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Seediensttauglichkeit


Begriff und rechtliche Bedeutung der Seediensttauglichkeit

Die Seediensttauglichkeit ist ein zentraler Begriff im deutschen und internationalen Seerecht. Sie beschreibt die gesundheitliche Eignung von Seeleuten zur Ausübung eines Dienstes an Bord von Seeschiffen. Die Seediensttauglichkeit bildet eine zentrale Voraussetzung für die Beschäftigung auf Schiffen unter deutscher Flagge und ist Gegenstand umfangreicher rechtlicher Regelungen sowie internationaler Übereinkommen.

Gesetzliche Grundlagen

Nationales Recht in Deutschland

Seearbeitsgesetz (SeeArbG)

Das Seearbeitsgesetz (SeeArbG) sieht in § 12 vor, dass Seeleute nur dann zur Arbeit auf Seeschiffen beschäftigt werden dürfen, wenn sie über eine gültige Seediensttauglichkeitsbescheinigung verfügen. Zweck dieser Regelungen ist der Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Seeleute sowie die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit des Schiffsbetriebs.

Seediensttauglichkeitsverordnung (SeeDTauV)

Detaillierte Bestimmungen zur Feststellung der Seediensttauglichkeit sind in der Seediensttauglichkeitsverordnung (SeeDTauV) geregelt. Diese Verordnung konkretisiert die Anforderungen an die Tauglichkeitsuntersuchung, das Verfahren zur Ausstellung, Beschränkung oder Versagung der Tauglichkeitsbescheinigung und das Widerspruchsverfahren bei ablehnenden Entscheidungen.

Internationales Recht

Maritime Labour Convention (MLC) 2006

Die Maritime Labour Convention (MLC) 2006 der International Labour Organization (ILO) fordert in Regel 1.2, dass Seeleute medizinisch fit für die Aufgaben an Bord sein müssen. Die Bundesrepublik Deutschland hat die MLC ratifiziert und in nationales Recht umgesetzt.

Internationale Standards

Auch weitere internationale Abkommen wie das Übereinkommen über Ausbildung, Befähigung und Wachdienst von Seeleuten (STCW-Übereinkommen) stellen Anforderungen an die Gesundheit und die Prüfung der Seediensttauglichkeit sicher.

Verfahren zur Feststellung der Seediensttauglichkeit

Durchführung der Tauglichkeitsuntersuchung

Die ärztliche Untersuchung zur Feststellung der Seediensttauglichkeit darf ausschließlich von dazu ermächtigten, in einem staatlichen Verzeichnis geführten Ärzten durchgeführt werden. Im Rahmen der Untersuchung werden insbesondere folgende Aspekte geprüft:

  • Seh- und Hörvermögen (einschließlich Farbunterscheidungsfähigkeit)
  • Allgemeinzustand und körperliche Belastbarkeit
  • Herz-Kreislauf-System
  • Psychische Stabilität
  • Infektionskrankheiten und sonstige relevante Vorerkrankungen

Die konkreten medizinischen Anforderungen sind in der Richtlinie für die ärztliche Untersuchung von Seeleuten zur Feststellung der Seediensttauglichkeit des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr detailliert beschrieben.

Ausstellung der Seediensttauglichkeitsbescheinigung

Nach erfolgreicher Untersuchung wird eine Seediensttauglichkeitsbescheinigung erteilt. Klingt die Untersuchung negativ, kann die Seediensttauglichkeit ganz oder teilweise, beispielsweise unter Auflagen oder Beschränkungen, verweigert werden.

  • Die Seediensttauglichkeitsbescheinigung ist grundsätzlich für zwei Jahre gültig.
  • Für Personen unter 18 Jahren beträgt die Gültigkeit maximal ein Jahr.

Inhalt und Form der Bescheinigung

Die Bescheinigung enthält Angaben zur Person, den Untersuchungsbefunden sowie eine explizite Feststellung zur Seediensttauglichkeit oder etwaigen Einschränkungen.

Rechtsschutz und Beschwerdemöglichkeiten

Widerspruchsverfahren

Gegen die Versagung oder Einschränkung der Seediensttauglichkeit besteht die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen. Das Verfahren richtet sich nach den Bestimmungen der Seediensttauglichkeitsverordnung sowie dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG).

Nachuntersuchung und ärztlicher Zweitbefund

Seeleute können im Rahmen des Widerspruchsverfahrens eine Nachuntersuchung durch eine unabhängige ärztliche Gutachterstelle beantragen, sofern Zweifel an der Beurteilung bestehen.

Verwaltungs- und Sozialgerichtliche Verfahren

Im Streitfall besteht, nach Ausschöpfung des Vorverfahrens, der Zugang zu den Verwaltungsgerichten.

Folgen der fehlenden oder eingeschränkten Seediensttauglichkeit

Ein fehlender oder beschränkter Nachweis der Seediensttauglichkeit hat weitreichende rechtliche Konsequenzen:

  • Beschäftigungsverbot: Ohne gültige Seediensttauglichkeitsbescheinigung ist eine Beschäftigung als Seemann rechtlich unzulässig (§ 12 SeeArbG).
  • Von den Sozialversicherungsträgern geforderte Tauglichkeit: Die Seediensttauglichkeit hat Auswirkungen auf Leistungsansprüche gegenüber Versicherungen, insbesondere der gesetzlichen Unfallversicherung.
  • Auswirkungen auf die Schiffsbesetzung: Die Tauglichkeit des Bordpersonals ist eine grundlegende Voraussetzung für die korrekte Schiffsbesetzung und die Sicherheit des Schiffs.

Datenschutz, Haftung und Folgepflichten

Die im Rahmen der Seediensttauglichkeitsuntersuchung erhobenen personenbezogenen Gesundheitsdaten unterliegen dem Schutz des Datenschutzrechts, insbesondere der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und dem Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Die Untersuchungsstellen und Arbeitgeber sind zu einer vertraulichen Behandlung der betroffenen Daten verpflichtet und dürfen sie nur im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften weitergeben.

Kommt ein Arbeitgeber seinen Pflichten zur Überprüfung und Dokumentation der Seediensttauglichkeit nicht nach, können ordnungsrechtliche Sanktionen oder arbeitsrechtliche Konsequenzen folgen.

Internationale Anerkennung

Die von deutschen Behörden ausgestellte Seediensttauglichkeitsbescheinigung wird innerhalb der Europäischen Union und durch Staaten, die die MLC anerkennen, grundsätzlich akzeptiert, sofern sie den anerkannten medizinischen Standards entspricht. Für den Einsatz auf Schiffen unter fremder Flagge können jedoch zusätzliche nationale Anforderungen gelten.

Zusammenfassung

Die Seediensttauglichkeit stellt eine rechtlich verankerte Voraussetzung für die Ausübung von Tätigkeiten an Bord von Seeschiffen dar. Ihr Zweck ist es, die Sicherheit und Gesundheit von Seeleuten zu gewährleisten und den sicheren Schiffsbetrieb zu sichern. Die Feststellung, Bescheinigung und Überprüfung der Seediensttauglichkeit sind umfassend im nationalen und internationalen Recht geregelt. Bei fehlender Tauglichkeit sind Seeleute nicht für den Seedienst zugelassen. Die Einhaltung der Vorgaben ist sowohl für Beschäftigte als auch für Arbeitgeber verpflichtend und rechtlich sanktioniert.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist gesetzlich verpflichtet, eine Seediensttauglichkeitsuntersuchung zu absolvieren?

Für Personen, die an Bord von Seeschiffen tätig sind, besteht nach § 12 des Seearbeitsgesetzes (SeeArbG) eine gesetzliche Verpflichtung zur Seediensttauglichkeitsuntersuchung. Diese Pflicht gilt sowohl für Besatzungsmitglieder als auch für weitere Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit an Bord Leistungen erbringen oder Aufgaben wahrnehmen. Die Untersuchung dient dem Nachweis, dass die betroffene Person der körperlichen und geistigen Beanspruchung des Seedienstes gewachsen ist und weder sich noch die Sicherheit des Schiffs, anderer Personen oder den Schiffsbetrieb gefährdet. Maßgebliche Grundlage für die Tauglichkeitsüberprüfung ist die Seediensttauglichkeitsverordnung (SeedienstTaugV), die konkret regelt, welche Anforderungen zu erfüllen und welche Untersuchungsintervalle einzuhalten sind. Ohne ein gültiges Seediensttauglichkeitszeugnis ist die Beschäftigung an Bord eines deutschen Seeschiffes nicht zulässig, eine Zuwiderhandlung kann arbeits- und bußgeldrechtliche Konsequenzen zur Folge haben.

Welche rechtlichen Anforderungen bestehen an die Durchführung der Seediensttauglichkeitsuntersuchung?

Die Durchführung der Seediensttauglichkeitsuntersuchung ist in der Seediensttauglichkeitsverordnung (SeedienstTaugV) rechtlich präzise geregelt. Die Untersuchung darf grundsätzlich nur von hierfür anerkannten ärztlichen Sachverständigen (Seediensttauglichkeitsärzten) vorgenommen werden, deren Anerkennung durch das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) erfolgt. Zu den rechtlichen Anforderungen gehört, dass die Untersuchung nach standardisierten medizinischen Vorgaben erfolgt, die in der Anlage zur SeedienstTaugV niedergelegt sind. Zu prüfen sind u. a. Seh- und Hörvermögen, Herz-Kreislauf-Funktion, Bewegungsfähigkeit, psychische Eignung sowie ggf. weitere spezifische medizinische Voraussetzungen, die sich aus der Bordtätigkeit ergeben. Die rechtlichen Grundlagen schreiben außerdem vor, wie mit Attestierung, Dokumentation und Meldung der Ergebnisse zu verfahren ist, wobei Datenschutz und ärztliche Schweigepflicht zu gewährleisten sind.

Welche Rechtsfolgen hat ein negatives Seediensttauglichkeitszeugnis?

Ein negatives Seediensttauglichkeitszeugnis, also die Feststellung der Untauglichkeit oder nur eingeschränkter Tauglichkeit, hat sowohl arbeitsrechtliche als auch sozialversicherungsrechtliche Folgen. Aus arbeitsrechtlicher Sicht darf ein Betroffener nicht an Bord eingesetzt werden, solange kein positives Zeugnis vorliegt, was im schlimmsten Fall eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses nach sich ziehen kann, sofern keine anderweitige Beschäftigung im Unternehmen möglich ist. Versicherungstechnisch können Ansprüche auf Lohnfortzahlung, Krankengeld oder Verletztengeld tangiert sein, wenn die Seedienstuntauglichkeit auf einen Arbeitsunfall oder eine berufliche Erkrankung zurückzuführen ist. Zusätzlich entfällt in der Regel das gesetzliche Recht auf die Ausübung der Seeschifffahrtstätigkeit, solange die Untauglichkeit besteht.

Gibt es rechtliche Möglichkeiten, gegen ein negatives Seediensttauglichkeitszeugnis Einspruch einzulegen?

Gegen die Entscheidung eines Seediensttauglichkeitsarztes kann die betroffene Person gemäß § 6 SeedienstTaugV binnen einer bestimmten Frist Einspruch einlegen. Der Einspruch ist schriftlich beim Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) einzureichen. Das BSH überprüft dann im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens die ergangene Entscheidung, ggf. unter Hinzuziehung einer weiteren neutralen ärztlichen Begutachtung. Bis zum Abschluss des Einspruchsverfahrens bleibt das negative Zeugnis in seiner Wirksamkeit bestehen, sodass ein Einsatz an Bord rechtlich untersagt bleibt. Sollte das Einspruchsverfahren zugunsten des Antragstellers ausgehen, wird ein entsprechendes positives Tauglichkeitszeugnis nachgereicht, andernfalls bleibt die Entscheidung bestehen, gegen die im Weiteren ggf. verwaltungsgerichtlich vorgegangen werden kann.

Wie lange ist eine Seediensttauglichkeit rechtlich gültig und was ist bei Ablauf zu beachten?

Die rechtliche Gültigkeitsdauer des Seediensttauglichkeitszeugnisses ist in § 5 SeedienstTaugV geregelt. Für Personen ab Vollendung des 18. Lebensjahres beträgt die maximale Gültigkeitsdauer in der Regel zwei Jahre, für jüngere Personen beträgt sie maximal ein Jahr. Das Ablaufdatum ist auf dem Zeugnis vermerkt; nach Ablauf verliert das Zeugnis automatisch seine Rechtsgültigkeit, ein weiterer Dienst an Bord ist danach ohne erneute Untersuchung unzulässig. Wer nach Ablauf versäumt, rechtzeitig ein neues Zeugnis einzuholen, riskiert arbeitsrechtliche Maßnahmen und ggf. Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Reeder oder den Schiffsbetrieb. Eine Fristverlängerung ist nur in gesetzlich vorgesehenen Ausnahmefällen, etwa bei nachgewiesener fehlender Untersuchungsmöglichkeit, zulässig.

Welche besonderen rechtlichen Bestimmungen sind im Hinblick auf Datenschutz und ärztliche Schweigepflicht zu beachten?

Seediensttauglichkeitsuntersuchungen unterliegen dem ärztlichen Berufsrecht, insbesondere der Schweigepflicht nach § 203 StGB und den Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) sowie ggf. der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Ergebnisse, Einzelbefunde und medizinische Daten dürfen ohne ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person nicht an Dritte, einschließlich Arbeitgeber, weitergegeben werden. Der Arbeitgeber erhält ausschließlich die Information, ob der Mitarbeitende als tauglich, bedingt tauglich oder untauglich gilt, jedoch keine Details zu den Gründen oder medizinischen Einzelbefunden. Bei Streitigkeiten zum Datenschutz bestehen Rechtsschutzmöglichkeiten sowohl über die ärztlichen Berufsverbände als auch über die zuständigen Datenschutzbehörden.

Welche Pflichten haben Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Seediensttauglichkeit aus rechtlicher Sicht?

Arbeitgeber sind gemäß Seearbeitsgesetz und SeedienstTaugV verpflichtet, vor Antritt des Seedienstes das Vorliegen eines gültigen Seediensttauglichkeitszeugnisses zu prüfen und dies zu dokumentieren. Zudem sind sie gehalten, betroffene Arbeitnehmer rechtzeitig an bevorstehende Abläufe zum Ablauf der Zeugnisgültigkeit zu erinnern. Darüber hinaus dürfen Arbeitgeber niemanden an Bord beschäftigen, der die gesetzlichen Tauglichkeitsanforderungen nicht erfüllt. Verstöße ziehen erhebliche arbeits- und ordnungsrechtliche Konsequenzen nach sich, einschließlich Bußgelder sowie der Möglichkeit, dass der Betrieb von behördlicher Seite untersagt wird, sofern systematische Verstöße vorliegen.