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Seefischerei

Seefischerei: Begriffsbestimmung und Einordnung

Seefischerei bezeichnet die entgeltliche oder erwerbswirtschaftliche Nutzung lebender Meeresressourcen, insbesondere Fische, Krebstiere und Weichtiere, in marinen Gewässern. Sie umfasst küstennahe und Hochseeaktivitäten, kleine handwerkliche Betriebe ebenso wie industrielle Flotten. Nicht umfasst sind regelmäßig Aquakultur (Meeresfarmen) und reine Binnenfischerei. Freizeit- und Angelfischerei auf See fallen je nach Rechtsordnung gesonderten Regeln zu, stehen aber oft in Wechselwirkung mit der gewerblichen Seefischerei.

Rechtsquellen und Geltungsbereiche

Völkerrechtliche Grundlagen

Meereszonen und Zuständigkeiten

Die Befugnisse zur Nutzung mariner Ressourcen richten sich nach der Einteilung der Meere in Zonen. In Binnengewässern und im Küstenmeer übt der Küstenstaat weitgehende Hoheitsbefugnisse aus. In der ausschließlichen Wirtschaftszone verfügt er über ausschließliche Nutzungsrechte an lebenden Ressourcen und ordnet die Bewirtschaftung. Auf Hoher See gilt die Freiheit der Fischerei, begrenzt durch internationale Regeln und die Zuständigkeit des Flaggenstaats. Der Festlandsockel betrifft vor allem Bodenschätze; die Fischerei spielt hier eine untergeordnete Rolle, abgesehen von bodennahen Arten.

Flaggen-, Küsten- und Hafenstaat

Der Flaggenstaat überwacht die Einhaltung von Vorschriften an Bord seiner Schiffe. Der Küstenstaat regelt Fangrechte in seinen Meereszonen und nimmt Kontrollen vor. Der Hafenstaat prüft im Rahmen von Hafenstaatmaßnahmen Fangdokumente, Einhaltung technischer Vorgaben und kann das Anlaufen und Entladen beschränken, um illegale, ungemeldete und unregulierte Fischerei zu unterbinden.

Regionale Fischereiorganisationen

In vielen Meeresregionen setzen zwischenstaatliche Organisationen Bewirtschaftungsregeln, etwa für wandernde Bestände und Hochseearten. Diese Organisationen legen Fangmengen, Schonzeiten, Fanggeräte-Standards und Kontrollregeln fest. Mitgliedsstaaten übertragen diese Vorgaben in ihr Recht und überwachen deren Umsetzung durch ihre Flotten.

Europarechtlicher Rahmen

Gemeinsame Fischereipolitik

In der Europäischen Union bildet die gemeinsame Regelung für Fischerei und Märkte den verbindlichen Rahmen. Wesentliche Elemente sind die Festlegung zulässiger Gesamtfangmengen, die Zuteilung von Quoten, technische Maßnahmen zur Schonung der Bestände, Kontroll- und Sanktionssysteme, Markt- und Handelsstandards sowie Förderinstrumente für eine nachhaltige Flotte und Verarbeitung.

Nationales Recht

Erlaubnisse, Register und Zuständigkeiten

Die Ausübung der Seefischerei bedarf regelmäßig einer fischereirechtlichen Zulassung und eines gültigen Eintrags im Schiffsregister unter einer Flagge. Zuständig sind je nach Staat See- und Fischereibehörden. Unterschiedliche Regelungen gelten für Küstenfischerei, Hochseefischerei, Verarbeitung an Bord und für besondere Fangarten.

Zulassung, Registrierung und Aufsicht

Fischereilizenzen und Fangrechte

Fischereitätigkeiten setzen eine Lizenz und, soweit einschlägig, Fangrechte wie Quoten oder individuelle Kontingente voraus. Lizenzen definieren Fischarten, Fanggeräte, Gebiete und Zeiträume. Bei Beständen mit geteilten Nutzungsrechten knüpfen die Behörden die Erteilung an verfügbare Fangmengen.

Schiffsregister, Flagge und technische Tauglichkeit

Fahrzeuge der Seefischerei führen die Flagge eines Staates und erfüllen technische Standards zu Stabilität, Ausrüstung und Sicherheit. Bestimmte Fanggeräte und Verarbeitungseinrichtungen unterliegen Zulassungen oder Zertifizierungen durch die zuständigen Stellen.

Datenpflichten und Überwachung

Üblich sind Aufzeichnungspflichten über Fänge, Beifang, Verbleib der Ladung und Fanggebiete. Elektronische Logbücher, satellitengestützte Überwachungssysteme und automatische Identifikationssysteme dienen der Nachverfolgbarkeit und Kontrolle. Meldungen erfolgen vor, während und nach dem Fang sowie beim Anlaufen eines Hafens.

Kontrolle und Vollzug

Kontrollbehörden inspizieren auf See und im Hafen. Maßnahmen reichen von der Sichtung von Fanggeräten und Ladung bis zur Prüfung von Dokumenten und elektronischen Daten. Bei Verstößen sind Zurückweisungen, Beschlagnahmen, Geldsanktionen, Entzug von Lizenzen und Einträge in Sanktionsregister möglich.

Bewirtschaftungsinstrumente

Fangmengenregelung

Für zahlreiche Bestände werden zulässige Gesamtfangmengen festgelegt und Staaten oder Nutzern zugeteilt. Verfügbare Quoten können betrieblich weiterverteilt und transferrierbar sein, abhängig von nationalen Systemen. Ziel ist die Ausrichtung der Entnahme an der langfristigen Reproduktionsfähigkeit der Bestände.

Technische Maßnahmen

Vorgaben betreffen Maschenweiten, Mindestgrößen, Schonzeiten, Fanggerätebeschränkungen, Verbote bestimmter Methoden und Auflagen zur selektiveren Fangtechnik. Diese Maßnahmen dienen dem Schutz juveniler Tiere, der Reduzierung von Beifang und der Schonung sensibler Lebensräume.

Raumbezogene Steuerung

Gebietsbezogene Instrumente umfassen marine Schutzgebiete, saisonale Schließungen, Tiefen- und Abstandsbeschränkungen sowie meeresräumliche Planungen. Sie koordinieren die Fischerei mit anderen Nutzungen wie Schifffahrt, Energiegewinnung und Naturschutz.

Beifang und Rückwürfe

Viele Regime begrenzen Rückwürfe und ordnen die Anlandung unerwünschter Beifänge an, gekoppelt an Ausnahmeregeln. Dokumentationspflichten und Quotenkürzungen bei Verstößen sind verbreitete Steuerungsmechanismen.

Schutz der Meeresumwelt und Arten

Arten- und Habitatsschutz

Geschützte Arten und sensible Lebensräume unterliegen besonderen Fang- und Berührungsverboten sowie Meldepflichten. Internationale Artenschutzabkommen können Handel und Entnahme gefährdeter Arten einschränken. Umweltrechtliche Bewertungen berücksichtigen kumulative Wirkungen der Fischerei auf Ökosysteme.

Nebenwirkungen der Fischerei

Rechtsrahmen adressieren Auswirkungen wie Beifang nicht zielgerichteter Arten, Störungen von Meeresbodensystemen, Lärm und verlorenes Fanggerät. Vorgaben zur Fanggeräte-Kennzeichnung, Bergung und Entsorgung zielen auf die Vermeidung anhaltender Umweltschäden.

Illegale, ungemeldete und unregulierte Fischerei

IUU-Fischerei unterläuft Bewirtschaftungssysteme. Gegenmaßnahmen umfassen Hafenstaatkontrollen, schwarze Listen, Handelssperren, Dokumentationssysteme, Flaggenstaatpflichten und internationale Informationskooperation.

Arbeit, Sicherheit und soziale Aspekte

Seearbeit und Besatzungsstandards

Arbeits- und Sozialstandards regeln Mindestalter, Arbeits- und Ruhezeiten, Verträge, Heuer, medizinische Versorgung sowie Rückführung. Flaggenstaaten und Hafenstaaten prüfen die Einhaltung, teils durch Zertifikate und Inspektionen.

Gesundheit, Sicherheit und Ausrüstung

Vorgaben betreffen Schiffssicherheit, Rettungsmittel, persönliche Schutzausrüstung, Funk- und Notfallsysteme sowie Ausbildungs- und Befähigungsnachweise des Personals. Sicherheitsmanagementsysteme und Unfallmeldungen sind Bestandteil des Aufsichtsrahmens.

Verantwortung an Bord

Schiffsführung und Reederei tragen Verantwortung für Organisation, Betriebssicherheit, Crewmanagement und Einhaltung der fischerei-, arbeits- und umweltrechtlichen Vorschriften.

Markt, Handel und Rückverfolgbarkeit

Vermarktungsnormen und Kennzeichnung

Verkehrsbezeichnungen, Fanggebiet, Produktionsmethode und Art der Gewinnung unterliegen Kennzeichnungspflichten. Vermarktungsnormen definieren Qualitätskategorien, Größenklassen und Präsentationsformen.

Einfuhrkontrollen und Fangzertifikate

Für importierte Erzeugnisse sind Nachweise über legale Herkunft und Fang erforderlich. Behörden prüfen Fangzertifikate, Transportpapiere und Konsistenz mit gemeldeten Fangdaten.

Lebensmittelsicherheit und Hygiene

Hygienestandards regeln Handhabung, Temperaturführung, Verarbeitung an Bord, Eigenkontrollen und Zulassung von Betrieben. Rückverfolgbarkeitsanforderungen sichern die Nachvollziehbarkeit entlang der Lieferkette.

Haftung, Versicherung und Streitbeilegung

Deliktische Verantwortung und Umweltschäden

Schäden durch Fanggeräte, Kollisionen oder Verschmutzungen können zu zivilrechtlicher Haftung führen. Zusätzlich greifen öffentlich-rechtliche Pflichten zur Schadensverhütung, -meldung und -beseitigung.

Verwaltungsrechtliche Sanktionen

Verstöße gegen Fischerei-, Umwelt-, Arbeits- und Sicherheitsvorgaben ziehen verwaltungsrechtliche Maßnahmen nach sich. Dazu zählen Bußgelder, Punkte- oder Sanktionssysteme, Einziehung von Fang, Ausrüstung oder Erlösen sowie zeitweilige oder dauerhafte Lizenzmaßnahmen.

Versicherung und Haftungsbegrenzung

Seefischereifahrzeuge verfügen typischerweise über Haftpflicht-, Kasko- und Schutz- und Indemnitätsdeckungen. In bestimmten Konstellationen gelten Haftungsbegrenzungsregeln des Seerechts, abhängig von Art des Schadens und Tonnage.

Konfliktlösung

Konflikte werden häufig zunächst verwaltungsintern oder im Rahmen von Hafen- und Flaggenstaatverfahren bearbeitet. Internationale Streitigkeiten können über staatliche Konsultationen und Schiedsmechanismen adressiert werden.

Abgrenzungen

Seefischerei, Binnenfischerei und Aquakultur

Seefischerei erfolgt im Meer und unterliegt seerechtlich geprägten Zuständigkeiten. Binnenfischerei betrifft Binnengewässer mit eigenständigen Regeln. Aquakultur ist Zucht und Haltung in kontrollierten Systemen; sie unterliegt primär wasser-, bau-, tier- und lebensmittelrechtlichen Anforderungen.

Forschung, Test- und Nebennutzungen

Wissenschaftliche Fänge, Erprobungen neuer Fanggeräte oder Sammeln von Beifängen zu Forschungszwecken sind gesondert zulassungs- und dokumentationspflichtig. Nebennutzungen wie Verarbeitung an Bord, Transport und Umschlag unterliegen zusätzlichen Bestimmungen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Seefischerei

Welche Gewässer fallen rechtlich unter die Seefischerei?

Erfasst sind Meeresgewässer von inneren Gewässern und Küstenmeer über die ausschließliche Wirtschaftszone bis zur Hohen See. Die konkreten Befugnisse variieren je Zone zwischen Küstenstaat, Flaggenstaat und allgemeiner Hochseefreiheit.

Benötigt jedes Seefischereifahrzeug eine Lizenz?

Die Ausübung der gewerblichen Seefischerei ist lizenzgebunden. Umfang und Art der Lizenz richten sich nach Zielfischarten, Fanggebieten, Fanggeräten und der Zuordnung verfügbarer Fangrechte.

Wie werden Fangquoten zugeteilt?

Aus Gesamtfangmengen leiten sich staatliche Anteile ab, die nationalen Nutzern nach festgelegten Kriterien zugewiesen werden. Üblich sind historische Fangleistungen, Kapazitäten und strukturelle Erwägungen.

Welche Rolle spielt der Hafenstaat bei Kontrollen?

Der Hafenstaat prüft Fangdokumente, Logbücher, Ladung und Ausrüstung, kann das Entladen untersagen und Maßnahmen gegen Schiffe mit Verdachtsmomenten illegaler Fischerei ergreifen.

Sind Rückwürfe grundsätzlich erlaubt?

Viele Regelwerke begrenzen Rückwürfe deutlich. Es bestehen Anlande- oder Dokumentationspflichten, ergänzt um spezifische Ausnahmen etwa bei hoher Überlebenswahrscheinlichkeit oder technischen Unvermeidbarkeiten.

Welche arbeitsrechtlichen Standards gelten an Bord?

Es gelten internationale Mindeststandards für Arbeits- und Ruhezeiten, Verträge, Unterbringung, Sicherheit und medizinische Versorgung, die von Flaggen- und Hafenstaaten überwacht werden.

Wie wird IUU-Fischerei rechtlich adressiert?

Maßnahmen umfassen Identifikation verdächtiger Schiffe, Hafenstaatinspektionen, Dokumentations- und Zertifikatssysteme, Handelsbeschränkungen sowie Koordination über regionale Organisationen und Staatenkooperationen.

Gibt es besondere Regeln zum Schutz bedrohter Arten?

Gefährdete Arten unterliegen Entnahme- und Handelsbeschränkungen sowie Melde- und Sorgfaltspflichten. In Schutzgebieten gelten zusätzliche räumliche und technische Einschränkungen.