen Verjährungsfrist führen kann und der Eintritt der Verjährung des Primäranspruchs nicht zwangsläufig die Verjährung des Sekundäranspruchs bewirkt. Es gilt stets eine genaue Prüfung der jeweiligen Anspruchsgrundlage und der dazugehörigen Verjährungsregelungen.