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Seeaufgabengesetz


Das Seeaufgabengesetz (SeeAufgG)

Das Seeaufgabengesetz (SeeAufgG) ist ein deutsches Bundesgesetz, das zentrale Rahmenbedingungen für die Wahrnehmung und Organisation von Aufgaben der Gefahrenabwehr sowie der Aufrechterhaltung von Sicherheit und Ordnung auf den deutschen Seeschifffahrtsstraßen regelt. Es schafft die rechtliche Grundlage für zahlreiche Aufgaben im maritimen Bereich, insbesondere im Hinblick auf den Schutz menschlichen Lebens auf See, Umweltschutz sowie die Gefahrenabwehr und Gefahrenbekämpfung im Bereich der Bundeswasserstraßen.

Rechtsgrundlagen und Entstehung

Gesetzliche Grundlage

Das Seeaufgabengesetz wurde am 24. Mai 1965 (BGBl. I S. 833), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745), eingeführt. Es dient als Spezialgesetz zur Konkretisierung und Ergänzung anderer Rechtsvorschriften im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf See, etwa des Wasserhaushaltsgesetzes, des Bundeswasserstraßengesetzes oder der Seeunfalluntersuchungsverordnung.

Geltungsbereich

Das Seeaufgabengesetz gilt für die deutschen Seegewässer, insbesondere auf den Bundeswasserstraßen und küstennahen Meeresgebieten der Nord- und Ostsee. Es betrifft das Hoheitsgebiet Deutschlands im Bereich der Seeschifffahrtsstraßen, soweit keine vorrangigen völkerrechtlichen oder europäischen Vorgaben entgegenstehen.

Aufgaben und Zuständigkeiten

Übertragung und Wahrnehmung von Aufgaben

Das Seeaufgabengesetz normiert, welche Aufgaben staatliche Stellen zur Abwehr von Gefahr und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf See wahrzunehmen haben. Die zentrale Aufgabe ist der Schutz menschlichen Lebens sowie der Umwelt auf den deutschen Seegewässern. Hierzu zählen namentlich:

  • Gefahrenabwehr, Gefahrenbekämpfung und Schadensbegrenzung
  • Vorsorgeuntersuchungen und Überwachung im Hinblick auf Gefahrenquellen, insbesondere hinsichtlich Schifffahrt, Unfällen, Havarien, Brand-, Explosions-, Umweltkatastrophen
  • Regelung des Seeverkehrs und Sicherstellung eines reibungslosen Ablaufs (u.a. durch Verkehrslenkung und technische Überwachung)
  • Koordination und Durchführung von Such- und Rettungsmaßnahmen auf See
  • Überwachung der Sicherheit an Bord deutscher Seeschiffe
  • Umweltschutzmaßnahmen auf See, insbesondere Prävention und Bekämpfung von Meeresverschmutzung durch Schiffe

Die Wahrnehmung dieser Aufgaben erfolgt primär durch das Havariekommando sowie das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) und wird von weiteren Stellen, etwa dem Bundespolizei See, unterstützt.

Organisation und Zusammenarbeit

Das Gesetz verpflichtet die zuständigen Stellen zur Koordination und Zusammenarbeit, auch über Ressort- und Bundesgrenzen hinweg. Es enthält Vorschriften über die Errichtung von Koordinierungszentren sowie über die Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Länder, anderer Staaten und internationaler Organisationen.

Besondere Rechtsinstitute und Maßnahmen nach dem Seeaufgabengesetz

Eingriffsrechte und Vollzug

Das Seeaufgabengesetz überträgt den befugten Behörden neben originären ordnungsrechtlichen Eingriffsbefugnissen weiterreichende Rechte, etwa zur Durchsetzung von Maßnahmen gegenüber Schiffen, Reedereien oder anderen betroffenen Personen. Hierzu gehören insbesondere:

  • Betretungs- und Untersuchungsrechte an Bord von Schiffen oder auf sonstigen maritimen Anlagen
  • Anordnungsbefugnisse zur Gefahrenabwehr und zur Einhaltung von Sicherheitsbestimmungen
  • Maßnahmen zur Schadensbegrenzung und Gefahrenbekämpfung einschließlich der Enteignung oder vorübergehenden Inbesitznahme von Gegenständen in Notlagen, etwa Ölsperren oder (notfallbedingte) Einziehung von Schiffen

Verwaltungsverfahren

Das Gesetz regelt das Verwaltungsverfahren bei der Anordnung und Vollstreckung von Maßnahmen nach dem Seeaufgabengesetz teilweise eigenständig und im Übrigen unter Verweis auf das Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) und das Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG). Beschwerden gegen Maßnahmen richten sich im Grundsatz nach den einschlägigen Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Europarechtliche und völkerrechtliche Bezüge

Beziehung zum internationalen Seerecht und Recht der Europäischen Union

Das Seeaufgabengesetz steht im Kontext internationaler und europäischer Regelungen zur Seesicherheit. Es findet Anwendung im Rahmen des internationalen Seerechts (u.a. SOLAS-Übereinkommen, MARPOL-Übereinkommen, UNCLOS) sowie unter Berücksichtigung einschlägiger EU-Regelungen, etwa Richtlinien zur Seeverkehrssicherheit und Meeresumweltschutz. Das Gesetz bezweckt insbesondere die Umsetzung völkerrechtlicher Verpflichtungen Deutschlands zum Schutz menschlichen Lebens und der Meeresumwelt.

Verhältnis zu anderen nationalen Rechtsquellen

Das Seeaufgabengesetz ist im Zusammenspiel mit anderen Rechtsnormen – wie dem Wasserhaushaltsgesetz, dem Umweltrecht, dem Bundeswasserstraßengesetz sowie straf- und bußgeldrechtlichen Vorschriften im Bereich des Seerechts – zu sehen. Es entfaltet insoweit eine koordinierende und ergänzende Funktion, ohne teilweise spezielle Regelungen dieser Gesetze zu verdrängen.

Bedeutung und praktische Anwendung

Funktion und Relevanz

Das Seeaufgabengesetz nimmt eine zentrale Rolle beim Schutz von Leben, Gesundheit und Umwelt auf deutschen Seegewässern ein. Besonders wichtig ist es bei der Prävention und Bewältigung schwerer Seeunfälle, etwa Havarien, Havarieprävention, Ölunfällen oder maritimen Großschadenslagen. Darüber hinaus vereinfacht es die Koordination zwischen zahlreichen Akteuren im maritimen Bereich und schafft Rechtssicherheit für hoheitliches Handeln auf See.

Praxisbeispiel: Einsatz des Havariekommandos

Zu den prominentesten Anwendungen des Gesetzes gehören Großschadensereignisse wie die Koordination von Katastrophenabwehrmaßnahmen bei Havarien großer Schiffe. Das Havariekommando fungiert dabei als zentrale Einsatz- und Koordinierungsstelle und setzt die Rahmenvorgaben des Gesetzes um.

Literaturhinweise und Weblinks

  • Text des Seeaufgabengesetzes (SeeAufgG) bei gesetze-im-internet.de
  • Dieter Kiefer: Seeaufgabengesetz und Seeunfallrecht, in: Schriftenreihe Seerecht und Seeaufsicht, Verlag Schmidt-Römhild, 2022.
  • Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH): Informationen zur Gefahrenabwehr auf See
  • Havariekommando: Jahresberichte und Einsatzbeispiele

Das Seeaufgabengesetz bildet somit eine elementare Grundlage für hoheitliche Aufgaben auf See im Bereich der Gefahrenabwehr, Sicherheit und Umweltschutz auf deutschen Seeschifffahrtsstraßen und nimmt eine Schlüsselposition im deutschen See- und Sicherheitsrecht ein.

Häufig gestellte Fragen

Welche Behörden sind nach dem Seeaufgabengesetz für die Durchführung von Maßnahmen auf See zuständig?

Nach dem Seeaufgabengesetz (SeeAufgG) obliegt die Wahrnehmung der Aufgaben auf See grundsätzlich dem Bund. Die zentrale Aufgaben- und Koordinierungsbehörde gemäß § 1a SeeAufgG ist das Havariekommando, das als gemeinsame Einrichtung von Bund und Küstenländern fungiert. Das Havariekommando nimmt auf der Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung in bestimmten Lagen Einsatzführung und Koordination wahr, insbesondere bei Schadensfällen wie Havarien oder Schadstoffunfällen auf Nord- und Ostsee. Abgesehen davon nehmen Bundesbehörden wie das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), die Bundespolizei See sowie die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) Aufgaben nach dem SeeAufgG wahr. Die genaue Zuständigkeit ergibt sich aus den jeweiligen Spezialgesetzen und der funktionalen Zuweisung im SeeAufgabengesetz, wobei zwischen Gefahrabwehr, Gefahrenabwehr bei besonderen Seeunfällen, Umweltschutz und polizeilichen Aufgaben unterschieden wird.

Wie regelt das Seeaufgabengesetz die Gefahrenabwehr auf See?

Das Seeaufgabengesetz sieht umfassende Regelungen bezüglich der Gefahrenabwehr auf See vor, insbesondere im Hinblick auf die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Nach §§ 1 und 3 SeeAufgG ist der Bund für die Abwehr von Gefahren, die von der Schifffahrt auf den Bundeswasserstraßen der Nord- und Ostsee sowie in den deutschen ausschließlichen Wirtschaftszonen ausgehen, verantwortlich. Erfasst sind Gefahren wie Schiffskollisionen, Ölaustritte oder andere Seeunfälle. Das Gesetz enthält hierzu eine Ermächtigungsgrundlage für die zuständigen Behörden, geeignete Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, Gefahrenbeseitigung und Schadensermittlung zu treffen, wie etwa das Anweisen, Schleppen oder Festsetzen von Schiffen. Die Regelungen stellen sicher, dass die Behörden im Krisenfall schnell und effektiv zur Gefahrenabwehr handeln können, wobei ein abgestuftes Maßnahmenkonzept zur Anwendung kommt.

Welche Eingriffsbefugnisse haben Behörden nach dem Seeaufgabengesetz gegenüber Schiffen?

Das Seeaufgabengesetz weist den zuständigen Behörden weitreichende Eingriffs- und Anordnungskompetenzen zu. Diese Befugnisse umfassen nach § 5 SeeAufgG unter anderem das Anhalten, Festsetzen, Umleiten und gegebenenfalls Abschleppen von Schiffen, wenn dies zur Gefahrenabwehr erforderlich ist. Darüber hinaus können Sachverständige zum Zwecke der Untersuchung und Beweissicherung hinzugezogen werden. Die Behörden dürfen außerdem Schiffsführer zur Herausgabe von Beförderungsdokumenten, Ladepapieren und anderen relevanten Unterlagen verpflichten. Die Maßnahmen sind an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie die Bindung an höherrangiges Recht, insbesondere das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ) und völkerrechtliche Verpflichtungen, gebunden. Zudem gelten spezielle Belehrungs- und Dokumentationspflichten für die amtlichen Maßnahmen.

Wie verhält sich das Seeaufgabengesetz zu völkerrechtlichen Normen?

Das Seeaufgabengesetz steht ausdrücklich unter dem Vorbehalt völkerrechtlicher Normen. Die Anwendung des Gesetzes muss im Einklang mit internationalen Abkommen wie dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ), internationalen Conventions der IMO (International Maritime Organization) sowie bi- und multilateralen Vereinbarungen stehen. Besonders relevant ist dies etwa bei Maßnahmen in der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und auf hoher See, wo die Hoheitsrechte Deutschlands beschränkt sind und spezifischen völkerrechtlichen Bestimmungen unterliegen. Das SeeAufgG nimmt explizit Bezug auf den Vorrang völkerrechtlicher Verpflichtungen, etwa bei der Seenotrettung, dem Schutz fremder Schiffe oder bei Kooperationen im internationalen Umweltschutz.

Welche besonderen Vorschriften gelten hinsichtlich der Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern?

Ein zentrales Element des Seeaufgabengesetzes ist die geregelte Zusammenarbeit von Bund und Ländern, insbesondere mit den Bundesländern mit Nord- und Ostseeküste. Diese Kooperation ist in § 1a und in Verwaltungsvereinbarungen zwischen Bund und Ländern geregelt. Im Falle komplexer Schadenslagen auf See, etwa bei der Abwehr von Großschadenslagen oder Umweltkatastrophen, übernimmt das Havariekommando die Einsatzführung und Koordination. Zudem sieht das Gesetz die Möglichkeit vor, dass Aufgaben, die originär in den Bereich der Länder fallen, im Bedarfsfall vom Bund oder durch Bundesbehörden wahrgenommen werden können. Dies betrifft insbesondere Maßnahmen, die über die bloße Gefahrenabwehr hinausgehen oder einer einheitlichen zentralen Steuerung bedürfen.

Welche Regelungen sieht das Seeaufgabengesetz im Bereich des Zwangs und der Durchsetzung behördlicher Maßnahmen vor?

Zur effektiven Durchsetzung behördlicher Anordnungen nach dem Seeaufgabengesetz sind die zuständigen Behörden berechtigt, unmittelbaren Zwang anzuwenden. Diese Zwangsbefugnisse umfassen sowohl den Verwaltungszwang als auch den polizeilichen Zwang, soweit dies zur Einhaltung von Anordnungen und zur Abwehr von Gefahren notwendig ist. Die Anwendung von Gewalt oder technischen Mitteln ist strikt an die Prinzipien von Verhältnismäßigkeit, Gesetzmäßigkeit und Beachtung der Grundrechte gebunden. Die einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften über die Anwendung von Zwang werden dabei entsprechend herangezogen, sofern das SeeAufgG keine eigenständigen oder abweichenden Regelungen trifft. Besondere Eingriffsmaßnahmen sind darüber hinaus regelmäßig gerichtlich überprüfbar.