See-Unfallversicherung: Begriff, Zweck und Einordnung
Die See-Unfallversicherung ist eine personenbezogene Versicherung, die Unfälle im maritimen Umfeld absichert. Sie richtet sich insbesondere an Besatzungsmitglieder, Lotsen, Servicekräfte auf Offshore-Anlagen, aber auch an Passagiere im Rahmen besonderer Deckungskonzepte. Anders als Sach- oder Haftpflichtdeckungen im Seeversicherungsbereich schützt sie nicht das Schiff oder Ansprüche Dritter, sondern gewährt Leistungen an die versicherte Person oder deren Hinterbliebene nach einem Unfall auf See. In der Praxis wird sie häufig als Gruppenversicherung durch Reeder, Charterer oder Einsatzunternehmen abgeschlossen, kann aber auch individuell bestehen.
Die See-Unfallversicherung ist Teil der Seeversicherung im weiteren Sinn und ergänzt Kasko-, Güter- und Haftpflichtdeckungen. Ihr rechtlicher Rahmen wird durch das allgemeine Versicherungsvertragsrecht, maritimes Recht sowie die vertraglich vereinbarten Versicherungsbedingungen geprägt. Sie dient der finanziellen Absicherung von Gesundheits- und Lebensrisiken, die aufgrund der besonderen Gefahren der Seefahrt erhöht auftreten.
Versicherter Personenkreis, Risiken und Geltungsbereich
Versicherter Personenkreis
Typische versicherte Personen sind Seeleute, technische und nautische Besatzungsmitglieder, Lotsen, Service- und Wartungsteams auf Offshore-Anlagen, Fischereibesatzungen sowie im Einzelfall Passagiere im Rahmen von Reise- oder Charterkonzepten. Versicherungsnehmer ist häufig der Reeder oder Einsatzunternehmer, der eine Kollektivdeckung für alle an Bord tätigen Personen vereinbart. Möglich sind auch personenbezogene Einzelverträge.
Versicherte Ereignisse und Unfallbegriff
Versichert sind regelmäßig Unfälle, also plötzlich von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu Gesundheitsschäden, Invalidität oder Tod führen. Typische Konstellationen auf See sind Sturz-, Schlag-, Quetsch- und Schnittverletzungen, Unfälle bei Manövern, Arbeiten mit Winden und schweren Lasten, Ereignisse im Zusammenhang mit schwerer See sowie Unfälle bei Transfers zwischen Schiff und Offshore-Anlage. Vertraglich können zusätzliche Gefahren wie Seenotrettung, Evakuierung und Bergungskosten mitumfasst sein.
Räumlicher und zeitlicher Geltungsbereich
Der Schutz gilt üblicherweise auf See, in Küstengewässern, in Häfen und an Bord während der Einsatzzeit. Viele Verträge umfassen den unmittelbaren Arbeitsweg an Bord und Landgängen in Hafenzeiten. Der geografische Geltungsbereich wird vertraglich festgelegt und kann auf bestimmte Fahrtgebiete, Jahreszeiten oder Operationstypen begrenzt sein.
Leistungen und Deckungsumfang
Typische Leistungen
Leistungsbausteine umfassen Todesfallleistungen, Invaliditätsleistungen (Kapitalzahlung nach Invaliditätsgrad), Krankenhaustagegeld, Genesungsgeld, Übergangsleistungen, Bergungs- und Rettungskosten, Rückführungskosten sowie kosmetische Leistungen nach Unfällen. Bei Kollektivdeckungen können Lohnfortzahlungszuschüsse und Rehabilitationsleistungen vertraglich vorgesehen sein.
Summen- und Entschädigungsarten
Die Versicherung arbeitet regelmäßig mit festen Versicherungssummen. Bei dauerhafter Beeinträchtigung erfolgt die Entschädigung anhand eines Invaliditätsgrads, der medizinisch festgestellt wird. Für Todesfälle ist eine gesonderte Summe vorgesehen. Tages- und Übergangsleistungen sind meist betrags- und zeitlich limitiert. Sublimits, Wartezeiten und Staffelungen sind üblich.
Zusatzbausteine und Ausschlüsse
Zubuchbar sind häufig Deckungen für Risiken bei Offshore-Transfers, Helikopterflügen, Taucharbeiten oder Arbeiten in extremen Klimazonen. Übliche Ausschlüsse betreffen vorsätzliche Selbstschädigung, grob risikoreiches Verhalten ohne dienstlichen Anlass, Ereignisse unter erheblicher Beeinflussung durch Alkohol oder nicht verordneten Substanzgebrauch, bekannte ernsthafte Vorerkrankungen, die unfallunabhängig zum Schaden führten, sowie Kriegs- und kriegsähnliche Ereignisse, politische Unruhen und Piraterie, sofern nicht ausdrücklich eingeschlossen. Wettkampf- und Regattarennen können gesondert geregelt sein.
Vertragsgestaltung und Prämien
Vertragsparteien und Kollektivdeckung
Bei Kollektivverträgen schließt der Arbeitgeber oder Einsatzunternehmer den Vertrag für den gesamten Personenkreis. Versichert sind dann alle in der Liste erfassten Personen oder alle, die die vertraglich definierten Kriterien erfüllen. Einzelverträge beziehen sich auf namentlich benannte Personen.
Prämienkalkulation und Risikofaktoren
Die Prämie richtet sich typischerweise nach Art und Größe des Schiffsbetriebs, Einsatzprofil (z. B. Hochsee, Offshore, Polarregion), Sicherheitsmanagement an Bord, Crewgröße, Altersstruktur, Qualifikation, Unfallhistorie und vereinbarten Versicherungssummen. Zusätzliche Bausteine und geringere Selbstbehalte erhöhen regelmäßig die Prämie.
Vertragsdauer, Beginn und Beendigung
Gängig sind Jahresverträge mit automatischer Verlängerung oder laufzeitgebundene Projektdeckungen. Beginn und Ende des Schutzes ergeben sich aus Police und Bedingungen. Nach Schadeneintritt, Risikoänderungen oder Nichtzahlung der Prämie können vertragliche Beendigungs- oder Anpassungsrechte bestehen.
Pflichten und Obliegenheiten
Vorvertragliche Anzeige
Vor Vertragsschluss sind gefahrerhebliche Umstände anzugeben, etwa Einsatzart, Fahrtgebiet, Sicherheitsstandards, Crewprofil und relevante Gesundheitsinformationen bei Einzeldeckungen. Unvollständige oder unrichtige Angaben können sich auf den Schutz auswirken.
Sicherheits- und Sorgfaltspflichten an Bord
Versicherungsbedingungen enthalten regelmäßig Vorgaben zur Einhaltung von Sicherheitsstandards, Unterweisungen, Schutzausrüstung und Wartung. Die Beachtung von Verfahren an Bord sowie international anerkannten Sicherheitsmanagementsystemen ist für den Versicherungsschutz bedeutsam.
Schadenanzeige, Mitwirkung und Nachweise
Unfälle sind innerhalb vertraglich bestimmter Fristen zu melden. Erforderlich sind in der Regel Unfallberichte, Logbuchauszüge, medizinische Atteste, SAR-Dokumentation, Zeugenangaben sowie Nachweise über den Einsatzort und die Tätigkeit. Bei Invaliditätsleistungen ist eine ärztliche Feststellung des dauerhaften Gesundheitszustands maßgeblich.
Folgen von Obliegenheitsverletzungen
Die Verletzung vertraglich vereinbarter Pflichten kann zu Leistungskürzungen oder -ablehnung führen, abhängig von Art und Gewicht der Pflichtverletzung und deren Einfluss auf Eintritt oder Umfang des Schadens.
Abgrenzung zu anderen Seeversicherungen
Die See-Unfallversicherung ist von der Schiffskasko- und Maschinenversicherung (Sachschäden am Schiff), der Güterversicherung (Transportschäden an Waren) und der Haftpflichtdeckung (insbesondere über P&I-Club-Deckungen) zu unterscheiden. Während Haftpflichtdeckungen Ansprüche Dritter gegen den Schiffsbetrieb regulieren, richtet sich die See-Unfallversicherung auf Leistungen an die unmittelbar betroffene Person. In der Passagierschifffahrt bestehen daneben separate Haftpflichtanforderungen; eine See-Unfallversicherung kann hier als ergänzende Personenabsicherung konzipiert sein. Überschneidungen mit sozialversicherungsrechtlichen Leistungen werden vertraglich adressiert, etwa durch Anrechnung oder Subsidiaritätsklauseln.
Internationale Bezüge und Streitbeilegung
Anwendbares Recht und Gerichtsstand
In internationalen Konstellationen enthalten Policen gewöhnlich Regelungen zum anwendbaren Recht, zum Gerichtsstand oder zur Schiedsgerichtsbarkeit. Üblich sind maritim geprägte Versicherungsbedingungen, die auf internationale Märkte zugeschnitten sind. Zuständigkeits- und Verfahrensfragen richten sich nach der vertraglichen Vereinbarung und den einschlägigen Kollisionsnormen.
Mit- und Rückversicherung
Bei großvolumigen Risiken sind Mitversicherungen mehrerer Versicherer oder Rückversicherungen üblich. Für den Versicherungsnehmer ändert sich dadurch der Vertragsinhalt nicht; die interne Verteilung der Haftung betrifft die beteiligten Versicherungsunternehmen.
Schadenregulierung und medizinische Begutachtung
Feststellung des Invaliditätsgrades
Die Invalidität wird nach medizinischen Kriterien beurteilt. Maßgeblich sind vertraglich vereinbarte Bemessungsmaßstäbe und Fristen für die Erstfeststellung und mögliche Neubemessung. Grundlage sind ärztliche Gutachten, Untersuchungsberichte und der dokumentierte Verlauf.
Fristen und Leistungsabwicklung
Policen sehen Melde-, Nachweis- und Leistungsfristen vor. Nach vollständiger Beibringung der erforderlichen Unterlagen erfolgt die Leistungsprüfung. Bei Meinungsverschiedenheiten über die Invalidität können vertraglich vorgesehene Begutachtungsverfahren genutzt werden.
Datenschutz und Gesundheitsangaben
Die Bearbeitung verlangt regelmäßig Angaben zu Gesundheit, Einsatzprofil und Unfallhergang. Die Verarbeitung dieser Daten erfolgt auf Grundlage des Versicherungsvertrags und der einschlägigen Datenschutzvorgaben. Für die Einholung medizinischer Auskünfte werden üblicherweise Einwilligungen oder Schweigepflichtentbindungen verwendet, deren Umfang vertraglich beschrieben ist.
Häufig gestellte Fragen
Was umfasst der Begriff See-Unfallversicherung?
Er umfasst eine Personenversicherung, die Unfälle im maritimen Einsatz absichert und Leistungen wie Todesfall- und Invaliditätszahlungen, Tagegelder sowie Rettungs- und Rückführungskosten vorsehen kann. Sie richtet sich an Personen, die auf oder im Zusammenhang mit Seeschiffen und Offshore-Anlagen tätig sind oder reisen.
Wer kann Versicherungsnehmer sein und wer ist versicherte Person?
Versicherungsnehmer sind häufig Reeder, Charterer oder Offshore-Unternehmen, die eine Gruppenversicherung für ihre Besatzung abschließen. Versicherte Personen sind die in der Police erfassten Crewmitglieder oder sonstig tätigen Personen. Einzelpersonen können über gesonderte Policen versichert sein.
Welche Ereignisse gelten als Unfall auf See?
Als Unfall gilt in der Regel ein plötzliches, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis mit Gesundheitsschaden, etwa Stürze, Quetschungen, Verletzungen bei Manövern, Unfälle bei Transfers oder Einwirkungen schwerer See. Der genaue Unfallbegriff ergibt sich aus den Bedingungen.
Welche typischen Ausschlüsse bestehen?
Häufig ausgeschlossen sind vorsätzliche Selbstschädigung, erhebliche Beeinflussung durch Alkohol oder nicht verordnete Substanzen, nicht unfallbedingte gesundheitliche Ursachen, bestimmte Hochrisikoaktivitäten ohne Einbindung in den Bordbetrieb sowie Kriegsereignisse und Piraterie, sofern nicht ausdrücklich eingeschlossen.
Wie verhält sich die See-Unfallversicherung zu P&I-Deckungen?
P&I-Deckungen sind Haftpflichtversicherungen des Schiffsbetriebs gegenüber Dritten. Die See-Unfallversicherung ist eine Personenversicherung mit Leistungen an die betroffene Person oder Hinterbliebene. Beide Deckungen können parallel bestehen und unterschiedliche Risiken abdecken.
Welche Pflichten bestehen nach einem Unfall?
Erforderlich sind fristgerechte Schadenmeldungen, Mitwirkung bei der Aufklärung, Vorlage von Bord- und Unfallberichten, medizinischen Attesten sowie weiteren Nachweisen. Umfang und Fristen bestimmen sich nach der Police.
Wie wird die Invalidität festgestellt?
Die Invalidität wird medizinisch begutachtet und anhand vertraglicher Bemessungsmaßstäbe bewertet. Grundlage sind ärztliche Untersuchungen, Dokumentationen zum Unfallhergang und der Verlauf der gesundheitlichen Beeinträchtigung.
Gilt der Versicherungsschutz auch in ausländischen Gewässern?
Der geografische Geltungsbereich ist vertraglich festgelegt. Viele Policen decken internationale Fahrtgebiete ab, teilweise mit Beschränkungen für bestimmte Zonen oder Einsatztätigkeiten.